Handbuch des Strafrechts

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4. Die Nebentäterschaft

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Im Gegensatz zur Mittäterschaft ist die Nebentäterschaft durch ein zufälliges Zusammenwirken mehrerer gekennzeichnet. Hier führen unabhängig voneinander vorgenommene Verletzungshandlungen zum tatbestandsmäßigen Erfolg, z.B. wenn zwei Personen unabhängig voneinander einen Sprengsatz legen, der einen anderen tötet. Es handelt sich um eine Form der (versuchten) Alleintäterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB.[150]

II. Teilnahmelehren, Begriff, Formen und Voraussetzungen der Teilnahme

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Die Teilnahmevorschriften der §§ 26, 27 StGB setzen eine tatbestandsmäßige rechtswidrige Tat voraus, während eine schuldhafte Tat nicht erforderlich ist, sog. limitierte Akzessorietät. Dies wird von § 29 StGB bestätigt, wonach jeder „ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft“ wird. Während der Anstifter gleich einem Täter bestraft wird, richtet sich die Strafe des Gehilfen zwar nach der Strafdrohung für den Täter (§ 27 Abs. 1 StGB), ist aber nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern (§ 27 Abs. 2 S. 2 StGB). Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Unrechtsgehalt des Anstifters dem des Täters vergleichbar ist, das bloße Hilfeleisten zur Tat dagegen weniger schwer wiegt. Teilweise wird die Gleichstellung von Anstiftung und Täterschaft kritisch gesehen und eine Strafmilderung für den Anstifter gefordert;[151] teilweise wird für die Anstiftung eine restriktive Auslegung des Merkmals „Bestimmen“ verlangt, die eine tätergleiche Bestrafung rechtfertigt.[152]

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Strafbar ist nach §§ 26 f. StGB nur die vorsätzliche, nicht hingegen die fahrlässige Teilnahme. In diesen Fällen kommt eine Strafbarkeit als Täter des Fahrlässigkeitsdelikts in Betracht, wenn fahrlässig eine Ursache für einen Unrechtserfolg gesetzt wird (z.B. fahrlässiges Liegenlassen einer Waffe, mit der ein Dritter tötet). Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob eine fahrlässige Teilnahme nicht jedenfalls denkbar wäre (vgl. hierzu unten Rn. 130 ff.).

1. Teilnahmelehren

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Die verschiedenen Teilnahmehandlungen von Anstiftung und Beihilfe („Bestimmen“ und „Hilfeleisten“) zeigen bereits, dass Anstiftung und Beihilfe je eigenen Begründungszuammenhängen unterliegen (vgl. hierzu zu den speziellen Begründungsansätzen von Anstiftung und Beihilfe, §§ 53, 54). Sie unterscheiden sich in der Art und Weise ihrer Unrechtsbeteiligung nicht nur quantitativ voneinander, sondern auch qualitativ, was sich auch im unterschiedlichen Strafmaß ausdrückt. Gemeinsam ist aber beiden Formen das Gebundensein an ein begangenes vorsätzliches (versuchtes) Unrecht. Im Rahmen der allgemeinen Teilnahmelehre stellt sich daher insbesondere die Frage, inwiefern und inwieweit die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat gegeben sein muss. So wird von manchen Autoren (entgegen der Gesetzesbestimmung) eine strenge Akzessorietät und damit eine schuldhaft begangene Haupttat als Voraussetzung der Teilnahme verlangt (sog. Schuldteilnahmelehre, Jakobs „Theorie der Beteiligung“). Von den sog „reinen Verursachungstheorien“ wird hingegen angenommen, dass die Akzessorietät nur rein „faktischer“ Natur ist bzw. lediglich auf „kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen“ beruht. Die heute überwiegend vertretene Ansicht hält schließlich das (auch) im Gesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis der limitierten Akzessorietät für sachlich und rechtlich notwendig (akzessorietätsorientierte Verursachungslehre, Teilnahme als akzessorischer Rechtsgutsangriff).

a) Schuldteilnahmelehre

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Nach der Schuldteilnahmelehre verwirklicht der Teilnehmer insofern eigenständiges Teilnahmeunrecht, als er den Haupttäter „korrumpiere“:[153] „Jeder Teilnahme ist das Moment einer gewissen Korruption des Vordermannes eigen, sei es, daß der böse Wille des Anstifters sich auf den Handelnden überträgt, sei es, dass der letztere in seinem eigenen bösen Wollen bestärkt wird.“[154] Die Verleitung oder Bestärkung zur bösen Tat trage daher auch immer die Gefahr einer Charakterverderbnis in sich.[155] Das werde insbesondere bei der Anstiftung deutlich. So liege ihr Strafgrund darin, dass der Anstifter den Täter „in Schuld und Strafe“ verstricke. „Mag der Angriff des Anstifters auf das Rechtsgut nicht so intensiv sein, daß man sagen könnte, er hat den Mord gemacht, so hat er doch jedenfalls den Mörder gemacht. Deshalb haftet er gleich dem Täter.“[156] Der Gehilfe hingegen unterstütze die „verbrecherische(. . .) Betätigung eines anderen“. Für die Beihilfe genüge dabei „jede zur Verbrechensförderung bestimmte und nicht schlechthin ungeeignete Tätigkeit“. Nicht erforderlich sei, dass sie sich kausal in der Haupttat niedergeschlagen habe.[157]

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Diesem Ansatz wird vor allem entgegengehalten, dass er mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren sei.[158] Aber auch wenn §§ 26 und 29 StGB nach ihrem Wortlaut eine Teilnahme an einer nicht-schuldhaften Tat zulassen, kann ein einfacher Verweis auf den Gesetzestext noch nicht den Grund für das Erfordernis der sog. limitierten Akzessorietät angeben. So hat Hellmuth Mayer zunächst zutreffend kritisch gegenüber den kausalen und instrumental-objektiven Handlungskonzeptionen eingewendet, dass sie den Einzelnen als sittlich urteilendes Sozialwesen nicht zu erfassen vermögen.[159] Es müsse einen Unterschied machen, ob eine vollverantwortliche Person vorsätzlich in das Geschehen trete oder nicht. Der Teilnehmer stehe nach H. Mayer daher objektiv in einem loseren Verhältnis zur Tat als der vollverantwortliche Haupttäter.[160]

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Von der Schuldteilnahmelehre wird auch zutreffend erkannt, dass das Entscheidende die Mitwirkung an fremdem Unrechtsentschluss ist. Hinsichtlich der Beihilfe gerät die Schuldteilnahmelehre jedoch insofern in Erklärungsnot, als der Gehilfe zu der Haupttat nur einen unterstützenden Beitrag leistet.[161] Auch ist der Begriff der „Schuldteilnahme“ verfehlt, denn im subjektiven Unrechtswillen (Schuld) kommt das individuelle Moment des Einzelnen zum Ausdruck, an dem eine Teilhabe nicht möglich ist. Der innere Prozess der Selbstbestimmung ist nicht von außen angreifbar. So ist selbst eine Handlung unter Zwang von Autonomie (mit-)geprägt. Der Gezwungene ist insoweit frei, als er sich zwingen lassen kann. Das schließt es aus, eine „Verschuldensverstrickung“ anzunehmen, lässt sich doch der Wille selbst nicht korrumpieren. Möglich ist es lediglich, an äußeren Bedingungen mitzuwirken oder Einfluss auf die Entschlussfassung eines anderen auszuüben.[162] Die Schuld bestimmt sich dagegen individuell für den jeweiligen Beteiligten. Sie gründet in der Autonomie des Einzelnen und ist damit abhängig von den subjektiven Bedingungen der potentiellen und aktuellen Einsichtsfähigkeit.[163]

b) Unrechtsteilnahmelehre

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In einer kritischen Auseinandersetzung mit der Schuldteilnahmelehre vor allem hinsichtlich der im geltenden Recht zu findenden limitierten Akzessorietät sieht die Unrechtsteilnahmelehre das Unrecht des Anstifters in der Gefahr der „sozialen Desintegration“ des Haupttäters; jener sei dafür verantwortlich, dass dieser eine Straftat begehe. Indem er bewusst Einfluss auf den Haupttäter nehme, sei sein Handeln gegen den Täter selbst gerichtet. Der Anstifter setze den Haupttäter der Strafverfolgung aus bzw. bei schuldlos Handelndem möglicher Maßregeln der Besserung und Sicherung.[164] Das Unrecht des Gehilfen liege hingegen nach dem geltenden Recht darin, dass dieser „eine untergeordnete Mitverursachung der Haupttat“ leiste.[165]

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Hinsichtlich der Anstiftung berücksichtigt diese Lehre zu einseitig das Verhältnis zwischen Anstifter und Angestiftetem und verliert damit das Verhältnis des Anstifters zum Unrecht der Haupttat aus dem Blick. Auch wird sie der Verantwortlichkeit des Angestifteten nicht gerecht, der schließlich selbstbestimmt zur Rechtsverletzung übergeht. Handelt der Angestiftete schuldhaft, hat er die Gefährdung seiner „sozialen Desintegration“ selbstverantwortlich bewirkt.[166] Dem Anstifter kann dann insofern möglicherweise ein ethischer Vorwurf gemacht werden, nicht jedoch ein rechtlicher.[167] Schließlich kann die Lehre mit ihrer Begründung der „Gefahr der sozialen Desintegration“ nur das Unrecht der Anstiftung, nicht hingegen das Unrecht der Beihilfe begründen. Dieses zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Gehilfe selbst den Haupttäter nur unterstützt und damit nur einen untergeordneten Beitrag hinsichtlich der Haupttat leistet.[168] Daher macht die Unrechtsteilnahmelehre dessen Unrecht allein anhand seines „Kausalbeitrags“ bezogen auf die Begehung der Haupttat fest. Eine bloße Ursächlichkeit bezogen auf die Tat eines anderen und der von ihm bewirkten Rechtsverletzung kann aber nicht genügen, um das Unrecht der Beihilfe hinreichend zu erfassen.

c) Verursachungslehren

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Die (reinen) Verursachungslehren sehen das Teilnahmeunrecht als ein von der Haupttat unabhängiges Unrecht an. Der Teilnehmer verwirkliche durch die Leistung seines kausalen Beitrages zur Rechtsgutsverletzung selbst tatbestandliches Unrecht. Die Akzessorietät der Teilnahme sei daher „rein faktischer Natur“ (Lüderssen) oder lediglich aus kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitsgründen erforderlich (Schmidhäuser).[169]

 

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Nach Lüderssen sei eine Akzessorietät der Teilnahme zur Haupttat deshalb abzulehnen, weil sie dem Grundsatz widerspreche, dass jeder nur für sein eigenes Unrecht verantwortlich sei.[170] In den Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils sei tatbestandliches Unrecht vertypt, so dass die einzelnen Tatbestände zugleich die Strafbarkeit des Teilnehmers begründeten.[171] Die Rechtsgüter seien gegenüber jedermann geschützt und damit auch vom Teilnehmer unantastbar.[172] Daher könne auch der Teilnehmer selbst den Tatbestand verwirklichen, ohne dass es dafür einer realisierten Haupttat bedürfe.[173]

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Nach Schmidhäuser beruhe die Abhängigkeit der Haupttat auf Strafwürdigkeitserwägungen. Der Teilnehmer verletze selbst das Rechtsgut, „indem sein Willensverhalten dem Willensziel nach (Zielunwert) oder in der Schaffung einer objektiven Gefahr (Gefahrunwert) auf fremdes Unrecht“ hintendiere.[174] Der Erfolg (die Haupttat) sei dagegen allein aus generalpräventiven Gründen erforderlich. Unerlaubtes Handeln ohne einen Erfolg beeinträchtige den Rechtsfrieden nur weniger und fordere daher Strafe weniger heraus.[175]

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Während die Schuldteilnahme- und die Unrechtsteilnahmelehre die von Tatbeständen erfassten Rechtsverletzungen außer Acht lassen und nur das Verhältnis zwischen dem Teilnehmer und dem Haupttäter bestimmen, verlieren die Verursachungslehren das Verhältnis zwischen Haupttäter und Teilnehmer aus dem Blick. Sie sind zudem ebenso mit dem Gesetzeswortlaut der §§ 26, 27 StGB unvereinbar. Aber auch unabhängig von den gesetzlichen Regelungen vermögen die reinen Verursachungstheorien das Unrecht der Teilnahme nicht zu begründen, da sie das interpersonale Zusammenwirken mehrerer an einer Unrechtstat nicht hinreichend zu erfassen vermögen. Denn sie begreifen das Zusammenwirken mehrerer letztlich als ein bloßes, voneinander unabhängiges Nebeneinander von Einzelpersonen. Schon der Begriff des Teilnehmers macht aber deutlich, dass er an dem Handeln eines anderen teilnimmt. Der Teilnehmer knüpft mit seinem Beitrag nicht zufälligerweise an die Handlung eines anderen an, sondern es findet eine bewusste und gewollte Interaktion zwischen den Beteiligten statt. Der Teilnehmer bezieht damit sein Handeln auf das einer anderen Person, die als Täter die Rechtsverletzung vornimmt. Es ist zwar richtig, dass, wie Lüderssen meint, jeder grundsätzlich für sein eigenes Handeln verantwortlich ist. Das bedeutet aber gerade nicht, dass damit die Möglichkeit der Einwirkung auf das Verhalten anderer und damit die Mitzurechnung von Handlungen anderer ausgeschlossen ist. Freiheitliches Handeln und das Eingebundensein in soziale Zusammenhänge verweisen gerade aufeinander.

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Die tatstrafrechtliche Grundlage würde zudem verlassen, wenn jede Form der Bedingungssetzung („Ursache“) bereits genügen soll, um Unrecht zu begründen. Dies widerspricht auch der Garantiefunktion des Strafrechts (Art. 103 Abs. 2 GG). Es würde eine Vergeistigung des Rechts bedeuten, würde jede Kommunikationsform, ohne eine reale Manifestation in der Außenwelt, bereits strafrechtliches Unrecht begründen können. Es bedarf daher einer rechtlichen und nicht nur einer faktischen Abhängigkeit des Teilnehmers von der Haupttat.

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Deutlich wird die mangelnde Erfassung von (Inter-)Personalitätsstrukturen auch bei Schmidhäuser, der Handlung und Erfolg beim Täter- und ebenso beim Teilnahmeunrecht trennt. Er sieht den entscheidenden Unwert in der Handlung des Täters, mit der dieser bereits den Achtungsanspruch des Rechtsgutes verletze, während der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges nur „etwas Hinzukommendes“ sein soll und allein im Hinblick auf die Strafwürdigkeit von Bedeutung sei.[176] Damit werden einerseits die willentliche Handlung vom Erfolg, andererseits der Tatbeitrag des Teilnehmers von der durch die vom Haupttäter bewirkte Rechtsverletzung künstlich voneinander getrennt.

d) Die akzessorietätsorientierte Verursachungslehre

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Im Gegensatz zu den zuvor genannten Lehren, die das Teilnahmeunrecht selbstständig zu begründen versuchen, hebt die von der Rechtsprechung[177] und einem Großteil der Literatur[178] vertretene Lehre der „akzessorietätsorientierten Verursachung“ hervor, dass das Teilnahmeunrecht nach Grund und Maß vom Haupttatunrecht abhängig sei.[179] Der Teilnehmer verwirkliche mittelbar die Rechtsgutsverletzung. Der Strafgrund der Teilnahme liege darin, dass der Teilnehmer für die Verwirklichung der Haupttat ursächlich werde, indem er einen anderen zur Tat veranlasse oder ihn (physisch oder psychisch) unterstütze (auch sog. Förderungs- und Verursachungstheorie).[180] So werde der Anstifter für den Tatentschluss des Haupttäters und damit für die Haupttat „mitursächlich“. Dabei soll die Art der Verursachung, soweit sie den Entschluss des Anstifters mitverursacht hat, unerheblich sein.[181]

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Die akzessorische Verursachungslehre hebt zutreffend hervor, dass sich das Unrecht der Teilnahme insofern nicht selbstständig bestimmen kann, als es an eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat durch den Täter gebunden ist. Die in den §§ 26 f. StGB genannten Voraussetzungen der Teilnahme werden damit im Rahmen dieser Lehre aufgenommen. Allerdings wird das eigenständige Unrecht des Teilnehmers nicht hinreichend geklärt. Zwar wirkt der Teilnehmer an der fremden Unrechtstat mit und ist insofern auch von ihr abhängig, jedoch muss daneben auch das eigenständige Unrecht des Teilnehmers in die Begründung mit aufgenommen werden. Auch die Teilnahme enthält insoweit „einen eigenen Erfolgs- und Handlungsunwert“.[182] Der Hinweis, dass die Haupttat durch den Teilnehmer mitverursacht wurde, genügt dafür nicht, da insoweit das interpersonale Handeln auf Kausalitätszusammenhänge reduziert wird. Damit kann die akzessorietätsorientierte Verursachungslehre auch nicht deutlich die Teilnahme von der Täterschaft abgrenzen. So wird beispielsweise der Hintermann bei der mittelbaren Täterschaft ebenso ursächlich für die Tat des Vordermanns wie der Anstifter im Verhältnis zur Tat des Angestifteten.

e) Teilnahme als akzessorischer Rechtsgutsangriff

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Eine Modifizierung zu der akzessorischen Verursachungslehre stellt die Lehre vom „akzessorischen Rechtsgutsangriff“ dar. Der Strafgrund der Teilnahme sei der „akzessorische Angriff auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut“.[183] Der durch den Teilnehmer bewirkte mittelbare Rechtsgutsangriff an sich beschreibe einerseits das selbstständige Element des Teilnahmeunrechts, während die Akzessorietät andererseits verdeutliche, dass das Teilnahmeunrecht „zum guten Teil auch aus dem Unrecht der Haupttat abgeleitet“ werde.[184]

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Diese Lehre verbindet zutreffend die Akzessorietät hinsichtlich des Rechtsgutsangriffs seitens des Teilnehmers mit seinem Handlungsunwert, der nicht auf bloße Kausalität reduziert werden kann. Damit wird der materiale Gehalt des Unrechts der Teilnahme sowohl hinsichtlich des über den Haupttäter vermittelten Rechtsgutsangriffs als auch hinsichtlich seines eigenen Handlungsbezugs hervorgehoben.[185] Insoweit benennt diese Lehre jedenfalls das Begründungsproblem der Teilnahme deutlich, jedoch verbleibt sie im Wesentlichen bei einer beschreibenden Darstellung des Teilnahmeunrechts. Eine genauere Klärung der intersubjektiven Wirkverhältnisse und damit auch eine Verknüpfung der beiden Elemente „Akzessorietät“ und „Rechtsgutsangriff“ erfolgt hingegen nicht.

f) Solidarisierungslehre Schumanns

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Schumann benennt zunächst zutreffend die Problemstellung, nämlich dass es einer Begründung bedürfe, vom Prinzip der Selbstverantwortung des Einzelnen abzuweichen, so dass es einer Erklärung bedürfe, warum und ob überhaupt eine Mitzurechnung für Taten anderer möglich sei.[186] Grund und Grenze des Teilnahmeunrechts müssten mit dem Verantwortungsprinzip der Beteiligten zusammenstimmen.[187] Das Unrecht des Teilnehmers zeichne sich dadurch aus, dass er sich mit fremden Unrecht solidarisiere. Das entscheidende Unrechtsmoment der Teilnahme liege in ihrem besonderer „Aktunwert“, der in der Rechtsgemeinschaft einen rechtserschütternden Eindruck hervorrufe und damit ein für die Rechtsgemeinschaft „unerträgliches Beispiel“ darstelle.[188] Schumann vergleicht das Unrecht der Teilnahme auch mit dem des Versuchs. Bei beiden liege der Strafgrund in dem sich in der Straftat manifestierenden rechtsfeindlichen Willen, der das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung zu erschüttern geeignet sei (sog. Eindruckstheorie).[189]

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Auch wenn Schumann in seiner Arbeit immer wieder betont, Grund und Grenze des Teilnahmeunrechts müssten sich aus dem Verantwortungsprinzip der Beteiligten ableiten,[190] wird er seiner Prämisse bei der Deduktion des eigenen Ansatzes nicht gerecht. Denn entscheidender Maßstab für das Teilnahmeunrecht soll nun nicht mehr das freie (verantwortliche) Handeln des Einzelnen sein, sondern die Frage, inwieweit der „Rechtsfrieden in unerträglicher Weise“ durch die „Solidarisierung mit fremdem Unrecht“ gestört werde. Ausgangspunkt ist dann nicht mehr die Handlung der Person und ihre Beziehung zum angegriffenen Rechtsgut, sondern der äußere „Eindruck“ der Allgemeinheit. Die Gesellschaft wird zum Subjekt, während der betroffene Einzelne zum Objekt für andere wird. Der „friedensstörende Eindruck“ stellt zudem nur scheinbar ein objektives Kriterium in dem Sinne dar, dass er die Strafwürdigkeit der Tat zu seinem Inhalt macht. Vielmehr ist er Ausdruck einer unbestimmten Beliebigkeit eines sozialpsychologischen Gefühls anderer, der relativ bleiben muss, da sich für ihn keine allgemeingültigen Kriterien ableiten lassen.[191] Bei dem einen könnte z.B. auch eine tatprovozierende Situationsschaffung ausreichen, um sein Rechtsgefühl zu erschüttern, bei einem anderen dagegen nicht. Schließlich wird, anders als bei der vollendeten täterschaftlich begangenen Tat, bei der das Unrecht Grund für die Folge (den Eindruck als Wendung gegen das Recht) ist, Grund und Folge beim Teilnahmeunrecht umgekehrt: Der Eindruck soll nun Grund dafür sein, dass die Tat als unrechte zu bewerten ist. Eine Tat, die nach den sonst anzulegenden Kriterien kein Unrecht darstellt, wird als Unrecht behandelt, weil sie für andere so erscheint.[192] Die Rechtswidrigkeit des Teilnahmehandelns wird damit durch den Eindruck fingiert, nicht aber begründet.