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Historische Translationskulturen

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Translationskulturelle Vorüberlegungen zur literarischen Übersetzung in der Sowjetukraine:

Die Hürden der Bürokratie

Iryna Orlova

1 Einleitung

Der vorliegende Beitrag widmet sich der Erforschung des Handlungsfeldes Translation in der Sowjetukraine von 1958 bis 1991 und richtet seinen Blick auf das institutionelle Geflecht, das sich rund um die ukrainische Zeitschrift der ausländischen Literatur Vsesvit (Die Welt) ausgebildet hat. Der Untersuchungsraum beginnt 1958 mit der Auflockerung der Politik nach Stalins Tod und endet 1991 mit der Auflösung der UdSSR. Diese Periode in der Sowjetukraine bietet einen historischen Hintergrund, der vom Zusammenspiel unterschiedlicher politischer Kräfte bestimmt wird, die entweder zentral-politische oder national-republikanische Bestrebungen vertraten. Außerdem stellte die sowjetische Epoche ein permanentes Kräftespiel zwischen dem System und dem Individuum dar. Folglich soll im Rahmen dieses Beitrages auf der Grundlage der Analyse der Institutionen und Normen in der Sowjetukraine geklärt werden, wie die Machtverhältnisse und Spielregeln im Handlungsfeld Translation von 1958 bis 1991 die Übersetzungsprozesse beeinflusst haben.

Als heuristischer Zugang wird in dieser Studie das Konzept der Translationskultur (Prunč 1997; 2008) angewendet. Dieses Konzept wurde in der deutschsprachigen translationswissenschaftlichen Literatur breit diskutiert, bedarf aber für seine Anwendung auf spezifische kulturelle Kontexte weiterer Vertiefung. Translationskultur nimmt Übersetzen und Dolmetschen als Ausgangspunkt und wendet sich kulturwissenschaftlichen und soziologischen Fragen zu.

Die literarische Übersetzung ins Russische übernimmt von Anfang an eine wichtige propagandistische Rolle in der UdSSR und wird vom sowjetischen Zentralsystem als Vermittlerin von Ideologie angesehen. In der wissenschaftlichen Literatur wird das Übersetzungswesen in der UdSSR zum größten Teil unter der Perspektive der russischen Übersetzungen konzipiert (Friedberg 1997; Baer 2006; 2011; Menzel 2011; Witt 2011; Sherry 2015; Lygo 2016). Die Autor_innen thematisieren die inhaltliche Kontrolle und Regulierung aller Veröffentlichungen in der UdSSR bzw. in den einzelnen Unionsrepubliken von Seiten der KPdSU. Außerdem verweisen sie auf die Quoten, die die Anzahl sowohl der Werke von russisch-/nicht-russischsprachigen Autor_innen als auch von Autor_innen sozialistischer/kapitalistischer Länder, die in einer Zeitschrift publiziert werden, bestimmen (Eglāja-Kristsone 2012: 343; Monticelli/Lange 2014: 103).

Anderseits sind Studien, die sich mit der Übersetzung in den Unionsrepubliken befassen, noch relativ spärlich: Einzelne Untersuchungen liegen für Estland (Monticelli/Lange 2014), Lettland (Ločmele und Veisbergs 2011; Eglāja-Kristsone 2012) und Azerbaidjan (Brisset 2013) vor. Dadurch, dass in diesen Studien der Faktor der Nationalitäten und der Sprachenpolitik einbezogen wird, schaffen sie eine neue Perspektive auf das Übersetzungswesen in der UdSSR und das politische System im Allgemeinen. Dabei sind Erstveröffentlichungen in der UdSSR in der Regel der russischen Sprache vorbehalten. Deswegen wird Russisch zur „Filter- bzw. Vermittlersprache“ sowohl zwischen den in der UdSSR verbreiteten Sprachen als auch zwischen diesen und anderen Sprachen. Übersetzungen in die Republikssprachen aus zweiter Hand sind insgesamt weit verbreitet; dadurch kommen sie viel später auf den Markt und verlieren damit an Aktualität für das Publikum (Monticelli/Lange 2014: 103).

Bestimmte Aspekte der Übersetzungstätigkeit in der Sowjetukraine wie Mehrsprachigkeit, Nationalitätenfrage, Ausbildung der ukrainischen Translationswissenschaft etc. werden in den Studien von Stricha (Стріха 2006), Šmiger (Шмігер 2009), Chernetsky (2011) und Hofeneder (2013) thematisiert. Arbeiten, die zu einer systematischen Erforschung der Translationskultur (Prunč 1997) in der Sowjetukraine eine Grundlage bieten könnten, sind bisher kaum vorhanden. In diesem Beitrag wird die Spezifik der Translationskultur in der Sowjetukraine anhand einer Fallstudie illustriert, die zum ersten Mal Archivdokumente einer Zeitschriftenredaktion auswertet, um die Steuerungsmechanismen von Übersetzungsprozessen im Detail nachzuzeichnen. Die Zeitschrift Vsesvit, die bis heute monatlich erscheint, eignet sich dafür besonders gut: Sie wird 1925 in der damaligen ukrainischen Hauptstadt Charkiv als Universalillustrierte gegründet und veröffentlicht sowohl fremdsprachige und ukrainische Literatur als auch inländische und internationale Nachrichten. Die Zeitschrift erscheint zwei-, drei- oder viermal pro Monat. In den 1930er Jahren werden die Herausgeber der Zeitschrift Opfer der stalinistischen Verfolgungen, 1934 wird die Redaktion geschlossen.

1958 wird die Zeitschrift zum Organ des Schriftstellerverbands der Ukrainischen SSR. Chruščevs „Tauwetter“, die offizielle Öffnung zum Westen, der Ausbau der internationalen Kontakte und vor allem die Politik der korenizacija (nationale Verwurzelung des kommunistischen Systems) tragen dazu bei, dass eine Zeitschrift in ukrainischer Sprache erscheinen kann. Die Zeitschrift veröffentlicht nicht nur Übersetzungen von Belletristik ins Ukrainische, sondern publiziert auch kritische Artikel über die sozio-politische Situation in der Welt. Von 1958 bis 1991 werden in der Zeitschrift Vsesvit über 4.000 literarische Werke aus 98 Ländern und aus 81 Sprachen übersetzt und veröffentlicht (Микитенко/Гамалій 2004: 710).

Was die Veröffentlichungsmedien generell betrifft, so verfügen die Schriftstellerverbände in den Sowjetrepubliken über eigene Verlage, Zeitungen oder Zeitschriften. Es gibt in den Unionsrepubliken Institutionen, die Übersetzungen in die Republikssprachen publizieren; so etwa in Estland die Zeitschrift Loomingu Raamatukogu und den Verlag Eesti Riiklik Kirjastus, in Georgien die Zeitschrift Mnatobi, in Kasachstan die Zeitschrift Žuldyz, in Lettland die Zeitschrift Zvajzgne und den Verlag Liesma, in Weißrussland die Zeitschrift Polymja. In der Ukraine werden von 1958 bis 1991 Übersetzungen ins Ukrainische von folgenden Verlagen und Zeitschriften veröffentlicht: Verlage Dnipro, Molod’, Ukraїns’kyj pys’mennyk, Zeitschriften Veselka, Vsesvit, Gart, Kyїv, Ranok, Zeitung Literaturna Ukraїna.

Ein wichtiges Merkmal der Zeitschrift Vsesvit besteht darin, dass die Übersetzungen ins Ukrainische aus der Originalsprache, ohne Vermittlungssprache, die üblicherweise Russisch ist, gemacht werden. Keine andere Zeitschrift in einer Sprache der Unionsrepubliken hat dieses Privileg. Die monatliche Auflage bewegt sich zwischen minimal 9.700 (1958) und maximal 66.090 (1977, 1978) (ibid.: 679) und ist vergleichbar mit der Auflage der russischen Zeitschrift Inostrannaja literatura (Fremdsprachige Literatur), deren Höhe zwischen 40.000 und 70.000 liegt (Sherry 2015: 103). Diese hohe Auflage macht die Zeitschrift – gemeinsam mit der Tatsache, dass viele Texte direkt aus dem Original übersetzt werden – zu einer der wichtigsten Informationsquellen in der Ukrainischen SSR, aber auch in den anderen Sowjetrepubliken und für die ukrainischsprachige Diaspora im Ausland, vor allem in Kanada und in den USA.

Dieser Beitrag untersucht die Beziehungen zwischen der Redaktion Vsesvit und den Institutionen und Behörden im Handlungsfeld Translation. Die Daten werden in einen größeren soziokulturellen Kontext einbezogen, um sich aus dieser erweiterten Perspektive der Erforschung der Translationskultur in der Sowjetukraine im Untersuchungszeitraum 1958–1991 anzunähern. Die Rolle der Chefredakteure der Zeitschrift, der Autor_innen und der Übersetzer_innen werden in diesem Artikel bewusst ausgespart, da die derzeitige Datenmenge und die ausgewählte Dokumentenart nur eine unzufriedenstellende Behandlung dieser Akteur_innen zulässt.

2 Theoretischer Rahmen und methodischer Zugang

Translationskultur (Prunč 1997; 2008) thematisiert die institutionelle Steuerung der kulturellen Phänomene, die Machtverhältnisse und den Interessensausgleich zwischen den Handlungspartner_innen. Dadurch wird der Blick auf die Struktur der gesellschaftlichen Institutionen gerichtet. Zentralbegriffe von Prunčs Konzept der Translationskultur sind Normen und Konventionen, durch die der Interessensausgleich der Akteur_innen stattfindet (Prunč 1997: 109). Normen und Konventionen sieht Prunč als kulturkonstitutiv an; sie sind auf lange Sicht angelegt und können je nach konkreter Translationssituation und jeweiliger Machtkonstellation auftreten (Wolf 2010: 23). Aus dieser Perspektive werden in dem Beitrag die Einflussbereiche der Institutionen und die Beziehungen zwischen den Akteur_innen im Handlungsfeld Translation in der Sowjetukraine erläutert. Besonderen Wert legt diese Fallstudie auf die kulturspezifischen Formen der Normsetzung und auf ihre Funktionsweise in der Kultursphäre der Sowjetukraine.

Das Konzept der Translationskultur erlaubt ein reflexives Modell zu gestalten und dadurch das dichotomische Denken in der Kultur- und Geschichtsforschung zu überwinden. Das politische System in der UdSSR wird oft als „Totalitarismus“ bezeichnet und die gesellschaftlichen und kulturellen Praktiken der sowjetischen Zeit erhalten das Attribut „total“: „totale Zensur“, „totale Kontrolle“, „totale Ideologie“. Diese Interpretationen sind oft überdeterminiert und lassen keinen Platz für Zwischenlösungen. Die tatsächlich vorhandenen vielfältigen Formen, den „totalen“ zentralistischen Monolog zu unterbrechen und einen kulturellen Dialog zu etablieren (Monticelli/Lange 2011: 95), bleiben oft außerhalb des wissenschaftlichen Blickes. Translation als Forschungsbereich bietet viele Möglichkeiten, um einen interpretativen Zugang zur Beschreibung der kulturellen Praktiken zu eröffnen.

 

Die Daten für den vorliegenden Beitrag stützten sich vorrangig auf die Bearbeitung von Archivmaterialien aus dem Staatlichen Zentralarchiv-Museum für Literatur und Kunst in der Ukraine. Das Korpus bilden Archivmaterialien aus dem Fond 806 („Redaktion der Zeitschrift Vsesvit“), und zwar Briefwechsel mit Behörden, Inlands- und Auslandsorganisationen im Zeitraum von 1958 bis 1989. In Briefform werden unterschiedliche Dokumentarten übermittelt: das Konzept der Zeitschrift, Anordnungen von Behörden, Pläne der Redaktion, Budgets der Redaktion, Berichte über die Redaktionsarbeit, Belege über die Auszahlung von Honoraren, Austauschprogramme mit Auslandsorganisationen, Berichte über Reisen ins Ausland und Besuche ausländischer Gäste.

Der Bestand der Dokumente ist nach den Jahren ungleichmäßig verteilt: 1958 erfolgte die Neugründung der Zeitschrift, es gibt 45 Seiten Briefwechseldokumente aus diesem Jahr; aus den 1960er Jahren sind keine Briefe mit den Behörden vorhanden; aus den 1970er Jahren gibt es 1.318 Seiten Dokumente; aus den 1980er Jahren 208 Seiten. Die Unregelmäßigkeit des Bestandes hängt offensichtlich mit der Figur des Chefredakteurs zusammen. Aus den Jahren 1958–1971 (Chefredakteur Oleksij Poltorac’kyj) stehen die Gründungsdokumente zur Verfügung, und Redaktionsgutachten zu Übersetzungen, Briefwechsel mit Autor_innen und Notizen des Chefredakteurs. Die Periode von 1971 bis 1978 (Chefredakteur Dmytro Pavlyčko) ist am breitesten dargestellt. Der Briefwechsel mit Behörden und Institutionen ist in 4 Akten aufgeteilt: 1. Briefwechsel mit Behörden innerhalb der UdSSR, 2. Briefwechsel mit ausländischen Institutionen, 3. Internationale Beziehungen, 4. Briefwechsel mit der Allunionsagentur für die Urheberrechte1 und dem Verlag Radjanskyj pys’mennyk bezüglich der Honorare. In den den Jahren 1980 bis 1991 (Chefredakteure Vitalij Korotyč und Oleg Mykytenko) wird der inländische und ausländische Briefwechsel in einem Akt dargestellt.

Die Quellen werden nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung untersucht. Laut Glaser und Strauss (1998) ist damit der Punkt im Verlauf einer Analyse gemeint, an dem sich durch zusätzliche Daten, zu den bereits gewonnenen hinzu, keine neuen Kategorien und damit keine neuen Erkenntnisse ergeben. Zuerst werden alle Archivdokumente nach Institution und Thematik sortiert. Die Textstellen, die die Beziehungen und Verhältnisse zwischen der Redaktion Vsesvit und den Behörden erhellen, werden exzerpiert und beschlagwortet. Im Zuge der anschließenden Interpretation dieser Daten werden die Regelmäßigkeiten der identifizierten Handlungen der Akteur_innen im Translationsfeld herausgearbeitet und auf Basis translationswissenschaftlicher Konzepte wie Normen, Konventionen, Machverhältnisse, Interessens- und Machtausgleich (Prunč 1997, 2008) diskutiert.

3 Institutionen im Handlungsfeld Translation in der Sowjetukraine

Im Mittelpunkt der Studie steht die Struktur des Handlungsfeldes Translation und ihre Akteur_innen. Letztere ergeben sich aus der Analyse der Adressat_innen und Adressant_innen des Briefwechsels zwischen der Zeitschrift Vsesvit und den Behörden und werden in Tabelle 1 dargestellt.


Tabelle 1: Kontakte der Zeitschrift Vsesvit innerhalb der UdSSR

Die Institutionen, die sich aus den Briefkontakten ergeben, sind ihrer politischen Stellung nach aufgeteilt: politische Macht, Exekutivgewalt, gesellschaftliche Organisationen und andere juridische und private Personen. In der Tabelle werden alle einschlägigen Institutionen aufgezählt, unabhängig von ihrer konkreten Bedeutung für die Zeitschrift Vsesvit und von der Regelmäßigkeit der Kontakte. Die Tabelle gibt einen Überblick über das ganze Geflecht der Beziehungen, die eine Zeitschrift in der Sowjetukraine für ihre Tätigkeit unterhält. Anschließend werden die Institutionen, deren Funktionen die Zeitschrift Vsesvit am stärksten beeinflussen und mit denen die Zeitschrift am häufigsten in Kontakt tritt, näher beschrieben. Diese Institutionen werden für die Erschließung der Regelmäßigkeiten in den Beziehungen zwischen den Akteur_innen im Translationsfeld von besonderem Interesse sein.

Der Ministerrat der UdSSR – die Regierung der UdSSR – übt die Exekutivgewalt aus. Ihm sind die Ministerräte der Unionsrepubliken unterstellt, z.B. der Ministerrat der Ukrainischen SSR. Fachministerien oder Fachkomitees vertreten eine bestimmte Branche: Für die Literatur sind das Komitee für Druckwesen und die Hauptverwaltung für Angelegenheiten der Literatur und des Verlagswesens (Glavlit) zuständig. Glavlit verbietet oder erlaubt, bestimmte Werke oder Autor_innen zu veröffentlichen, bestimmt die Auflage der Zeitschrift Vsesvit, führt die Kontrolle durch und verhängt Sanktionen, wenn die Normen nicht eingehalten werden.

Die Kommunistische Partei der UdSSR nimmt in der UdSSR eine exklusive Stellung ein. Laut der Verfassung der UdSSR ist sie „rukovodjaščej i napravljajuščej siloj sovetskogo obščestva, jadrom ego političeskoj sistemy, gosudarstvennyh i obščestvennyh organizacij“1 (Verfassung der UdSSR vom 7. Oktober 1977, Artikel 6). Die Kommunistische Partei hat ihre Organisation mit dem zugehörigen Apparat in jeder Unionsrepublik, z.B. die Kommunistische Partei der Ukrainischen SSR. Sie hat Abteilungen, die die Zeitschrift Vsesvit unmittelbar betreffen: Agitation und Propaganda, Wissenschaft und Kultur, Auslandskommission. Die Partei koordiniert und genehmigt die Inhalte der Zeitschrift Vsesvit, ihre Auslandkontakte, Personalpolitik und die Finanzen.

Die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Organisationen wirken entsprechend den in ihren Statuten festgelegten Aufgaben. Für das Literaturwesen wird der Schriftstellerverband der UdSSR gegründet, der wiederum seine republikanischen Ableger hat, z.B. den Schriftstellerverband der Ukrainischen SSR. Der Verband hat auch eigene Publikationsmedien, z.B. die Zeitschrift Vsesvit oder den Verlag Radjanskyj pys’mennyk. Bis 1973 untersteht dem Schriftstellerverband der UdSSR auch die Allunionsverwaltung für den Schutz der Autorenrechte, die für die Genehmigung der Urheberrechte verantwortliche Institution (später wird sie zu einer selbstständigen Institution, der Allunionsagentur für Urheberrechte). Der sowjetische Schriftstellerverband unterschied sich grundsätzlich von Berufsorganisationen der demokratischen Länder, die freiwillige Vereinigungen zum Schutz der Berufsinteressen sind. Der Schriftstellerverband wird von der Kommunistischen Partei gesteuert, er übernimmt die Vermittlungsrolle zwischen Partei und Zeitschrift und wird für Vsesvit in allen Fragen ihrer Tätigkeit die erste Anlaufstelle.

Eine andere für die Zeitschrift Vsesvit wichtige gesellschaftliche Organisation ist die Ukrainische Gesellschaft für kulturelle Kontakte mit dem Ausland. Die Organisation ist eine republikanische Abteilung der Allunionsgesellschaft für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland (VOKS) und organisiert die Begleitung ausländischer Touristen auf Reisen durch die Ukrainische SSR, Reisen ins Ausland für Sowjetbürger, Einladungen ausländischer Künstler in die Ukrainische SSR, den Austausch von Büchern ukrainischer Autor_innen mit ausländischen Bibliotheken (F. 806, Op. 1, Spr. 1, L. 29–35. 1958). Sie ist eine der Co-Gründerinnen der Zeitschrift Vsesvit, die somit auch zu ihrem „Sprachrohr“ wird. Die Organisation kann daher bei den Veröffentlichungsplänen mitsprechen und Personalpolitik wie Auslandskontakte beeinflussen.

Ein weiterer Mitbegründer der Zeitschrift Vsesvit ist das Ukrainische republikanische Komitee der Friedensbewegung. Laut Statut vertritt und verbreitet das Komitee die Ideen des Friedens, der friedlichen Koexistenz und Abrüstung sowie der Stärkung der internationalen Beziehungen im Kampf gegen den Imperialismus. Bei besonderen Anlässen und Jubiläen übermittelt das Komitee an die Redaktion inhaltliche Empfehlungen (F. 806, Op. 1, Spr. 361, L. 12–13. 1972; F. 806, Op. 1, Spr. 1193, L. 18. 1978).

Andere juridische Personen, wie der Verlag Dnipro, das Staatliche Zentralarchiv-Museum für Literatur und Kunst der Ukrainischen SSR, Bibliotheken, Universitäten und wissenschaftliche Institute, wie auch ausländische Botschaften, sind keine übergeordneten Behörden, sondern ihrem Status nach gleichgestellte Partner, mit denen die Zeitschrift Vsesvit aufgrund gemeinsamer kultureller Interessen kooperiert. Die Nachrichtenagentur TASS, die Post der UdSSR oder die für die Distribution von Printmedien verantwortliche Organisation Sojuzpečat’ sind öffentliche Unternehmen, die zuständig sind für die Verbreitung von Informationen über die Zeitschrift Vsesvit und ihre Distribution.

4 Mechanismen der institutionellen Steuerung von Übersetzung in der Sowjetukraine

Die Regulierung der gesellschaftlichen Beziehungen erfolgt im Allgemeinen durch Normen und Konventionen. Prunč sieht diese als soziokulturelle Mechanismen, die in demokratischen Gesellschaften einvernehmlich vereinbart, in autoritären aber durch gezielte Maßnahmen eingesetzt werden (Prunč 2008: 26). Die Funktionsweise der ideologischen Steuerung in einem Staat ist komplex. Für die UdSSR unterscheidet Sherry vier Etappen der Zensur:

[T]he first stage occurred when foreign items arrived in the country and were examined by the censors at the post office, who decided whether to destroy, release or secretly store them. At the second stage, editors, guided by institutions such as the Central Committee and the writers’ union, decided what should be published. […] The third and fourth stages of censorship occurred during the translating and subsequent editing of texts. (Sherry 2015: 7f.)

Die Autorin zeigt damit, dass vom Import der Literatur, ihrer Übersetzung und bis zu ihrer Veröffentlichung explizite (durch Normen) und habitualisierte (durch die Akteur_innen selbst) Formen der Zensur auftreten. In diesem Beitrag werden nur die expliziten Formen wie Vorschriften, Einschränkungen, Kontrolle oder Förderung betrachtet. Durch diese Maßnahmen können die Akteur_innen direkt oder indirekt beeinflusst werden. Mit direktem Einfluss sind jene Maßnahmen gemeint, die unmittelbar die professionelle Tätigkeit betreffen. Im Fall einer Zeitschrift sind das die Auswahl der Literatur und ihr Erwerb, Fragen des Stils von Übersetzungen oder des Urheberrechts. Indirekte Maßnahmen beziehen sich auf die Arbeitsbedingungen, Personalpolitik, Finanzen, den Absatz, Reisen und Auslandsbesuche.