Handbuch des Strafrechts

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a) Der Verstoß gegen die Primärordnung als Mindestanforderung

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In einem ersten Schritt müssen also jedenfalls solche Verhaltensweisen aus dem Bereich der Anstiftung (wie auch der Teilnahme insgesamt) herausfallen, die mit der Rechtsordnung in Einklang stehen. Die Schaffung eines rechtlich erlaubten Risikos kommt schon deshalb als Bestimmungshandlung nicht in Betracht, weil sie in Einklang mit dem Recht steht. Dabei ist als Wertentscheidung des Gesetzgebers aus § 26 StGB abzuleiten und zu akzeptieren, dass die Eigenverantwortlichkeit des Haupttäters einer rechtlichen Missbilligung der Anstiftung nicht prinzipiell entgegensteht.[157]

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Die Diskussion um erlaubte Gefahrschaffungen wird im Bereich der Teilnahme vor allem unter dem Stichwort der „neutralen Beihilfe“ geführt. Die „neutrale Anstiftung“ steht demgegenüber zwar im Hintergrund, aber die von der neutralen Beihilfe bekannte Problemlage besteht, wenn auch mit geringerer praktischer Bedeutung, auch hier:[158]

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Eine Anstiftung hat mangels rechtlich missbilligter Gefahrschaffung insbesondere überall dort auszuscheiden, wo erlaubterweise Informationen weitergegeben werden. So liegt es etwa bei Hinweisen auf die rechtlichen Folgen bestimmter Verhaltensweisen (also beim – zutreffenden – Rechtsrat)[159] oder bei Informationen zu den Risiken unerlaubten Verhaltens. Rechtlich erlaubt ist es etwa, allgemein über die Möglichkeiten, Steuern zu hinterziehen oder Leichen zu beseitigen zu informieren.[160] Erlaubt ist es auch, darüber aufzuklären, dass ein bestimmtes Verhalten wegen fehlender Schuld nicht bestraft werden kann.[161]

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Zweifelhaft erscheint es, unspezifische Anregungen zur Begehung von Straftaten bereits dem erlaubten Verhalten zuzuschlagen. So meint Herzberg, die Aufforderung „eine Bank oder Tankstelle zu machen“, schaffe für sich genommen schon kein rechtlich relevantes Risiko. Der Auffordernde habe die Chancen, „an Geld zu kommen und die von solchen Chancen ausgehende Versuchung nicht vermehrt; er hat insoweit nichts geleistet, was ins Gewicht fallen könnte“.[162] Das dürfte aber nicht richtig sein, weil eine Anregung zum Rechtsbruch auch dann, wenn solche Möglichkeiten allgemein bekannt sind, deshalb nicht schon ohne weiteres rechtlich erlaubt ist, vielmehr als Bestärkung der Entschlussfassung (gegebenenfalls als Beihilfe) rechtliche Missbilligung verdienen kann.[163] Eine andere Frage ist es dagegen, ob das rechtlich missbilligte Risiko hier von der Art ist, das als Anstiftung die tätergleiche Strafe legitimieren kann (dazu Rn. 55 ff.).

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Diskutiert wird die „neutrale Anstiftung“ vor allem mit Blick auf die Frage, ob auch Tatsachenarrangements als Bestimmungshandlungen von § 26 StGB erfasst werden können.[164] Beispielhaft werden hier genannt: Das Öffnen der Gartentür des Nachbarn in der Hoffnung, ein Dieb werde sich dadurch zur Wegnahme des im Garten gestapelten Brennholzes inspirieren lassen; das Nach-Hause-Locken des eifersüchtigen Ehemannes in der Hoffnung, er werde dort seine Gattin in flagranti ertappen und den Liebhaber verprügeln; das Wegwerfen von Geldscheinen durch den fliehenden Bankräuber in der Hoffnung, die Verfolger würden sich lieber die Geldscheine zueignen als die Verfolgung fortzusetzen; das Benennen eines Zeugen in der Hoffnung, dieser werde eine Falschaussage machen.[165]

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Unter dem Aspekt der rechtlich missbilligten Gefahrschaffung lässt sich schnell zeigen, dass allein der äußere Aspekt der Schaffung einer tatanreizenden Situation (versus offener geistiger Kontakt) normativ nicht den entscheidenden Punkt trifft.[166] So wird man weder das Öffnen der Gartentür des Nachbarn noch das Wegwerfen der erbeuteten Geldscheine als rechtlich erlaubtes Risiko oder als sozialkonformes Verhalten ansehen können. Hier wird vielmehr fremdes Eigentum in rechtlich verbotener Weise Gefahren ausgesetzt – womit freilich noch offen bleibt, ob damit auch eine Bestimmungshandlung, also eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung im Sinne von § 26 StGB, gegeben ist. Anders liegt es bei der Benennung eines Zeugen in der Hoffnung, dieser werde falsch aussagen. Die Zeugenbenennung bleibt ein rechtlich erlaubtes Verhalten; die (auch naheliegende, aber nicht durch Beeinflussung hervorgerufene) Gefahr einer Falschaussage macht die Zeugenbenennung als Recht eines Prozessbeteiligten nicht rechtswidrig.[167] Nichts anderes gilt auch für das Nach-Hause-Locken des eifersüchtigen Ehemannes: Ein solches Verhalten ist, ebenso wie die an den Ehemann gerichtete Information über den Seitensprung (die auch das Erfordernis des geistigen Kontakts erfüllen würde) erlaubt.[168] Der Initiator bedient sich keiner Unwahrheiten oder Täuschungen, sondern nutzt lediglich eine Situation, die im Verantwortungsbereich der Ehefrau und deren Liebhaber liegt, die keinen rechtlichen Anspruch darauf haben, nicht vom Ehemann entdeckt zu werden.[169] Das hat nichts damit zu tun, dass der den Ehemann nach Hause Lockende damit Risiken schafft, die über Alltagsrisiken hinausgehen. Es gibt nämlich kein generelles Verbot, Menschen in Situationen zu bringen, in denen der „alltägliche Reizpegel deutlich überschritten“ wird.[170] Es ist Sache des Ehemannes, mit der belastenden Situation fertigzuwerden und nicht Sache des Außenstehenden, dem Ehemann diese Auseinandersetzung zu ersparen. Es kommt eben für das Vorliegen einer rechtlich missbilligten Gefahrschaffung nicht nur auf die Risikohöhe an,[171] sondern auch auf die Berücksichtigung sonstiger Belange und Zuständigkeiten.

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Frisch hat vorgeschlagen, das Vorliegen einer rechtlich missbilligten Gefahrschaffung in den Fällen „neutraler Anstiftung“ davon abhängig zu machen, ob das Verhalten des Anstifters objektiv einen eindeutigen deliktischen Sinnbezug aufweist.[172] Dahinter steht die Überlegung, dass ein Verhalten, mit dem auch erlaubte Zwecke verfolgt werden können, nicht allein deshalb zu einem verbotenen wird, weil es gerade darauf abzielt, einen anderen zur Begehung einer Straftat zu motivieren.[173] Denn damit würde die Handlungsfreiheit aus Gründen eingeschränkt, die allein in der Gesinnung des Akteurs liegen. Auch wenn mit der Handlungsfreiheit des Tatveranlassers ein wichtiger Aspekt angesprochen ist, bleiben Bedenken gegen diese Auffassung: Abgesehen davon, dass durchaus auch die mit einem Verhalten verfolgten Absichten Einfluss auf dessen Erlaubtheit haben können,[174] bleibt die Frage, ob ein Verhalten, das lediglich eine mehr oder minder fernliegende Möglichkeit der Verfolgung nichtdeliktischer Zwecke impliziert, nicht schon wegen der mit ihm verbundenen Gefahren deliktischer Ausnutzung seinen Charakter als erlaubtes Verhalten verlieren kann.[175] Und schließlich bleibt die Frage, welche nichtdeliktischen Interpretationen einzubeziehen sind. So meint Frisch zum Fall des fliehenden Räubers, der erbeutete Geldscheine wegwirft: „anders könnte auch der kaum handeln, der einen Teil der Beute dem Eigentümer wieder zukommen lassen will!“[176] Aber eine Rückgabe auf diese Weise ist, zumal wenn sie lediglich auf einen Teil der Beute bezogen ist, nicht sehr naheliegend und es gibt zuverlässigere und weit eher im Interesse des Eigentümers liegende Möglichkeiten, ihn wieder in den Besitz des Geldes zu setzen, als dieses wegzuwerfen und damit beliebigem Zugriff auszusetzen.

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Zutreffend bleibt freilich die Einsicht, dass ein Verhalten, dessen Zweck sich nach Lage der Dinge allein im Hervorrufen eines deliktischen Tatentschlusses erschöpft, zumindest im Regelfall rechtlich missbilligt ist, weil hier eine Gefahr geschaffen wird, für die es keine vernünftigen Gründe gibt. Selbst das erscheint aber nicht zwingend: Das Arrangieren einer Situation, in der die Wahrheit ans Licht kommt, bleibt auch dann erlaubt, wenn objektiv (oder bei Einbeziehung des Sonderwissens des Täters) die Einsicht in die Wahrheit eine Gewalttat zur Folge haben wird. Frisch will im Fall des nach Hause gelockten Ehemannes, der dort seine Ehefrau in flagranti ertappt, einen eindeutigen deliktischen Sinnbezug ablehnen: „auch wer die Grundlage für eine familienrechtliche Lösung liefern wollte, könnte kaum anders handeln!“[177] Aber einer solchen, eher fernliegenden Deutungsmöglichkeit bedarf es nicht, weil die Primärordnung auch dort, wo alles für eine deliktische Entwicklung des Geschehens spricht, den Veranlasser nicht mit einer Zuständigkeit für diese Entwicklung belasten muss. Es bedarf in einer freien Gesellschaft keiner besonderen Gründe, um zutreffende Angaben machen zu dürfen.

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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Tatsachenarrangements häufig rechtlich nicht missbilligt sind, weil sie von der Handlungsfreiheit des Arrangeurs gedeckt sind. Das ist keine spezifisch strafrechtliche Frage, sondern eine Frage der Verteilung von Verantwortungsbereichen nach der Primärordnung. Auch ein nach der empirischen Erfahrung als sicher zu erwartendes Fehlverhalten kann bestehende Rechtspositionen (wie etwa das Recht zur Benennung eines Zeugen) oder das Recht, die Wahrheit zu offenbaren (wie etwa gegenüber dem „gehörnten“ Ehemann) nicht aushöhlen. Mitunter kann das Arrangieren einer Situation aber auch einen Eingriff in die Rechtssphäre des Opfers dergestalt darstellen, dass der Schutz seiner Rechtsgüter in rechtlich verbotener Weise gelockert und dem Zugriff eines potentiellen Haupttäters geöffnet wird. So liegt es etwa dort, wo fremdes Eigentum in einer den Interessen des Eigentümers zuwider laufenden Weise dem Zugriff Dritter ausgesetzt wird (Öffnen des Gartentürchens; Wegwerfen des geraubten Geldes). Insoweit bleibt aber die nachfolgend zu erörternde Frage, ob auch die spezifisch strafrechtlichen Anforderungen an die rechtlich missbilligte Gefahrschaffung erfüllt sind.

 

b) Die spezifischen Anforderungen von § 26 StGB

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Auch wenn ein Verhalten rechtlich nicht erlaubt ist, ist damit noch nicht ausgemacht, dass es im Sinne des Anstiftungstatbestandes rechtliche Missbilligung verdient, also auch den Tatbestand des § 26 StGB erfüllt. Mit diesem Erfordernis, das sich – soweit es die strafrechtliche Erfassung überhaupt anbelangt – aus dem ultima ratio-Prinzip und – soweit es die spezifische Erfassung durch § 26 StGB anbelangt – aus dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ergibt, stellen sich Abgrenzungsfragen in unterschiedliche Richtungen: Zum einen kann auch ein rechtlich verbotenes Verhalten gleichwohl straflos sein. Zum anderen ist das tatbestandsmäßige Verhalten nach § 26 StGB gegen das nach § 27 StGB abzugrenzen. Und schließlich besteht auch die Notwendigkeit einer Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft nach § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB,[178] die allerdings wegen des Primats der Täterschaft danach zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft vorliegen.

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Unmittelbar aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergibt sich das Erfordernis, von der Frage auszugehen, welche Anforderungen an das spezifische Handlungsunrecht des § 26 StGB sich aus dem Begriff des „Bestimmens“ ergeben. Aus dem Wortlaut wird man jedenfalls eine Bestätigung dafür entnehmen dürfen, dass das Verursachen des Tatentschlusses ein Minimalerfordernis jeder Anstiftung ist.[179] Aber der Wortsinn des Begriffs „Bestimmen“ legt es nahe, dass sich die Anforderungen an das Anstifterverhalten nicht in einem bloßen Ursächlichwerden erschöpfen sollen; dafür spricht es auch, dass das Gesetz gerade nicht den Begriffs des „Verursachens“ gebraucht.[180] Um dem Merkmal des „Bestimmens“ hinsichtlich der Ausführungshandlung überhaupt einen sachlichen Gehalt zu geben, wie ihn auch der Charakter eines Tatbestands als typisiertes Unrecht[181] verlangt, muss es zumindest von der Art sein, dass es bereits objektiv ex ante (unter Berücksichtigung etwaigen Sonderwissens) eine Eignung aufweist, einen Tatentschluss hervorzurufen. Darüber hinaus impliziert der Begriff des „Bestimmens“ eine gewisse Finalität, die dagegen spricht, jedwede Eignung zur Herbeiführung eines Tatentschlusses bereits als ausreichend zu betrachten. Teilweise wird auch angenommen, der Wortsinn von „Bestimmen“ impliziere auch Anforderungen hinsichtlich der Konkretheit der Tataufforderung, meine „klären, definieren, festsetzen, festlegen von Ort, Preis und Zeit“.[182] Allerdings wird man schwerlich behaupten können, dass die weite Definition als „Hervorrufen des Tatentschlusses“ mit dem Wortsinn von „Bestimmen“ unvereinbar ist.[183] Auch wenn das Alltagsverständnis eine engere Interpretation nahe legt, bleibt auch die extensive Interpretation noch im Rahmen der Wortlautgrenze.

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Der Wille des Gesetzgebers bei Einführung von § 26 StGB zielte hinsichtlich des Anstifterverhaltens nicht auf eine Änderung gegenüber der Vorgängernorm des § 48 Abs. 1 StGB a.F. (s. Rn. 6) ab.[184] Entsprechend der nach der früheren Gesetzesfassung ergangenen Rechtsprechung (Rn. 6) sollte vielmehr jedes Mittel genügen, das einen anderen zur Tat bestimmt; eine Aufzählung wie in der vorhergegangenen Gesetzesfassung sei „überflüssig und missverständlich“.[185] Ein weniger an der Interpretation der Rechtsprechung orientierter Blick auf die Änderung gegenüber dem früheren Recht erlaubt freilich auch die Argumentation, wonach die beispielhafte Aufzählung von hochschwelligen Anstiftungsmitteln in § 49 Abs. 1 StGB a.F. die Annahme nahe lege, dass die Auffangregel („oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt“) restriktiv auszulegen sei.[186]

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Eine systematische Interpretation kann sich an unterschiedlichen Bezugspunkten orientieren:


Im Verhältnis zu § 27 StGB ist die Grenze zur psychischen Beihilfe zu ziehen, die insbesondere in Abhängigkeit von der Frage diskutiert wird, ob das motivierende Verhalten auf einen omnimodo facturus trifft (Beihilfe) oder der Haupttäter noch zur Tat bestimmt werden kann (Anstiftung). Abgesehen davon, dass es für die Wirkung des Anstifterverhaltens nicht auf den Zeitpunkt der Einwirkung, sondern auf den der Entschlussfassung im Ausführungsstadium ankommt (dazu Rn. 39 f.), kann die Extension der Beihilfe für die Interpretation der Anstiftung keinen Erkenntnisgewinn erbringen, weil die Interpretation von der Anstiftung als der schärfer konturierten und primären Teilnahmeform ihren Ausgang nehmen muss.

aa) Das Erfordernis der Aufforderung

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Im Zentrum der Auslegung steht zweifelsohne die teleologische Interpretation. Hier stellt sich die Frage, welche Anforderungen nach Sinn und Zweck des § 26 StGB an die Bestimmungshandlung zu stellen sind. Die Bestimmungshandlung muss nach Art und Gewicht den Handlungsunwert begründen, den die Norm voraussetzt. Dabei ist insbesondere auch der Höhe der Strafandrohung, die die Anstiftung ihrem Gewicht nach auf eine Stufe mit der Täterschaft stellt, Rechnung zu tragen.[197] Damit ist zugleich ein Gesichtspunkt angesprochen, der im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation Beachtung verlangt, nämlich das aus Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitende Erfordernis einer schuldangemessenen Strafe, das den Gesetzgeber zunächst einmal zur Schaffung von Strafrahmen verpflichtet, die eine angemessene Bestrafung ermöglichen.[198] Das erfordert – auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG – zudem nach der Normierung von Strafrahmen, die im Verhältnis zueinander stimmig sind, also nach relativer Schuldangemessenheit.[199]

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Hinsichtlich der Art der Anstiftungshandlung wurde bereits festgestellt, dass das Verhalten seinem Sinngehalt nach jedenfalls eine Eignung aufweisen muss, den Tatentschluss hervorzurufen. Hinsichtlich der näheren Konkretisierung ist insbesondere das für die Legitimation der tätergleichen Bestrafung erforderliche Gewicht der Bestimmungshandlung in den Blick zu nehmen. Insoweit zielten schon die Überlegungen zum Strafgrund der Anstiftung darauf ab, unter Berücksichtigung der Unrechtshöhe die Anforderungen an die Art des Angriffs zu konturieren. Sieht man diesen Strafgrund in dem Erfordernis eines akzessorischen Rechtsgutsangriffs, so stellt sich hier nun die Frage, welche Anforderungen spezifisch an das rechtlich missbilligte Anstifterverhalten zu stellen sind, damit der akzessorische Rechtsgutsangriff das Gewicht hat, die tätergleiche Strafe zu legitimieren.

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Ausgehend von der Annahme des Erfordernisses eines akzessorischen Rechtsgutsangriffs ist jedenfalls vorauszusetzen, dass schon das Anstifterverhalten die geistige Bedeutung eines Rechtsgutsangriffs trägt.[200] Dieses Erfordernis gilt freilich für beide Teilnahmeformen gleichermaßen und kann folglich nicht die spezifischen Anforderungen an die Anstiftung zum Ausdruck bringen. Deren Charakteristikum erschließt sich erst mit Blick auf den schon im Erfordernis der Kausalität bezogen auf die Entschlussfassung angelegten Initiativcharakter.[201] Durch diesen hebt sich die Anstiftung gegenüber dem Verhalten des Gehilfen ab, und er bietet den zentralen Erklärungsansatz für den Unrechtssprung im Verhältnis zur Beihilfe: Während sich der Gehilfe mit seinem Handeln in eine bereits vom Haupttäter gefasste Unrechtsmaxime einfügt, bietet der Anstifter dem Haupttäter ein Motiv dafür, eine Unrechtsmaxime bezogen auf die Tat zu fassen.[202] Dabei wird der erforderliche Handlungsunwert erst dann erreicht, wenn das Verhalten des Anstifters objektiv gerade den Sinngehalt einer Aufforderung zur Begehung der Tat durch den Haupttäter zum Inhalt hat.[203] Denn nur eine solche Aufforderung zielt darauf ab, die Tat nicht nur dem Zufall der Entscheidung des Haupttäters zu überlassen, sondern auf deren Begehung gezielt hinzuwirken. Hier lässt sich dann auch das Kriterium des eindeutigen deliktischen Sinnbezugs verorten (s. Rn. 52): wer objektiv zur Tat auffordert, stellt damit einen solchen Sinnbezug her. Nur mit einer Aufforderung bringt der Anstifter objektiv zum Ausdruck, dass die Tat sein soll.[204] Damit entsteht eine personale Verbindung zwischen Anstifter und Haupttäter und es ist (anders als bei der Beihilfe) ausgeschlossen, dass der Haupttäter nicht darüber orientiert ist, dass er sich eine fremde Aufforderung zu eigen macht.[205] Lässt sich dagegen jemand durch Äußerungen motivieren, die objektiv nicht darauf abzielen, zur Begehung von Taten zu inspirieren, so trägt er in einem Maße Verantwortung für seine Motivation, die der tätergleichen Belastung des Inspirators entgegensteht.

 

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Aus dem Aufforderungscharakter folgt auch, dass das vom Anstifter gebotene Motiv einen Bezug zur Unrechtsmaxime aufweisen muss.[206] Es genügt also nicht, wenn der noch zögernde Haupttäter einen motivierenden Hinweis auf einen sicheren Fluchtweg erhält. Solange der Außenstehende hier nur eine technische Information bietet, ohne dies zugleich auch mit einer Aufforderung zur Tatbegehung zu verbinden, begünstigt er zwar die Entschlussfassung des Haupttäters, steht aber dem fremden Tatplan nicht näher als ein Gehilfe, der technische Rathilfe leistet. Die Anstiftung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie nicht lediglich eine Maxime technischer Vernunft, sondern die Rechtlichkeit des Verhaltens als solche betrifft. Freilich wird die Weitergabe von Informationen nicht selten eine zumindest konkludente Aufforderung beinhalten. – Auch dann bleibt es aber eine zusätzliche Frage, ob sich nur der technische Hinweis oder gerade die motivierende Kraft der Aufforderung im Tatentschluss realisiert hat (dazu Rn. 84 ff.).[207]

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Der Aufforderungscharakter ist ein Erfordernis, das unabhängig vom Grad des Risikos der Haupttatbegehung aus dem Charakter des Anstifterverhaltens folgt. Auf die Aufforderung als Charakteristikum der Anstiftung kann also auch dann nicht verzichtet werden, wenn eine andere Vorgehensweise, etwa das bloße Geben eines Hinweises oder ein Tatsachenarrangement, eine bedeutende Gefahr der Haupttatbegehung schafft.