HIMMEL UND ERDE

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Ich denke an deine Geschichte von den Monstern in unseren Körpern und Köpfen und jetzt wird mir auch kalt. War das eine Warnung?

»Gehen wir essen?«, frage ich in einem letzten Versuch, die Normalität zu wahren.

Du schüttelst den Kopf. Ich kann sehen, wie du dich anspannst. Bereit zum Sprung.

»Nimm bitte die Maske ab!«, flehe ich. »Nur für einen Moment. Hier gibt es so viele Nanas, ich …«

Wieder ein Kopfschütteln. Ich lasse von dir ab, mache einen Schritt zurück, vergrößere den Abstand zwischen uns. Du bittest mich nicht, zu bleiben. Alles an dir, deine ganze Haltung ist anders, als ich es von dir kenne. Ich bekomme Angst vor dir. Gehe noch einen Schritt zurück.

Das kann nicht sein!, schelte ich mich innerlich. Es gibt keine Monster, und wenn es welche gäbe, dann ganz sicher nicht dich! Du hast einen schlechten Abend, nicht mehr und vielleicht hatten wir einfach beide zu viel Schnaps.

Doch dann schaue ich dir wieder in die Augen – Nanas Augen – und ich glaube mir nicht. Das bist nicht du. So bist du nie zu mir gewesen.

»Bitte, nimm die Maske ab!«, flehe ich noch einmal.

Während ich versuche, zu entscheiden, ob ich schreien oder wegrennen soll, knurrt unaufhörlich mein Magen. Ich versuche, dich nicht aus den Augen zu lassen, wie du mir sprungbereit gegenüberstehst. Aber das Blut beginnt, mir in den Ohren zu rauschen, und macht die Konzentration schwer.

Wieder spüre ich das statische Kribbeln meiner Maske. Ich weiß, dass es nicht sein kann, dass du schützend neben mir stehst, aber ich schaue dennoch zur Seite. Ich schaue zur Seite und direkt in meine Augen. Rote Augen. Ich erstarre.

Mein Gesicht mir gegenüber erstarrt ebenfalls. Wieder ein Kribbeln und mein Gesicht verschwindet hinter einer Kuckucksmaske. Ein weiteres Kribbeln und es kehrt zurück. Rotäugig. Fremd. Die Wand ist ein Spiegel, wird mir klar. Mein Magen knurrt.

Ich schaue zu dir zurück. Angst spiegelt sich in deinen Augen – Nanas Augen. Du bist immer noch du, erkenne ich jetzt. Du bist nicht anders als sonst, nur wachsamer, erschrockener. Du fürchtest dich. Und du riechst immer noch so gut!



Blume


Ich male dir ein Bild von mir | Saza Schröder

Ich bin noch immer da der sterbende Schwan in mir tanzt ernst und ohne zu taumeln was gäbe ich für eine Kaskade von Atem nicht morgen heute noch ohne Angst vor dem Messer das mir das kalte Herz aus dem Leib schneidet ich male dir ein Bild von mir


Ich bin das warme Land

in das du dich sehen sollst

bin die Sonne die dich brennt

bin der Wind der dich kühlt


Das Blut rauscht die Linde rauscht am Brunnen vor dem Tore rauscht das deutsche Gemüt sie wollen keine Synagoge in ihrer Straße kein Minarett kein Heim für behinderte Kinder die Preise der Doppelhaushälften rauschen in den Keller Rausch Gier Rausch ich male dir ein Bild von mir


Ich bin das Murmeln in fernen Wassern

Bin das Laute und das Leise

Dein Viel und dein Wenig

Dein AllesundNichts


Der fremde Nachbar singt durch das Treppenhaus La Montanara hörst du die Berge sie rufen dich der Postbote bringt wieder kein Lebenszeichen Stau auf allen Fluchtwegen Ohnmacht rauscht durch die Därme ich bin noch immer nicht weg eins zwei drei eins zwei drei Pirouette der sterbende Schwan kommt nicht auf die Spitze ich male dir ein Bild von mir


Ich bin das Jetzt und das Bald

Das NieundNimmer

Das Mein und das FürimmerDein

Bin der rollende Stein


Das Blut rauscht der Wildbach rauscht das deutsche Gemüt die Linde rauscht am Brunnen vor dem Tore ein rauschiges Wildschwein ein müder Tanzschwan das letzte Wort die letzte Reserve der letzte Blick zurück Halali die Jagd ist eröffnet

ich male dir ein Bild von mir


Die Blume der Romantik

blüht nur für dich

In meinem Gesicht



Die Fischerin


Timpe Te | Regina Schleheck

Erst als sie den Inhalt in die Wanne kippte, sah sie ihn zappeln. Die Tragetasche hatte gehalten. Sorgfältig ausgesucht bei ihren samstäglichen Gängen über die Kö. Die Verpackung zählte. Name, Größe, Beschaffenheit. Louis Vuitton war ihre erste Wahl gewesen, aber die Gucci-Version schien ihr dann doch robuster. Und vollkommen ausreichend. Die schmale Form würde beim Laufen nicht so behindern. Die High Heels waren nicht das Problem, die hätte sie ausziehen können. Natürlich wäre ein Rucksack am praktischsten gewesen. Und natürlich hätte sie die Tüte auch bei eBay gekriegt. Aber in der Höhle des Löwen galt es, nicht aufzufallen. Erkundung und Übung. Die Plünnen für die Promenaden bezog sie von eBay. Prada, Lacoste, Joop. Vorher studierte sie die einschlägigen Blättchen: Gala, InStyle, Elle. Bei jedem Bummel ein anderer Fummel und eine andere Frisur. In den Läden erstand sie alberne Accessoires im Sonderangebot, die sie zum Originalpreis vertickte: Strenelle-Beanies mit Strasssteinchen-Logo, mit Federn besetzte Kunstpelzstulpen von Etsy und Picard-Plüschhandtäschchen.

Heute Morgen hatte er ihr schließlich einen Igel verpasst. Mit dem Rasierer. Dass die Perücke wie angegossen saß. Sie hatte an einem zentralen Platz in der Nähe des Bahnhofs ein Taxi genommen. Tarek das Rad. Ein geklautes, das er irgendwo wieder stehen lassen konnte.

Tarek war es, der ihr die Augen geöffnet hatte. Im AK 47 waren sie auf der Tanzfläche zusammengescheppert und – er gab ihr einen aus, sie revanchierte sich – ins Gespräch gekommen. Seine Sprüche hatten sie anfänglich irritiert. Aber seine Bewegungen waren so, dass sie dauernd hingucken musste. Vielleicht lag es auch an den Shots. Sie standen in den Tanzpausen beieinander und ihr dämmerte, wie er tickte. Soweit die Musik es zuließ. Sein Gerede von Ausbeutern und Dreck am Stecken. Von großen und kleinen Fischen. Seine Leidenschaft. Sie wollte es. Wollte ihn. Als sie ihn in ihre Dachgeschosswohnung mitnahm, erzählte er ihr, was sein Name bedeutete. Etwas explodierte in ihr. Am anderen Morgen war er weg, ehe sie aufwachte. »Sorry, Frühschicht«, stand auf dem Zettel an der Kaffeemaschine. Er jobbte bei einem Paketdienst. Sie fror. Ihre Arbeitszeit in der Praxis begann erst um acht.

Je öfter er kam, umso besser kapierte sie seine Wut. Männer waren nicht so weichherzig – nein, dämlich wie Frauen, ließen sich nicht so leicht vereinnahmen.

Ihre Mutter hatte erzählt, wie sehr die Großmutter 1958 mit Soraya von Persien, Ehefrau von Schah Mohammad Reza Pahlavi gelitten hatte, der sie nach sieben Jahren Unfruchtbarkeit in die Wüste schickte. Dass der eigene Mann viel zu früh bei einem Betriebsunfall gestorben war und sie ihre Tochter in der Nachkriegszeit alleine durchbringen musste, war schlimm. Nein, Pech. Das Schicksal der mit einem Millionenvermögen abgefundenen persischen Kaiserin hingegen eine Tragödie, die die Großmutter immer beschäftigt hatte.

Die Mutter weinte, als der englische Thronfolger 1996, nach fünfzehn Jahren, Lady Di schasste, die ihm sogar zwei Kinder geboren hatte, woraufhin die Königin der Herzen ein Jahr später bei einem Unfall zu Tode kam und die Mutter ein zweites Mal tagelang in Tränen aufgelöst war.

Sie selbst hatte 2008 die Schlagzeilen um Susanne von Klatten, geborene Quandt, verfolgt, reichste Frau Deutschlands, die nach achtzehn Ehejahren und drei Kindern von einem Gigolo verführt und erpresst wurde und deren lieblose Ehe den Skandal immerhin noch zehn Jahre überstand. Hatte sie bedauert. Den Stolz der anderen bewundert, die den Typ anzeigte, wissend, dass sich alle das Maul zerreißen würden.

Warum? Warum reagierten Generationen von Frauen empathisch auf Probleme von Frauen, mit denen sie außer dem Geschlecht und sich daraus ergebenden Konsequenzen – Kindern und Ehemännern, die früher oder später nichts mehr von ihnen wissen wollten – nichts teilten? Die oberen Zehntausend schwämmen in Geld, das sie denen, die sie bewunderten und bemitleideten, abgepresst hätten, sagte Tarek. »Blutgeld« nannte er es. »Unser Geld.«

Sein Onkel war als Kind im türkisch-griechischen Grenzgebiet durch eine APM, eine Antipersonenmine, ums Leben gekommen, der Vater hatte ein Bein verloren. Deutsche Landminen aus dem Hause Quandt, den Industriewerken Karlsruhe AG, sagte Tarek. Achtzig Prozent aller Minen töteten Zivilisten, ein Viertel davon Kinder. Die Familie seines Vaters habe sich nach Deutschland durchgeschlagen, nach Dortmund, wo der Invalide später in einem Filter- und Staubabscheiderunternehmen als Pförtner arbeitete, bis er auf dem Hof der Firma von einem zurücksetzenden LKW überrollt wurde, weil er nicht schnell genug zur Seite springen konnte. Ein halbes Jahr, bevor er, Tarek, zur Welt kam.

»Und weißt du, wem die Firma gehörte?«

»Woher sollte ich?«, gab sie zurück.

»CEAG. Sie gehört zum Quandt-Imperium. Vielmehr gehörte. Sie haben sie kurz danach verlagert und später verkauft.«

»Bisschen viel Pech.«

»Bisschen viel Quandt

Es war Samstagnacht, sie lagen im Bett, durch das Dachfenster über ihnen strahlten tausend helle Sterne, während sie sich an ihn schmiegte und den Naturpelz streichelte, der sich auf seiner Brust kräuselte. Was sollte sie auch sagen? »Komm. Lange her.«

 

Er schob ihre Hand weg. »Keiner von denen hat sich je entschuldigt.«

»Was können die denn dafür, was die Alten gemacht haben?«

»Alles, was die geerbt haben – und die schwimmen im Geld! –, hatten die am Krieg verdient. Das Mindeste wäre gewesen, dass sie die Kohle abgeben hätten. Als Entschädigung für die Kinder und Hinterbliebenen von den über tausend Zwangsarbeitern, die für die AFA krepiert sind.«

Sie setzte sich auf. »AFA?«

»He!« Er zog an der Decke, die verrutscht war.

»AFA kenne ich«, sagte sie. »Mein Opa war da.«

»Echt? Und was hat er erzählt?«

»Nix. Der ist kurz nach dem Krieg gestorben. Erzähl du!«

Er legte den Kopf in ihren Schoß und suchte ihren Blick. »Die heißen heute Varta. Damals haben die Batterien für U-Boote gebaut. In einem eigenen KZ, wo Häftlinge mit hochgiftigen Stoffen arbeiten mussten. Jeden Monat sind an die Hundert krepiert.«

»Mein Opa ist an einer Bleivergiftung gestorben.«

Ihr dämmerte, wie er sich fühlte. Die Wut.

Sie selbst hatte sich vorher nie wirklich Gedanken gemacht. Er empfand sich als Gescheiterter. Gescheitert am System. Das Schwache aussortierte, übervorteilte und ausbeutete. Aufgrund seiner Rechtschreibschwäche hatte er die Schule nicht abschließen, nicht studieren können. »Wir sitzen im Pisspott«, sagte er. »Draußen tobt der Sturm und wir träumen davon, reich und mächtig zu sein. Dass ein Wunder passiert. Manntje, Manntje, Timpe Te! Statt in die Hände und den Machthabern ins Gesicht zu spucken!«

Sein Hass richtete sich gegen alles, was dazu angetan war, ihn den Geschäftemachern dieser Welt auszuliefern. Daher trug er nie Marken, kaufte nur das Nötigste beim Discounter, besaß kein Smartphone, keinen Computer, und wenn er über andere Rechner im Internet surfte, nutzte er den TOR-Browser.

Die Kö war für ihn eine No-go-Area. Der Protz. Das Publikum. Schon der Name … Bis er von den Pferdeäpfeln erfuhr. Das fixte ihn an: 1848. Deutsche Revolution. Na ja, hat ja nicht geklappt. Damals hieß sie noch Kastanienallee. Als König Friedrich Wilhelm, der – keine Ahnung, fünfte oder was – in seiner Kutsche da entlang fuhr, wurde er mit Pferdeäpfeln beworfen. Total harmlos. Aber den Düsseldorfern war das so peinlich, dass sie die Straße »Königsallee« nannten, um ihm in den Arsch zu kriechen.

Er grinste. »Vielleicht wollten sie ja gerade, dass man immer daran denken sollte.«

Das Wort »Attentat« hatte seitdem in der Luft gelegen. Als er auf ihrem Smartphone auf den Wikipedia-Eintrag zum Kö-Center stieß, begann sie zu britzeln. »Weißt du, wem das Grundstück gehörte? Den Quandts! Auf dem sogenannten quandtschen Trümmergrundstück wurde der Tempel errichtet, in dem sich heute die Superreichen tummeln. Die Arschlöcher haben sich noch an den Ruinen ihrer Besitztümer doof und dämlich verdient!«

Er erzählte ihr von seinem Plan, und etwas brach in ihr auseinander. Ein Hälfte in ihr schrie: »Nein, bitte nicht!« Die andere: »Ja! Tu’s!«

Letzten Endes blieb ihr keine Wahl. »Nein« hieß die Gewissheit, ihn zu verlieren. Es gab eine Chance. Sie konnte dafür Sorge tragen, dass es gelang. Dass es ein Danach gab.

Sie war diejenige, die so oft in die Höhle des Löwen ging, bis er genau wusste, was wo wann wie ablaufen könnte. Die keinem auffiel. Auf keiner Kamera identifizierbar sein würde und wäre. Die auch ihm helfen konnte, unidentifiziert zu bleiben.

Alles hatte sie versucht, zu bedenken. Zu beachten.

Was sie nicht beachtet hatte: die Fische. Die stumm in dem Aquarium rumschwammen, das den Außenbereich des japanischen Restaurants gegen die Vorbeiflanierenden abgrenzte. Sie hatte auf den Sockel geachtet. Hinter dem sie die Tasche nach dem ersten Knall fallen gelassen hätte, um verschreckt wegzurennen. Er wäre dahinter gehechtet, wie wohl alle sich hinter irgendetwas ducken würden, wenn es knallt, hätte Weste und Mütze entnommen, im Schutz des Sockels blitzschnell gewechselt und sich mit der Tasche unter die anderen gemischt, die in Panik weggelaufen wären.

Stattdessen war sie mit der Tasche weggerannt. Nach dem ersten Knall. Der nicht von ihm kam. Er hatte den großen Fischen lediglich die Lichter auspusten wollen. Ähnlich harmlos wie Pferdeäpfel werfen. Stattdessen wurde ihm das Licht ausgepustet. Sie hatte hinter dem Aquarium in Habachtstellung gestanden, als er sich näherte und auf der anderen Seite Position bezog. Ein harmloser Passant in unauffälliger Weste, Schirmmütze in die Stirn gezogen. Im selben Moment, als er die Pistole zückte und auf die zentrale Deckenleuchte richtete, riss einer der Sicherheitsleute, als harmloser Passant mit unauffälliger Weste getarnt, Schirmmütze in die Stirn gezogen, seine unter der Achsel hervor und schoss. Die Detonation schleuderte Tareks Kopf gegen das Glas. Sie sah in Zeitlupe eine rote Kaskade auf sich zukommen. Die rote Fontäne der Austrittsstelle am Kopf, den rot funkelnden Splitterregen berstender Glaswände, der sich im Aquarium ausbreitete, auf der anderen – ihrer – Seite blitzend zerstob, durchsetzt von einem rotschlierigen Wasserschwall. Der kalte Guss, der sie aus der Millisekundenstarre riss, von oben bis unten durchnässte und in die Tasche schwappte. Sie rannte, wie sie da stand, los. Ihr Schreien, das Stakkato ihrer High Heels mischte sich in das Kreischen und Sohlenklackern der panisch Davonstiebenden, in das Krachen umstürzender Stühle und Aufsteller. Sie erreichte den Ausgang, die Straße, warf sich in ein Taxi, zitternd, nannte zähneklappernd einen zentralen Platz zwei Häuserblöcke von ihrer Wohnung entfernt, die Fragen des Fahrers rauschten an ihr vorbei wie der Verkehr, in den der Wagen sich einfädelte, sie blickte starr geradeaus, selbst als das Auto anhielt, erst als der Mann sie anstupste, zuckte sie zusammen, griff in die Manteltasche, in der der passende Schein steckte, stieg aus und rannte weiter.

Als sie den durchnässten Inhalt der Tasche in die Wanne kippte, sah sie ihn zappeln. Den kleinen Fisch. Der überlebt hatte.

Sie würde ihn Tarek nennen. »Der helle Stern.« Weil er sie erinnerte. Wie der Blick aus dem Dachfenster jede Nacht.

»Allahu akbar«, hätte er geschrien, als er die Pistole zückte, sollte der Sicherheitsmann später aussagen. Zeugen meinten, Ähnliches gehört zu haben. Der Migrationshintergrund schwappte durch die Medien. Eine Verbindung zu einschlägigen terroristischen Gruppierungen ließ sich nicht nachweisen. Genauso wenig wie zu ihr. Eine vollkommen unauffällige Diskobekanntschaft. Ein vollkommen harmloser Anschlag. Ein vollkommen harmloser kleiner Fisch, der für immer stumm bleiben würde.

Irgendwann später verstand sie, dass das »quandtsche Trümmergrundstück« mit einem einfachen »t« geschrieben wurde. Dass die Familie Quandt – die mit dt – mit der Kö gar nichts zu tun hatte, machte die Sache nicht besser.

Die großen Fische nahmen sich nichts.



Durchdieblume


ich traeume, dass ich traeume, also traeume ich mich | blume (michael johann bauer)

oder traeume ich – weil ich blosz traeume, dass ich traeume – nicht in wirklichkeit, sondern sind traum & wirklichkeit, in wirklichkeit, uneins, naemlich zwei, in ihrer absoluten form unerreichbare pole, eventuell auch der individuellen haltung geschuldete interpretationsvarianten, doch ein & desselben? &, unser dasein, flieszt es irgend-wo-wann-wie dazwischen?

jaja, die netten, alten ebenen des traums – aktuell: auszenperspektive, auf mich; wohl & uebles resultat meiner sucht, staendig & fortschreitend meta ueber meta ueber meta ueber meta ueber meta et cetera et cetera et cetera ad infinitum zu haeufen, statt mich einfach mit mir selbst zu identifizieren, weil fuer mich ich nicht beziehungsweise hoechstens als virtuelle partition, die ihre subjektive realitaet aus routinen zieht, existiert –; vielleicht plaene & skizzen in gestalt verschluesselter, den gemeinsamen, von einigen bisweilen objektive wirklichkeit genannten traum mitpraegen wollender & sich dafuer meiner, mich instrumentalisierend, bedienender handlungsanweisungen.

mein traum beginnt – & endet – mit einem bild – mit einem bild von einem bild, das ich zu sehen vermeine, das ich in wirklichkeit zu sehen vermeinte, & nun erinnere ich mich nur noch verschwommen an mein abbild des bildes, das fuer mich ein archetypenueberbordendes abbild meiner selbst darstellt.

betrachte ich mich, versenkt sich mein fokus, leicht unstet ueber die collagenhaft anmutende struktur meines abbildes – dimensionen gingen verloren, markante wesenszuege treten hervor – huschend, etwas asynchron nachhinkend & dennoch schier augenblicklich ins wiederum zu geringeren partikeln zerlegbare spektrum bestimmter, mir des hervorhebens besonders werter elemente. & obleich sich mein gesamtsinn nie aus der reinen auflistung ihn summarisch bildender bestandteile herleiten laesst, gebe ich der versuchung nach & meditiere erst einmal ein wenig ueber die funktionen & eigenschaften mir im jeweiligen erfassungsmoment konkret ins sichtfeld stechender koerper-geist-psyche-transzendenz-chiffren: ich werde zum bild – nicht, indem ich es, willkuerlich wahrheit & fiktion trennend, zu einem spiegelbild reduzierend seitenverkehre & seine links haengen gelassene vergangenheit in meine rechte zukunft verwandle, nein, vielmehr, indem ich mich drehe & einen schritt nach hinten, vollkommen damit verschmelzend, alles sei, an seinem platz, in das bild diffundiere.


zur (analytischen) bestandsaufnahme:


a) der uralte drache: sein tellurisch gedaempfter schrei durchs blanke holzstadium emaniert, ihm immerhin oberflaechlich gewissermaszen aehnelnd – repraesentanten laengst verblassender, lange verklingender physiognomien –, auszergewoehnlich schmackhafte, scharf-wuerzige pilze – von manchem stillen volksmund, ob jener waehrend ihres aberntens lauthals aufkeimenden, leidlich melodioesen pfeifkaskaden, halb scherzhaft drachenorgeln genannt –, deren verzehr – gerne in dicke scheiben geschnitten, mit einer kraeutergeschwaengerten salz-oel-mischung bestrichen schnalzend ueber dem feuer geroestet – vitalisierende & luststeigernde effekte zeitigt. &, lauschen wir dann – in uns hinein – zurueck, vernehmen wir den abgesang einer numinosen stimme, der stimme eines archaischen & geradezu wahllos suchenden heiliger heilender wasser – glorreich ehrfurchtserregender zerpflueger unzaehliger himmel –, welchem via meist fuenf kristalline kanuelen – aberrationen kategorisch vorprogrammiert – periodisch sein seine transparenten adern aetherisch durchpulsendes blut abgezapft &, zum zwecke, weise werke der wandlungen zu verfassen, mithilfe schmaler phiolen aufgefangen wurde – mittlerweile fristet er das schattendasein einer gezaehmten legende, ohne tieferen widerhall.


b) mein arabeskengezierter pseudosonnenkubus: sprang heraus – es dunkelte. schraeg dahinter, aber, wowann ihn die wand entlassen hatte, luzidere lichtschimmer, & unscheinbarer, eine oeffnung zum wesensselbst … egomanisch prahlte der kubus – scharlatan, fetisch, goetzenmaul –: hoeret meine & lediglich meine worte: nichts sei anbetungswuerdig, denn ich. denn ich bin die kraft & das glueck & die herrlichkeit, jawohl!, die erfuellung an sich … & so kniet denn immer nieder, unter mir, in aufrichtigster bewunderung, ihr sinne, damit ich durch euch mich fuer wahr nehmen kann … denn ich bin mir mein eig’ner gott, wenngleich mein ursprung ominoes mir bleibt … sprach & reflektierte, was er dreist auszugeben wagte, fuer seines, dieser mitunter stupide absurdeste informationen wiederkaeuende reaktionsgolem; pfui! & trotz ausdruecklich schmueckender attribute – mit vergnuegen vergleichen, ein ewiger wettstreit, wer die hehreren ideale verfolgt, sich profilierende, nicht beachtend, dass demonstrierte texturen, kaschierend, oft abscheuliche abgruende verbergen – ist er mir ein stets mein handeln mitbestimmender, jedwede abweichung von seinen sturen dogmen schmerzhaft ahndender dorn im fleisch: ein laecherlicher, unvorstellbar rachsuechtiger moralapostel & permanent beobachtender namens – frech vermeintlich oben thronend – ueberich, den ich am liebsten zu reiner dekoration verringern moechte – falls das nachhaltig klappt …


c) brutkissen – lagerstaetten: fernab kulturinduzierten trubels, oasen der gemuetlichkeit – ausrichtung egal, hauptsache –; hier bette ich mein zaehes haupt – bequem à la kommod: kauern, sitzen, liegen – anschmiegen! ballast abwerfen – nicht achtsam einsortieren; armer, armer inventarisierender … –, wegschleudern!; aufgaben abwaelzen. ach je, ach je, ach je, ich leide an akuter faulenzeritis … muss ruhen & vergaengliche kraefte aufzehren, mich verlustieren, daran … merkzettel, explizit fuer mich: rauschmittel helfen ungemein, kritische positionen zu unterdruecken & zu betaeuben, vorerst, & das reicht mir, ich luege!, – vorerst … &, frage, die sorgenwogen, aus dem nacken, der schwafler? – antwort: danach!; betonung auf danach, ergo: nicht jetzt. & gar wunderbar umhuellt mich, eine schuetzende, weich mich isolierende blase – ein traum im traum im traum im traum im traum & so weiter … hey!, & ploetzlich kontempliere ich! – den ursachen entgegen, auf schwingen halluzinogener impulse? – & blase um blase um blase um blase um blase & so fort zerplatzt … das schaumgedoens zu nichts … stopp! – ich gaehne, strecke, rekele mich, erwachend – schuettle von meinen schultern, die last des traums –, & tauche hinab, in einen anderen.

 

d) sechs&zwanzig buchstaebe/-striche, auf dem antlitz des metallischen monds: I frueh verliesz ich den heimischen herd & zog hinaus in die fremde. II ich verlief mich, bar jeglicher wiederkehr, in den profunden gaengen duesterster labyrinthe. III mich lockte, gefangen, aus meinem wahn, just das obskurste okkulte. IIII zwischen blutopfern & ausschweifung’n entledigte ich, mich meiner erbaermlichen jugend. IIIII o furchtbar laeuterte, das mordritual!, dem mein geist zum opfer gereichte. IIIIII bald tauschte ich mut gegen demut mir ein & wurde ein sanfter empfaenger. IIIIIII eines abends, erschoepft, die staubige strasze tanzte ihre letzte tarantella, tribut zollend, dem scharlachrot redundanten niedergangs, betrat ich, unter dem deckmantel des profanen, die verfallenden hallen einer sonderbaren bibliothek. IIIIIIII anstelle von atlanten, enzyklopaedien, folianten & dergleichen lagerten dort unmengen ungefaehr schaedelgroszer silberscheiben. IIIIIIIII ich zoegerte. IIIIIIIIII da wurde ich an die hand genommen & gefuehrt; ich fuehlte kerben, pro scheibe sechs&zwanzig, & eine ungenutzte flaeche, die zwei &, quetschend, vier zusaetzlichen refugium geboten haette. IIIIIIIIIII fortan bedeuteten die kerben mir mein alphabet – spezielle zeichen zu ae, ue, oe & sz fehlten, aus gutem grunde, maximal vager balance wegen fuegte mir sich auf der kehrseite & hinzu. IIIIIIIIIIII ein scharfer schnitt & aufklaffte, meine hirnschale. IIIIIIIIIIIII praezise griffe senkten mir eine verkleinerte version meiner scheibe ins traumgewebe – ich laechelte, dankbar & peinueberflutet, das fragile laecheln des verstehens. IIIIIIIIIIIIII & das war die geburtstunde meiner – mal froehlich beschwingt, mal dunkel erzuernt, mal traurig entzweit, mal reich an humor … – poesie, abgerungen, dem kelch meines herzens. IIIIIIIIIIIIIII scheu praktizierte ich meine kunst, ausschlieszlich des schaffens willen. IIIIIIIIIIIIIIII & erst nachdem ich zunehmend wachsende & bunte sammelsurien mir zusagender texte zu verwalten hatte, hub ich an, sie gen ungewissheit zu verteilen. IIIIIIIIIIIIIIIII dem bluehenden seienden sein gemaesz entschied ich mich recht schnell fuer die bezeichnung blume, ergaenzt durch die koordinaten – bedingte eindeutigkeit; mich auffindbar machend – meines mir von meiner elternseite her verliehenen namens. IIIIIIIIIIIIIIIIII romanartige gebilde entstanden. IIIIIIIIIIIIIIIIIII smalltown – verschollen, dank eines defekten datentraegers; dringend notwendige verlustlektion. IIIIIIIIIIIIIIIIIIII traum von liebe – unter dem einfluss des meines erachtens maechtigsten pflanzengebraeus unserer welt, costa, sierra, selva bereisend, geschrieben. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIII bluetenschein – leben & tod; maerchenanleihen. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII fragmente einer stadt – phantasmagorien, aufbrechen von stringenz, streng kausalen verkettungen & erzaehlschemata, umordnung & synchronizitaet. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII entwurf fuer das (lebendige) buch des nichtlabyrinthischen labyrinths – lesegewohnheiten, aufbau & intentionen wurden neukalibriert. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII an spiel=raum – eine sammlung loser blaetter – arbeite ich inzwischen bereits etliche jahre. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII fluide, metamorphosen unterliegende mosaiksteine eines gesamtwerks, beinhaltend laengeres & kuerzeres, sich widersprechendes & ergaenzendes – ueberschneidungen. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII warum? (IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII – IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII warum warum? – & umgekehrt.)


e) je suis – hinter den malerischen konturen, kontrasten & kulissen nichts zu fassen greifenden verschwindens – un mirage: primaere sequenz, erscheinungsbild & habitus: endlos, die spiralen – das notduerftige beinaheskelett eines einsamen wanderers, wuesteneien durchkreuzend wie kaemmend, gemahnt an handelsbeziehungen, karawanenrouten &, aufschwung kontra abgang, gelegentliche wirtschaftsgelage. traege, knochen knistern stoisch anmut, beschreitet er bruechige pfade beispielsarmer annaeherung, & somnambul; sein relatives ziel, das innerste sanktum des waldes, dessen zentrum – mittelpunkt – fortwaehrend & ueberall & radius nirgends – gleich vice versa … pause, da!, zikadenzirpen … das klatschen einer hand – allerdings!, kein finger-klappen-auf-ballen-wow!-ich-hab’-den-koan-ueberlistet-schmarrn … noe, juhu! & tatsaechlich!: gender- &! sexualtransformation!; der schoepfungsmythos einer individualisierteren aera personaspezifischer identifikationen mittels wunschschleiern & – forstliche, nomenklaturaufloesende melangen – ebensolcher accessoires, punkt. sekundaere sequenz, epidermis & darunter: flores cum laude! es war einmal, eine idee. sie besasz kniekehlen, fuszsohlen, einen bauchnabel, wangen, achselhoehlen, ein lippenbaendchen, nackenhaare, genitalien, zehenkuppen, ohrlaeppchen, augenbrauen, brustwarzen, eine halsschlagader & sonst: nada. mir deucht, mir mangelt es am wesentlichen, dachte sie, bei sich. – halt! – wie kam sie, zu einer derartigen ueberzeugung? – notizen: un) induktion/these: das gruenere gras – neid & adaption –, she wants to fit in; she wants to label herself as beautiful, ravishing, miraculous. dos) deduktion/antithese: makrokosmos = mikrokosmos; beliebigkeit der erscheinungsformen; fraktale. tres) synaesthesie/-these: i am always on my mind – i am always on my … flowering heights! tertiaere sequenz, ein torso staunt im blattwerk, ganz stumm & starr: zaertliche details & farben garnieren die illustre silhouette meines psychedelischen cuerpo delicioso – materialeigenheiten: unaufdringlich; laedt ein, zum verweilen; sachter klimax & welke weit jenseits des spuerbaren horizonts; geheimnissueszes saeuseln & wispern tiefsublimer weisen – fein harmonisch abgestimmt, cosmoscanciones, euphorieparfuemiert; ich erkenne mich, polyglotter, – & nicht mehr …


& uns …? – halten wir, zusamm'n:

ich schaute & schaute & schaute. schlieszlich drang durch die blume in mein allegorisches auge – ich spielte, traumversunken, erratisch anagramme: buch dulde reim &, muerbe ich dud'l, silbenfetzend wirreres. bis! ich drum lebe ich du in mir las. – sofort keifte der pseudosonnenkubus los: verrueckt geworden?!! ein akkusativ muss her – es heiszt nicht du, es heiszt dich! hm …, obwohl … eigentlich liebe … & aehm … du schmunzelst!, & ich lache!

ich lebe du, & du lebst ich – ein jeder sei das andere …


&, epilog:

du traeumst, dass ich traeume, also traeume ich dich

du traeumst, dass du traeumst, also traeume ich dich

du traeumst, dass du traeumst, also traeumst du dich

ich traeume, dass du traeumst, also traeumst du dich

ich traeume, dass ich traeume, also traeumst du dich

du traeumst, dass ich traeume, also traeume ich mich

du traeumst, dass du traeumst, also traeume ich mich

du traeumst, dass du traeumst, also traeumst du mich

ich traeume, dass du traeumst, also traeumst du mich

ich traeume, dass ich traeume, also traeumst du mich

wir traeumen, dass wir traeumen, also traeumen …

wir traeumen, dass du …

ich traeume, dass …