Handbuch des Strafrechts

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4. Die Befehlenden in der mittleren Hierarchie

194

Ambos[144] will die Organisationsherrschaft auf die Organisationsspitze beschränken und Befehlshaber der mittleren Hierarchie (wie z.B. Eichmann) nicht als mittelbare Täter anerkennen, weil die von ihnen ausgeübte Teilherrschaft nicht die Herrschaft über die Organisation verschaffe.

195

Dem ist aber nicht zuzustimmen. Denn die Tatherrschaft zwischengeschalteter Befehlshaber beruht, wie gerade der Fall Eichmann zeigt, darauf, dass sie kraft ihrer Anordnungsgewalt den ihnen unterstellten Apparat und mit ihm die Tatbestandsverwirklichung genauso in der Hand halten wie der Mann an der Spitze. Dass diese Befehlsgewalt „von oben“ abgeleitet ist, ändert daran nichts.

196

So sieht das auch das Fujimori-Urteil:[145] „Daher muss jeder, der aufgrund seiner hierarchischen Stellung die Maschinerie des organisatorischen Machtapparates zum Laufen bringt, als mittelbarer Täter haften.“ Ich hatte schon vor mehr als 50 Jahren gesagt,[146] die Herrschaft der Organisationsspitze werde „gerade dadurch ermöglicht, dass auf dem Wege vom Plan zur Realisierung des Verbrechens jede Instanz von Stufe zu Stufe den von ihr ausgehenden Teil der Kette weiterlenkt, auch wenn von höherer Warte aus gesehen der jeweils Lenkende selbst nur als Glied einer über ihn hinaus nach oben sich verlängernden, beim ersten Befehlsgeber endenden Gesamtkette erscheint“. Die Literatur hat sich, soweit sie das Problem erörtert, mir überwiegend angeschlossen.[147]

5. Tatentschlossenheit und Tatgeneigtheit des unmittelbar Handelnden als weitere Kriterien der Organisationsherrschaft?

197

Fr.-Chr. Schroeder[148] gründet die mittelbare Täterschaft der Hintermänner in deliktischen Organisationen auf die von vornherein bestehende „Tatentschlossenheit“ des Ausführenden, während M. Heinrich[149] in ähnlicher Weise die „organisationstypische Tatgeneigtheit“ der unmittelbar Handelnden als Grund für die mittelbare Täterschaft der Hintermänner beurteilt.

198

Damit wird etwas Richtiges gesehen. Aber es handelt sich dabei nicht um selbstständige Kriterien der Organisationsherrschaft, sondern um Dispositionen, die sich aus den drei von mir genannten Merkmalen dieses Herrschaftstyps ergeben. Die Ausführenden sind „tatentschlossen“ oder „tatgeneigt“, weil die Anordnung im Rahmen der Machtorganisation einen Anpassungsdruck ausübt, weil die Rechtsgelöstheit des Apparates beim Ausführenden die Annahme begründet, er habe keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten, und weil die Ersetzbarkeit des Vollstreckers bei diesem zu der Auffassung führt, es komme auf sein Verhalten nicht an, weil bei seiner Weigerung ohnehin ein anderer die Tat ausführen werde.

III. Abweichende Lösungen

1. Anstiftung

199

Einige Autoren, die eine mittelbare Täterschaft ablehnen, beurteilen die Hintermänner an der Spitze organisatorischer Machtapparate als Anstifter. So heißt es bei Herzberg:[150] „Hitler, Himmler und Honnecker haben die Tötungsdelikte, die sie befahlen, nicht als Täter begangen, sondern als Anstifter veranlasst.“ Köhler[151] sagt: „In den Fällen bestimmender ‚Organisationsherrschaft‚ kommt Anstiftung in Betracht.“ Auch Renzikowski[152], Kutzner[153] und Rotsch[154] plädieren für eine Anstiftung.

200

Wenn aber der Täter unter mehreren Beteiligten an einer Tat als „Zentralgestalt“ oder als für das Geschehen Hauptverantwortlicher zu charakterisieren ist, lässt sich derjenige, der im Rahmen einer deliktischen Organisation die verbrecherischen Taten anordnet, nicht gut als Randfigur abtun. Wenn Hitler oder Stalin ihre Gegner umbringen ließen, dann war das ihr Werk (wenn auch nicht allein ihr Werk).

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Der Anordnende im Rahmen organisatorischer Machtapparate entspricht in keiner Weise dem allgemein anerkannten Bild des Anstifters. Dieser kann keine Tatbegehung anordnen und findet Exekutivorgane nicht schon vor, sondern muss sich einen Täter erst suchen und ist von dessen Willen abhängig. Ambos[155] betont mit Recht „die im Tatsächlichen wurzelnde Unvergleichbarkeit des Verhaltens des Organisators und Befehlshabers von Massenverbrechen mit dem eines bloßen Anstifters zu bestimmten Taten“. Die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme verliert ihren Sinn, wenn sie die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse nicht mehr widerspiegelt.

2. Mittäterschaft

202

Auch die Annahme einer Mittäterschaft hat einige Anhänger gefunden. So meinen Jescheck/Weigend[156], der Mann in der Zentrale sei „gerade weil er die Organisation beherrscht, Mittäter“. Die „Gemeinsamkeit des Tatentschlusses“ werde „durch das Bewusstsein der Leitenden und Ausführenden hergestellt, dass eine bestimmte Tat oder mehrere Taten … entsprechend den Weisungen der Leitung vorgenommen werden sollen“. Otto[157] meint, der Ausführende mache sich „den verbrecherischen Plan konkludent zu eigen“. Jakobs[158] will eine gemeinschaftliche Begehung mit den Worten begründen: „Benutzt der Ausführende präformierte Muster, so trägt die Tat nicht nur seine Handschrift, sondern auch diejenige des Musterproduzenten.“ Auch Baumann/Weber/Mitsch[159] und Frister[160] plädieren für eine Mittäterschaft, während Krey/Esser[161] in recht unbestimmter Weise meinen, man solle es „mit den Beteiligungsformen der Mittäterschaft und Anstiftung sein Bewenden lassen“.

203

Nach richtiger Auffassung fehlt es an allen Voraussetzungen für eine Mittäterschaft.[162] Die „gemeinsame Begehung“, die § 25 Abs. 2 StGB verlangt, setzt einen gemeinsamen Tatentschluss und eine gemeinsame Tatausführung voraus. Es fehlt an beidem.

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Die Ausführung einer Anordnung begründet keinen gemeinsamen Entschluss, sondern ist nur die Befolgung eines vom Vorgesetzten allein gefassten Beschlusses. Wenn man darin ein konkludentes Sich-zu-eigen-machen des Befehls sehen wollte, müsste man bei jeder Anstiftung einen gemeinsamen mittäterschaftlichen Tatentschluss annehmen. Der Exekutor führt nicht einen gemeinsamen Beschluss, sondern eine für ihn verbindliche Weisung aus.

205

Auch von einer gemeinsamen Tatausführung kann nicht die Rede sein. Veranlasser und Ausführender kennen einander im Regelfall nicht einmal, und der Befehlende weiß auch über Ort, Zeit und die Art und Weise der Begehung im Einzelnen nichts Genaues. Selbst wenn man auch Vorbereitungshandlungen für eine Mittäterschaft genügen lässt, müsste der Mittäter doch im Vorbereitungsstadium irgendeinen Beitrag zur konkreten Tat leisten. Deren Anordnung ist noch kein solcher Beitrag. Wenn Jakobs ein „präformiertes Muster“ genügen lassen will, so begnügt er sich mit einem anstiftungstypischen Kriterium. Der vom Anstifter ausgehende Deliktsplan enthält oft ein „präformiertes Muster“, begründet aber noch keine Mittäterschaft.

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Wenn der Gesetzgeber das „gemeinschaftliche Begehen“ und das „Begehen durch einen anderen“ unterscheidet, so werden damit, wie Bloy[163] richtig herausgearbeitet hat, abweichende Strukturformen der Beteiligung bezeichnet. Die Mittäterschaft spielt sich unter Gleichgeordneten ab, ist also horizontal strukturiert, während die mittelbare Täterschaft vertikal von oben nach unten, d.h. vom Veranlasser zum Ausführenden, verläuft. „Wenn man es – wie hier – mit eindeutig vertikal koordiniertem Verhalten zu tun hat, bei dem die Rolle der Hintermänner von vornherein auf eine völlig fremdhändige Tatausführung festgelegt ist, so spricht das deutlich gegen Mittäterschaft und für mittelbare Täterschaft.“

3.) Joint Criminal Enterprise (JCE)

207

Im Völkerstrafrecht wurde, bevor die Lehre von der Organisationsherrschaft dort die Oberhand gewann, zur Erfassung von Systemkriminalität die Rechtsfigur des „gemeinsamen kriminellen Unternehmens“ verwendet, mit der auch Fälle wie die KZ-Morde und eine Haftung für vorhersehbare Überschreitungen eines gemeinsamen Planes erfasst wurden.

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Aber das verstößt für die Fälle der Planüberschreitung gegen das Schuldprinzip[164] und wird, ähnlich wie die deutsche Mittäterschaftskonstruktion, der beherrschenden Stellung des an der Spitze der Organisation stehenden Befehlshabers nicht gerecht. Werle/Burghardt[165] sagen zutreffend: „Der an der Spitze Stehende trägt die größte Verantwortung nicht, weil er … an einem gemeinsamen Plan, mit anderen ein Verbrechen zu begehen, mitgewirkt hat, sondern weil er die Handlungen derer, die das Verbrechen persönlich begingen, orchestriert hat.“

4. Vorgesetztenverantwortlichkeit

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Auch hier handelt es sich um eine Rechtsfigur, die dem Völkerstrafrecht entstammt und dort früher neben dem „joint criminal enterprise“ Verwendung fand. Die Sala Penal Especial des obersten peruanischen Gerichts sagt darüber:[166] „Diese stellt ein Zurechnungskriterium dar, das nach dem Zweiten Weltkrieg … sich entwickelte und das in den Prozessen von Nürnberg und Tokio verwendet wurde.“ Es gründet sich auf ein Unterlassen des Vorgesetzten, der „seine Pflicht zur Vorbeugung, Überwachung und Bestrafung jeglichen Deliktes, das von seinen Untergebenen begangen werden kann oder wird, verletzt.“ Das deutsche Recht kennt eine entsprechende Regelung in § 357 StGB.

 

210

Jakobs[167] hat neuerdings, nachdem er früher die Mittäterschaftskonstruktion befürwortete, die Organisationsherrschaft im Sinne der Vorgesetztenverantwortlichkeit auf eine bloße Amtspflichtverletzung der Hintermänner zurückzuführen versucht. „Wenn Fujimori die in Rede stehenden Taten nicht mitorganisiert, aber sehr wohl wissend geduldet hätte, so hätte er schon dadurch die Pflichten seines Amtes verletzt, und zwar … täterschaftlich.“ Eine solche täterschaftliche Amtspflichtverletzung liege „entgegen … einer verbreiteten Meinung“ aber auch vor, wenn Fujimori „mehr getan“ und die Taten „auch noch mitorganisiert hat“.

211

Aber das ist keine glückliche Lösung. Sie gestattet von vornherein nicht die Erfassung einer Organisationsherrschaft, die außerhalb von Amtspflichten ausgeübt wird. So hat z.B. der oberste peruanische Gerichtshof schon im Jahr 2006 den Führer einer maoistischen Guerilla-Organisation („Leuchtender Pfad“) als mittelbaren Täter der von seinen Leuten begangenen Taten verurteilt und sich darauf berufen, dass die Organisationsherrschaft nicht auf staatliche Organisationen beschränkt sei. Mit dem Kriterium der Amtspflichtverletzung lassen sich solche Fälle nicht lösen.

212

Auch trifft der Gesichtspunkt der „wissenden Duldung“, auf den Jakobs abstellt, nicht den Vorwurf, um den es bei diesen Taten geht. Denn bei der Vorgesetztenverantwortung handelt es sich um die Haftung für die Taten anderer, bei der Organisationsherrschaft aber um die machtfundierte Durchsetzung eigener Taten von besonderer Schwere. Das begründet einen Unrechts- und Schuldvorwurf, der durch den Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung bei weitem nicht erfasst wird.

IV. Lassen sich die Grundsätze der Organisationsherrschaft auf die Leitungsebene von Wirtschaftsunternehmen übertragen?

213

Die Organisationsherrschaft findet zwar ihren Hauptanwendungsbereich bei staatlichen Systemverbrechen, sie ist aber nicht darauf beschränkt und kann auch bei terroristischen, aufrührerischen oder mafiaartigen Organisationen und selbst bei Stammesfehden vorliegen, wenn die in Betracht kommenden Organisationen hierarchisch aufgebaut und vom Wechsel einzelner Mitglieder unabhängig sind.

214

Der BGH hat diese Rechtsfigur weitergehend auch auf Wirtschaftsunternehmen übertragen. Schon im Mauerschützen-Urteil[168] heißt es: „Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen.“

215

Der BGH hat in der Folgezeit die Leiter von Wirtschaftsunternehmen als mittelbare Täter von Delikten bestraft, die aus ihrem Unternehmen hervorgegangen oder gegen die sie lediglich nicht eingeschritten waren.[169] So werden in einem Urteil des 2. Senats[170], das sich auf BGHSt 40, 218 beruft, die Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) bestraft, weil sie dafür verantwortlich waren, dass die Abfälle Abnehmern überlassen wurden, die nicht über die Möglichkeiten einer geordneten Abfallbeseitigung verfügten. Die „vom Täterwillen getragene Tatherrschaft“ der Geschäftsführer wird daraus hergeleitet, dass sie zur illegalen Abfallbeseitigung „den Weg … eröffnet und vorgezeichnet“ hätten. Aber das kann allenfalls eine Anstiftung oder Unterlassungsstrafbarkeit, aber keinesfalls eine mittelbare Täterschaft über ein Entsorgungsunternehmen begründen, das nicht einmal in die Firma eingebunden war und unter eigener Regie arbeitete.

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In einem Urteil des 4. Senats[171] werden die faktischen Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter der von Angestellten begangenen Betrügereien bestraft, obwohl „keine konkrete Einwirkung oder auch nur aktuelle Kenntnis der Angeklagten in Bezug auf die einzelnen Warenbestellungen festgestellt“ werden konnte. Es soll genügen, dass der Betrieb trotz Zahlungsunfähigkeit weitergeführt worden war. Denn „als Täter kraft Tatherrschaft“ komme „auch derjenige in Betracht, der durch Organisationsstrukturen bedingte Rahmenbedingungen ausnutzt, die regelhafte Abläufe auslösen“. Beim Fehlen jeglicher Einwirkung auf das Geschehen kann aber natürlich eine Tatherrschaft nicht vorliegen.[172]

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Richtigerweise kann eine Übertragung der für die Organisationsherrschaft entwickelten Regeln auf Wirtschaftsunternehmen nicht in Betracht kommen. Denn es fehlen sämtliche dafür erforderlichen Voraussetzungen.

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Die Weisungsgewalt der Leitungspersonen erstreckt sich von vornherein nicht auf die Begehung von Straftaten. Wirtschaftsunternehmen arbeiten auch in der Regel nicht rechtsgelöst, sondern im Rahmen des geltenden Rechts, so dass erwartet werden muss, dass eine rechtswidrige Anweisung unausgeführt bleibt. Wenn sich dagegen im Einzelfall einige Leute zu betrügerischen oder sonstwie strafbaren Geschäften zusammenschließen, fehlt es jedenfalls am Bestand einer von den individuell Beteiligten unabhängigen Organisation. Die Angestellten sind auch nicht in dem Sinne fungibel, dass ein die Begehung von Straftaten verweigernder Angestellter ohne weiteres durch deliktswillige andere Angestellte ersetzt werden könnte.

219

Die Übertragung der Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf Wirtschaftsunternehmen ist daher in der Literatur fast allgemein abgelehnt worden.[173]

220

Das ändert freilich nichts daran, dass ein kriminalpolitisches Bedürfnis besteht, die Leiter von Wirtschaftsunternehmen für Straftaten haftbar zu machen, die aus dem Betrieb heraus begangen werden. Dafür gibt es zahlreiche Vorschläge, die hier nicht näher behandelt werden können.[174] Mit der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate ist aber eine Lösung dieser Probleme nicht möglich.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 52 Mittelbare Täterschaft › G. Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten

G. Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten

I. Die Charakterisierung der Pflichtdelikte

221

Die bisher behandelten Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft gelten für Delikte, die jedermann begehen kann. Bei ihnen richtet sich die Täterschaft nach der Innehabung der Tatherrschaft, weshalb ich bei ihnen von „Herrschaftsdelikten“ spreche. Neben ihnen stehen als selbstständige Gruppe von Straftaten die von mir sog. Pflichtdelikte. Das sind Straftatbestände, bei denen die Tatherrschaft dadurch gekennzeichnet wird, dass jemand die ihm aus seiner sozialen Rolle erwachsene Pflicht missbraucht oder vernachlässigt und auf diese Weise eine tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung herbeiführt.

222

Ein solches Pflichtdelikt ist z.B. die Untreue (§ 266 StGB), bei der Täter nur sein kann, wer eine Vermögensfürsorgepflicht missbraucht. Täter einer Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) kann nur sein, wem das Gesetz besondere Schweigepflichten auferlegt. Bei den „Straftaten im Amt“ (§§ 331, 332, 343–345, 348) kommen nur Amtsträger als Täter in Betracht, weil nur sie die amtsspezifischen Pflichten verletzen können. Auch die unechten Unterlassungsstraftaten sind Pflichtdelikte; denn Täter kann nur sein, wer als Sonderpflichtiger „Garant“ für den Nichteintritt des Erfolges ist. Der vorstehende Text gibt nur einige Beispiele, die sich leicht vermehren lassen.

II. Das qualifikationslose dolose Werkzeug

223

Die Bedeutung der Lehre von den Pflichtdelikten für die mittelbare Täterschaft besteht vor allem darin, dass sie bei den Begehungsdelikten das Problem des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeugs einer zwanglosen Lösung zuführt. Zwei Beispiele mögen das verdeutlichen.

224

Wenn ein Amtsträger eine Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) nicht eigenhändig vornimmt, sondern damit einen professionellen Fälscher beauftragt, kann er nach der Tatherrschaftslehre nicht Täter sein, weil die Herrschaft über die Ausführungshandlung allein beim Fälscher liegt. Er kann aber auch nicht als Anstifter bestraft werden, weil die Anstiftung eine tatbestandsmäßige Haupttat voraussetzt, der unmittelbar handelnde Fälscher aber den Tatbestand nicht erfüllen kann, weil er kein Amtsträger ist. Geht man aber davon aus, dass die Täterschaft bei solchen Delikten nicht durch die Tatherrschaft, sondern durch die Verletzung einer – auf der sozialen Rolle als Amtsträger beruhenden – Sonderpflicht begründet wird, ist seine (mittelbare) Täterschaft mühelos erklärbar. Denn für die täterschaftsbegründende Amtspflichtverletzung ist es gleichgültig, ob der Amtsträger die Falschbeurkundung eigenhändig oder durch einen von ihm beauftragten Fälscher ausführt.

225

Man nennt den unmittelbar Handelnden ein „qualifikationsloses doloses Werkzeug“, weil ihm die Täterqualifikation fehlt, er aber den Erfolg vorsätzlich (dolos) herbeiführt. Er wird als Gehilfe des mittelbaren Täters bestraft.

226

Entsprechendes gilt für den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Wenn der Verwalter eines in Deutschland liegenden Vermögens von einer karibischen Insel aus einen an der Verwaltung nicht beteiligten Mittelsmann in Deutschland beauftragt, die Vermögenswerte, die er selbst nutzen will, durch täuschende Manipulationen an seinen exotischen Wohnsitz zu transferieren, hat er nicht die Tatherrschaft über die unmittelbar vermögensschädigende Handlung. Er ist gleichwohl mittelbarer Täter einer Untreue, weil er die täterschaftskonstituierende Vermögensfürsorgepflicht verletzt. Der in Deutschland agierende Mittelsmann, der keine solche Pflicht hat, wird trotz der von ihm allein verübten Tathandlung nur als Gehilfe bestraft.

III. Zur mittelbaren Täterschaft bei Pflichtdelikten in Lehre und Rechtsprechung

227

Die Lehre von den Pflichtdelikten hat viel Zuspruch, aber auch manchen Widerspruch erfahren. Sie kann in ihren über die mittelbare Täterschaft hinausgreifenden Aspekten hier nicht näher dargestellt werden.[175] Es gibt inzwischen vier Dissertationen über das Thema, die, wenn auch mit teilweise abweichenden Akzentuierungen, der Lehre von den Pflichtdelikten zustimmen.[176] Witteck betont,[177] dass die Existenz der Pflichtdelikte „als eigenständige Deliktsgruppe nicht länger bezweifelt werden kann“. Heine meint,[178] die Lehre von den Pflichtdelikten entspreche „der heute wohl h.M.“. Gleichwohl gibt es neben den Befürwortern bis heute viele Gegner dieser Lehre.[179] Unter ihren Anhängern verdienen besondere Hervorhebung die näher ausgearbeiteten Konzeptionen von Schünemann[180] und Jakobs[181], die in manchen Einzelheiten von mir sowie auch untereinander abweichen, bei Behandlung des qualifikationslosen dolosen Werkzeugs aber zu demselben Ergebnis kommen.

228

Der BGH hat sich bisher nicht ausdrücklich zu der Lehre von den Pflichtdelikten bekannt, stimmt aber im Ergebnis mit ihr vielfach überein. So sagt er in einem Fall der Untreue nach § 81a GmbHG a.F.,[182] „dass der Täter zu einem bestimmten Personenkreis gehört, dem … das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist. Diese Gestaltung des Tatbestandes hat einmal zur Folge, dass Außenstehende nicht Täter im Sinne der Sondervorschrift sein können, sondern nur Anstifter und Gehilfen. Auf der anderen Seite aber ergibt die Eigenart des Tatbestandes, dass die Mitglieder des Personenkreises selbst, sofern nur die sonstigen Merkmale des Tatbestandes vorliegen, regelmäßig als Täter haften. Denn sie verletzen, auch wenn sie nur zulassen oder fördern, dass ein anderer durch sein Verhalten die Körperschaft unmittelbar benachteiligt, doch eine gerade ihnen persönlich auferlegte Vermögensfürsorgepflicht …“ Der BGH folgert daraus – die Pflichtdelikte waren damals noch unbekannt –, den „Täterwillen“ des Sonderpflichtigen. Aber es ist klar, dass in Wahrheit auch nach seiner Meinung nicht irgendein subjektives Element, sondern die Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht die Täterschaft begründet.

 

229

Autoren, die die Lehre von den Pflichtdelikten ablehnen, versuchen entweder, die mittelbare Täterschaft durch eine umdeutende Überdehnung des Tatherrschaftsbegriffes zu begründen, oder sie kommen zur Straflosigkeit aller Beteiligten.