Handbuch des Strafrechts

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[601]

BMJV, VerSanG-E, S. 138.

[602]

Ott/Lüneborg, NZG 2019, 1361, 1369; siehe auch Dann/Warntjen, MedR 2020, 94, 101; Eggers, BB 2019, 3010, 3012 f.

[603]

Salzmann/Klöckler, BB 2020, 922, 925; Schmitz, WiJ 2019, 154, 158; Ströhmann, ZIP 2020, 105, 110.

[604]

BMJV, VerSanG-eRefE, S. 103.

[605]

Giese/Dachner, ZIP 2020, 498, 503.

[606]

Eufinger, BB 2019, 2408, 2411; Eufinger/Wieter, GuP 2020, 1, 6 f.; Giese/Dachner, ZIP 2020, 498, 500 f.; Lützeler/Kienast, DB 2019, M18 f.; Petrasch, DRiZ 2020, 96, 98; Schmitz, WiJ 2019, 154, 161 f.

[607]

Brouwer, AG 2019, 920, 923; Giese/Dachner, ZIP 2020, 498, 501 f.

[608]

Petrasch, DRiZ 2020, 96, 98; Ströhmann, ZIP 2020, 105, 110.

[609]

Priewer/Ritzenhoff, WiJ 2019, 166, 168.

[610]

Deutscher Anwaltverein, NZG 2020, 298.

[611]

Schmitz, WiJ 2019, 154.

[612]

Odenthal, PStR 2020, 10, 16 f.; siehe auch Priewer/Ritzenhoff, WiJ 2019, 166, 167 f.

[613]

Priewer/Ritzenhoff, WiJ 2019, 166, 170; Schmitz, WiJ 2019, 154, 157; Ströhmann, ZIP 2020, 105, 110.

[614]

Priewer/Ritzenhoff, WiJ 2019, 166, 172.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 50 Die Lehre von der Beteiligung

Bettina Noltenius

§ 50 Die Lehre von der Beteiligung

A.Entwicklungsgeschichte des Gesetzes3 – 13

I.Beteiligungsregelungen in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts4, 5

II.Die Beteiligungsregelungen im RStGB von 18716 – 10

III.Die Fassung der §§ 25 ff. StGB vom 1.1.197511 – 13

B.Nivellierungstendenzen des dualistischen Beteiligungssystems14 – 21

I.Nivellierungstendenzen in der Gesetzgebung15 – 18

II.Nivellierungstendenzen in der Rechtsprechung19

III.Nivellierungstendenzen in der Literatur20, 21

C.Zur Diskussion um die Kriterien der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme22 – 56

I.Naturalistisch-subjektivistische Beteiligungslehre und die Rechtsprechung des Reichsgerichts24 – 30

II.Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von der Dolustheorie des Reichsgerichts hin zu einer normativen Betrachtungsweise31 – 36

III.Die teleologische Lehre und die formal-objektive Beteiligungslehre37 – 41

IV.Tatherrschaftslehren (materiell-objektive Beteiligungslehren)42 – 50

1.Die finale Handlungslehre Welzels und seine Lehre von der Tatherrschaft43 – 46

2.Der methodische Ansatz Roxins und seine Lehre von der Tatherrschaft47 – 50

V.Personale Handlungslehre und ihre Bedeutung für die Lehre von der Beteiligung51 – 56

D.Begriff und Formen der Beteiligung57 – 107

I.Begriff und Formen der Täterschaft59 – 67

1.Unmittelbare Täterschaft/Selbsttäterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB61

2.Die mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB62, 63

3.Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB64 – 66

4.Die Nebentäterschaft67

II.Teilnahmelehren, Begriff, Formen und Voraussetzungen der Teilnahme68 – 107

1.Teilnahmelehren70 – 92

a)Schuldteilnahmelehre71 – 73

b)Unrechtsteilnahmelehre74, 75

c)Verursachungslehren76 – 81

d)Die akzessorietätsorientierte Verursachungslehre82, 83

e)Teilnahme als akzessorischer Rechtsgutsangriff84, 85

f)Solidarisierungslehre Schumanns86, 87

g)Günther Jakobs „Theorie der Beteiligung“88 – 91

h)Die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff92

2.Erfordernis der limitierten Akzessorietät93 – 98

3.Formen der Teilnahme99 – 107

a)Anstiftung100 – 103

b)Beihilfe104 – 107

E.Besondere Problemstellungen: Eigenhändige Delikte, Sonderdelikte, Unterlassungsdelikte, Fahrlässigkeit und Unternehmensstrafbarkeit108 – 143

I.Sog. Eigenhändige Delikte108

II.Sonderpflichtdelikte109 – 111

 

III.Beteiligung und Unterlassung112 – 129

1.Beteiligung eines Nichtgaranten durch positives Tun am Unterlassungsdelikt113 – 116

2.Beteiligung eines Garantenpflichtigen durch Unterlassen an einem Begehungsdelikt117 – 128

3.Beteiligung mehrerer durch Unterlassen129

IV.Möglichkeit fahrlässiger Beteiligung130 – 137

1.Fahrlässige Beteiligung an fremder Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstat134, 135

2.Vorsätzliche Beteiligung an fremder Fahrlässigkeit136, 137

V.Strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen, Personenverbänden usw.138 – 143

F.Zusammentreffen mehrerer Beteiligungsformen144

G.Beteiligungsformen im Romstatut und im deutschen VStGB145, 146

Ausgewählte Literatur

1

Das deutsche StGB differenziert in den §§ 25 ff. unter dem Titel „Täterschaft und Teilnahme“ zwischen der Alleintäterschaft/unmittelbaren Täterschaft und verschiedenen Beteiligungsformen (dualistisches Beteiligungssystem). Der Oberbegriff der Beteiligung umfasst Täter und Teilnehmer (§ 28 Abs. 2 StGB). Formen der Täterschaft sind neben der Alleintäterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) die mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) und die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) sowie die gesetzlich nicht normierte Nebentäterschaft. Im Rahmen der Teilnahme wird zwischen Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) unterschieden. Die Teilnahme steht dabei in Abhängigkeit zu einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat eines anderen (limitierte Akzessorietät). § 28 StGB sieht eine Lockerung der (limitierten) Akzessorietät vor: Für verschiedene Beteiligte derselben Straftat gilt je nachdem, ob „besondere persönliche Merkmale“ fehlen oder vorliegen, ein unterschiedlicher Strafrahmen (§ 28 Abs. 1 StGB) oder es findet unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 StGB eine Tatbestandsverschiebung statt (dazu § 55). In den Rechtsfolgen ist die Anstiftung der Täterschaft gleichgestellt (§ 26 StGB), während die Beihilfe eine obligatorische Strafmilderung vorsieht (§ 27 Abs. 2 StGB). § 29 StGB bestimmt, dass jeder Beteiligte nach seiner Schuld und damit unabhängig von der Schuld des anderen Beteiligten bestraft wird.

2

Um die Regelungen der §§ 25 ff. StGB und auch, um die bis heute anhaltenden grundlegenden Diskussionen der Beteiligungslehre einordnen zu können, ist zunächst kurz auf ihre Entwicklungsgeschichte seit der Neuzeit[1] einzugehen.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 50 Die Lehre von der Beteiligung › A. Entwicklungsgeschichte des Gesetzes

A. Entwicklungsgeschichte des Gesetzes

3

Kennzeichnend für die historische Entwicklung des Gesetzes ist, dass im 18. Jahrhundert zunächst der Begriff des „Urhebers“ (autor delicti) vorkam, der alle Beteiligungsformen in sich schloss und sich nur von dem der Beihilfe (socius delicti) abgrenzte. Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Differenzierung im Rahmen des Urheberbegriffs, der in den physischen und den intellektuellen Urheber unterteilt wurde. Daraus resultierte die spätere Differenzierung in die Begriffe der Täterschaft einerseits und der Anstiftung andererseits. Hinsichtlich der einzelnen Begriffsbestimmungen und der Frage der Abgrenzung bestand im Übrigen keine Einigkeit.[2]

I. Beteiligungsregelungen in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts

4

Unter den Begriff des „Urhebers“ wurden zunächst alle Beteiligungsformen der unmittelbaren und mittelbaren Täterschaft sowie der Anstiftung als „intellektuelle Urheberschaft“ gefasst. Eine Differenzierung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft wurde somit nicht vorgenommen.

So lautet z.B. Art. 45 des Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813[3]:

„Nicht blos I. derjenige, welcher das Verbrechen durch eigene körperliche Kraft und That unmittelbar bewirkt, sondern II. wer dem Vollbringer vor oder bei der Ausführung in der Absicht, damit das Verbrechen entstehe, eine solche Hülfe geleistet hat, ohne welche diesem die That nicht möglich gewesen wäre; endlich III. alle diejenigen, welche mit rechtswidriger Absicht Andere zur Begehung und Ausführung eines Verbrechens bewogen haben, sollen als die Urheber desselben bestraft werden.“

Art. 46 des Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 bestimmte näher, was unter den in III. beschriebenen „mittelbaren Urhebern“ zu fassen ist. Urheber ist derjenige, der „durch ausdrückliche Ratherteilung, durch Auftrag, durch Versprechen oder Geben eines Lohnes, durch Gewalt, Drohung oder Befehl, oder endlich durch absichtliche Erregung eines Irrthums den Vollbringer der That zur Ausführung derselben bestimmt hat.“ Weiter heißt es dort: „Wer aber durch Reden oder Handlungen unabsichtlich eines Andern gesetzwidrigen Entschluß veranlaßt, soll nach den Gesetzen über Fahrlässigkeit, und wer den von einem Andern schon gefaßten Entschluß zur Begehung eines Verbrechens durch Rath, Auftrag und dergleichen bestärkt hat, nach dem Gesetze wider Gehülfen beurteilt werden.“

5

Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einer begrifflichen Trennung von Täter und Teilnehmer und es erfolgte nunmehr eine Dreiteilung in Täter, Anstifter und Gehilfen; der Begriff der „Urheberschaft“ entfiel insoweit. So differenzierte das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten von 1851 zwischen Tätern und Teilnehmern, die Anstiftung wurde letzteren zugeordnet. Vorbild für diese Teilnahmeregelung war der Code Pénal von 1810, der die Anstiftung nicht mehr als Täterschaft, sondern als Teilnahme neben der Beihilfe vorsah. Auch das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern von 1861 nahm eine Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme vor. Während dieses in Art. 52 ausdrücklich eine Differenzierung zwischen dem „Thäter“ („welcher das Verbrechen durch eigene Handlung unmittelbar bewirkt hat“) und dem „Theilnehmer“ („dessen Absicht auf die Hervorbringung oder Unterstützung des Verbrechens gerichtet war“) vorsah, unterschied zwar das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten in § 34 zwischen Teilnahme und Täterschaft, bestimmte aber nicht explizit den Begriff des Täters:

„Als Theilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens wird bestraft:

1) wer den Thäter durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohungen, Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel zur Begehung des Verbechens oder Vergehens angereizt, verleitet oder bestimmt hat;

2) wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens Anleitung gegeben hat, ingleichen wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zur der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, verschafft hat, oder wer in den Handlungen, welche die That vorbereitet, erleichtert oder vollendet haben, dem Thäter wissentlich Hülfe geleistet hat.“

Während der Anstifter nunmehr vom Begriff des Urhebers und des Täters getrennt wurde, folgte daraus jedoch keine Strafmilderung, vielmehr wurde er als ebenso strafwürdig angesehen wie der Täter. Demgegenüber wurde zwar auch der Gehilfe grundsätzlich der Strafbarkeit des Täters gleichgestellt, jedoch sahen die Gesetze eine Strafmilderungsmöglichkeit vor. Nach § 35 S. 2 PrStGB war z.B. die Strafe zu mildern, wenn die „Theilnahme keine wesentliche war“ und nach Art. 55 BayrStGB konnten die Gerichte die Strafe des Gehilfen mildern.

II. Die Beteiligungsregelungen im RStGB von 1871

6

Nach der Reichsgründung von 1871 galt für das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches ein einheitliches Strafgesetzbuch, das im Wesentlichen dem Preußischen Strafgesetzbuch entsprach. §§ 47 bis 49 RStGB von 1871 differenzierten unter der Abschnittsüberschrift „Theilnahme“ zwischen Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe. § 47 RStGB regelte die Mittäterschaft, die §§ 48, 49 RStGB normierten Anstiftung und Beihilfe. Die Anstiftung stellte eine der Haupttat akzessorische Teilnahme dar. Vorausgesetzt war eine „strafbare Handlung“, also eine vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Haupttat. Fälle dagegen, in denen der Hintermann z.B. eine willenlose Mittelsperson einschaltet, wurden damit aufgrund der Abhängigkeit des Anstifters von der Haupttat nicht von § 48 RStGB erfasst. Im Strafmaß des Anstifters zeigte sich, dass dieser als ebenso strafwürdig erachtet wurde wie der Täter; die Beihilfe sah hingegen eine obligatorische Strafmilderung vor. Ausdrückliche Regelungen zur Alleintäterschaft und zur mittelbaren Täterschaft fehlten hingegen; sie wurden als nicht erforderlich erachtet, da sie als von den Tatbeständen des Besonderen Teils mitumfasst angesehen wurden. Aufgrund der strukturellen Gleichheit der mittelbaren Täterschaft und der unmittelbaren Täterschaft erschien jene genauso wenig im Allgemeinen Teil des RStGB erwähnenswert wie diese.[4]

7

Mit der im Gesetz vorgenommenen generellen Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme erfolgte in Rechtsprechung[5] und Literatur[6] eine nähere Herausarbeitung der Kritieren der mittelbaren Täterschaft. Bedingt durch die strenge Akzessorietät der Anstiftung und ihrer Einordnung als Teilnahmeform blieben Sachverhalte übrig, bei denen der Täter einen Menschen einsetzt, der strafrechtlich nicht verantwortlich handelt. Die Figur der mittelbaren Täterschaft wurde daher für solche Fälle konstruiert, die allgemein als strafwürdig galten, aber gesetzlich nicht (ausdrücklich) erfasst wurden. Als mittelbarer Täter sollte derjenige behandelt werden, der sich einer unvorsätzlich, rechtmäßig oder schuldlos handelnden Person, also eines strafrechtlich nicht verantwortlichen Menschen, bediente. Die Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft ergab sich aus der Abgrenzung zur Anstiftung. Es sollte unerheblich sein, ob sich jemand eines dinglichen Werkzeugs bedient oder einen Menschen als (strafloses) Werkzeug für seine strafbaren Zwecke benutzt.[7]

8

Die Diskussion um eine Änderung der Vorschriften begann bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So wurde zum Teil kritisiert, dass eine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Täterbegriffs fehle, zum Teil wurde auf der Grundlage eines kausalen Handlungsbegriff ein Einheitstäterbegriff und damit verbunden eine Abschaffung der §§ 48f. RStGB gefordert. Zwar gab es zahlreiche Vorentwürfe und auch amtliche Gesetzesentwürfe, jedoch kam es zunächst (mit Ausnahme des JGG 1923) zu keiner Änderung der gesetzlichen Regelung.[8]

9

Durch die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943[9] wurde die strenge Akzessorietät der Anstiftung gelockert. Die Teilnahme war nun nicht mehr von der Strafbarkeit des Täters insgesamt abhängig, vielmehr genügte nunmehr statt einer „strafbaren Handlung“ eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 RStGB). § 50 Abs. 1 RStGB erklärte, dass bei einer Beteiligung mehrerer an einer Tat, jeder ohne Rücksicht auf die Schuld eines anderen strafbar ist. Vorausgesetzt wurde daher für die Teilnahme eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat, die nicht schuldhaft begangen werden musste (limitierte Akzessorietät). Ferner wurde die obligatorische Strafmilderung der Beihilfe aufgehoben und durch eine fakultative ersetzt; zudem wurde die Strafbarkeit der erfolglosen (versuchten) Beihilfe eingeführt (§ 49a Abs. 3 RStGB).[10]

 

10

Die mittelbare Täterschaft wurde auch 1943 nicht ausdrücklich normiert, obwohl sie in der Rechtsprechung und Literatur als Beteiligungsform anerkannt war. Das Gesetz selbst ließ so zahlreiche Fragen offen: Zum einen die Frage, ob es überhaupt eine Form der mittelbaren Täterschaft gibt, zum anderen, welche Kriterien zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme, insbesondere auch im Verhältnis der Anstiftung zur (mittelbaren) Täterschaft, entscheidend sein sollen. Aber auch mit der Aufnahme des Begriffs der mittelbaren Täterschaft 1975 in § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB blieben die bestehenden Fragen vom Gesetzgeber zum großen Teil unbeantwortet.

III. Die Fassung der §§ 25 ff. StGB vom 1.1.1975

11

Die heutigen Bestimmungen der §§ 25 ff. StGB sind am 1. Januar 1975 in Kraft getreten.[11]

Die Neufassung des Strafgesetzbuches, in der auch der Wortlaut der Anstiftung und Mittäterschaft geändert und die mittelbare Täterschaft eingefügt wurde, wurde im Wesentlichen von drei Einflüssen bestimmt.[12] Zunächst hatte die Große Strafrechtskommission einen Entwurf ausgearbeitet, der (mit Änderungen) von der Bundesregierung als Entwurf 1962 (E 1962) in den Bundestag eingebracht wurde. Hinzu kam ein aus privater Initiative deutscher und schweizerischer Strafrechtswissenschaftler im Jahre 1966 ausgearbeiteter Alternativentwurf (AE), der 1968 von der Fraktion der FDP dem Bundestag vorgelegt und dort anschließend gemeinsam mit dem E 1962 beraten wurde. Schließlich brachte der Sonderausschuss des Bundestags für die Strafrechtsreform (1966–1969) die Entwürfe zu einer Einheit. Allerdings setzte sich hier mehr die Dogmatik des E 1962 durch, so dass die heutige Fassung der §§ 25, 26 StGB den §§ 29, 30 des E 1962 entspricht, während den Vorschlägen des AE zur Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme nicht gefolgt wurde.[13]

12

Die heutige Fassung der §§ 25, 26, 27 StGB und ihre Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme zeigt, dass der Gesetzgeber nicht den allgemeinen Begriff der Urheberschaft verwenden oder ein Einheitstätersystem implementieren wollte, welches von einer tatbestandsmäßigen Unterscheidung verschiedener Beteiligungsformen gänzlich absieht. Die Möglichkeit eines Einheitstätersystems wurde zwar diskutiert, jedoch nach der Mehrheit der die Entwürfe Beratenden abgelehnt. Begründet wurde dies zum einen damit, dass ein Einheitstätersystem keine wirkliche Vereinfachung darstellte, sondern schließlich der Richter in der Strafzumessung eine Unterscheidung wieder vornehmen müsste. Auch müsste der Gesetzgeber vor allem bei Fällen nur versuchter oder untergeordneter Beteiligung eine Strafmilderung besonders normieren oder von Strafe absehen. Zum anderen müsste bei einem einheitlichen Täterbegriff bei bestimmten Straftaten, wie den eigenhändigen Delikten oder bei solchen, die besondere persönliche Tätermerkmale voraussetzten, für die Frage der Beteiligung an solchen Taten wiederum eine zusätzliche Regelung getroffen werden. Schließlich hätte ein Fortfall der Abhängigkeit der Beteiligung von der Haupttat eine mit dem Rechtsstaat nicht zu vereinbarende Ausweitung der Strafbarkeit zur Folge.[14]

13

Die §§ 25 ff. StGB gehen damit bei Vorsatztaten[15] von einem dualistischen Beteiligungssystem und von einem restriktiven Täterbegriff aus. Es ist nicht jedes Handeln, das eine bloße Ursache zur Deliktsverwirklichung gesetzt hat, als täterschaftliches zu bewerten (so der sog. extensiver Täterbegriff), sondern die Täterschaft ist an das im jeweiligen Tatbestand umschriebene Verhalten gebunden. Täter ist nur derjenige, der entweder die Ausführungshandlung selbst vornimmt (Alleintäterschaft) oder diese durch einen anderen (mittelbare Täterschaft) oder mit anderen gemeinschaftlich begeht (Mittäterschaft). Demgegenüber stellen alle anderen Verhaltensweisen entweder eine strafbare Teilnahme an der Tat eines anderen dar oder sind straflos. Die Teilnahmevorschriften in den §§ 26 f. StGB sind insofern Ausdehnungsgründe des Tatbestandes.[16] Anstifter und Gehilfe realisieren nicht den Tatbestand des Besonderen Teils, sondern beteiligen sich an einer fremden Tatbestandsverwirklichung in Verbindung mit §§ 26 f. StGB.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 50 Die Lehre von der Beteiligung › B. Nivellierungstendenzen des dualistischen Beteiligungssystems

B. Nivellierungstendenzen des dualistischen Beteiligungssystems

14

Auch wenn das deutsche Recht mit den Regelungen der §§ 25 ff. StGB eindeutig von einem dualistischen Beteiligungssystem auszugehen scheint und sich damit gegen ein Einheitstätersystem entschieden hat, welches auf der Unrechtsebene nicht zwischen unterschiedlichen Beteiligungsformen differenziert[17], fällt auf, dass sowohl in strafrechtlichen Bestimmungen selbst (I.), insbesondere im Bereich der Organisationsdelikte und der Wirtschaftsstraftaten, als auch in der Rechtsprechung (unter II.) Tendenzen zu finden sind, die auf eine Nivellierung des Beteiligungssystems hinauslaufen. In der Wissenschaft werden diese Nivellierungstendenzen zum Teil kritisch beobachtet, zum Teil aber auch zustimmend zur Kenntnis genommen und (de lege ferenda) ein Einheitssystem favorisiert (III.).