Gartengeschichten der Bibel

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Das gestörte Gleichgewicht
Der Weltenbaum wird gestürzt

Die »Zedern des Libanons« sind sprichwörtlich. Voller Hochachtung spricht die Bibel von diesen immergrünen Nadelbäumen, die in großer Höhe auf kargen, felsigen Böden gedeihen und damals große Teile des Libanongebirges bedeckten. Bis heute ziert der Zedernbaum als ein Symbol des Lebens die Flagge des Staates Libanon.

Die Libanonzeder kann bis zu dreißig Meter hoch, zwei Meter dick und zwei- bis dreitausend Jahre alt werden. In biblischer Zeit hatte der Baum große wirtschaftliche Bedeutung. Sein langer, gerade gewachsener Stamm eignete sich gut zum Bau von Schiffen, Tempeln, Palästen und Pyramiden. König Salomo erhandelte sich das Zedernholz des Libanon für den Bau seines großen Tempels in Jerusalem. Der hohe, majestätische Wuchs, das schöne Holz, der Duft, das immergrüne Kleid und das hohe Alter haben der Zeder den Beinamen »König der Bäume« eingetragen. Sie symbolisiert Stärke, Adel und Würde und steht für die Macht großer Völker und Reiche. In ihrer Bedeutung gleicht die Zeder dem Weltenbaum, von dem die Mythen Mesopotamiens und der indogermanischen Völker erzählen: Sie reicht von den Tiefen des Meeres bis zu den Wolken am Himmel. In ihren Zweigen bauen die Vögel ihre Nester, Menschen und Tiere in großer Zahl wohnen in ihrem Schutz. Kein Baum im Garten Eden kann es aufnehmen mit ihrer Größe und Pracht.

Aber die unvergleichliche Zeder verliert das von Gott gesetzte Maß. Hat sie vergessen, dass auch sie das Schicksal alles geschaffenen Lebens teilt und sterben muss wie alle Bäume? Weil die Zeder sich über alle anderen erhebt, zerstört sie das Gleichgewicht in Gottes Garten. Zypressen und Platanen fühlen sich benachteiligt und beneiden den scheinbar von Gott bevorzugten Baum. Da greift Gott ein. Es ist nicht gut, wenn einer seine guten Wachstumsbedingungen ausnutzt, um größer und prächtiger sein zu wollen als alle anderen. Hochmut kommt vor dem Fall – bei Bäumen und bei Menschen. Wie Adam und Eva nach dem Sündenfall verliert die Zeder ihren Platz in Gottes Garten. (Ezechiël/Hesekiël 31)

Im elften Jahr unserer Verbannung, am 1. Tag des 3. Monats, erging das Wort des HERRN an mich, er sagte: »Du Mensch, sag zum Pharao, dem König von Ägypten, mit seinem ganzen stolzen Heer: ›Wie mächtig du bist! Womit kann ich dich vergleichen?

Du bist wie eine prächtige Zeder auf dem Libanon! Ihre mächtigen Zweige geben reichlich Schatten. Sie ist hoch gewachsen, ihr Wipfel reicht bis in die Wolken.

Das Wasser, das aus der Tiefe kommt, hat sie so groß gemacht; das Meer in der Tiefe der Erde speist die Quellen, die rings um sie aufbrechen und das Feld bewässern. Darum wurde sie größer als alle anderen Bäume und breitete ihre mächtigen Äste weit aus.

Die Vögel bauten in den Zweigen ihre Nester und das Wild warf in ihrem Schutz seine Jungen. Ganze Völker wohnten in ihrem Schatten. Schön war sie und stattlich mit ihrer breiten Krone; denn ihre Wurzeln hatten reichlich Wasser.

Keine andere Zeder war so prächtig wie sie, keine Zypresse und keine Platane hatte so mächtige Äste; nicht einmal die Bäume im Garten Gottes konnten es mit ihr aufnehmen. Ich hatte sie so schön gemacht, dass alle Bäume im Paradies sie beneideten.

Doch nun sagt der HERR, der mächtige Gott: Weil ihre Größe ihr zu Kopf gestiegen und sie überheblich geworden ist, rufe ich einen mächtigen König herbei. Er wird seine Grausamkeit an ihr auslassen; denn ich habe sie verstoßen. Aus der Ferne kommt ein erbarmungsloses Volk und fällt sie. Da liegt sie dann auf den Bergen und die abgeschlagenen Äste füllen die Täler und Schluchten. Die Völker, die in ihrem Schatten gewohnt haben, ergreifen die Flucht. Die Vögel setzen sich achtlos auf den gefällten Stamm und über die Äste läuft das Wild.

Kein Baum, und stehe er noch so nah am Wasser, soll mehr so groß und mächtig werden, seinen Wipfel in die Wolken strecken und sich stolz über andere erheben. Jeder hohe Baum wird gefällt und kommt in die Totenwelt, genauso wie alle Menschen.

Der HERR, der mächtige Gott, sagt: An dem Tag, an dem ich die Riesenzeder in die Totenwelt stürze, trauert das Wasser in der Tiefe der Erde, die Flüsse fließen nicht mehr und die Quellen versiegen. Auch der Libanon trauert, alle Bäume in Feld und Wald verdorren. Wenn ich die Zeder mit gewaltigem Krachen in die Totenwelt hinabstürze, zittern alle Völker vor Angst. Drunten aber freuen sich die Prachtbäume, die Bäume des Libanons und alle mächtigen Bäume, die am Wasser standen, und trösten sich damit, dass auch die große Zeder ihr Schicksal teilt.

Auch alle ihre Helfer, die unter ihrem Schatten gewohnt haben, müssen mit ihr hinunter an den Ort, wo die Erschlagenen sind.

Du prächtige Zeder, wer kann sich an Größe und Herrlichkeit mit dir vergleichen? Und doch musst du mit all den prächtigen Bäumen in die Totenwelt hinunter. Dort liegst du dann in der Tiefe, bei den Erschlagenen und Unbestatteten. So ergeht es dem Pharao und seinem ganzen großen Volk.‹ Das sagt der HERR, der mächtige Gott.«

Im Nutzgarten

Sie sind selten geworden: die in Reihen und Bezirke eingeteilten typischen Gemüse-, Obst- und Kräutergärten, aus denen sich ganze Familien selbst versorgen können. Es scheint sich nicht mehr recht zu lohnen, die sorgfältig gezogenen Bohnen und Linsen, die Zwiebeln und den Porree aus dem eigenen Garten zu ernten. Die Mühe, das eigene Apfelmus zu kochen, Senfkörner zu trocknen und Traubensaft selbst auszupressen, steht in keinem Verhältnis zu den günstigen Möglichkeiten, all das fertig in tiefgekühlter oder konservierter Form im nächsten Supermarkt zu kaufen. So ist es zu einem besonderen Erlebnis geworden, teilhaben zu können an den vor Ort gepflanzten und frisch geernteten Produkten eines Gartens. Lokale Märkte und Hofläden profitieren von dem Bedürfnis der Menschen nach unmittelbarer Erdberührung, nach Teilhabe am Prozess von Saat und Ernte, der Anschauung und dem Geruch verschiedener Obst- und Gemüsesorten. Frisch Geerntetes aus Nachbars Garten wird zu einem besonderen Geschenk.

Dass uns die Bibel eine Menge verrät über die zu damaliger Zeit angebauten Obst-, Gemüse- und Kräutersorten, überrascht zunächst. Wir sind es nicht gewohnt, biblische Geschichten aus dieser Perspektive zu lesen. Angesichts fehlender Einkaufs- und Konservierungsmöglichkeiten muss es aber nicht verwundern, dass die alltäglichen Vorgänge zwischen Saat und Ernte einen großen Raum im Leben der Menschen eingenommen haben. Feld- und Gartenarbeit prägte ihr Leben. Die Bibel ist ein Buch mit Erdgeruch, ein Buch, in dem wir viel über Anbauweisen, die alltägliche Zubereitung von Speisen, Handel und Vorratshaltung in Bezug auf Obst, Gemüse und Getreide erfahren.

Der betrachtete Zeitrahmen beginnt etwa 2000 v.Chr. mit den Hinweisen zur Ernährung bei den wandernden Nomadenstämmen, den Erzvätern Abraham und Jakob, die ihr Fladenbrot auf heißen Steinen buken und Linseneintopf kochten. Etwa 100 n.Chr. entstanden die letzten neutestamentlichen Texte, in denen wir von den Mahlzeiten der frühen Christen in der Römerzeit erfahren. Wein und Öl, Feigen und Datteln auf dem Tisch, würzige Kräuter auf dem Lammfleisch des Passamahls geben uns einen Eindruck von den Pflanzen in den Nutzgärten Palästinas. In der zweitausendjährigen Zwischenzeit sind Einflüsse ägyptischer Getreideverarbeitung, babylonischer Obstgartenkultur, persischer Gewürze und griechischer Kost in den Texten der Bibel zu finden. Zahlreiche biblische Kochbücher sind heutzutage das Ergebnis der Beschäftigung mit den Nutzpflanzen der Bibel und verhelfen uns zu einer sinnlichen Erfahrung biblischer Lebenswelten.

Frisches Gemüse auf den Tisch!
»Manna, immer nur Manna …«

Manna – immer wieder fasziniert uns die Erzählung von dieser rätselhaften Nahrung, die über Nacht »vom Himmel fiel«, als das erschöpfte Volk der Hebräer in der Wüste vor Hunger zu Mose schrie: »Wären wir doch bei den Fleischtöpfen in Ägypten geblieben!« Mose betet zu Gott und am nächsten Morgen liegt es im Sand, klein, weiß und rund wie Koriandersamen. Es schmeckt süß wie Honig und lässt sich zu Fladenbrot verarbeiten. »Man hu?« (Hebräisch – was ist das?) fragen die Menschen, die mit Moses Karawane unterwegs sind. Bis heute ist das Rätsel ungelöst. Manche Botaniker vermuten darin den zuckerhaltigen Saft der Blätter des Wüstenstrauchs Alhagi maurorum, andere glauben, dass es Ausscheidungen der Schildlaus waren, die das Volk vor dem Hungertod bewahrten.

Nach biblischer Tradition ernährte sich das Volk Gottes auf seiner Wüstenwanderung vierzig Jahre lang hauptsächlich von Manna. So verwundert es nicht, dass sich die Menschen nach frischem Gemüse sehnten. In der Rückschau verklärte sich ihr Blick auf die Mahlzeiten während der Sklavenjahre in Ägypten. Beim Gedanken an die Gurken und Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch der Gärten am Nil lief ihnen das Wasser im Mund zusammen. (4Mose/Numeri 11,1a.4-9)

Das Volk beklagte sich beim HERRN darüber, dass es so viel entbehren müsse. Unter dem bunt zusammengewürfelten Haufen von Fremden, die sich dem Volk Israel beim Auszug aus Ägypten angeschlossen hatten, brach ein unwiderstehliches Gelüst nach Fleisch aus. Die Israeliten ließen sich davon anstecken und fingen wieder an zu jammern: »Wenn uns doch nur jemand Fleisch verschaffen würde! Wie schön war es doch in Ägypten! Da konnten wir Fische essen und mussten nicht einmal dafür bezahlen. Wir hatten Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch. Aber hier gibt es tagaus, tagein nichts als Manna. Das bleibt einem ja allmählich im Hals stecken!«

Manna hatte die Form von Koriandersamen und sah weißlich aus wie Bdelliumharz. Es fiel nachts mit dem Tau aufs Lager. Die Leute sammelten es, zerrieben es zwischen Mahlsteinen oder zerstießen es in Mörsern, kochten es im Topf oder backten Fladen daraus. Die schmeckten wie Fladenbrot aus Weizenmehl und Olivenöl.

 

Was wächst denn da?
Kundschafter finden die sieben Früchte Israels

Für Gartenbegeisterte gibt es kaum etwas Spannenderes, als sich in fremden Gärten umzuschauen und zu entdecken, welche bekannten und unbekannten Pflanzen denn dort wachsen, wie diese angeordnet und gepflegt werden, welche Beschaffenheit der Boden hat, was gezüchtet und geerntet und vielleicht auch für den eigenen Garten nutzbar gemacht werden kann. »Tage des offenen Gartens«, »Gartenrouten für Fahrradtouristen«, »Entdeckungsreisen in die Gärten ferner Länder« erfreuen sich großer Beliebtheit.

Für die Männer, die Mose über die Grenze ins Land Kanaan aussandte, damit sie auskundschafteten, ob es sich von den Früchten des Landes leben ließe, war ihr Streifzug durch fremde Gärten mindestens so spannend. Sie brachten von allen Früchten des Landes Kostproben mit: eine Rebe von Trauben – so schwer, dass sie nur von zweien getragen werden konnte, Gerste, Weizen, die Früchte von Feigen-, Öl- und Granatapfelbäumen und Datteln, aus denen süßer Sirup (Honig) hergestellt werden konnte, sieben verschiedene Früchte, die eine vollkommene Ernährung der Landbewohner ermöglichten. Als das Volk aus der Wüste in dieses Land einwanderte, kam es ihnen nach den langen, entbehrungsreichen Jahren vor wie das Paradies. (4Mose/Numeri 13,1-3; 4Mose/Numeri 13,17-27; 5Mose/Deuteronomium 8,7-8)

Der HERR sagte zu Mose: »Sende Leute aus, damit sie das Land Kanaan erkunden, das ich dem Volk Israel geben will. Nimm dazu aus jedem der zwölf Stämme einen der führenden Männer!« Mose folgte dem Befehl des HERRN. Er wählte zwölf Männer aus, lauter Sippenälteste, und schickte sie von der Wüste Paran aus ins Land Kanaan.

Er sagte zu ihnen: »Geht zunächst durch das Steppengebiet und durchstreift dann das Bergland, das sich nordwärts anschließt. Seht euch Land und Leute genau an! Erkundet, wie viele Menschen dort wohnen und wie stark sie sind. Achtet darauf, ob ihre Städte befestigt sind oder nicht. Seht, ob ihr Land fruchtbar ist und ob es dort Wälder gibt. Habt keine Angst und bringt Proben von den Früchten des Landes mit.« Es war gerade die Jahreszeit, in der die ersten Trauben reif werden.

Die zwölf Männer machten sich auf den Weg und erkundeten das Land von der Wüste Zin bis hinauf nach Rehob bei Lebo-Hamat. Zunächst zogen sie durch das Südland und kamen dann nach Hebron. Dort wohnten Ahiman, Scheschai und Talmai, die Nachkommen Anaks. – Die Stadt Hebron war sieben Jahre früher gegründet worden als Zoan in Ägypten. –

Als sie in das Traubental kamen, schnitten sie eine Weinranke mit einer Traube ab; die war so schwer, dass zwei von ihnen sie auf einer Stange tragen mussten. Auch Granatäpfel und Feigen nahmen sie mit. Das Tal bekam später den Namen Eschkol (Traubental) wegen der Traube, die die Kundschafter der Israeliten dort abgeschnitten hatten.

Nach vierzig Tagen hatten die zwölf Männer ihre Erkundung abgeschlossen und kehrten zu Mose und Aaron und der ganzen Gemeinde Israel nach Kadesch in der Wüste Paran zurück. Sie erzählten, was sie gesehen hatten, und zeigten die mitgebrachten Früchte vor. Sie berichteten Mose: »Wir haben das Land durchzogen, in das du uns geschickt hast, und wir haben alles genau angesehen. Es ist wirklich ein Land, das von Milch und Honig überfließt. Sieh hier seine Früchte!

Der HERR, euer Gott, wird euch in ein schönes und fruchtbares Land bringen. In der Ebene wie im Bergland gibt es dort Quellen und Bäche, die unerschöpflich aus der Tiefe hervorsprudeln. Es gibt Weizen und Gerste, Trauben, Feigen und Granatäpfel, Oliven und Honig.

Heißhunger auf Linseneintopf
Esau verkauft sein Erstgeburtsrecht

Wer sich einmal die Mühe macht, gewöhnliche Haushaltslinsen zum Keimen zu bringen und später ihr Wachstum im Garten zu beobachten, der staunt über die zarten, weit verzweigten Rankpflanzen mit ihren hübschen bläulichen Blüten, die da heranreifen. In den kleinen behaarten Hülsen bilden sich dann aber nur jeweils ein bis zwei Samen. Angesichts der Menge der Linsen, die notwendig sind, um einen Eintopf zu kochen, erscheint einem diese Ausbeute sehr mager. Wie viel Mühe haben sich die Menschen in biblischer Zeit gemacht, um in Handarbeit genug Linsen für ein sättigendes Mahl zusammenzubekommen! Weil sie aber wenig Fleisch aßen, waren Linsen für sie ein wertvoller Eiweißlieferant. Linsen wurden gekocht, geröstet und gemahlen, um sie mit Mehl zu Fladenbrot zu verbacken. Die Linse ist eine der ältesten gezüchteten Gemüsepflanzen der Welt. Bei Ausgrabungen in Jericho fand man verkohlte Linsen aus dem 7.Jahrtausend v.Chr.! Heute gibt es dieses Gemüse in den verschiedensten Farben: in Schwarz, Braun, Grün und Rot. In biblischer Zeit waren wahrscheinlich die roten Linsen am gebräuchlichsten.

Der Jäger Esau, der hungrig zu den Zelten seines Vaters Isaak kommt, riecht den Linseneintopf, den sein häuslicher Zwillingsbruder Jakob gekocht hat. Da kann er seine Lust auf das »rote Gericht« kaum beherrschen. Was kümmern ihn der Acker und das Weideland seines Vaters, das Jakob so gerne erben möchte! Jetzt denkt er nur ans Essen und verspricht seinem Bruder schnell das Erstgeburts- und Erbrecht. Als Jäger braucht er Freiheit und Kraft, um dem Wild nachstellen zu können. Aus diesem Grund erscheint ihm vielleicht der ungleiche Tausch »Erstgeburtsrecht gegen Linseneintopf« nicht so problematisch. Soll doch der Bruder in Zukunft das Land bestellen und die Tiere weiden! (1Mose/Genesis 25,27-34)

Die Kinder wuchsen heran. Esau wurde ein Jäger, der am liebsten in der Steppe umherstreifte. Jakob wurde ein häuslicher, ruhiger Mensch, der bei den Zelten blieb.

Ihr Vater, der gerne Wild aß, hatte eine Vorliebe für Esau; Jakob aber war der Liebling der Mutter.

Als Esau einmal erschöpft nach Hause kam, hatte Jakob gerade Linsen gekocht.

»Gib mir schnell etwas von dem roten Zeug da, dem roten«, rief Esau, »ich bin ganz erschöpft!« Daher bekam Esau den Beinamen Edom. Jakob sagte: »Nur wenn du mir vorher dein Erstgeburtsrecht abtrittst!« »Ich sterbe vor Hunger«, erwiderte Esau, »was nützt mir da mein Erstgeburtsrecht!« »Das musst du mir zuvor schwören!«, sagte Jakob. Esau schwor es ihm und verkaufte so sein Erstgeburtsrecht an seinen Bruder. Dann gab ihm Jakob eine Schüssel gekochte Linsen und ein Stück Brot. Als Esau gegessen und getrunken hatte, stand er auf und ging weg. Sein Erstgeburtsrecht war ihm ganz gleichgültig.

Das tägliche Brot
Rut findet neues Glück bei der Gerstenernte

Das Wort vom »täglichen Brot« ist zu einer gebräuchlichen Redewendung geworden – auch bei den Menschen, die nicht so genau wissen, dass es sich auf eine Bitte im Vaterunser bezieht. Das »tägliche Brot« bezeichnet bei uns inzwischen alle lebensnotwendigen Dinge, während es in der Bibel noch ganz wörtlich gemeint ist. Brot spielte im Altertum eine weitaus größere Rolle bei der Ernährung der Menschen als bei uns. Der Rhythmus des Alltags war von der Arbeit der Bodenbestellung, Getreideaussaat, Unkrautbekämpfung, Ernte, Kornverarbeitung und Vorratshaltung bestimmt. Wer Gerste hatte oder sogar Weizen, der hatte Leben und Glück. Ungünstige Witterung und Missernten brachten die Menschen sofort in die Gefahr einer Hungersnot, so wie auch Menschen ohne Grundbesitz häufig Hunger leiden mussten. Die auf dem Feld nach der Ernte liegen gebliebenen Ähren aufzusammeln war darum alttestamentliches Recht der Armen, Witwen und Fremden im Land. Außerdem wurden die Getreidehalme mit der Sichel so hoch abgeschnitten, dass kürzere Halme mit ihren Ähren für die Besitzlosen stehen blieben. Sie waren ihre Sozialversicherung. Wie noch heute waren schon damals die sozial verantwortlichen Menschen der Gesellschaft daran zu erkennen, dass sie den Armen die Möglichkeit gaben, sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Sie teilten ihre erntereifen Felder, um die Not anderer zu lindern.

Rut, die ausländische junge Witwe, die mit ihrer ebenfalls verwitweten Schwiegermutter Noomi nach Israel kommt, trifft einen solchen sozial verantwortlichen und großzügigen Grundbesitzer. Sie darf auf seinen Feldern Ähren sammeln und ungeniert neben seinen Angestellten für das eigene Überleben sorgen. Auf der Tenne, nachdem die Spreu von der Gerste mit Worfelschaufeln getrennt und der Feierabend herbeigekommen ist, kriecht Rut unter die Decke des Mannes, dessen Güte sie kennen gelernt hat … (Rut 2–3)

Noomi hatte von ihrem Mann her einen Verwandten namens Boas. Er gehörte zur Sippe Elimelechs und war ein tüchtiger Mann und wohlhabender Grundbesitzer. Eines Tages sagte die Moabiterin Rut zu ihrer Schwiegermutter: »Ich will hinausgehen und Ähren sammeln, die auf dem Feld liegen geblieben sind. Ich finde schon jemand, der freundlich zu mir ist und es mir erlaubt.« »Geh nur, meine Tochter!«, sagte Noomi. Rut kam zu einem Feld und sammelte Ähren hinter den Männern und Frauen her, die dort das Getreide schnitten und die Garben banden und wegtrugen. Es traf sich, dass das Feld zum Besitz von Boas gehörte.

Im Lauf des Tages kam Boas selbst aus der Stadt zu seinen Leuten heraus. »Gott sei mit euch!«, begrüßte er sie und sie erwiderten: »Der HERR segne dich!« Boas fragte den Mann, der die Aufsicht über die anderen führte: »Wohin gehört diese junge Frau?« Er antwortete: »Es ist eine Moabiterin, die mit Noomi gekommen ist. Sie hat gefragt, ob sie die Ähren auflesen darf, die unsere Leute liegen lassen. Seit dem frühen Morgen ist sie auf den Beinen, jetzt hat sie zum ersten Mal eine Pause gemacht und sich in den Schatten gesetzt.«

Da wandte sich Boas an Rut und sagte: »Hör auf meinen Rat! Geh nicht auf ein anderes Feld, um dort Ähren zu sammeln. Bleib hier und halte dich zu meinen Knechten und Mägden. Geh hier auf dem Feld hinter ihnen her. Ich habe meinen Leuten befohlen, dich nicht zu hindern. Und wenn du Durst hast, geh zu den Krügen und trink von dem Wasser, das meine Leute sich dort schöpfen.« Rut warf sich vor ihm zu Boden und fragte: »Wie kommt es, dass du so freundlich zu mir bist? Ich bin doch eine Fremde.« Boas antwortete: »Ich weiß, was du seit dem Tod deines Mannes für deine Schwiegermutter getan hast; es wurde mir alles erzählt. Du hast deinen Vater und deine Mutter und deine Heimat verlassen und bist mit ihr zu einem Volk gegangen, das du vorher nicht kanntest. Der HERR vergelte dir, was du getan hast, und belohne dich reich dafür – der Gott Israels, zu dem du gekommen bist, um Schutz zu finden unter seinen Flügeln!« »Du bist so freundlich zu mir!«, erwiderte Rut. »Du hast mich getröstet und mir Mut gemacht, obwohl ich noch viel geringer bin als eine deiner Mägde.«

Zur Essenszeit sagte Boas zu Rut: »Komm zu uns, iss von dem Brot und tunke es in den Most!« So setzte sie sich zu den Knechten und Mägden, und Boas gab ihr so reichlich geröstete Getreidekörner, dass sie sogar noch davon übrig behielt. Als sie aufstand, um wieder Ähren zu sammeln, wies er seine Leute an: »Lasst sie auch zwischen den Garben sammeln und treibt sie nicht weg! Lasst absichtlich Ähren aus den Garben fallen, damit sie sie auflesen kann, und sagt ihr kein unfreundliches Wort!«

So sammelte Rut bis zum Abend und klopfte dann ihre Ähren aus. Sie hatte etwa 17 Kilo Gerste zusammengebracht. Sie trug alles in die Stadt und brachte es ihrer Schwiegermutter, und sie gab ihr auch, was von den gerösteten Körnern übrig geblieben war. Noomi fragte sie: »Wo hast du heute Ähren gesammelt? Auf wessen Feld bist du gewesen? Gott segne den, der dir das erlaubt hat!« »Der Mann, auf dessen Feld ich heute war«, antwortete Rut, »hieß Boas.« Da sagte Noomi zu ihr: »Der HERR segne ihn! Jetzt sehe ich, dass der HERR uns nicht im Stich gelassen hat, uns Lebende nicht und nicht unsere Toten. Du musst wissen«, fuhr sie fort, »Boas ist mit uns verwandt. Er ist einer von den Lösern, die uns nach dem Gesetz beistehen müssen.« Rut, die Moabiterin, erzählte: »Er hat zu mir gesagt, ich soll mich zu seinen Leuten halten, bis sie die ganze Ernte eingebracht haben.« Noomi sagte: »Es ist gut, meine Tochter, wenn du mit den Leuten von Boas gehst. Auf einem anderen Feld werden sie vielleicht nicht so freundlich zu dir sein.«

Während der ganzen Gerstenernte und auch noch der Weizenernte hielt sich Rut zu den Leuten von Boas und las Ähren auf. Als die Ernte vorbei war, blieb sie auch tagsüber bei ihrer Schwiegermutter.

 

Eines Tages sagte Noomi zu Rut: »Meine Tochter, ich möchte, dass du wieder einen Mann und eine Heimat bekommst. Du weißt, dass Boas, mit dessen Leuten du auf dem Feld warst, mit uns verwandt ist. Er arbeitet heute Abend mit der Worfschaufel auf der Tenne, um die Spreu von der Gerste zu trennen. Bade und salbe dich, zieh deine besten Kleider an und geh zur Tenne. Sieh zu, dass er dich nicht bemerkt, bevor er mit Essen und Trinken fertig ist. Pass gut auf, wo er sich hinlegt, und wenn er schläft, schlüpfe unter seine Decke und lege dich neben ihn. Er wird dir dann schon sagen, was du tun sollst.« »Ich werde alles so machen, wie du gesagt hast«, antwortete Rut. Dann ging sie zur Tenne und verfuhr genau nach den Anweisungen ihrer Schwiegermutter. Als Boas gegessen und getrunken hatte, legte er sich gut gelaunt und zufrieden am Rand des Getreidehaufens schlafen. Leise ging Rut zu ihm hin, schlüpfte unter die Decke und legte sich neben ihn.

Um Mitternacht schrak Boas auf und tastete um sich. An ihn geschmiegt lag – eine Frau. »Wer bist du?«, fragte er und bekam die Antwort: »Ich bin Rut, deine Sklavin! Breite deinen Gewandsaum über mich und nimm mich zur Frau; du bist doch der Löser!« Boas erwiderte: »Der HERR segne dich! Was du jetzt getan hast, zeigt noch mehr als alles bisher, wie treu du zur Familie deiner Schwiegermutter hältst. Du hättest ja auch den jungen Männern nachlaufen können und jeden bekommen, ob arm oder reich. Nun, meine Tochter, sei unbesorgt! Ich werde tun, worum du mich gebeten hast. Jeder in der Stadt weiß, dass du eine tüchtige Frau bist. Doch da ist noch ein Punkt: Es stimmt zwar, dass ich ein Löser bin und dir helfen muss; aber es gibt noch einen zweiten, der den Vortritt hat, weil er näher verwandt ist als ich. Bleib die Nacht über hier! Morgen früh werde ich ihn vor die Wahl stellen, ob er der Verpflichtung nachkommen will oder nicht. Wenn nicht, werde ich es tun. Das verspreche ich dir, so gewiss der HERR lebt. Bleib jetzt liegen bis zum Morgen!«

Rut blieb neben ihm liegen; aber in aller Frühe, noch bevor ein Mensch den andern erkennen konnte, stand sie auf. Denn Boas sagte: »Es darf nicht bekannt werden, dass eine Frau auf der Tenne war.« Dann sagte er noch zu ihr: »Nimm dein Umschlagtuch ab und halte es auf!« Er füllte einen halben Zentner Gerste hinein und hob ihr die Last auf die Schulter. Dann ging er in die Stadt.

Als Rut nach Hause kam, fragte ihre Schwiegermutter: »Wie ist es dir ergangen, meine Tochter?« Rut erzählte alles, was Boas für sie getan und zu ihr gesagt hatte. »Und diese ganze Menge Gerste hat er mir mitgegeben«, fügte sie hinzu. »Er sagte: ›Du darfst nicht mit leeren Händen zu deiner Schwiegermutter kommen.‹« Noomi antwortete: »Bleib nun hier, meine Tochter, und warte ab, wie die Sache ausgeht. Der Mann wird nicht ruhen, bis er sie noch heute geordnet hat.«

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