Gott suchen und finden

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In seiner eigenen geistlichen Praxis

Aus dem bisher Dargelegten ist leicht verständlich, dass der von Ignatius durchlaufene Weg der »Suche nach Gott« für sein weiteres Gebetsleben und seine geistliche Praxis bestimmend wurde. Er begriff, dass Gott das Fundament seiner spirituellen Entwicklung gelegt hatte, aber auch, dass es nun an ihm lag, darauf aufzubauen und weiter daran zu arbeiten.

Die Grundlage seines geistlichen Lebens war die Erinnerung an die erlösende Liebe Gottes in der Feier der Eucharistie, wie dies aus seinem ganzen Geistlichen Tagebuch klar ersichtlich ist: Die »Suche nach Gott« wurde für ihn zum inneren Aufruf, auf diese Weise niemals auf seine Liebe zu vergessen. In der täglichen Eucharistie lebte er jedoch nicht nur die Beziehung zum dreifaltigen Gott (vgl. GT 43-64), sondern er »fand« in ihr auch viel Trost (vgl. GT 8) und Klarheit in seinen Wahlüberlegungen (vgl. GT 10–19). In der Suche nach dem Willen Gottes ging es ihm nicht allein um das Abwägen menschlicher Gründe, sondern vielmehr um ein inneres Erspüren der Absicht Gottes – durch das Wahrnehmen von Trost und Misstrost – und um das je tiefere Sich-Einfühlen in die Vorgehensweise Jesu (vgl. GT 66–70). »Zu diesen Zeiten war in mir eine so große Liebe zu Jesus, und ich verspürte oder sah ihn so sehr, dass mir schien, in Zukunft könne überhaupt nichts mehr kommen, was mich von ihm trennen oder über die Gnaden und die Bestätigung, die ich empfangen hatte, unsicher machen könnte« (GT 75).

Aus dem Geistlichen Tagebuch wird aber auch deutlich, wie er die Gewissenserforschung verstand und wie er sie selbst praktizierte. Sie war für ihn nicht ein bloßes Schauen auf eigene Fehler, sondern vielmehr eine Übung, um sich an die Gegenwart und das Wirken Gottes zu erinnern und so zu erkennen, was in der Beziehung zu Gott hilfreich bzw. was hinderlich war. D.h. das Ziel der Gewissenserforschung war für ihn nicht eine kleinliche und um sich selbst besorgte Fehleranalyse, sondern die Vertiefung der Beziehung zu Gott – im Erkennen dessen, was ihn dabei behinderte oder ihm half. Entscheidend war für ihn, dass alles so Wahrgenommene und Erkannte dazu dienen kann, sich der barmherzigen Liebe Gottes tiefer anzuvertrauen und sich aus diesem Vertrauen weiter um ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott zu mühen (vgl. GÜ 43). Die Gewissenserforschung als die liebende Aufmerksamkeit gegenüber Gott ist der deutlichste Ausdruck seiner beständigen »Suche nach Gott«, und sie ist die Übung, in der er ihn auch immer wieder »fand« und sich mit ihm in mystischer Weise aufs tiefste verbunden wusste: Sie half ihm, nicht nur je mehr zu einem Werkzeug in der Hand Gottes zu werden, sondern auch in allem als solches zu leben und zu handeln.

In seinen geistlichen Anweisungen für andere

Einzelne Hinweise und Anweisungen, »Gott zu suchen und zu finden«, lassen sich in fast allen Schriften des Ignatius entdecken. Denn in dem Maße, wie er selbst wirklich »Gott gefunden« hatte, wuchs in ihm auch das Verlangen, anderen Menschen auf diesem Wege zu helfen. Das »Finden Gottes« hatte ihn nicht nur zu einem Zeugen der Liebe Gottes gemacht, sondern diese Erfahrung drängte ihn, andere zur »Suche nach Gott im eigenen Leben« und zum »Finden Gottes in der persönlichen Glaubenserfahrung« hinzuführen (vgl. Sa 3). Seine Exerzitien sind zwar gewiss die Frucht seiner geistlichen Erfahrungen in Loyola und Manresa, ebenso aber auch eine Folge seines tiefen Verlangens, anderen zu helfen, aus der Beziehung zu Gott zu leben. Ihre Struktur entspricht daher nicht nur dem Weg, den Ignatius im Suchen und Finden Gottes durchlaufen hat, sondern aus ihr wird auch deutlich, welche Schritte nacheinander zu setzen sind, um je mehr aus Gott zu leben.

So ist es nicht verwunderlich, dass er in seinen Briefen nicht nur generell auf die Bedeutung der Exerzitien hinweist, sondern vor allem die Wichtigkeit der Ersten Woche hervorhebt: die Konfrontation mit der menschlichen Schwachheit und Erlösungsbedürftigkeit (vgl. GÜ 18). Aus seiner Erfahrung war ihm klar: Solange der Mensch nicht seine Schwachheit »erleidet« und an seine Grenzen stößt, wird er versucht bleiben, aus eigener Kraft »sein Leben zu gewinnen«, weil er meint, dieses selbst in der Hand zu haben. Deshalb möchte Ignatius den Menschen gerade dadurch für Gott öffnen, dass er ihm seine fundamentale Abhängigkeit von Gott vor Augen führt: positiv durch den Blick auf die Liebe Gottes, die im Geschaffensein und der damit gegebenen Berufung sichtbar wird, aber auch negativ durch das Betrachten seiner Verlorenheit, seiner Sünde und Schuld. Das »Prinzip und Fundament« sowie die Betrachtungen über die Sünde sind für ihn deshalb grundlegend, um für Gott innerlich offen zu werden und ihn wirklich »finden« zu können. Denn nur in dem Maße, wie der Mensch Gott als seinen Schöpfer und Erlöser zu »finden« vermag, wird er auch bereit sein, sich von Gott führen und belehren zu lassen. Nur so kann dann auch jene geistliche Dynamik einsetzen, aus der das Verlangen, »Gott zu suchen und zu finden« ständig zunimmt und den Menschen mehr und mehr zum Bittenden macht: »Innere Erkenntnis des Herrn erbitten, der für mich Mensch geworden ist, damit ich mehr ihn liebe und ihm nachfolge« (GÜ 104).

Erst wo im Menschen die Sehnsucht wach wird, Jesus Christus nachzufolgen, ist er auch zunehmend in der Lage, nach dem Willen Gottes zu suchen und diesen zu finden. Dazu muss er jedoch selbst zuerst klein und demütig werden (vgl. GÜ 164–167), denn ansonsten wird er nicht »den Willen Gottes finden«, sondern vielmehr wie Petrus in rein menschlichen Erwägungen steckenbleiben (vgl. Mk 8,33). Aus diesem Grunde betont Ignatius, dass der Wille Gottes nur in der tiefen Beziehung mit dem gekreuzigten Herrn gefunden und gelebt werden kann – im ständigen Erwägen, was er für mich gelitten hat »und was ich selbst für ihn tun soll und leiden muss« (GÜ 197). Entscheidend ist daher die gelebte Beziehung zu Gott, und deshalb »sind die Mittel, die das Werkzeug mit Gott verbinden und es dafür bereiten, sich gut von seiner göttlichen Hand leiten zu lassen, wirksamer als die Mittel, die es gegenüber den Menschen bereiten« (Sa 813).


Der Blick auf das Leben, die Praxis und die Anweisungen des Ignatius zeigt, dass »Gott suchen« und »Gott finden« eng miteinander verbunden sind. Da es dabei immer um die Beziehung des Menschen mit Gott geht, erscheinen sie zwar nahezu gleichbedeutend, doch besteht zwischen ihnen auch ein wichtiger Unterschied. Die »Suche nach Gott« ist eine nach der Beziehung zu ihm – und damit eine »Suche« nach dem »je mehr« der Liebe zu Gott, so wie dies im »Prinzip und Fundament« zum Ausdruck kommt: »indem wir allein wünschen und wählen, was uns mehr zu dem Ziel hinführt, zu dem wir geschaffen sind« (GÜ 23), d.h. die »Suche« benennt die menschliche Grundhaltung, die für die Vertiefung der Beziehung zu Gott erforderlich ist. Das »Finden Gottes« ist dagegen die geschenkhafte Erfahrung seiner Liebe, die nicht in der Hand des Menschen liegt, um die er nur immer wieder neu Gott im Sinne der »Betrachtung zur Erlangung der Liebe« bitten kann: »Gebt mir eure Liebe und Gnade, denn diese genügt mir« (GÜ 234). Das »Finden Gottes« ist jene Erfahrung der Geborgenheit bei Gott, die Ignatius in gnadenhafter Weise zuteil wurde, sodass er in allem die Gegenwart Gottes fühlen und betrachten konnte und so stets »contemplativus in actione« war.

Toni Witwer SJ lehrt Spiritualität an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.

Ignatius von Loyola:

In all diesen Zeiten, … war ein Gedanke in mir, der mich innen in der Seele durchdrang: Mit wie großer Ehrerbietung ich, wenn ich zur Messe gehe, Gott unseren Herrn usw. nennen und nicht Tränen, sondern diese Ehrerbietung und Ehrfurcht suchen müsste; … ja ich gewann die Überzeugung, dass dies der Weg war, den mir der Herr zeigen wollte … Während ich die Messe las, gewann ich sogar die Überzeugung, dass ich diese Gnade und Erkenntnis für den geistlichen Fortschritt meiner Seele für wichtiger hielt als alle anderen bisher.

(GT, in: GGJ 398–399)

In diesem Zeitabschnitt schien mir, dass die Demut, Ehrfurcht und Ehrerbietung nicht furchtsam, sondern liebevoll sein sollte, und dies ging so in meinen Sinn ein, dass ich immer wieder sagte: »Gebt mir liebevolle Demut!«

Mir schien, dass 〈dieser Geist〉 es dabei nicht stehen bleiben würde, sondern dass das gleiche danach auch gegenüber den Geschöpfen sein 〈müßte〉 würde, nämlich liebevolle Demut usw. (Ebd. 402–403)

Man ermahne sie [= die Novizen] häufig, in allen Dingen Gott unseren Herrn zu suchen, indem sie, so sehr es möglich ist, die Liebe zu allen Geschöpfen von sich entfernen, um sie auf deren Schöpfer zu richten und ihn in allen Dingen zu lieben und alle in ihm, gemäß seinem heiligsten und göttlichen Willen. (Sa 288,3)

Ignatius von Loyola (1491–1556) gründete – gemeinsam mit einer Gruppe von Gefährten – den Jesuitenorden, der 1540 von Papst Paul III. bestätigt wurde.

DOMINIK MARKL
»Dein Angesicht, GOTT,
will ich suchen« (Ps 27,8)
Gottes-Sehnsucht in der Bibel

Wer Gott in allen Dingen sucht, folgt einer intensiven Sehnsucht. Wo ist ihr Ursprung? Es lohnt sich, die ältesten Quellen des christlichen Glaubens danach zu befragen – die Zeugnisse der biblischen Schriften. Beginnen wir jedoch, die Bibel mit dieser Frage zu lesen, sehen wir sogleich, dass die menschliche Gottes-Sehnsucht erst der Widerhall einer Suche ist, die bei Gott selbst ihren Anfang nimmt.

 

»Wo bist du?« rief Gott Adam im frischen Wind des Tages (Gen 3,9). Adam, der Mensch, ist von Anbeginn von Gott gesucht – als die neu entdeckte Nacktheit und Furcht die Begegnung bedroht. Gott bekleidet Adam und Eva, die Mutter aller Lebendigen, sodass die Menschheit erneut, frei von Scham, Gott begegnen kann (Gen 3,21). Bei Ezechiel zeigt sich Gott als suchender Hirte: »Das Verlorene will ich suchen und das Versprengte zurückbringen, und das Gebrochene will ich verbinden, und das Kranke will ich stärken« (Ez 34,16). Ezechiel inspiriert Jesus zum Gleichnis vom verlorenen Schaf: Wenn der Hirte sein Schaf gefunden hat, »ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war« (Lk 15,5f). Jesus sieht seine Lebensaufgabe darin, »zu suchen und zu retten, was verloren ist« (Lk 19,10).

Zuweilen verzweifelt Gott in seiner Suche: »Ich war zu erreichen für die, die nicht fragten, ich war zu finden für die, die mich nicht suchten. Ich sagte zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief: Hier bin ich, hier bin ich!« (Jes 65,1). Kohelet, der Stoiker der Bibel, deutet selbst die Wirkmacht der Vergangenheit in der Wiederkehr des ewig Gleichen als Gottes Suche nach dem Verlorenen: »Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen, und Gott wird das Verjagte wieder suchen« (Koh 3,15).

Gott sucht Menschen, die zu Gottsuchern werden. »GOTT hat sich einen Mann nach seinem Herzen gesucht und ihn zum Fürsten seines Volkes gemacht« (1 Sam 13,14), entgegnet Samuel dem Saul, und David sucht Gott in den schwersten Momenten des Lebens. Als er an seiner eigenen Schuld nagt und Batsebas Kind erkrankt ist, »suchte David Gott um des Jungen willen. Und David fastete lange. Und wenn er heimkam, lag er die Nacht über auf der Erde« (2 Sam 12,16). Erneut, in einer dreijährigen Hungersnot, »suchte David das Angesicht GOTTES« (2 Sam 21,1). Davids Psalmen bringen seine Gottes-Sehnsucht zum Ausdruck: »Nur eines erbitte ich von GOTT, danach verlangt mich: Im Haus GOTTES zu wohnen alle Tage meines Lebens, die Schönheit GOTTES zu betrachten und nachzusinnen in seinem Tempel« (Ps 27,4). Schillernd ist der achte Vers dieses Psalms, wörtlich: »zu dir sagt mein Herz: ›Sucht mein Angesicht!‹« Spricht hier das göttliche Herz zu David oder erinnert sich Davids Herz an das Gotteswort? – »Dein Angesicht, GOTT, will ich suchen!« Wie die Suche ein Wechselspiel ist, so auch die Aufforderung zur Suche. Im letzten Vers des längsten Psalms fühlt sich ein Beter »verirrt wie ein verlorenes Schaf« und bittet Gott: »Suche deinen Diener!« (Ps 119,176). Davids Psalmen bekennen, dass die Suche Gottes zu Freude führt: »Alle, die dich suchen, sollen fröhlich sein und sich freuen in dir!« (Ps 40,17; 70,5; vgl. 1 Chr 16,10). David bedeutet »Liebling«, und wenn schon er in ganz menschlichen Zügen gezeichnet ist, so auch sein Sohn Salomo, dem das Lied der Lieder zugeschrieben ist. In ihm sehnt sich die Liebende: »Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt« (Hld 3,1f). Menschliche Sehnsucht, die »krank vor Liebe« fühlen lässt (Hld 2,5; 5,8), spiegelt die Gottes-Sehnsucht – »ihre Gluten sind Feuergluten, eine Flamme Jahs« (Hld 8,6). Das Ende des Liedes hält die Sehnsucht lebendig (Hld 8,14): »Eile, mein Geliebter, der Gazelle gleich, dem jungen Hirsch auf den Balsambergen!«

Selbst Tiere suchen Gott – sogar die stärksten Räuber flehen ihn an: »Die jungen Löwen brüllen nach Beute, sie ersuchen Gott um ihre Nahrung« (Ps 104,21). Alle Geschöpfe »warten auf dich, dass du ihnen ihre Speise gibst zu seiner Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem. Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde« (Ps 104,27–30). Dieser Hymnus sieht alle Geschöpfe als von göttlichem Lebensgeist begabte Gottsucher. Unsere Suche fügt sich in eine den Kosmos umfassende Gottsuche ein.

Wie das Leben aller von Gott abhängt, ist die spirituelle Suche des Einzelnen nicht vom Leben der Gemeinschaft zu trennen – sie verlangt den Einsatz für soziale Gerechtigkeit. »Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr GOTT sucht!« (Jes 51,1). Nach Zefanja setzt dies eine Haltung der Demut voraus: »Sucht GOTT, alle ihr Demütigen des Landes, die ihr sein Recht tut, sucht Gerechtigkeit, sucht Demut!« (Zef 2,3).

Menschen, die selbst Gewalt erlitten haben, suchen Gott in vertiefter Weise – dies zeigt die Bibel besonders am Beispiel des Babylonischen Exils, schon in Moses’ Ankündigung: »GOTT wird dich unter die Völker zerstreuen … Dann werdet ihr von dort aus GOTT, deinen Gott, suchen. Und du wirst ihn finden, wenn du mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele nach ihm fragen wirst« (Dtn 4,27–29). In eben diese Situation des Exils spricht Gott selbst in Jeremias Prophetie: »Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden« (Jer 29,13f; vgl. 2 Chr 7,14). Jesus versichert im gleichen Sinn: »Sucht, dann werdet ihr finden« (Mt 7,7/Lk 11,9).

Sacharjas Prophetie sieht eine Zeit universaler Gottessuche kommen: »Es wird noch geschehen, dass Völker herbeikommen und die Einwohner vieler Städte. Und die Bewohner der einen werden zur anderen gehen und sagen: Lasst uns doch hingehen, Gott anzuflehen und den Gott der Heerscharen zu suchen! Auch ich will gehen!« (Sach 8,20f). Und Maleachis prophetische Vision kündet an, der sehnsuchtsvoll Erwartete werde kommen: »Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!« (Mal 3,1).

Im Neuen Testament wird Jesus zum großen Gesuchten. »Alle suchen dich«, hört er schon nach seinen ersten Heilungen (Mk 1,37; vgl. Joh 6,24). »Was sucht ihr?« (Joh 1,38), »wen sucht ihr?« (Joh 18,4.7) und »wen suchst du?« (Joh 20,15; vgl. Mt 28,5) sind Grundfragen im Johannesevangelium. Für Matthäus und Lukas soll sich die Suche der Jünger Jesu vor allem auf Eines richten: »Sucht zuerst das Gottesreich und seine Gerechtigkeit, und alles andere wird euch dazugegeben werden« (Mt 6,33; vgl. Lk 12,31). Ähnlich wie Maleachis Vision und der sehnsuchtsvolle Schluss des Hohenliedes, entlässt auch das Neue Testament seine Leser in die Erwartung des Ersehnten (Offb 22,20): »Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus!«

Gottessuche, insbesondere ignatianische, fließt aus nicht versiegenden Quellen der biblischen Zeugnisse. Wenn wir in allen Dingen Gott suchen, folgen wir der Sehnsucht Gottes, die uns von Anfang an gesucht hat und auch heute unsere Sehnsucht weckt.

Dominik Markl SJ ist Dr. habil. für Altes Testament; er bereitet sich auf eine Lehrtätigkeit am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom vor.

MARTIN HASITSCHKA
Die Welt sehen, »wie sie gebadet ist im Blute Christi«

Zu einer neuen Sicht der Wirklichkeit motiviert uns ein Wort des Ignatius, das Hugo Rahner in folgender Übersetzung präsentiert: »Wir müssen alle Kreatur betrachten, nicht wie sie in sich schön und liebenswert ist, sondern wie sie gebadet ist im Blute Christi.«3 Ignatius will damit den Patres, die er ausgesandt hat, nahelegen, welche Sicht und welche Haltung sie gegenüber den Menschen einnehmen sollen, denen sie begegnen. Indem wir entsprechende Texte im Neuen Testament betrachten, können wir tiefer erfassen, was dieses Wort bedeutet.

Der metaphorische Ausdruck »gebadet im Blute Christi« erinnert an die Vision vom geretteten Gottesvolk in der Offenbarung des Johannes (Offb 7,9–17). Es befindet sich bereits in seiner himmlischen Vollendung. Johannes sieht eine unzählbar große Menge von Menschen »stehend vor dem Thron (Gottes) und vor dem Lamm, bekleidet mit weißen Gewändern und Palmzweige in ihren Händen« (Offb 7,9). Sie singen von ihrer Rettung. Diese mit weißen Gewändern Bekleideten – so erfährt Johannes – »sind die Kommenden aus der Bedrängnis, der großen, und sie haben gewaschen ihre Gewänder und haben sie weiß gemacht im Blut des Lammes« (Offb 7,14).

Das weiße Gewand ist Sinnbild der Zugehörigkeit zu Christus und der Verbundenheit mit ihm (vgl. Gal 3,27). Die paradoxe Vorstellung von der Reinigung der Gewänder im Blut des Lammes weist darauf hin, dass die Zugehörigkeit zu Christus nicht auf eigenen Verdiensten beruht, auch nicht auf dem eigenen Martyrium, sondern auf der Lebenshingabe Jesu als Ausdruck seiner Liebe zu uns (vgl. Offb 1,5). Das weiße Gewand symbolisiert zugleich auch die priesterliche und königliche Würde, die alle durch das Blut des Lammes erlangen (vgl. Offb 5,10).

In seinem Brief an die Römer schreibt Paulus, dass in Jesus, und zwar »in seinem Blut«, Gott uns einen Beweis gibt. Einerseits beweist er uns seine »Gerechtigkeit«, nämlich dass wir uns in neuer, rechter Beziehung zu ihm wissen dürfen (Röm 3,25), und anderseits gibt er einen Beweis seiner »Liebe« zu uns (Röm 5,8). Grund für die neue, heile und rechte Beziehung zu Gott ist seine Liebe, die »ausgegossen ist in unsere Herzen« (Röm 5.5). Durch Jesus und den Beweis, der uns »in seinem Blut« gegeben ist, haben wir eine unerschütterliche Hoffnung auf »Herrlichkeit« (Röm 5,2), auf Heil und ewiges Leben über alle irdischen Vorstellungen hinaus. Bereits jetzt ist uns gegeben, die Welt im Licht dieser Herrlichkeit zu sehen.

Zu einer neuen Betrachtungsweise der Welt, die sich im Glauben an Jesus eröffnet, motiviert Paulus auch am Schluss seines Briefes an die Galater. Er gibt ein persönliches Glaubenszeugnis, in das auch die Adressaten seines Briefes einstimmen können: »Es sei mir fern, mich zu rühmen, außer im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt« (Gal 6,14). Im Blick auf Jesus, der am Kreuz sein Blut vergossen hat, sieht Paulus die Welt und auch sich selbst, wie sie hineingenommen sind in das Kreuzesgeschehen. Zugleich kann Paulus in unserer irdischen Welt bereits Spuren und Zeichen einer neuen Schöpfung wahrnehmen.

Was »das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus« dem Paulus persönlich bedeutet, hat er schon vorher angedeutet, wenn er schreibt: »Mit Christus bin ich mitgekreuzigt. Ich lebe, aber nicht mehr ich. Es lebt vielmehr in mir Christus. Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, den mich Liebenden und sich Hingebenden für mich« (Gal 2,19–20). Jesu Kreuz sieht Paulus als Zeugnis einzigartiger Liebe, die ihm persönlich gilt (»für mich«).

Der zweistrophige Christushymnus im Kolosserbrief (Kol 1,15–20) singt vom »geliebten Sohn« des »Vaters«. In der ersten Strophe (Kol 1,15–18a) wird im Blick auf die Schöpfung betont, dass »das All« in ihm und durch ihn und auf ihn hin erschaffen wurde. Die zweite Strophe (Kol 1,18b–20) handelt von der mit Gott versöhnten Schöpfung, die mit Jesu Auferweckung von den Toten beginnt. Es hat – so wird betont – Gott wohlgefallen, in Jesus die ganze »Fülle« wohnen zu lassen und durch ihn und auf ihn hin »das All« zu versöhnen, »Frieden stiftend durch das Blut seines Kreuzes« (Kol 1,19–20). Glaubende erfahren in ihrem eigenen Leben das rettende und versöhnende Wirken Gottes (Kol 1,21–22) und erkennen darin zugleich Gottes versöhnende Initiative gegenüber der ganzen Schöpfung. Sie sehen die Welt in einem neuen Licht: im Licht der versöhnenden Liebe Gottes, die im Gekreuzigten und Auferweckten höchsten Ausdruck findet.

Auch der hymnische Text am Beginn des Epheserbriefes singt von der versöhnenden Initiative Gottes, die uns Jesus »durch sein Blut« bezeugt (Eph 1,7). In Jesus, dem geliebten Sohn, schenkt uns Gott seine wunderbare »Gnade« (Eph 1,6). Damit ist uns auch die Gewissheit gegeben, dass wir »erwählt« sind vor der Erschaffung der Welt und »vorherbestimmt« dazu, dass wir »seine Söhne und Töchter werden durch Jesus Christus« (Eph 1,4–5).

In den erwähnten Textstellen aus der Offenbarung des Johannes und den Paulusbriefen ist das Blut Jesu Sinnbild für seine freiwillige Lebenshingabe. Er stirbt als Märtyrer, als »der treue Zeuge« (Offb 1,5). Nicht aus Schwäche, sondern in geheimnisvoller Stärke verzichtet er dabei auf Gegenwehr und alle Mittel der Gewalt. Mit seinem am Kreuz vergossenen Blut besiegelt er die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft. Gott rettet den Gekreuzigten, indem er ihn von den Toten erweckt, und er bestätigt damit das Zeugnis Jesu. Gott ist wirklich so, wie Jesus ihn verkündet hat.

 

Wenn wir dies ernst nehmen, dann ändert es unseren Blick auf die Wirklichkeit. Die Geschöpfe betrachten, wie sie gebadet sind im Blut des Lammes, heißt sie zu sehen im Licht von Ostern: als von Gott geliebte – trotz der dunklen Rätsel von Leid und Gewalt, mit denen wir täglich konfrontiert werden.

Das Johannesevangelium bestärkt uns in dieser Sichtweise. Im Gespräch mit Nikodemus sagt Jesus: »So nämlich liebte Gott die Welt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder an ihn Glaubende nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat« (Joh 3,16).

Das Wort des Ignatius leitet uns nicht nur dazu an, die Welt im Licht Christi zu sehen, sondern bewegt uns auch zu einer dieser Sichtweise entsprechenden Lebenspraxis. Wir sehen die Menschen, wie ihnen besondere Würde zukommt. Das hat Auswirkungen auf unser Verhalten ihnen gegenüber. Indem wir die ganze Welt in ihrer Bezogenheit auf Christus sehen, ergibt sich daraus auch ein achtsamer und ehrfurchtsvoller Umgang mit der Schöpfung.

Martin Hasitschka SJ ist emeritierter Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.

Jerónimo Nadal:

WER BIST DU? Betrachtung über die Geschöpfe. Besinne dich und sage zu den einzelnen: Wer bist du? Und die einzelnen und alle zusammen antworten: Ich bin nicht Gott. Was bist du dann? Die Stimme eines Rufenden, Spur Gottes, Leben in Gott, Licht aus Gott. Aber damit du diese Stimme hörst, musst du in die Wüste deines Herzens gehen, wo es kein eitles und unvollkommenes Verlangen gibt; hier wirst du jene Stimme vernehmen und du wirst Gott in den Geschöpfen verspüren, das heißt den Hinweis auf Gott im Herzen durch das Geschöpf Gottes. Deine Eigenliebe, Anmaßung und Prahlerei fragen dich nach jenen Gaben, die du nicht besitzest, und du antwortest: Ich bin es, ich bin es, sie sind mein Eigentum; oder von denen, die du von Gott erhalten hast, antwortest du so, dass du sie dir, nicht Gott zuschreibst. Was ergibt sich daraus? Du wirst nicht die Stimme Gottes in der Wüste sein, sondern das Brüllen des bösen Geistes inmitten eines Haufens schändlicher Leidenschaften. Deshalb erkenne in der Wahrheit und Demut deines Herzens, dass du jene Gaben, die ein Irrtum deines Herzens fälschlicherweise dir zuschreibt, nicht besitzest; und jene, die du besitzest, falls du welche besitzest, schreibe Gott zu und nicht dir; lobe Gott ihretwegen, erniedrige und verdemütige dich ganz tief. Wenn du dich auf diese Demut und Wahrheit stützest, wirst du eine Stimme Gottes werden, die ruft in der Wüste deines Herzens und in der Demut, die wächst bis zu jenem Maß von Wüste, in dem du endlich verspürst, dass du nichts bist, wie Paulus, und beginnst, dich und Gott zu erkennen, dich in Gott (vgl. 1 Kor 15; 2 Kor 12,9). Alle Geschöpfe verkünden mit unaussprechlicher Stimme Gottes Erhabenheit und Licht in ihnen selbst.

Jerónimo Nadal, Der geistliche Weg. Erfahrung und Lehre nach seinem Notizbuch »Orationis observationes« (Einsiedeln, Freiburg 1991), Nr. 932, S. 161–162.

Jerónimo Nadal SJ (1507–1580) war ein enger Vertrauter des Ignatius von Loyola und hatte eine große Bedeutung für die Formung des Jesuitenordens in seiner frühen Zeit.

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