Za darmo

Investitionsbericht 2021–2022 der EIB - Ergebnisüberblick

Tekst
0
Recenzje
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Asymmetrische Auswirkungen der Krise gefährden die Konvergenz und Kohäsion

Die Pandemie könnte wirtschaftliche Ungleichheiten in der Europäischen Union vergrößern, weil viele stark betroffene Länder weniger haushaltspolitischen Reaktionsspielraum haben. Besonders anfällig für die Lockdown-Folgen sind Mitgliedstaaten mit einem relativen hohen Beschäftigungsanteil im Sektor der persönlichen Dienstleistungen. Dazu zählen die meisten EU-Länder, deren Staatsverschuldung vor der Pandemie bei 100 Prozent des BIP oder darüber lag. Die Bandbreite zwischen den Refinanzierungskosten verschiedener EU-Länder begann sich vor dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) zu vergrößern und schürte die Sorge vor einer Fragmentierung, wenn das Programm ausläuft.

Die Hilfsmaßnahmen drückten jedoch die Kosten für fast alle EU-Mitglieder, wovon die hochverschuldeten Länder am meisten profitierten. Zwischen Anfang und Ende 2020 sanken die Refinanzierungskosten für fast alle Mitgliedstaaten. Dabei verringerten sich die Zinsspannen für die am höchsten verschuldeten Länder am stärksten. Vor allem die Ankündigung des PEPP und der Aufbau- und Resilienzfazilität zeigten unmittelbar Wirkung.

Gleichwohl schwankten die kurzfristigen wirtschaftlichen Effekte in der Europäischen Union erheblich und könnten langfristige Auswirkungen haben, weil sich die am stärksten betroffenen Länder langsamer erholen. Je nach Bedeutung der einzelnen Sektoren und Strenge der Schutzmaßnahmen ging die Wirtschaftsleistung sehr unterschiedlich zurück. In Frankreich, Italien, Portugal und Spanien schrumpfte das BIP bis Mitte 2020 um 18 Prozent oder mehr. Zudem korreliert die Höhe des anfänglichen BIP-Rückgangs stark mit der anhaltenden Kluft, die seither besteht. Auch Mitte 2021 lag das BIP in den genannten Ländern unter dem Niveau von 2019.

Firmen in einkommensschwächeren Regionen erwarten eher, dass die Pandemie einen anhaltenden Beschäftigungsrückgang nach sich zieht. Insgesamt rechnen 13 Prozent der Unternehmen in Europa damit, in den weniger entwickelten Regionen sind es 19 Prozent. Dabei mag die Sorge über eine beschleunigte Digitalisierung und Automatisierung infolge der Coronakrise eine Rolle spielen. In den schwächeren Regionen erwarten mehr Firmen, dass die Automatisierung Arbeitsplätze kostet, und investieren daher weniger in die Qualifikation ihrer Beschäftigten. Gleichzeitig geben einige Länder, in denen viele einkommensschwache Regionen liegen, tendenziell weniger Geld für eine aktive Arbeitsmarktpolitik aus.

Stärker betroffene Länder gingen mit höherer Staatsverschuldung in die Pandemie …

Staatsverschuldung 2019 und Beschäftigung in persönlichen Dienstleistungen


Quelle: Eurostat, Berechnungen der EIB

Anmerkung: Persönliche Dienstleistungen betreffen die NACE-Codes G bis I (Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Union)

… aber ihre Refinanzierungskosten blieben weitgehend stabil oder sanken sogar

Veränderung der Renditen auf Staatsanleihen im Jahr 2020 und Beschäftigung in persönlichen Dienstleistungen


Quelle: Eurostat, EZB, Berechnungen der EIB

Anmerkung: Die Y-Achse gibt die Differenz der Durchschnittsrenditen auf zehnjährige Staatsanleihen zwischen Dezember und Januar 2020 an

Länder mit dem stärksten BIP-Einbruch in der Pandemie holen nicht auf


Quelle: Eurostat, Berechnungen der EIB

Anmerkung: Die X-Achse gibt die BIP-Veränderung in Prozentpunkten bis zum zweiten Quartal 2021 an (viertes Quartal 2019 = 100)

Länder, die sich am langsamsten erholen, haben die stärkste Konzentration an vulnerablen Firmen


Quelle: EIB-Schätzungen auf der Grundlage von Prognosen der Europäischen Kommission, EIBIS-ORBIS-Datenbasis

Anmerkung: Vulnerabilitätsindikator ist der Durchschnitt des geschätzten Ausfall- und Insolvenzrisikos

Viele europäische Unternehmen nutzen die Erholung als Sprungbrett für strukturelle Veränderungen

Die Pandemie beschleunigt den Strukturwandel, und die Unternehmen in Europa sehen zunehmend Handlungsbedarf bei Digitalisierung und Klimaschutz

Die Pandemie beschleunigt den Strukturwandel der Wirtschaft. Für die meisten europäischen Firmen ist die Pandemie bisher relativ glimpflich verlaufen. Jetzt müssen sie sich allerdings umstellen, nicht zuletzt mit Blick auf die Nachfrage nach ihren Produkten und Probleme mit ihren Lieferketten. Knapp über ein Viertel der Unternehmen in der EU rechnen mit langfristigen Folgen der Pandemie für ihre Lieferketten; 23 Prozent glauben, dass sie künftig einen anderen Produktmix anbieten und neue Wege gehen müssen. Ein Indikator dafür, dass die zyklische Erholung Lieferengpässe verschärft, ist die Beurteilung der Investitionshindernisse durch die Unternehmen. Mit dem Aufschwung sehen deutlich mehr Firmen den Fachkräftemangel, die Energiekosten und die Verkehrsinfrastruktur als Hürde, während sie die Unsicherheit als weniger belastend empfinden.

Weiter an Bedeutung gewonnen hat die Digitalisierung. Rund 55 Prozent der Unternehmen sehen hier infolge der Pandemie langfristig mehr Bedarf. Der Anteil der Firmen, die die digitale Infrastruktur als Investitionshindernis sehen, ist auf 45 Prozent gestiegen.

Die meisten EU-Firmen rechnen mit langfristigen Folgen der Pandemie für ihr Geschäft

Langfristige Coronafolgen – Erwartungen europäischer Unternehmen (% der Firmen)


Quelle: EIBIS 2021

Die Firmen berücksichtigen bei ihren Strategien auch Klimamaßnahmen. Rund 58 Prozent der Unternehmen in der EU sehen sich von den physischen Risiken des Klimawandels betroffen – vor allem in Regionen, in denen es zu Wetterextremen kam. Auch die Risiken, die der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft mit sich bringt, beschäftigen Firmen. Das gilt insbesondere für „braune“ Sektoren (wo vor allem Risiken gesehen werden) und für „grüne“ Sektoren (in denen Firmen eher Chancen wahrnehmen). Die Unternehmen dürften sich künftig noch stärker mit Transitionsrisiken befassen, da sie zunehmend über Emissionen informieren müssen und auch der Finanzsektor verstärkt über sein Portfoliorisiko berichten muss. Hier ist die Größe ein Faktor: Kleinere Unternehmen sind sich der künftigen Herausforderungen weniger bewusst.

Die meisten europäischen Firmen sehen sich vom Klimawandel bereits betroffen


Quelle: EIBIS 2021

Anmerkung: Eindruck der Firmen, ob physische Klimarisiken (wie Extremwetter) sie beeinträchtigen

Die Wahrnehmung der Klimawende bei den europäischen Unternehmen hängt vom Sektor ab


Quelle: EIBIS 2021

Anmerkung: Sektoreinteilung gemäß dem Rahmen der EIB für die Bewertung der Klimarisiken auf Basis des Transitionsrisikos

Viele Firmen müssen ihre Transformation pandemiebedingt beschleunigen

Viele Unternehmen haben ihre Transformationsbemühungen verstärkt – gerade bei der Digitalisierung. Laut der EIBIS-Zusatzbefragung haben 27 Prozent der europäischen KMU im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor die Krise genutzt, um ihre Transformationspläne voranzutreiben. Etwa 46 Prozent der Unternehmen in der EU geben an, digitaler geworden zu sein. Von den Firmen, die noch keine modernen Digitaltechnologien verwenden, nutzten 34 Prozent die Krise, um mit der Digitalisierung zu beginnen. Allerdings zeigt sich, dass die Unternehmen während der Pandemie den leichten Teil des Digitalisierungsprozesses eingeleitet haben. Der Ausbau modernster Digitaltechnik machte 2020–2021 insgesamt keine Fortschritte. Mit rund 61 Prozent der Firmen blieb der Stand unverändert.

Angesichts der globalen Probleme strukturieren europäische Unternehmen auch ihre Lieferketten neu. Aggregierte Daten belegen bereits Veränderungen der Lieferketten, wie beispielsweise eine stärkere Diversifizierung und eine geringere geografische Konzentration von Lieferanten. Den EIBIS-Daten zufolge entwickeln mehr als 30 Prozent der Firmen im Exportsektor und im verarbeitenden Gewerbe pandemiebedingt neue Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, knapp 15 Prozent kürzen ihre Lieferketten.

Die Firmen verstärkten ihre Klimaanstrengungen 2021 wieder. Demnach zahlt sich die Vorreiterrolle der EU beim Klima offenbar aus. Der Anteil der Unternehmen, die in die Bewältigung des Klimawandels investieren, stagniert zwar, allerdings planen jetzt mehr Unternehmen Klimainvestitionen (Anstieg von 41 Prozent auf 47 Prozent), nachdem der Anteil 2020 rückläufig war. In den Vereinigten Staaten haben nur 28 Prozent der Unternehmen bereits investiert, und nur 40 Prozent planen dies. Die regulatorische Verschärfung der Rechenschaftspflicht bei CO2-Emissionen und beim Klimarisiko zeigt offenbar Wirkung: So führen 46 Prozent der EU-Unternehmen Monitoring-Ziele für CO2-Emissionen und den Energieverbrauch ein, und das ist mit Investitionen verbunden. Firmen investieren eher, wenn sie in der Klimawende eine Chance sehen. Dagegen scheinen negative Transitionsrisiken noch nicht voll berücksichtigt oder eingepreist zu sein.

 

Im Export- und verarbeitenden Gewerbe erwarten die Firmen größere pandemiebedingte Auswirkungen auf die Lieferketten und ergreifen eher Maßnahmen als andere Firmen

(% der Firmen)


Quelle: EIBIS 2021

So weit, so gut – aber jetzt drohen Asymmetrien