Handbuch des Strafrechts

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2. Additive Mittäterschaft



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Bei der sog. additiven Mittäterschaft verbinden sich mehrere Beteiligte insoweit, als sie gleichzeitig eine mögliche Tötungshandlung vornehmen. So verabreden sich z.B. mehrere Schützen gleichzeitig auf das Opfer zu schießen (wie z.B. im Rahmen eines „Erschießungskommandos“), wobei später nicht festgestellt werden kann, wessen Schuss das Opfer tödlich getroffen hat. Dieser Fall lässt sich als Mittäterschaft auffassen, soweit die Beteiligten untereinander wechselseitig bestimmend waren. Bei einer großen Anzahl von Beteiligten, die nicht gegenseitig einen Tatentschluss begründet haben, sondern einer Befehlshierarchie unterliegen, kann das hingegen fraglich sein. Allerdings steht es der Annahme eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht entgegen, dass mehrere Schützen dem Befehl einer höheren Instanz folgen, sofern sie sich wechselseitig in ihrem Unrechtsentschluss bestärken. Liegt eine solche wechselseitige Bestimmung der Schützen vor, bedingen die einzelnen Tatbeiträge den konkreten Erfolg, auch wenn die Einzelnen nicht physisch kausal gewesen sein mögen.



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Zwischen beiden Fallkonstellationen der alternativen und additiven Mittäterschaft liegt der Fall der gestaffelten Tatbeiträge („

Reserveschützen-Fall

“), in dem der zweite Schütze nur schießen soll, wenn der erste Schütze nicht trifft.

Roxin

 will hier mit der gleichen Argumentation wie bei der alternativen Mittäterschaft bei räumlich-zeitlicher Entfernung, nämlich weil der Beitrag der Nicht-Treffenden nicht wirksam werde, eine Mittäterschaft verneinen. Dem ist zuzustimmen. Die Mittäterschaft lässt sich in diesem Fall nicht auf den potenziellen Schuss stützen, weil insoweit kein den konkreten Erfolg bedingender Beitrag geleistet wurde. Zu prüfen bleibt aber, ob der Reserveschütze anderweitig auf das Opfer eingewirkt hat. Ist eine solche Einwirkung aber gegeben, etwa weil dem Opfer Gegenwehr- oder Fluchtmöglichkeiten geraubt werden, so kann der Reserveschütze Mittäter sein.





VII. Versuch und Mittäterschaft



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Im Rahmen des Versuchs ist zwischen dem mittäterschaftlich begangenen Versuch und der versuchten Mittäterschaft zu differenzieren.





1. Mittäterschaftlicher Versuch



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Die Beteiligung am Versuchsdelikt kann in allen Formen vorkommen, Mittäterschaft ist also auch hier möglich. Da die Beteiligung am Versuchsdelikt nicht eigenständig gesetzlich geregelt ist, sind die Voraussetzungen der Mittäterschaft auf den Versuchstatbestand zu beziehen. Für den mittäterschaftlichen Versuch muss einerseits überhaupt die Möglichkeit der mittäterschaftlichen Begehung bestehen sowie zum anderen die Voraussetzungen der Mittäterschaft und diejenigen des Versuchs kumulativ vorliegen. Die Möglichkeit der mittäterschaftlichen Begehung des Versuchs ist dann gegeben, wenn sie auch bei einer vollendeten Tat bestünde.



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Objektive Voraussetzungen der Mittäterschaft sind das Vorliegen eines gemeinsamen Tatplans und eines Tatbeitrages, der Teil einer arbeitsteiligen Begehungsweise ist. Der eigene Tatbeitrag ist im Ausführungsstadium zu erbringen. Bloße Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium genügen nicht (vgl. auch oben

Rn. 63

). Erst im Moment des unmittelbaren Ansetzens überschreitet die bis dahin bloße Vorbereitungshandlung die Schwelle zur strafbaren Unrechtshandlung. Das versuchte Unrecht muss dabei gemeinschaftlich handelnd verwirklicht werden. Teilweise wird vertreten, es müsse das unmittelbare Ansetzen für jeden Mittäter gesondert geprüft werden, so dass jeder Mittäter zu einem anderen Zeitpunkt ansetzen könne (sog. Einzellösung). Dem ist nicht zuzustimmen: Der Versuch beginnt bei der Mittäterschaft für jeden Mittäter in dem Moment, in dem einer von ihnen unmittelbar ansetzt,

sog. Gesamtlösung

. Nur so wird der mittäterschaftliche Zusammenhang nicht wieder aufgelöst.



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Allerdings bedeutet dies nicht, dass es gänzlich genügt, wenn nur ein Mittäter handelt: Zwar kann, da die Tat nicht zur Vollendung gelangt ist, der Tatbeitrag der Mittäter nur ein Weniger gegenüber der Tatbestandshandlung darstellen, es ist jedoch zumindest ein mitwirkender Beitrag in Form einer Bestärkung zum unmittelbaren Ansetzen des anderen zu fordern, denn das Erfordernis der wechselseitigen-gleichwertigen Bestimmung bei der Tatausführung der Mittäter bleibt auch beim Versuchsdelikt bestehen. Bei gemeinsamer unmittelbarer Anwesenheit ist das Ansetzen eines Mittäters als Ansetzen aller zu werten, wenn in der Anwesenheit am Tatort eine Bestärkung zum unmittelbaren Ansetzen des anderen zu sehen ist. Auch kann es genügen, dass ein späterer Tatbeitrag so wesentlich sein soll, dass das Gelingen der gesamten Tat davon abhängig ist, so dass er in diesem Sinn bereits im Moment des Ansetzens des anderen mitwirkt. Beginnt jedoch einer der Mittäter (abweichend vom gemeinsamen Tatentschluss) selbstständig, ist das für den anderen Beteiligten noch kein unmittelbares Ansetzen und damit noch kein Mittäterschaftsversuch, da sich die (vermeintlichen) Mittäter dann nicht aktuell wechselseitig bestimmt haben.



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Die Mittäter müssen die Tat als gemeinschaftliche Tat begreifen. Sie müssen die jeweils eigene Handlung als Teil einer Gesamthandlung verstehen. Dabei muss die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses tatsächlich bestehen, eine bloß diesbezügliche Vorstellung eines Beteiligten genügt nicht. Der Handelnde muss also im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens Tatentschluss haben, d.h. den Willen haben, die Tat mittäterschaftlich zu vollenden. Es genügt also nicht, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB nur in der Vorstellung eines unmittelbar Ansetzenden vorliegen (vgl. auch oben

Rn. 49

).



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Der

Rücktritt von der Versuchsbeteiligung

 ist in § 24 Abs. 2 StGB geregelt und erfordert die freiwillige Vollendungsverhinderung. Das Gesetz berücksichtigt damit für den jeweiligen Beteiligten nicht nur den jeweils von ihm geleisteten Beitrag, sondern die gesamte Tat. Die Vollendungsverhinderung nach § 24 Abs. 2 StGB ist nicht identisch mit der Verhinderung nach § 24 Abs. 1, da sich Abs. 1 auf die Vollendungsverhinderung des Einzeltäters bezieht. Die Vollendungsverhinderung aus Abs. 2 nimmt jede Weise eines Verhinderungsverhaltens auf, auch ein Unterlassen. Vgl. hierzu

Rn. 52 f.



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Wird die Vollendung unabhängig vom Tatbeitrag des Beteiligten verhindert, fordert das Gesetz gem. § 24 Abs. 2 S. 2 StGB ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung zu verhindern. Damit führt das Gesetz eine von der Tatschuld unabhängige Versuchsbeteiligung ein. Für einen unabhängigen Entschluss anderer kann der zurücktretende Beteiligte jedoch nicht mehr haften müssen.






2. Versuch der Mittäterschaft



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Fraglich ist, ob bereits das Einwirken auf einen anderen (unabhängig vom betätigten Tatentschluss) eine versuchte Mittäterschaft darstellen kann. Teilweise wird dies mit dem Argument bejaht, die Strafbarkeit der versuchten Beteiligung ergebe sich aus dem Ingangsetzen eines selbstständig und unbeherrschbar weiter wirkenden Kausalverlaufs, dem Zusammenschluss mit „gleichgesinnten Genossen“ und der konspirativer Willensübereinstimmung, aus der „psychischen Stärkung“ durch einseitige oder wechselseitige Suggestionswirkungen, der Normdesavouierung durch Kommunikation oder der erzeugten Bindungswirkung, die zu einer erleichterten Straftatbegehung führe. Damit wird aber eine bloße Meinungsäußerung bzw. eine geäußerte Gesinnung unter Strafe gestellt. Der erforderliche Entschluss, den geäußerten Gedanken in die Tat umzusetzen, wird zum bloßen Kausalfaktor degradiert. Das ist mit einem personalen Handlungsbegriff nicht vereinbar. Bei der bloßen Absprache steht die wirkliche Entscheidung zum Verbrechen gerade noch aus. Ausdrücklich unter Strafe gestellt hat der Gesetzgeber den Versuch der mittäterschaftlichen Beteiligung in Form der Verbrechensverabredung in § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB. Damit wird eine Vorbereitungshandlung zu strafbarem Unrechthandeln erhoben und so eine bloß geäußerte Tatgesinnung unter Strafe gestellt.



12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme

 ›

§ 51 Mittäterschaft

 › F. Mittäterschaftliche Begehung anderer Beteiligungsformen





F. Mittäterschaftliche Begehung anderer Beteiligungsformen



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Mittäterschaft ist auch in Kombination mit anderen Beteiligungsformen möglich.






I. Mittäterschaftliche mittelbare Täterschaft



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So können zwei oder mehr Beteiligte ihren gemeinsamen Unrechtsentschluss darauf richten, die Tat gemeinsam durch einen anderen zu begehen und so mittäterschaftlich die Tat als mittelbare Täter begehen. Sie entschließen sich gemeinsam zum Einsatz eines Werkzeugs und wirken gemeinsam auf das Werkzeug in einer Weise ein, die ihnen beiden überlegene Macht über das Werkzeug gibt. Parallel zum oben zur gemeinsamen Ausführung Gesagten, erfordert diese Figur der Täterschaft eine gemeinsame Einwirkung auf das Werkzeug. Wer keine (Mit-)Herrschaft über die Begründung der Tatmacht bezogen auf das Werkzeug hat, ist kein Mittäter.

 






II. Mittäterschaftliche Teilnahme



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Mehrere Personen können einen anderen gemeinschaftlich zu dessen rechtswidriger Tat anstiften und insofern als mittäterschaftliche Anstifter strafbar sein. Auch eine Beihilfe in Mittäterschaft ist möglich, wenngleich es dieser Rechtsfigur zur Begründung der Gehilfenstrafbarkeit nicht bedarf, wenn jeder die Tat fördernde Tatbeitrag für sich schon eine Beihilfe begründet. Etwas anderes würde allenfalls nach einer extrem-subjektiven Theorie gelten, wenn das eigene Interesse an der Beihilfe schon für eine mittäterschaftliche Beihilfe genügen würde, ohne dass dieser Gehilfe selber einen kausalen Beitrag zur Tat des Haupttäters leistet. Der Figur der mittäterschaftlichen Beihilfe kommt aber Bedeutung für den Umfang des vorwerfbaren Unrechts zu, weil auch die Tatbeiträge der anderen Gehilfen dem einen zugerechnet werden können.






III. Teilweise Mittäterschaft



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Innerhalb eines komplexen Handlungsgeschehens können mehrere Personen hinsichtlich verschiedener Delikte teils Mittäter, teils Alleintäter und Teilnehmer sein („teilweise Mittäterschaft“). So wenn die Beteiligten nur einen Einbruch gemeinsam ausführen, die nachfolgende Wegnahme aber von einem Täter allein verwirklicht wird. Außerdem kann ein Mittäter das Grunddelikt, ein anderer eine Qualifikation verwirklichen, an deren Verwirklichung dann wiederum der erste Mittäter Teilnehmer sein kann. Wegen der engen Verknüpfung von Grunddelikt und Qualifikation wird aber stets zu prüfen sein, ob dem anderen nicht auch die Verwirklichung der Qualifikation täterschaftlich zugerechnet werden kann, so dass eine solche Konstellation (Mittäterschaft am Grunddelikt, nicht aber bei der Qualifikation) vor allem bei subjektiven Qualifikationsmerkmalen oder bei Exzessen eines Mittäters auftreten kann. Entsprechendes gilt auch für das Verhältnis von Grundtatbestand und Privilegierung sowie für Fälle, in denen zwei selbstständige Tatbestände in einem Spezialitätsverhältnis stehen, so bei Raub und Diebstahl oder Raub und Nötigung.



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Es können sich in diesen Fällen aber Zurechnungsprobleme ergeben. Mittäterschaft ist zwar hinsichtlich des „Grundtatbestands“ (im weiteren Sinne) unproblematisch, weil – die sonstigen Merkmale der Mittäterschaft vorausgesetzt – beide Mittäter diesen Grundtatbestand gemeinsam verwirklichen. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der eine Mittäter noch einen weitergehenden Tatbestand verwirklicht. Problematisch ist aber die dann wiederum isolierte Mittäterschaft desjenigen, der den spezielleren Tatbestand verwirklicht, soweit ihm dafür Tatbeiträge des anderen zugerechnet werden müssen. Die Problematik stellt sich in schärfster Form in folgendem Fall: B übt gegen das Opfer in Absprache mit A Gewalt aus. A ist zwar Mittäter, handelt aber selbst nicht gewalttätig. Nach Vollendung der Gewalt nimmt A – wie von Anfang an geplant – dem Opfer Geld ab. Die Mittäterschaft hinsichtlich der Körperverletzung ist hier gegeben. Weil B aber keinen weiteren Zweck verfolgte, scheiden Nötigung und Raub bei ihm aus. A wiederum ist nur dann wegen Raubes strafbar, wenn ihm die allein von B ausgeführte Gewalt zugerechnet werden kann.



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Die h.M. verlangt deshalb für die Zurechnung bei der teilweisen Mittäterschaft nur, dass der von beiden gemeinschaftlich verwirklichte Straftatbestand auch vollständig in dem anderen enthalten ist. Das wird der Formulierung des § 25 Abs. 2 StGB aber nicht gerecht. Dieser erfordert, dass die Mittäter „die Straftat“ gemeinsam begehen. Diese Straftat kann aber wegen der Tatbestandsbezogenheit der Mittäterschaft nur eine Straftat im materiell-rechtlichen Sinne sein. Die Mittäterschaft ist insoweit unrechtsakzessorisch an die gesetzlichen Tatbestände gebunden. Sie ist also für jede Straftat gesondert zu beurteilen. Die Beteiligten im obigen Beispiel haben aber „die Straftat“ des § 249 StGB nicht gemeinschaftlich begangen, so dass eine gegenseitige Zurechnung von Tatbeiträgen nach § 25 Abs. 2 ausscheidet. Der Einwand, § 25 Abs. 2 StGB besage der Sache nach, dass derjenige, der einen Straftatbestand durch eine zusammen mit einem anderen begangene Handlung verwirklicht, wie ein Täter zu bestrafen sei, geht fehl, weil dies nicht dem Wortlaut der Zurechnungsnorm entspricht. Aber auch eine Zurechnung nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB muss scheitern, weil A die Gewalt nicht durch einen anderen begeht, sondern B selbst Gewalt angewendet hat. Folglich kann dem A die von B verübte Gewalt nicht im Rahmen der §§ 240, 249 StGB zugerechnet werden. Nicht anders wäre es in Bezug auf § 249 StGB, wenn A zwar eine Nötigung begeht, jedoch nicht zum Zweck der Wegnahme, denn auch in diesem Fall wären die Beteiligten nicht Mittäter des Raubes.



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Ebenfalls ausscheiden muss entgegen der zunehmend ins Wanken geratenden früheren h.M. eine Mittäterschaft dann, wenn ein Beteiligter A einen Tatbeitrag erbringt, aber mangels deliktsspezifischer Absicht kein Täter des Delikts sein kann, etwa weil er ihm (bei § 252) eine Besitzerhaltungsabsicht fehlt oder weil er (bei § 249) meint, einen Anspruch auf die weggenommene Sache zu haben. Der Hinweis

Rengiers

, dass die subjektive Absicht ohnehin nicht zugerechnet werden könnten und daher auch nicht Teil des Tatplans sein müssten, liegt insoweit neben der Sache, weil sie die Formulierung des § 25 Abs. 2 nicht adressiert, der nun einmal vom gemeinschaftlichen Begehen

der Straftat

 spricht. Denn auch in diesem Fall begehen A und B nicht dieselbe Straftat. Handlungen des A können dem B, der die notwendige Absicht aufweist, daher auch nicht zugerechnet werden. Auch in diesem Fall scheidet darüber hinaus eine mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft über das absichtslos-dolose Werkzeug aus (→ AT Bd. 3:

Claus Roxin

, Mittelbare Täterschaft,

§ 52 Rn. 252 ff.

). Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn die Absicht ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB ist, vielmehr greift dann die Tatbestandsverschiebung bei den Mittätern ein. Solange aber die Absicht das Unrecht der Tat mitbestimmt, ist dann, wenn ein Beteiligter diese Absicht nicht aufweist, auch eine Mittäterschaft unmöglich, weil es an der gemeinsamen Unrechtsentschließung fehlt. Die Mittäterschaft ist im Hinblick auf die Merkmale, die das tatbestandliche Ge- oder Verbot in seiner Grundform bezeichnen, wie die Teilnahme akzessorisch, d.h. dem Mittäter kann die fremde Handlung nur im Rahmen desjenigen Tatbestands zugerechnet werden, den auch der andere erfüllt.



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Nach h.M. soll es – für die Rechtsprechung auf Grundlage des vermeintlichen Exklusivitätsverhältnisses nicht unbedingt naheliegend – möglich sein, dass ein Mittäter den Tatbestand des Mordes, ein anderer den Tatbestand des Totschlags erfüllt. Dies ist grundsätzlich richtig: Die subjektiven Mordmerkmale können dem Mittäter nicht zugerechnet werden, so dass Mord nur, aber auch immerhin derjenige verwirklicht, der selber ein solches Merkmal erfüllt (§ 28 Abs. 2 bzw. § 29 StGB). Objektive Mordmerkmale können demgegenüber zugerechnet werden, wenn sie gemeinschaftlich erfüllt werden. Eine Zurechnung scheidet aber dann aus, wenn der die Tötungshandlung Ausführende z.B. das Heimtückische der Tötung nicht erkennt.






IV. Mittäterschaft und tatbestandslose Selbstschädigung



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Ein der Mittäterschaft ähnelndes Problem ergibt sich dann, wenn zwei vollverantwortlich handelnde Personen bei der Schädigung von einer dieser beiden zusammenwirken, was insbesondere bei der Tötung praktisch wird, weil hier die rechtfertigende Kraft der Einwilligung fehlt. Zunächst ist die Frage auszuklammern, ob hier eine Pflicht des einen zur Rettung des Sterbewilligen besteht, deren Verletzung ihrerseits eine Strafbarkeit begründen kann. Sodann bleibt die Frage übrig, ab wann die (straflose) Teilnahme am Suizid in eine (strafbare) Tötung (auf Verlangen) umschlägt. Die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge nach § 25 Abs. 2 StGB setzt jedenfalls wechselseitiges Unrecht und damit wechselseitige Strafbarkeit voraus. Demnach kann hier keine echte Mittäterschaft, sondern allenfalls „Quasi-Mittäterschaft“ vorliegen. Das Gesetz sieht aber keine derartige Zurechnung vor. Eine Zurechnung der Tatbeiträge des Suizidwilligen ist daher positivrechtlich ausgeschlossen, eine Strafbarkeit nach § 216 StGB erst dann möglich, wenn sich das Gesamtgeschehen als eigenes Verhalten des „Sterbehelfers“ darstellt, was jedenfalls die Herrschaft über den letztlich lebensbeendenden Akt voraussetzt. Dagegen sah das OLG Nürnberg sogar bei fahrlässiger Mitwirkung eine Tatherrschaft des Mitwirkenden gegeben, welche eine Strafbarkeit aus § 222 StGB zu tragen vermochte.






V. Notwendige Mittäterschaft



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Notwendige Beteiligung allgemein, und auch notwendige Mittäterschaft, ist nicht strafbar. Dies gilt namentlich dann, wenn der Träger des Rechtsgutsobjekts, gegen den sich das strafbewehrte Verbot richtet, an der Tat mitwirkt. So ist das Opfer von Sexualdelikten oder der Sterbewillige bei der (versuchten) Selbstverletzung trotz dessen, dass sein Beitrag qualitativ gewichtig sein mag, nicht als Mittäter oder sonstiger Beteiligter strafbar. Auch über die Fälle der notwendigen Teilnahme hinaus, scheidet eine Mittäterschaft dessen, gegen den ein Verbot nicht gerichtet ist, aus. Tun sich drei Gefangene zusammen und befreien gemeinsam sich selbst, aber auch die je anderen beiden, sind sie nicht Mittäter hinsichtlich der Befreiung der je anderen. Die Berücksichtigung der besonderen Situation des Gefangenen schlägt auch auf den Fall durch, dass sich seine Selbstbefreiung zweckhaft mit der Befreiung anderer verbindet, weil jeder Mitgefangene den Freiheitsdrang des anderen sich zum Mittel setzt.



12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme

 ›

§ 51 Mittäterschaft

 › G. Strafzumessung






G. Strafzumessung



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Die mittäterschaftliche Begehung kann auch die Strafzumessung beeinflussen. Allerdings darf die Mittäterschaft als solche nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Es verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, wenn pauschal die Mittäterschaft ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände der Beteiligung strafschärfend gewertet wird. Die Mittäterschaft als solche besagt nämlich noch nichts über die Tatschuld des Beteiligten. Allerdings kann ein mittäterschaftliches Begehen die erhöhte Strafwürdigkeit der Tat begründen und deshalb strafschärfend wirken. So kann namentlich bei Gewaltdelikten die Beteiligung mehrerer die Gefährlichkeit erhöhen. Gleiches gilt für Betrugs- und Diebstahlsdelikte, bei denen z.B. erst die Beteiligung mehrerer eine raffinierte Ablenkung des Opfers ermöglichen und so die Gefährlichkeit erhöhen kann. Nach dem BGH soll die Mittäterschaft sogar bei Bandendelikten strafschärfend wirken können, weil Mittäterschaft ein

Aliud

 zur bandenmäßigen Begehung darstelle. Gleiches muss dann auch für andere Delikte gelten, in denen die Beteiligung mehrerer besonders bestraft wird, ohne dass dies zwingend Mittäterschaft erfordert. So liegen die Dinge nach h.M. bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, so dass eine Mittäterschaft hier ggf. nochmals strafschärfend wirken müsste. Ob bei § 177 Abs. 6 Nr. 2 StGB gleiches gilt, ist umstritten. Die erneute strafschärfende Berücksichtigung der Mittäterschaft bei bandenmäßiger oder gemeinschaftlicher Tatbegehung ist aber aufgrund des Doppelverwertungsverbots des § 46 Abs. 3 StGB abzulehnen: Sieht das Gesetz selbst schon eine Straferhöhung aufgrund der Gefährlichkeit der Beteiligung mehrerer vor, so darf dies nicht erneut strafschärfend berücksichtigt werden. In Betracht kommt bei § 177 aber, dass eine mittäterschaftliche Begehung der sexuellen Handlungen – neben der von § 177 Abs. 6 Nr. 2 StGB allein erfassten erhöhten Gefährlichkeit – auch zu einer erhöhten Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung führen und daher strafschärfend wirken kann.

 



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Neben der Strafschärfung kann Mittäterschaft auch strafmildernd zu berücksichtigen sein. Nach dem BGH soll im Rahmen der Figur der sukzessiven Mittäterschaft strafmildernd zu berücksichtigen sein, dass der später hinzukommende Mittäter die vorherigen erschwerenden Tatmodalitäten nicht selbst verwirklicht hat. Auch bei einer Schlägerei soll es zugunsten des Mittäters zu berücksichtigen sein, wenn dieser nicht an der konkreten schweren Verletzung des Opfers mitgewirk