Handbuch des Strafrechts

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V. Personale Handlungslehre und ihre Bedeutung für die Lehre von der Beteiligung

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Aus der Kritik an den unterschiedlichen Ansätzen zur Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme wurde deutlich, dass weder die kausale noch die finale Handlungslehre in der Lage ist, personales Handeln hinreichend zu erfassen. Im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit der Lehre Roxins wurde aber auch dargelegt, dass die Begründung der Möglichkeit der Mitzurechnung fremden Handelns an interpersonale Handlungszusammenhänge gebunden ist und es damit einer näheren Bestimmung menschlichen Handelns bedarf. Der Begriff „personales Handeln“ wird nicht einheitlich verwendet,[120] so dass es erforderlich ist, das vorliegend zugrunde gelegte Verständnis näher auszuweisen. Dabei kann allerdings nicht der gesamte (rechtsphilosophische) Ableitungszusammenhang dargelegt werden, der auch bereits in zahlreichen Monographien ausführlich dargelegt wurde.[121] Es werden vielmehr nur einige, für die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme wesentlichen Aspekte herausgestellt.[122] Verbunden ist mit einem personalen Handlungsverständnis ein Unrechtsbegriff, der sich nicht reduzieren lässt auf eine Erfolgsverursachung oder Normverletzung, sondern die Person als in sozialen Zusammenhängen stehendes Rechtssubjekt erfasst, das die Verletzung als die von ihr bewirkte begreift (materieller Unrechtsbegriff). So beinhalten z.B. die Tatbestände des Allgemeinen und Besonderen Teils des StGB Verletzungsbeschreibungen, die nicht bloße zufällige Konstruktionen eines über den Einzelnen stehenden Gesetzgebers sind.[123] Nur wenn der Einzelne als Mitkonstituens des Rechts begriffen wird, kann ihm eine Verletzung desselben als seine Verfehlung auch vorgeworfen werden.

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Das Rechtsverhältnis ist (ideal gedacht) so geartet, dass die äußere Freiheit des einen mit der äußeren Freiheit des anderen zusammen bestehen kann.[124] Es ist ein auf Gegenseitigkeit ruhendes Anerkennungs- und Gleichheitsverhältnis. Dabei ist es eine Leistung des je Einzelnen (und damit auch des späteren Täters), dieses Verhältnis zu stiften. Er ist in der Lage, sich grundsätzlich zum Richtigen zu bestimmen und nach einem von ihm eingesehenen Sollensverständnis zu handeln (Autonomie). Nur wenn zwischen dem späteren Täter und dem Verletzten dieser Begründungszusammenhang im Recht ausgewiesen ist, lässt sich der Begriff des Unrechts bestimmen, der ein sekundärer Begriff ist. Eine handlungsleitende Funktion kann Normen nur zukommen, weil sie auch vom Handelnden eingesehen werden können.[125] Die Rechtsgüter der Personen sind daher auch nicht erfundene Zuschreibungen des Gesetzgebers, sondern Formen der Freiheit des Einzelnen, die sich durch wechselseitige Anerkennung konstituieren. Sie lassen sich nicht auf faktische Gegebenheiten (Leben, Körper usw.) reduzieren, sondern beziehen ihren Geltungswert erst aus dem Bezug zum handelnden Subjekt selbst. So kann dann auch die tätige Verletzung nicht auf ihre empirische Faktizität reduziert werden. Eine rein kausale Betrachtung kann zwar die in der Rechtsverletzung zum Vorschein tretende Sozialschädlichkeit des Erfolges benennen, nicht aber ein personales Unwerturteil damit verbinden. Ein Verletzungserfolg kann ebenso durch ein Unglück (z.B. Umsturz eines Baumes im Wald, Blitzschlag) eintreten. Die Verletzungsdimension liegt gerade auch in der Nichtrespektierung eines anderen und damit in der Negation des Anerkennungsverhältnisses.

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Die Realisierung des Tatbestandes bedeutet damit mehr als ein bloß (äußerer) Normbruch. Das in § 212 StGB beschriebene Unrecht beispielsweise erschöpft sich nicht darin, dass jemand (äußerlich betrachtet) auf sein Gegenüber schießt und dieser durch den Schuss getötet wird, sondern maßgeblich ist, dass er einerseits mit dem Ziel handelt, einen anderen zu verletzen und sich aber auch zugleich als denjenigen begreift, auf den die Tötung zurückzuführen ist. Weil der Erfolg als von ihm bewirkbar verstanden wird, kann er als seine Verletzung begriffen werden.[126] Handlung und Erfolg beschreiben so eine ontische Einheit. Der Einzelne muss das Bewusstsein haben, Urheber der Verletzung zu sein; nur dann ist er als derjenige zu begreifen, der das tatbestandsmäßige Geschehen beherrscht und den Tatbestand (objektiv und subjektiv) verwirklicht.[127] Dem Einzeltäter muss – anders gewendet – die Handlungsmacht über das rechtsverletzende Geschehen zukommen. Diese Macht kann mit einem Schlagwort als Tatherrschaft bezeichnet werden, die einen personalen Handlungssachverhalt beschreibt. Täter ist damit derjenige, der die Macht über die konkrete Rechtsverletzung innehat, ihm kommt die Herrschaft über das im Tatbestand vertypte Unrecht zu.[128]

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Zur Un-Rechtsverwirklichung muss zudem neben der Realisierung des Verletzungstatbestandes die Rechtswidrigkeit des Täterverhaltens hinzukommen, d.h. der Täter muss sich mit seiner konkreten Tat gegen das Recht gewendet haben. Die in den einzelnen Tatbeständen beschriebenen Verbote können durch eine Erlaubnisnorm im konkreten Fall die Verbotsnormen begrenzen; die Rechtfertigungsgründe stellen eine zusätzliche Stufe dar. Das abstrakt als Unrechtstat einzustufende Geschehen wird in der konkreten Situation als erlaubt angesehen. Es bleibt aber bei der Feststellung der Verwirklichung des objektiven und subjektiven Verletzungsgeschehens, so dass der Verletzungstatbestand an sich nicht aufgehoben wird, sondern der Angriff in die Rechtssphäre „nur“ im konkreten Fall nicht als verbotene Wendung gegen das eingesehene Rechtsverhältnis beurteilt werden kann.[129] Verletzungstatbestand und Rechtswidrigkeit stellen daher zwei Ebenen dar, die jedoch beide das Unrecht selbst betreffen. Das rein objektive Gegebensein einer Rechtfertigungslage kann insoweit nicht ausreichen (genauso wenig wie allein der subjektive Rechtswille ohne eine tatsächlich objektiv gegebene Rechtfertigungslage genügen könnte), um eine Rechtfertigung zu begründen. Denn die rein objektive Betrachtung des Geschehens, sowohl bezogen auf das Unrecht als auch auf ihren Erlaubnisgrund, erfasst nur eine Seite des personalen Unrechts. Die Einheit von Handlung und Erfolg wird dann auseinandergerissen. Das Unrechtsurteil muss vielmehr (wie oben beschrieben) auf einer Einheit der subjektiven – in der Tätervorstellung begründeten – und den objektiven – in der Außenwelt hervorgetretenen – Elementen basieren. Soll dieses Urteil durch einen Gegengrund aufgehoben werden, kann dann ebenso wenig ein objektives, für den Täter nur rein zufälliges Vorliegen einer rechtfertigenden Situation genügen, sondern erforderlich ist subjektiv die Kenntnis derselben. Ebenso wie die personale Unrechtsbegründung muss auch die Rechtfertigungsbegründung in einer Einheit von äußerer Handlung und Erfolg zusammengefasst werden. Der Täter muss das Bedeutungsbewusstsein haben, dass sein objektives Verletzungshandeln aufgrund der tatsächlich vorliegenden Rechtfertigungssachlage geschieht.[130] Dies zeigt sich auch darin, dass der sich in einer Rechtfertigungslage Befindende auf diese konkrete Situation in einer bestimmten Art und Weise reagiert. Er setzt seine Abwehrhandlung subjektiv in ein Verhältnis zur konkreten Rechtfertigungssituation, was sich z.B. auch in dem Merkmal der „erforderlichen“ Abwehrhandlung zeigt. Wäre seine Abwehrhandlung rein zufällig begründet, ohne dass er sich eines Angriffs bewusst wäre, wäre auch eine mit dem Angriff in Einklang stehende „erforderliche“ Abwehr rein zufällig.[131] Das personale Unrecht bleibt also bestehen, wenn zwar eine objektive Rechtfertigungslage gegeben ist, das Verletzungsverhalten des Täters sich aber bloß zufallsbedingt im Rahmen einer Erlaubnisnorm befindet.[132]

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Von der oben dargelegten Einsicht, einen Verletzungstatbestand vorsätzlich oder fahrlässig zu bewirken, unterscheidet sich die Verfehlung der Möglichkeit, sich zum „Richtigen“ zu entscheiden, die persönliche Schuld des Einzelnen. Wird das Recht und seine Realisierung als Leistungsprozess des Einzelnen begriffen, muss auch ein Fehler im Rahmen dieses Leistungsprozesses von Bedeutung sein.[133] Dem Täter wird auf der Schuldebene der Vorwurf gemacht, dass er sich gegen sein eingesehenes Sollensverständnis zur unrechten Tat gewendet hat und damit zugleich das Recht als allgemein gesetztes Recht negiert hat. Denn personales Verhalten in intersubjektiven Verhältnissen setzt zugleich den Anspruch auf Allgemeinheit voraus und erweist sich so als eine gegenüber Naturgegenständen besondere Realität. Das zeigt sich auch beim schuldlos Handelnden. Greift ein Verhalten in die Freiheit eines anderen ein, dann behält die Rechtsverletzung auch dann ihre Realität, wenn der Handelnde bei der konkreten Verletzungshandlung aufgrund von personalen- oder situationsbezogenen Gründen nicht in der Lage ist, sich zum Richtigen zu bestimmen, z.B. weil er geisteskrank ist, sich in einem Verbotsirrtum befindet oder einer Drucksituation nicht standhalten kann. Der Unterschied, ob das Opfer von einem umstürzenden Baum erschlagen wird, oder durch die tätige Verletzung eines – wenn auch nicht schuldfähigen – anderen, bleibt hier bestehen. Während bei ersterem ein Unglück vorliegt, stellt sich letzteres weiterhin als Negation des rechtlich bedeutsamen Anerkennungsverhältnisses dar. Dies zeigt sich auch darin, dass, selbst wenn die Person von der Schuldunfähigkeit seines Gegenübers weiß, seine Handlung eine über die Interpersonalität hinausgehende Veränderung der sozialen Wirklichkeit aufweist. So kann sich beispielsweise der vom Schuldunfähigen Angegriffene gegen diesen zur Wehr setzen. Allerdings bleibt auch das Wissen um die Schuldunfähigkeit nicht ohne Bedeutung, wie z.B. die Einschränkung der Verteidigungshandlung in solchen Situationen zeigt; insoweit bleibt die Nichtverantwortlichkeit des Verletzers nicht ohne Konsequenzen, da er die Rechtsgeltung nicht gleichermaßen in Frage stellt wie ein vollverantwortlich Handelnder.[134]

 

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Die dargelegte Differenzierung in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld ist damit keine zufällige, sondern unterscheidet verschiedene Stufen im Rahmen (strafbaren) personalen Unrechts. Auch wenn die Realisierung einer strafbaren Tat durch eine Person als die von ihr gestiftete Einheit zu begreifen ist, wird deutlich, dass sich diese systematisch unterteilen lässt.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 50 Die Lehre von der Beteiligung › D. Begriff und Formen der Beteiligung

D. Begriff und Formen der Beteiligung

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Die dargelegte materielle Unrechtsbestimmung hat Bedeutung für die Bestimmung des Täter- und Teilnahmebegriffs. Unabhängig von der unterschiedlichen Qualität der Tatbeiträge sind die einzelnen Beteiligungsformen nach denselben Rechtsnormen zu beurteilen. Sie setzen die Verwirklichung einer allgemein eingesehenen und im Gesetz als Unrecht festgelegten Verbotsnorm voraus z.B. Verletzung des Tötungsverbots oder des Körperverletzungsverbots. Die (formale) Verwirklichung des Tatbestandes ist damit zwar eine notwendige Voraussetzung für die Unrechtsbestimmung von Täterschaft und Teilnahme, sie lässt sich aber nicht auf sie reduzieren.

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Die Möglichkeit der Mitzurechnung fremder Beiträge zur Rechtsverletzung, sei es als Täter, sei es als Teilnehmer, liegt darin, dass der Einzelne in seiner Willensbildung und auch in seinen Handlungsvollzügen eben auch fehlbares und endliches Subjekt ist. Zwar handelt der Einzelne grundsätzlich selbstbestimmt, er kann aber z.B. auch einem Irrtum unterliegen, er kann in bestimmten Situationen seiner Handlungsmacht begrenzt sein usw; hier liegen mögliche „Einbruchsstellen“, die sich eine andere Person zunutze machen und die eine (Mit-)Zurechnung begründen kann.[135] Wie und unter welchen Voraussetzungen sich dieses „Zunutze-Machen“ vollzieht, ist dann für die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme entscheidend. Hier sind auch die Unterschiede in der Qualität der Tatbeiträge bezogen auf die bewirkte Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Während dem Täter die Tatherrschaft über das rechtsverletzende Geschehen zukommt, kommt dem Teilnehmer diese Macht gerade nicht zu. Täterschaft und Teilnahme unterscheiden sich damit nicht quantitativ voneinander: Teilnehmer ist nicht ein „Weniger“ zur Täterschaft; ebenso wenig ist Täterschaft ein bloßes „Mehr“ zur Teilnahme. Die Differenzierung zwischen den Beteiligungsformen hat sich nach der Art und Weise, wie sich interpersonale Handlungszusammenhänge bezogen auf eine konkrete (versuchte) Rechtsverletzung gestalten, zu bestimmen.

I. Begriff und Formen der Täterschaft

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Aus der Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme lassen sich zusammenfassend zunächst drei – auch dem Gesetz zugrunde liegende – Annahmen ableiten:

Erstens geht das Gesetz davon aus, dass Handlungen einer Person überhaupt einer anderen (mit-)zugerechnet werden können. Da es um menschliches Interagieren geht, kann eine rein kausale oder finale Betrachtung der Verhaltenszusammenhänge nicht genügen, vielmehr ist den personalen Handlungszusammenhängen Rechnung zu tragen.[136] Zweitens wird die Differenzierung zwischen Beteiligungsformen bereits auf Unrechtsebene und nicht erst auf der Rechtsfolgenseite virulent. Das StGB hat damit im Grundsatz ein dualistisches Beteiligungssystem gewählt und insofern ein Einheitstätersystem abgelehnt. Drittens unterscheidet das Gesetz nicht nur zwischen Täterschaft und Teilnahme allgemein, sondern differenziert dabei sowohl bestimmte Formen täterschaftlichen Handelns als auch Formen bloß teilnehmenden Mitwirkens. Die verschiedenen Formen der Beteiligung sind dabei anhand ihrer Qualität des Zusammenwirkens mehrerer zu unterscheiden.

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Der Begriff des Täters ist nach dem vorgestellten Begründungszusammenhang restriktiv zu bestimmen. Es kann nur derjenige Täter sein, der einen Teil der sozialen Wirklichkeit, der seine Entsprechung in den Tatbeständen findet, beherrscht; keinesfalls ausreichen kann das Setzen einer bloß kausalen Ursache. Die Begründung von Täterschaft setzt damit voraus, dass dem Handelnden auch tatsächlich (und nicht allein aufgrund der Wertung durch den Gesetzgeber) die Macht über die Realisierung des in den Tatbeständen vertypten Unrechts zukommt.[137] Demgegenüber verkennt ein extensiver Täterbegriff diese personalen Wirkzusammenhänge. Er reduziert sie auf kausale Erscheinungen, in denen alle Bedingungen als gleichwertig erscheinen, und macht damit eine Differenzierung nach Beteiligungsformen unmöglich. Im Folgenden sind die einzelnen Formen der Täterschaft, insbesondere die der mittelbaren Täterschaft im Verhältnis zur Anstiftung und die der Mittäterschaft im Verhältnis zur Beihilfe zu konkretisieren.

1. Unmittelbare Täterschaft/Selbsttäterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB

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Unmittelbarer Täter ist derjenige, „wer die Straftat selbst begeht“. Daraus ergibt sich, dass derjenige, der eigenhändig den Straftatbestand realisiert, als Täter zu betrachten ist. Die subjektive Theorie der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichts und in Teilen auch des Bundesgerichtshofs ist damit schon mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren; eine Rückkehr zu einer rein subjektiven Bestimmung, „Täter ist, wer Täterwillen“ hat, ist damit ausgeschlossen.[138] Vielmehr muss sich dieser Wille auch in der (versuchten) Tat objektiv manifestieren.

2. Die mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

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Mittelbarer Täter ist derjenige, der die Tat „durch einen anderen“ begeht. Es bedarf also bei der mittelbaren Täterschaft eines Wirkzusammenhangs mit dem Vordermann, der den Hintermann in eine Stellung rückt, in der das rechtsverletzende Geschehen als das von ihm (und nicht als das vom Vordermann) bewirkte erscheint. Insofern gleicht die Tat des Hintermanns insgesamt der Selbsttäterschaft. Sie ist mit ihr aber nicht gleichzusetzen, was auch in der gesetzlichen Unterscheidung von mittelbarer Täterschaft und Selbsttäterschaft zum Ausdruck kommt.[139] Daher verbietet es sich, die Mittelsperson gleichsam als ein „mechanisches Werkzeug“, als Kausalitätsprozess, zu begreifen. Auch derjenige, der sich z.B. in einem Irrtum oder in einer Drucksituation befindet, bleibt grundsätzlich selbstständig denkendes Subjekt, mag die Selbstbestimmung aufgrund der Situation auch eingeschränkt sein. Der Wille selbst ist nicht korrumpierbar. Es stellt sich daher die Frage, wann dem Hintermann eine Herrschaft über das im Tatbestand vertypte Unrecht zukommt und zwar insbesondere in Abgrenzung zur Anstiftung, bei dem diese Herrschaft gegenüber dem Angestifteten gerade nicht gegeben ist. Der mittelbare Täter muss die Fehlbarkeit der Mittelsperson in der Weise für die Verwirklichung seines Unrechtswillens ausnutzen, als er ihr bereits die Möglichkeit nimmt, zu erkennen, dass sie eine Rechtsverletzung bewirkt. Dies kann beispielsweise durch eine Manipulation der äußeren Umstände geschehen. Der Hintermann verhindert z.B. die richtige Willensbildung dadurch, dass er beim Vordermann die richtige Beurteilung der Sachlage vereitelt, wie z.B. beim Hervorrufen oder Ausnutzen eines Tatbestands- oder Erlaubnisumstandsirrtum. Die Mittelsperson weiß in diesen Situationen bereits nicht, dass sie eine Rechtsverletzung bewirkt, sie realisiert selbst kein Unrecht, sondern verwirklicht die Unrechtsmaxime des Hintermanns.

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Damit ist zugleich die systematische Abgrenzung zur Anstiftung benannt. Während dem mittelbaren Täter selbst die Herrschaft über die Verletzung zukommt („Tatherrschaft“), wenn auch vermittelt über eine andere Person, hat der Anstifter an der vom unmittelbar Handelnden begangenen Verletzung „nur“ teil. Ihm wird die Tat eines Dritten mitzugerechnet. Solange der unmittelbar Handelnde hinsichtlich der rechtswidrigen Tat äußerlich frei und einsichtig handelt, ist für die Täterschaft eines Außenstehenden kein Platz.[140] Auch wenn seine Willensbildung durch einen anderen beeinflusst wurde, indem ein anderer bei ihm z.B. einen Rechtsirrtum (§ 17 StGB) bewirkt oder ihn unter Druck gesetzt hat (§ 35 StGB), verwirklicht der unmittelbar Handelnde weiterhin nicht eine fremde, sondern die eigene Unrechtsmaxime, während der Hintermann an derselben lediglich teil-haben kann. Das gleiche gilt erst recht für Fälle der sog. Organisationsherrschaft.[141]

3. Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB

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Die Mittäterschaft zeichnet sich dadurch aus, dass „mehrere die Straftat gemeinschaftlich“ begehen. Die Möglichkeit der Mitzurechnung ergibt sich hier ebenfalls aus den interpersonalen Handlungszusammenhängen im Recht wie im Unrecht. Der Einzelne ist in seiner Handlungsmacht begrenzt und erweitert seine Handlungsmöglichkeiten, indem er sich zur Tatausführung mit anderen zusammenschließt. Die Realisierung seines Vorhabens setzt er in Abhängigkeit zum Handeln anderer, so dass ihm die Tat und damit auch die Tatbeiträge der anderen insgesamt als die Seinen mitzugerechnet werden können.[142] Anders als bei der Selbsttäterschaft oder der mittelbaren Täterschaft ist es im Rahmen der Mittäterschaft nicht erforderlich, dass jeder Einzelne das gesamte Tatgeschehen beherrscht; insoweit hat der Begriff der „Tatherrschaft über das im Tatbestand vertypte Unrecht“ hier nur eingeschränkte Bedeutung für jeden einzelnen Mittäter. Denn die Mittäterschaft zeichnet sich dadurch aus, dass der Tatbestand arbeitsteilig realisiert wird.[143] Sieht der Tatplan z.B. vor, dass A den O festhält, während B den O schlägt, muss sich der A die von B vorgenommenen Schläge gegenüber O mittäterschaftlich zurechnen lassen. Das gilt jedenfalls insoweit, als sie als „gleichberechtigte Partner“ bezogen auf die Körperverletzung agieren, wobei dabei der gemeinsame Tatplan zugrunde zu legen ist.[144]

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Der gemeinsame Tatentschluss, der gemeinsame Tatplan, bildet hier die Grundlage für die „arbeitsteilige“, gemeinschaftliche Tatausführung und bestimmt und begrenzt auch die Reichweite der Mitzurechnung der Tat des jeweiligen anderen.[145] Nicht ausreichend ist eine bloß (äußere) zufällige Willensübereinstimmung; eine gegenseitige Mitzurechnung der Handlungsbeiträge setzt vielmehr eine „wechselseitige Vereinbarung zur gleichberechtigten, arbeitsteiligen Deliktsverwirklichung“ voraus,[146] die sich in der konkreten gemeinschaftlich begangenen Unrechtstat manifestiert.[147] Gegenseitiger Zurechnung fähig sind dabei nur die (äußeren) Tatbeiträge, subjektive oder täterbezogene Merkmale muss jeder Mittäter selbst aufweisen.[148]

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Der Gehilfe unterscheidet sich von der Mittäterschaft dadurch, dass es an einem gemeinsamen Unrechtsentschluss fehlt, er also zwar auch ein bestimmtes Interesse an der Ausführung der Tat haben mag, z.B. für seinen Tatbeitrag belohnt wird, er jedoch seinen Tatbeitrag nicht in Abhängigkeit von anderen setzt.[149] Auch ist er nicht gleichberechtigter Partner eines gemeinschaftlichen Zusammenschlusses und sieht sich auch nicht als ein solcher an.