Geist & Leben 1/2017

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Er kann ein besseres Verständnis seines eigenen Lebens erwerben, als er es bisher getan hat. Er kann weiser und gelassener werden. Mit seiner Umkehr zu Gott zusammen darf er selbst, was in seinem Leben schief gelaufen ist und finster war, noch einmal mit dem vergebenden Gott zusammen milde und verzeihend beurteilen, darf all das mit der Liturgie der Kirche (vgl. das österliche Exsultet!) als ‚glückselige Schuld‘ verstehen. Der Blick auf das vergangene Leben kann uns gegen andere toleranter werden lassen“.12

Mit einer solchen Rückschau – in eins mit dem gütigen Blick Gottes auf uns – betreten wir jene Brücke, die unser „diesseitiges“ mit unserem „jenseitigen“ Leben verbindet. Dieses „Brückenbauen“ ist ebenfalls eine spezifische Chance und Aufgabe des Alters. Denn im Gegensatz zu unserer Vergangenheit, die immer größer wird, wird unsere irdische Zukunft immer kleiner. So kommen naturgemäß auch das Ende, auch unser Tod mehr und mehr in den Blick – vorausgesetzt, er wird nicht einfach verdrängt. Dass wir endliche Wesen sind, ist uns immer schon klar; aber dass das Ende selbst – bedrohend oder erlösend – unausweichlich nahe rückt, ist eben doch eine besondere Herausforderung des Alters. Wer sie aufgreift und als Chance wahrnimmt, wird sich (wie seiner Vergangenheit) auch der immer kleiner werdenden Zukunft und dem nahenden Ende stellen, sich damit beschäftigen und versuchen, solange es von den geistigen und seelischen Kräften her noch möglich ist, auch die verbleibende Lebenszeit irgendwie bewusst zu gestalten, auch ihr eine wenn auch noch so fragmentarische Form, ein Gesicht zu geben.

„Vorschau“ auf ein neues Leben

Eine derartige „Vorschau“ darf zweifellos die Hoffnung auf ein neues Leben nach diesem Leben und nach dem Tod ins Spiel bringen; wohlgemerkt: ein neues Leben, das aber mit unserem jetzigen Leben in enger Beziehung steht. Unser irdisches Leben wird einmal bei Gott vollendet. Mit dem Ende des irdischen Lebens ist auch eine Vollendung verbunden. Diese Vollendung wird uns in der unverborgenen Begegnung mit dem Dreifaltigen Gott geschenkt, mit seiner richtenden, läuternden und versöhnenden Liebe. Er nimmt uns – so hoffen wir Christen – mit unserer Lebensgeschichte hinein in das unausschöpfliche Leben seiner Liebe und dadurch erhält unser Leben von Gott seine vollendete Gestalt und Form: „Leben in Fülle“.

Selbst dabei wird unsere Freiheit von Gott voll und ganz mit einbezogen, endet doch unsere Freiheit keineswegs mit dem Tod: Wir können uns von seinem gerechten und zugleich gütigen Urteil über unser gelebtes Leben läutern lassen, es annehmen, uns versöhnen lassen und so erst „himmelsfähig“ werden – oder auch nicht. Diese Hoffnung und Vorfreude lebendig zu halten, dürfte eine besondere Berufung des Christen im Alter sein, gerade dann, wenn so manches allmählich abbricht und dies mehr und mehr an unserer Lebensfreude nagt.

Aus diesem Vertrauen heraus bis zuletzt zu leben ist keineswegs immer leicht und selbstverständlich, auch nicht für einen gläubigen Menschen. Es kann sein, dass gerade im Alter manche gewohnte Glaubensvorstellungen oder gar wichtige Glaubensgehalte zur Frage werden. Dies gilt gerade auch für unsere Hoffnung auf das ewige Leben. Die bekannten Begriffe mögen dann zuweilen zu groß, zu vollmundig scheinen, so als ob sie ein zu sicheres Bescheid-Wissen vortäuschen. Man möchte sich lieber mit sehr einfachen Worten und Vergleichen begnügen, die auf dem Grundvertrauen beruhen: „Ich bin auch im Tod und danach bei Gott zutiefst geborgen – wie auch immer das im Einzelnen aussehen mag.“ Für dieses Vertrauen brauchen wir bis zuletzt einander, eben die Gemeinschaft der Glaubenden. Wie einst Petrus sollen wir alle unsere Schwestern und Brüder im Glauben und in der Hoffnung stärken; wir alle sind darauf angewiesen.

Gebet um einen guten Tod

Ein Gebet des Theologen Pierre Teilhard de Chardin, das die Gebrüder Karl und Hugo Rahner auf das Totenbild ihrer 101-jährigen Mutter gesetzt haben, fasst gut das oben Beschriebene zusammen. Die Brüder fügten dem Text die Erklärung hinzu „Gebet um einen guten Tod; handgeschrieben von unserer Mutter“:

„Nachdem ich Dich als den erkannt habe, der mein erhöhtes Ich ist, lass mich, wenn meine Stunde gekommen ist, Dich unter der Gestalt jeder fremden oder feindlichen Macht wiedererkennen, die mich zerstören oder verdrängen will. Wenn sich an meinem Körper oder an meinem Geist die Abnutzung meines Alters zu zeigen beginnt; wenn das Übel, das mindert oder wegrafft, mich von außen überfällt oder in mir entsteht; im schmerzlichen Augenblick, wo es mir plötzlich zu Bewusstsein kommt, dass ich krank bin und alt werde; besonders in jenem letzten Augenblick, wo ich fühle, dass ich mir selbst entfliehe, ganz ohnmächtig in den Händen der großen unbekannten Mächte, die mich gebildet haben; in all diesen düsteren Stunden, lass mich, Herr, verstehen, dass Du es bist, der – sofern mein Glaube groß genug ist – unter Schmerzen die Fasern meines Seins zur Seite schiebt, um bis zum Mark meines Wesens einzudringen und mich in Dich hinein zu ziehen.“13

1 Der Text gibt einen Vortrag im „Haus am Dom“, Frankfurt a. M., am Samstag, 16. April 2016 wieder.

2 Vgl. F.-J. Nocke, Ja sagen zum Alter. München 2007, 22–27.

3 B. Leven, Recht auf den eigenen Tod?, in: HerKorr 69 (2015), 613.

4 Ebd.

5 Vgl. dazu G. Haeffner / G. Brüntrup, Gibt es einen guten Tod? Würzburg 2016, 25–28.

6 P. v. Breemen, Alt werden als geistlicher Weg. Würzburg 52009, 23.

7 K. Rahner, Zum theologischen und anthropologischen Grundverständnis des Alters, in: ders., Schriften zur Theologie XV. Zürich u.a. 1983, 315-325; vgl. dazu auch F.-J. Nocke, Ja sagen zum Alter, 40–48 [s. Anm. 2].

8 K. Rahner, Grundverständnis des Alters, 317 [s. Anm. 7].

9 Ebd.

10 Ebd., 318.

11 Ebd., 319.

12 Ebd., 319f.

13 Abgedruckt in: P. v. Breemen, Alt werden als geistlicher Weg, 70 f. [s. Anm. 6].


Kevin Leidich SJ | Los Altos (Calif. /USA)

geb. 1952, Exerzitienbegleiter, Lehrer an Schulen und in der religiösen Erwachsenenbildung

kleidich@jesuits.org

Bestätigung durch Gott

Entscheidungen im Pilgerbericht des Ignatius1

Wenn ich auf die Jahre zurückblicke, in denen ich Exerzitien gegeben, geistlich begleitet und die Methoden der ignatianischen Spiritualität unterrichtet habe, wird mir eines deutlich: Viele Menschen, die wichtige Entscheidungen geistlich klären, fragen nach Gottes Bestätigung für das, was sich aus ihrem Gebet und ihren Überlegungen ergeben hat. Für Ignatius war das Deuten oder Klären des Willens Gottes nicht nur Gegenstand eines Entscheidungsprozesses, sondern er fragte auch, ob die Entscheidung letztlich bestätigt wurde.

Die Erfahrung der Bestätigung ist ein ganz besonderer Moment im Unterscheiden und Entscheiden, sei es bei einer Lebenswahl oder bei der Reform des Lebens, oder bei den alltäglichen Entscheidungen, die das Gebet des Tagesrückblicks ans Licht bringt. Wir lernen aus der Erfahrung des Ignatius und aus seinen Einsichten im Exerzitienbuch, dass Gott uns seine Führung mitteilt in „drei Zeiten, von denen in jeder eine gesunde und gute Wahl getroffen werden kann“ (GÜ 175–177)2, und zwar durch 1. die Bewegung einer unmittelbaren Erkenntnis „ohne zu zweifeln oder zweifeln zu können“; 2. das Abwägen innerer Bewegungen aus der „Erfahrung der Unterscheidung verschiedener Geister“; und 3. den Gebrauch der Vernunft während einer Zeit der „Ruhe“.

Auf all diesen drei Wegen möchte Gott die Bestätigung mitteilen. Doch wie kommen wir zur Erkenntnis, dass die Ergebnisse eines Unterscheidens oder Entscheidens von Gott bestätigt werden und ob unsere Wahl wirklich in die Richtung geht, in die Gott uns zu gehen einlädt? Welche Zeichen wir erwarten können, wenn der Unterscheidungsprozess von Gott bestätigt wird, wird im Exerzitienbuch, in den Regeln zur Unterscheidung der Geister oder in den Anmerkungen zur Entscheidungsfindung nicht allgemein auf klare und systematische Weise dargestellt.

Im Pilgerbericht des Ignatius ist jedoch ein Katalog klarer Kriterien zu finden. Carlo Kardinal Martini3 hat ihn bei Exerzitien für Jesuiten der kalifornischen Jesuitenprovinz im Sommer 1991 vorgestellt. Im Folgenden sollen diese Kriterien anhand von zwei sehr bedeutsamen Abschnitten aus dem Pilgerbericht aufgeschlüsselt werden, die sich unmittelbar im Anschluss an die Beschreibung von Ignatius‘ Bekehrung finden:

„Und die vergangenen Gedanken begann er bereits mit dem heiligen Verlangen, das er hatte, zu vergessen. Und dies wurde ihm durch eine Heimsuchung auf diese Weise bestätigt: Eine Nacht war er wach und sah deutlich4 ein Bild unserer Herrin mit dem heiligen Jesuskind, bei deren Anblick über einen beachtlichen Zeitraum er sehr übermäßige Tröstung empfing. Und er verblieb mit solchem Ekel gegen sein ganzes vergangenes Leben und besonders gegen Dinge des Fleisches, dass ihm schien, ihm seien alle Vorstellungsbilder aus der Seele genommen, die er zuvor in ihr gemalt trug. Und so hatte er seit jener Stunde bis zum August des Jahres 1553, da dies geschrieben wird, niemals mehr auch nur eine geringste Zustimmung in Dingen des Fleisches. Und aus dieser Wirkung kann man urteilen, dass die Sache von Gott war, obwohl er es nicht zu bestimmen wagte und auch mehr nicht sagte, als das oben Gesagte zu behaupten. Doch sowohl sein Bruder wie alle übrigen Hausbewohner konnten am Äußeren die Veränderung erkennen, die innerlich in seiner Seele geschehen war.

 

Indem er sich um nichts kümmerte, verharrte er bei seiner Lektüre und bei seinen guten Vorsätzen. Und die Zeit, die er mit den Hausbewohnern verkehrte, verwandte er ganz auf Dinge Gottes, womit er ihren Seelen Nutzen bewirkte. Und da er viel Geschmack an jenen Büchern fand, kam ihm in den Sinn, einige wesentlichere Dinge aus dem Leben Christi und der Heiligen in Kürze herauszuschreiben. Und so begibt er sich daran, mit viel Sorgfalt ein Buch zu schreiben, welches etwa 300 Seiten hatte, alle im Quartformat beschrieben, – denn er begann bereits, ein wenig im Haus herum aufzustehen –: die Worte Christi mit roter Tinte, die unserer Herrin mit blauer Tinte; und das Papier war geglättet und liniert; und mit schöner Schrift, da er ein sehr guter Schreiber war. Einen Teil der Zeit verbrachte er mit Schreiben, einen Teil mit Gebet. Und die größte Tröstung, die er empfing, war, den Himmel zu schauen und die Sterne. Dies tat er viele Male und über langeZeit; denn dadurch verspürte er in sich einen sehr großen Eifer, Gott unserem Herrn zu dienen. Er dachte viele Male an seinen Vorsatz und wünschte, bereits ganz gesund zu sein, um sich auf den Weg zu machen.“ (PB 10–11)

Auf den ersten Blick wirken diese Abschnitte wie eine einfache Erzählung. Zu Beginn des ersten Teils aber, in dem Ignatius seine Bekehrungserfahrung mit ihrem „Nachglühen“ in Beziehung setzt, sagt er klar, dass er aus Erfahrung objektive Zeichen von Gottes Bestätigung für seine neue Lebensausrichtung beschreibt: Das Verlangen „wurde ihm durch eine Heimsuchung bestätigt“, und „aus dieser Wirkung kann man urteilen, dass die Sache von Gott war“. Die beiden Abschnitte, die Ignatius gegen Ende seines Lebens diktiert hat und in denen er über sein Leben in geistlicher Unterscheidung reflektiert, geben das reife Verständnis von Gottes Bestätigung wieder, die er während der Zeit unmittelbar nach seiner Bekehrung im Schloss von Loyola erfahren hat, als er noch seine Wunden heilen ließ.

Nach Kardinal Martini enthält dieser Schlüsseltext aus dem Pilgerbericht fünf objektive Kriterien, mit denen man beurteilen kann, ob jemand vom Geist Gottes geführt und bestätigt wird während jeder dieser „drei Zeiten“, in denen wir dem Einfluss Gottes auf unsere Entscheidungsfindung begegnen. Um zu verstehen, was Ignatius über die Art der Bestätigung mitteilt, müssen wir genau auf das Genre der Erzählung achten. Dies gilt für die sorgfältig ausgewählten Geschichten in diesen beiden Abschnitten und an anderen Stellen im Pilgerbericht. Indem er seine Lebenserfahrung als Beispiel nimmt und über die dreißig Jahre, seitdem er das Exerzitienbuch zu schreiben begonnen hatte, reflektiert, bietet Ignatius in diesen zwei bedeutsamen Abschnitten seines Pilgerberichts eine differenziertere oder weiter entwickelte Darstellung von Gottes Bestätigung. Er beschreibt darin fünf grundlegende Kriterien für eine Bestätigung:

1. Klarheit, weil Gott nicht unverständlich ist (er sah deutlich ein Bild);

2. Beständigkeit, weil Gott nicht launisch ist (er hatte niemals mehr auch nur eine geringste Zustimmung in Dingen des Fleisches);

3. Äußeres Verhalten (sie konnten am Äußeren die Veränderung erkennen, die innerlich in seiner Seele geschehen war);

4. Nutzen für andere (er bewirkte ihren Seelen Nutzen);

5. Verlangen zu dienen (ein sehr großer Eifer, Gott unserem Herrn zu dienen).

Diese fünf Kriterien für eine Bestätigung ergeben eine wertvolle und objektive Richtschnur, mit der man den ganzen Pilgerbericht als geistliche Schrift verstehen kann. Nicht alle dieser fünf Kriterien treffen auf jeden Unterscheidungsschritt zu, den Ignatius für uns als Beispiel nützlich hielt und den er sich in diese Schrift aufzunehmen und zu diktieren entschied. Ein oder zwei Kriterien für eine Bestätigung können in einer bestimmten Situation eher zutreffen als die anderen. Die Weisheit dessen, was Ignatius beschreibt, zeigt sich in der konkreten Anwendung und wird mit Beispielen erläutert, die im Pilgerbericht unmittelbar auf die soeben erzählte Episode folgen:

„Und indem er seine Pläne machte, was er tun würde, nachdem er von Jerusalem zurückgekehrt wäre, um immer in Buße zu leben, bot sich ihm an, in die Kartause von Sevilla einzutreten, ohne zu sagen, wer er sei, damit sie ihn geringachteten, und dort nur Kräuter zu essen. Doch wenn er ein anderes Mal wieder an die Bußen dachte, die er, in der Welt umherziehend, auszuführen verlangte, erkaltete ihm das Verlangen nach der Kartause.“ (PB 12)

In die Mönchsgemeinschaft der Kartäuser von Sevilla einzutreten, ist sicher eine gute Wahl im äußeren Verhalten. Für Ignatius war diese Wahl anfangs aus verschiedenen Gründen attraktiv. Das Verlangen jedoch „erkaltete“ in ihm immer mehr. Ignatius realisierte, dass dieses strikt monastische Ordensleben nicht die Richtung war, in die Gott ihn führen wollte, da sein anfängliches, begeistertes Verlangen nicht dauerhaft war. Kurz darauf, als Ignatius zu seiner Reise durch Nordspanien mit dem Ziel, nach Jerusalem zu gelangen, aufbrach, begegnete er auf dem Weg einem Mauren, und die beiden Reisenden begannen ein langes Gespräch. Nachdem er nur zwei Begegnungen im Pilgerbericht in einer solchen Genauigkeit beschreibt, sollten wir die Erzählung dieses relativ komplexen Beispiels lesen, in dem es um die Entdeckung und Anwendung verschiedener entgegengesetzter Geister geht, die im Leben des Ignatius wirken. Er spricht in dieser Erzählung von sich in der dritten Person als dem „Pilger“:

„Wie er also seines Weges zog, holte ihn ein Maure ein, ein Reiter auf einem Maultier. Und wie die beiden miteinander sprachen, kamen sie darauf, über unsere Herrin zu sprechen. Und der Maure sagte, es schiene ihm wohl, dass die Jungfrau ohne einen Mann empfangen habe; aber das Gebären und dabei Jungfrau-Bleiben, das könne er nicht glauben. Und er gab dafür die natürlichen Gründe, die sich ihm anboten. Der Pilger konnte ihm diese Auffassung, so viele Gründe er ihm gab, nicht auflösen. Und so ritt der Maure mit soviel Eile voran, dass er ihn aus der Sicht verlor. Er blieb im Nachdenken darüber, was mit dem Mauren gewesen war.

Und dabei kamen ihm einige Regungen, die in seiner Seele Unzufriedenheit bewirkten. Ihm schien, dass er seine Pflicht nicht getan habe; und auch verursachten sie ihm Unwillen gegen den Mauren. Es schien ihm, er habe schlecht getan, zuzulassen, dass ein Maure solche Dinge über unsere Herrin sage, und dass er verpflichtet sei, ihre Ehre wiederherzustellen. Und so kam ihm das Verlangen, den Mauren suchen zu gehen und ihm Dolchstöße zu versetzen für das, was er gesagt hatte.

Und indem er lange im Kampf dieser Wünsche verharrte, blieb er zum Schluss im Zweifel, ohne zu wissen, was zu tun er verpflichtet sei. Der Maure, der vorangeritten war, hatte ihm gesagt, dass er an einen Ort reiste, der ein wenig weiter voran auf seinem selben Weg lag, ganz nahe bei dem Königsweg, aber nicht, dass der Königsweg durch den Ort ging. Und indem er es so müde geworden war, zu erforschen, was gut zu tun wäre, und er nichts Gewisses fand, wozu er sich entschließen sollte, entschloss er sich zu diesem: nämlich, das Maultier mit verhängtem Zügel zu dem Ort gehen zu lassen, wo die Wege sich teilten. Und wenn das Maultier auf dem Weg in das Städtchen ginge, würde er den Mauren suchen und ihn mit Dolchstößen versehen; wenn es nicht in Richtung des Städtchens ginge, sondern auf dem Königsweg, ihn in Ruhe lassen. Und indem er es so tat, wie er gedacht hatte, wollte unser Herr, dass das Maultier den Königsweg nahm und den Weg zum Städtchen ließ, obwohl das Städtchen wenig weiter als dreißig oder vierzig Schritte weit lag und der Weg, der dorthin ging, sehr breit und sehr gut war.“ (PB 15–16)

Diese wohlbekannte Begebenheit stellt dar, wie unreif Ignatius‘ geistliches Verstehen noch war, obwohl er erst kurz zuvor sein Bekehrungserlebnis hatte. Da er „[zugelassen hatte], dass ein Maure solche Dinge über unsere Herrin sage“, war Ignatius versucht, „ihm Dolchstöße zu versetzen für das, was er gesagt hatte“. Ignatius verstand zu dieser Zeit das Wesen seiner unterschwellig gewaltbereiten, schlechten Haltungen nicht und dachte doch nur sehr wenig über die Sittlichkeit einer gewaltsamen Verteidigung der Ehre unserer Herrin nach, ohne zu realisieren, dass das ‚äußere Verhalten‘ dieser Tat gegen Gottes Willen war. Dennoch ließ ihn der „Kampf dieser Wünsche“ zögern, was ihn verwirrte. Ignatius dachte im Jahre 1523 fälschlich, Gott würde durch die willkürliche Entscheidung des Maultiers wirken. Erst später, mit der Weisheit, die er aus seiner Erfahrung in Manresa gewonnen hatte, konnte der geistlich reifere Ignatius wahrnehmen, dass Gott um ihn rang durch die verschiedenen ‚miteinander kämpfenden‘ und ‚zweifelhaften‘ Gefühle, die er spürte, als „er es so müde geworden war, zu erforschen, was gut zu tun wäre“, und ihm die Klarheit fehlte. Diese Begebenheit mit dem Mauren stellt eine Entscheidung gemäß der „zweiten Zeit“ dar, also „die Erfahrung der Unterscheidung verschiedener Geister“. Diese Begegnung ist außerdem ein Beispiel für das Ausbleiben von Gottes Bestätigung, da es an Klarheit fehlte und der Mangel an gutem ‚äußeren Verhalten‘ wegen der Versuchung, einen anderen Reisenden mit dem Dolch niederzustechen, offensichtlich war.

Beide Geschichten – Ignatius‘ anfängliche Begeisterung von den Kartäusern und die Begebenheit mit dem Mauren – zeigen, dass bei diesen Entscheidungen, vor die Ignatius kurz nach seiner Bekehrung gestellt war, die Bestätigung von Gott ausblieb. Welche Beispiele aber zeigen, dass Gott eine Entscheidung von Ignatius nach den Kriterien, die Kardinal Martini identifiziert hat, bestätigt? Der Rest des Pilgerberichts stellt dar, wie Ignatius schrittweise hineinwächst, die Kriterien für Gottes Bestätigung zu erkennen und zu verstehen, und zwar v.a. nach seiner Erleuchtungserfahrung am Cardoner.

Nach der Phase seiner Bekehrung in Loyola suchte Ignatius, in welche Richtung Gott ihn konkret berief. Zusätzlich zum Gespräch mit Gott im Gebet ergab sich als primärer Weg, um mit Gottes Willen in Einklang zu kommen, immer mehr die Arbeit in Gottes Weinberg im Dienst an anderen. Doch was für einDienst es genau sein sollte, war für Ignatius schwierig zu bestimmen. Im Jahr nach seiner Bekehrung (1523), während seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem, wurde sein Verlangen, dort zu bleiben und zu dienen, durch die Franziskaneroberen im Heiligen Land aus verschiedenen praktischen Gründen enttäuscht. Als er damit fertig werden musste, dass seine Pläne so unglücklich durchkreuzt wurden, lernte Ignatius viel über den Prozess von Unterscheidung und Bestätigung.

„Sein fester Vorsatz war, in Jerusalem zu bleiben und immer jene Heiligen Stätten zu besuchen. Und auch hatte er außer dieser Andacht den Vorsatz, den Seelen zu helfen (…) Der Guardian antwortete ihm, er sehe nicht, wie sein Bleiben möglich sein solle, da das Haus in so großer Not sei, dass es nicht den Unterhalt der Mönche tragen könne; und aus diesem Grunde sei er entschlossen, einige mit den Pilgern nach hier zu schicken (…) Und der Provinzial sagt ihm mit guten Worten, wie er von seiner guten Absicht erfahren habe, an jenen Heiligen Stätten zu bleiben; und er habe gut über die Sache nachgedacht; und wegen der Erfahrung, die er mit anderen habe, urteile er, es sei nicht angebracht. Denn viele hätten jenes Verlangen gehabt, und mancher sei gefangen worden, mancher gestorben; und danach sei der Orden verpflichtet geblieben, die Gefangenen loszukaufen.“ (PB 45f.)

Man kann sich vorstellen, wie der eigensinnige Ignatius auf dieses Hindernis reagierte. Aber die verschiedenen Gründe, die der Franziskaner-Guardian und der Franziskaner-Provinzial anführten, hatten die Eigenschaft der ‚Klarheit‘. Ignatius lernte mit dieser traumatischen Durchkreuzung seiner Pläne, dass er auf die Gedanken und Gefühle anderer hören musste, um eine ausgewogene und gute Unterscheidung zu treffen. Von nun an sollte er Vorgesetzten immer gehorchen, wenn ihre Gründe die Eigenschaft der Klarheit besaßen, auch wenn er ihrem Urteil nicht zustimmte.

Da seine lange verfolgten Pläne und Träume im Heiligen Land zunichte gemacht wurden, musste sich der Pilger Ignatius weiterhin fragen, wozu Gott ihn berief. Bei seiner Rückkehr nach Europa traf Ignatius eine wichtige Entscheidung für seine Zukunft: „Seit der genannte Pilger eingesehen hatte, dass es Gottes Wille war, dass er nicht in Jerusalem sei, dachte er ständig bei sich nach: Was tun? Und am Schluss neigte er mehr dazu, eine Zeit zu studieren, um den Seelen helfen zu können; und er entschloss sich, nach Barcelona zu gehen.“ (PB 50)

 

Als die Tür, um nach Jerusalem zu gehen und dort zu bleiben, für Ignatius geschlossen war, wurde in seiner Spiritualität die Arbeit im Weinberg des Herrn im Dienst für andere zum Hauptkriterium dafür, ob man mit Gottes Willen in Einklang steht. Ignatius erkannte, dass er sein Wissen durch ein Studium erweitern musste, um anderen und Gott wirksamer zu dienen. Diese Entscheidung wurde durch Ignatius‘ Freundin Isabel Roser und seinen Lateinlehrer Magister Ardèvol bestätigt: „Beiden schien es sehr gut“ (PB 54). Die Erfahrung einer zusätzlichen Bestätigung durch andere bekräftigte für Ignatius, wie wichtig dies im Unterscheidungsprozess ist.

Die Enttäuschung in Jerusalem war für Ignatius nicht das einzige Hindernis, auf das er während seiner langen Entdeckungsreise zu dem, ‚was zu tun war‘, stieß. Als er in Alcalá und Salamanca von 1526 bis 1528 studierte, wurde er mehrfach von der Inquisition untersucht, er musste sich drei kirchlichen Prozessen unterziehen und wurde angeklagt, ohne ausreichende Bildung zu predigen (PB 58–63). 1528 reiste Ignatius nach Paris, um seine Studien in einer Umgebung, in der er freier über seine geistlichen Erfahrungen sprechen konnte, von neuem anzufangen. Über geistliche Gespräche begann er Schritt für Schritt ein paar bleibende Gefährten zu gewinnen, zunächst seine Zimmergenossen Francisco Javier und Peter Faber, „die er danach mittels der [Geistlichen] Übungen für den Dienst Gottes gewann“ (PB 82).

Ignatius war sehr ermutigt durch den Nutzen, den verschiedene Menschen aus den Geistlichen Übungen zogen. Als er beobachtete, wie fruchtbar sie in Francisco Javier, Peter Faber und anderen wirkten, wurde er in der Ausrichtung seines Dienstes sehr bestätigt. Indem sie die Exerzitienerfahrung weitergaben, schlossen sich ihnen noch mehr an, so dass letztlich sieben gleichgesinnte Gefährten die privaten Gelübde der Keuschheit und Armut am Montmartre in Paris am 15. August 1534 ablegten. Bei der Gelübdefeier versprachen diese sieben Gefährten auch, nach Jerusalem zu reisen und „ihr Leben zum Nutzen der Seelen zu verbringen; und wenn ihnen nicht die Erlaubnis, in Jerusalem zu bleiben, gegeben würde, nach Rom zurückzukehren und sich dem Stellvertreter Christi anzubieten, damit er sie einsetze, wo er urteile, es sei mehr zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Seelen“ (PB 85).

Wegen des Krieges zwischen der Republik Venedig und dem Osmanischen Reich im Mittelmeer mussten die Gefährten ein Jahr lang in Venedig warten, und Ignatius‘ Plan, in Jerusalem zu predigen, wurde ein weiteres Mal durchkreuzt. Die Gefährten reisten nach Rom, um den zweiten Teil ihres Gelübdes zu erfüllen und sich dem Papst zum Dienst zur Verfügung zu stellen: „Und als er an einem Tag, einige Meilen, bevor er nach Rom gelangte, in einer Kirche war und betete, verspürte er eine solche Veränderung in seiner Seele und hat so klar gesehen, dass Gott Vater ihn zu Christus, seinem Sohn, stellte, dass ihm der Mut nicht ausreichen würde, daran zu zweifeln, dass vielmehr Gott der Vater ihn zu seinem Sohn stellte“ (PB 96). Diese starke Erscheinungserfahrung im Gebet in der kleinen Kirche von La Storta wurde zu der Bestätigung, die Ignatius die letzten siebzehn Jahre gesucht hatte, um zu erkennen, wohin genau Gott ihn rief. Sie ist auch ein klares Beispiel für die „erste Zeit“, in der es passt, „eine gesunde und gute Wahl zu treffen“: die Bewegung einer unmittelbaren Erkenntnis, „ohne zu zweifeln oder zweifeln zu können“.

Nach seiner Bekehrung hat Ignatius über siebzehn Jahre hinweg danach gesucht, ‚was zu tun war‘: in einer geistlichen Pilgerreise des Unterscheidens, die in der Bestätigungserfahrung und v.a. in der tiefen Gebetserfahrung von La Storta ihren Höhepunkt erreichte. Luis Gonçalves da Câmaras Nachwort zum Pilgerbericht fasst die Summe und das letzte Ziel des geistlichen Wegs von Ignatius zusammen: „So wachse er immer in der Andacht, das heißt, in der Leichtigkeit, Gott zu finden, und jetzt mehr als in seinem ganzen Leben. Und jedesmal und zu jeder Stunde, da er Gott finden wolle, finde er ihn“ (PB 99).

Für eine apostolisch ausgerichtete Spiritualität wie die des Ignatius wirkt nichts deutlicher bestätigend, als eben in Klarheit zu entdecken, wie Gott konkret und persönlich im Leben eines Menschen sich müht, und zwar durch dessen tägliche Entscheidungen zu Dienst, Glaube und Liebe. In meiner eigenen Seelsorgserfahrung bei geistlicher Begleitung, im Unterrichten und bei geistlichen Gesprächen habe ich diese fünf Kriterien, die Kardinal Martini herausgearbeitet hat, vielen Menschen vermittelt und mit ihnen angewandt. Sie haben ihnen bei ihrem Entscheiden und im Prozess individuellen und gemeinsamen Unterscheidens fruchtbare Klarheit geschenkt und sind ihnen nützlich geworden.

Diese fünf praktischen und weisen Kriterien sind eine wichtige Richtschnur für die Lektüre des Pilgerberichts als Gesamtwerk und für das Verständnis seiner geistlichen Bedeutung. Viele der großen Entscheidungen, vor die Ignatius gestellt war und die er später in den Pilgerbericht aufnahm, können im Licht dieser fünf Kriterien als Bestätigung verstanden werden: sein Ringen mit Skrupeln und das übermäßige Fasten in Manresa (PB 21–25); sein Staunen und die außerordentlichen Trosterfahrungen, als er zu studieren oder zu schlafen versuchte (PB 26); sein Dienst des geistlichen Gesprächs während seiner Tage in Haft (PB 67); das Einordnen seiner Gefühlsregungen auf dem Weg nach Rouen, um den kranken Spanier zu besuchen (PB 79); der Zweifel, ob er einen Escudo, eine Goldmünze, zahlen sollte, um sein Diplom in Paris zu erhalten (PB 84).

Ich meine außerdem, dass diese fünf Kriterien fruchtbar auf die Unterscheidung von ‚falschem‘ und ‚wahrem‘ Trost nach den Regeln der Zweiten Woche zur Unterscheidung der Geister (GÜ 328–336) angewendet werden können. Die Geschichte, wie Ignatius die Unterscheidung entdeckt hat, und ebenso, wie seine Entscheidungen von Gott im Pilgerbericht bestätigt wurden, wird für uns zu einem Vorbild, wenn wir in unserem eigenen Leben entdecken, wie Gott darin gegenwärtig ist und wirkt, und wir darauf antworten.

1 Der Artikel erschien unter dem Titel The Thing Has Been of God. Ignatius‘ Experience of God’s Confirmation in His Autobiography, in: The Way 55 (2016), 7-16. Übersetzung: Bernhard Knorn SJ.

2 Zitate aus dem Exerzitienbuch [= GÜ] und dem Pilgerbericht[= PB] nach: Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu. Übers. von P. Knauer (Deutsche Werkausgabe; 2). Würzburg 1998.

3 C. Kardinal Martini (1927–2012): Jesuit, Bibelwissenschaftler, Erzbischof von Mailand, geistlicher Schriftsteller [Anm. d. Übers.].

4 Diese und alle weiteren Hervorhebungen im Zitat vom Verf.; auf diese Stellen wird im Folgenden eingegangen.

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