Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung

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Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens angehender Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in der ersten Ausbildungsphase: Wege zur Entwicklung einer quantitativen Messung

Ulrich Hoinkes/Pirko Weigand

1 Das Professionswissen im Lehrerberuf und sein Aufbau im Lehramtsstudium

Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Frage, wie die empirische Bildungsforschung das Ziel einer Qualitätssicherung der institutionellen Schulbildung in den verschiedenen Fächern am besten erreichen kann. Sicherlich ist die Fokussierung auf die komplexen Strukturen des Professionswissens im Lehrerberuf dabei methodologisch sinnvoll und inzwischen auch allgemein anerkannt. Es geht in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur allein um die allgemein gültigen Aspekte der guten Lehrbefähigung bzw. des erfolgreichen Lehrens, sondern immer auch um fachspezifische Kompetenzen in ihrer Wirkung auf die Durchführung eines gelungenen Unterrichts. Im konkreten Fall unseres Untersuchungsinteresses verfolgen wir die Frage: Wie werden interessierte Abiturientinnen und Abiturienten nach entsprechender Studiengangwahl zu guten Lehrerinnen und Lehrern im Fach Spanisch ausgebildet und was bedeutet das konkret für die Anforderungen an unser fachbezogenes Ausbildungssystem? Ergänzend hierzu stellen wir uns die Frage: Auf welche Weise können sie aus fachlicher Sicht optimal auf die curricularen Anforderungen des Schulsystems, in dem sie arbeiten wollen, vorbereitet werden? Diese Fragen sind in der Tat viel spezifischer auf das einzelne Fach bezogen als es der komplexen Aufgabe des schulischen Lehrerberufs grundsätzlich zu entsprechen scheint. Sie spiegeln aber nach wie vor die institutionelle Realität wider und können – gerade in Bezug auf die erste Ausbildungsphase mit dem Ziel Lehramt – nicht in Visionen einer fächerübergreifenden oder fächernivellierenden Ausbildungsstruktur für Lehramtsstudierende umgeleitet werde.

Im Rahmen der auf verschiedene Berufsfelder bezogenen Professionalisierungsforschung spielt der Lehrerberuf insofern eine besondere Rolle, als dass der Lehrer – dem traditionellen Bild des Wissensvermittlers entsprechend – innerhalb seiner professionellen Kompetenz wesentliche Wissensbereiche für sein professionelles Handeln im Unterricht mit primär fachlichem Wissen für den Aufbau einer lebens- und berufsbezüglichen Kompetenz bei seinen Schülern miteinander in Verbindung bringen muss (vgl. Neuweg 2014). Wir schlagen vor, diese komplexe Situation, die maßgeblich durch die institutionellen Rahmenbedingungen in den Schulen geprägt ist, sehr grundsätzlich anhand der folgenden Unterscheidung zu verdeutlichen. Die professionelle Kompetenz im Lehrerberuf umfasst:

1 das deklarative und prozedurale Wissen für einen qualitätsvollen Unterricht als Kombination von Fachwissen und pädagogischem Wissen in Verbindung mit den biographisch begründeten Kompetenzen des Lehrenden,

2 das spezifische Fachwissen und fachdidaktische Wissen als Grundlage für den curricular basierten erfolgreichen Aufbau von fachbezogenen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern.

Der erste von uns unterschiedene Wissensbereich steht für die grundsätzlichen Bedingungen eines qualitätsvollen Unterrichts und lässt sich in der Regel unter dem Aspekt der professionellen Handlungskompetenz zusammenfassen. So muss die Lehrperson, deren Unterricht gelingen soll, über breit angelegte Dimensionen von deklarativem Fachwissen und pädagogischem Wissen verfügen, deren Nutzung und Anwendung in der beruflichen Tätigkeit selbstverständlich ineinandergreifen. Es sind diese zum einen die inhaltlichen und handlungsorientierten Wissensanteile in den Unterrichtsfächern – also etwa gemäß der Frage: Welches Wissen und welche Handlungsformen bestimmen in welcher Art einen guten Unterricht in den von mir vertretenen Fächern? Zum anderen sind auch alle Dimensionen des Wissens zum ‚Lehrfach‘ an sich relevant, d.h. ein ebenfalls auf Inhalte und Handlungen bezogenes Wissen, das im Rahmen der Ausbildung ebenso wie der Unterrichtspraxis durch jegliche Form der wissenschaftlichen bzw. wissenschaftsaffinen Reflexion über das Unterrichtsgeschehen aufgebaut wird.

Große Anteile dieses gesamten ‚Lehrtätigkeits-Wissens‘ sind im beruflichen Alltag als implizit einzustufen, und sie werden ergänzt und verstärkt durch die vornehmlich in der Praxis gewonnenen Bereiche des prozeduralen Wissens, das in der Berufsausübung des Lehrenden besonders stark als ‚Unterrichten Können‘ wahrgenommen wird (vgl. Neuweg 2014: 585). Die Gesamtheit dieses ersten und fundamentalen Wissensbereichs der professionellen Kompetenz des Lehrenden macht also in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung die ‚gute Lehrerin‘ bzw. den ‚guten Lehrer‘ aus, selbstverständlich unter Hinzuziehung aller Kompetenzbereiche, die der Lehrerpersönlichkeit und ihrer Biographie im engeren Sinne zuzuordnen sind (vgl. Mayr in Terhart [et al.] 2014: 203f.) und auf die im Anschluss an die einflussreiche Studie von John Hattie (vgl. Hattie 2015) verstärkt hingewiesen worden ist. Hierzu gehören die Bereiche der Motivation, der Selbstwirksamkeit, der Überzeugungen (bzw. beliefs) und einiges mehr, die sehr wichtig für das Gelingen des Unterrichts sind, allerdings nicht im Fokus unseres Beitrags stehen (vgl. hierzu ergänzend Terhart [et al.] 2014: 642–711).

Es ist in der Forschung bisher eher unüblich, von dem komplexen Kompetenzbereich des ‚guten Lehrens‘ und des ‚Unterrichten Könnens‘ in theoretischer Hinsicht einen Professionswissensbereich abzuheben, der auf die Bedingungen der curricular basierten erfolgreichen Weitergabe von Bildungsinhalten in dem jeweiligen Unterrichtsfach fokussiert ist. Es handelt sich hier selbstverständlich nur um den Versuch einer bildungswissenschaftlichen Abstraktion, die nicht impliziert, dass die professionelle Kompetenz des Lehrenden grundsätzlich ‚teilbar‘ sei. Es ist aber andererseits so, dass die Anforderungen an Wissen und Können des Lehrenden sich in unserem modernen Bildungssystem hinsichtlich der einzelnen Fächer als so genau definiert und zielgerichtet erweisen, dass eine Bildungsforschung, die auf Qualitätssicherung und die Optimierung dieser fachbezogenen Anforderungen ausgerichtet ist, durch einen geeigneten Präzisierungsversuch des zugehörigen Professionswissens zu einer besseren Erreichung ihrer Ziele gelangen kann.

Die gesonderte Hervorhebung dieses zweiten Kompetenzbereichs des Lehrenden ist allerdings in seiner Abgrenzung zu dem ersten Bereich sorgfältig zu begründen. Zunächst ist davon auszugehen, dass eine Lehrperson, die ihre Aufgabe des Unterrichtens in der beruflichen Praxis gut erfüllt, über ein hohes Maß an ‚tacid knowing‘ im Rahmen ihres Professionswissens verfügt. Dabei verwenden wir den Begriff traditionell in Anlehnung an Michael Polanyi (1966). Allerdings sind wir der Meinung, dass dieses tacid knowing, also ‚stillschweigendes Wissen‘, idealerweise nur zu einem geringen Teil eine Form des intuitiven Wissens darstellt, d.h. größtenteils aus erlernbaren Wissensanteilen besteht, die durchaus konkret sind und als solche auch im Verlauf der Ausbildung erworben werden bzw. erworben werden sollten. Darüber hinaus ist es aber eine Tatsache, dass im Lehrerberuf viel Professionswissen erst durch Erfahrung gefestigt und wirklich angeeignet wird und dass in Folge dieses spezifischen Lernprozesses von Seiten der Lehrenden Wissen aufgenommen wird, das sie später oft unbewusst (im Sinne von spontan, automatisch) anwenden und kaum zu verbalisieren, d.h. explizit zu machen, in der Lage sind.

Solche Formen des impliziten Wissens gehören nicht nur in den Bereich der pädagogischen Handlungskompetenz bzw. zu der für den Lehrenden erforderlichen Expertise in der Unterrichtsgestaltung und Klassenführung, sie betreffen auch in einem hohen Maße rein fachliche Wissensanteile, die in der unterrichtlichen Praxis von Seiten des Lehrenden eben als implizites Wissen zur Anwendung kommen. Wer beispielsweise sicher im normativen Gebrauch der Fremdsprache ist, kann als Fremdsprachenlehrender kommunikative Kompetenz vermitteln und besitzt zugleich diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf den defizitären Sprachgebrauch seiner Schüler, ohne in jedem Fall sein Wissen explizit machen zu können oder auch zu müssen. Wir können uns dieses implizite Wissen des Lehrenden als Erweiterungsrahmen eines expliziten Wissens vorstellen, d.h. quasi als eine Form der Einbettung (embedding) des klar definierten Wissens, das in jedem Fall vorhanden sein muss und sich im engeren Sinne auf die Vermittlung der curricular vorgeschriebenen Bildungsinhalte bezieht.

Zugegebenermaßen kann über den impliziten Charakter dieses erweiterten Wissenshorizonts des Lehrenden gestritten werden. Wir wollen mit dieser Charakterisierung darauf hinweisen, dass die Lehrkraft mit zunehmender Professionalisierung ihres Handelns und der erforderlichen Konzentration auf die Vorgaben der Curricula die über deren Inhalte hinausgehenden Fachwissensdimensionen in der Regel nicht mehr explizit abrufbar hält, sondern sie nur noch als Form einer Verständnisvertiefung des Unterrichtsstoffs nutzt. Wir sind mit dieser Auffassung prinzipiell recht nah an Shulman, der jedoch ein Konzept von ‚understanding‘ hineinbringt, das dem Lehrenden eine eher noch größere Expertise im verständnisvollen Umgang mit fachlichen Inhalten abverlangt. Seine entsprechenden Hinweise finden sich vor allem im Zusammenhang mit dem ‚curricular knowledge‘. Hier verlangt Shulman von den Lehrenden eine extreme Kompetenz und Einsicht im Umgang mit curricularen Anforderungen, die in jedem Fall einen ebenso hohen Anteil an fachlicher wie an fachdidaktischer Expertise erforderlich machen (vgl. Shulman 1986: 10).

 

Wenn es also wahr ist, dass ein guter Lehrer auch fachinhaltlich über seine konkrete Vermittlungsaufgabe hinaus kompetent sein muss, dann ist dies in weiten Teilen als eine Form des impliziten Professionswissens aufzufassen. Denn aus großen Teilen des expliziten und umfangreichen Fachwissens, welches im Laufe des Fachstudiums erworben wurde, wird im beruflichen Alltag des Lehrenden ein implizites Professionswissen, das dessen professionelle Kompetenzstruktur maßgeblich mitprägt. Eine Diskussion darüber, inwieweit dieses implizit wirksame Fach-Professionswissen im Unterricht genutzt wird oder zur Anwendung gelangt, ist sicherlich noch nicht abschließend erfolgt, betrifft in ihrer Konsequenz aber in jedem Fall die inhaltliche Gestaltung von Ausbildungsgängen, so auch diejenigen für angehende Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer.

Ist es etwa, so könnte man fragen, für einen Spanischlehrer von Vorteil, Kenntnisse des klassischen Lateins zu haben, um lexikalische und grammatische Strukturen des Spanischen tiefer zu durchdringen und dadurch auch besser vermitteln zu können bzw. um ihn dazu in die Lage zu versetzen, Formen romanischer Mehrsprachigkeit für seinen Unterricht zu nutzen oder Strukturvergleiche zu der im Wortschatz stark romanisierten englischen Sprache herzustellen? Oder beispielsweise auch: Ist es besser möglich, den für Deutschsprecher schwierigen Gebrauch der Vergangenheitstempora des Spanischen oder den Subjuntivo-Gebrauch Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, wenn sich der Lehrende in der sprachwissenschaftlichen Analyse dieser komplexen Phänomene auskennt? Wir würden diese Fragen grundsätzlich bejahen und ziehen daraus den Schluss, weiterhin einen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil für den Lehrerberuf zu fordern, der deutlich über die curricularen Bildungsinhalte des jeweiligen Schulfachs hinausgeht. Das Besondere unserer Sichtweise liegt vielleicht darin, dass wir gerade diese oft diskutierten und in ihrer Relevanz hinterfragten Fachwissensanteile des Professionswissens sehr bewusst in den Bereich einer professionellen Kompetenz von Lehrkräften legen, die für einen gelungenen Unterricht durch eine rundum kompetente, überzeugte und motivierte Lehrerpersönlichkeit maßgeblich ist. Im Rahmen dieser Funktionalität gewinnt das erweiterte Fachwissen als notwendiges implizites Professionswissen somit einen wichtigen Status.

Kommen wir nun zu dem von uns eigens ausgewiesenen zweiten Kompetenzbereich im Lehrerberuf zurück: das spezifische Fachwissen und didaktische Wissen für den curricular basierten erfolgreichen Aufbau von fachbezogenen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Aus der Perspektive einer allgemein-öffentlichen Wahrnehmung der Institution Schule, die deren zentrale Aufgabe als Weitergabe von Bildungsinhalten bestimmt, würde dieser Bereich als ‚Wissen über den Unterrichtsstoff und seine Vermittlung‘ zu deklarieren sein. Dabei verbindet dieser Kompetenzbereich des Lehrenden in jedem Fall das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen in einer untrennbaren Art und Weise. Wüssten wir nicht inzwischen so viel über die Bedeutung des ersten, zuvor kommentierten Kompetenzbereichs im Lehrerberuf, so könnte man dem Irrtum erliegen, den hier angesprochenen Professionswissensbereich als Kernkompetenz des Lehrenden – bzw. genauer: des Fachlehrers – anzusehen. Wir plädieren im Gegensatz dazu dafür, ihn als fachspezifische Kernkompetenz der Fachlehrkraft zu bestimmen und bei dieser Bestimmung die Begriffskomponenten ‚fachspezifisch‘ und ‚Kern‘ stringent zu interpretieren. Es ist also der Bereich, in dem Fach-Wissen und fach-didaktisches Wissen streng aufeinander bezogen sind und der sich an den fachbezogenen institutionellen Rahmenbedingungen des schulischen Bildungsauftrags orientiert. Genau genommen ist es aber auch aus der Perspektive des Fach-Unterrichts nur ein Kern-Bereich der professionellen Kompetenz des Lehrenden, da die Übergänge zu dem unter 1) dargestellten Kompetenzbereich nahtlos und zur Qualitätssicherung eines möglichst erfolgreichen Unterrichts unabdingbar sind.

2 Der fachspezifische Kernkompetenzbereich des Professionswissens

Zwei wesentliche Aspekte sollen nun zur weiteren Legitimation des von uns hervorgehobenen fachspezifischen Kernkompetenzbereichs des Professionswissens ausführlicher erläutert werden:

 1) die Einbettung dieses professionellen Kompetenzbereichs in den Rahmen des aktuellen standard- und kompetenzbasierten Schulbildungskonzepts

 2) seine besondere Relevanz im Hinblick auf die fachspezifische Ausbildung für den Lehrerberuf.

Da es uns in diesem Beitrag, wie bereits erläutert, um die fachspezifische Kernkompetenz von Lehrenden und damit um die Fokussierung auf einen abstrahierbaren Teilbereich ihrer Professionskompetenz geht, werden wir von nun an genauer – und in gewisser Weise exemplifizierend – das Schulfach Spanisch und seine spezifische Lehramtsausbildungssituation im Auge behalten. Wir konzentrieren uns dabei auf den Teilbereich Lehramts-Master Spanisch der universitären Fremdsprachenausbildung und seine Folgen für den angehenden Lehrer bzw. die angehende Lehrerin im Schulfach Spanisch.

Für die Schule gibt es bislang in der Tat noch keinen offiziellen Beschluss der Kultusministerkonferenz zu den Bildungsstandards im Fach Spanisch. Dieses Versäumnis ist gravierend, da sich das Fach Spanisch seit Jahren eines hohen Zulaufs an Schülern erfreut und mit seinen besonderen Bedingungen einer ‚zweiten Fremdsprache‘ und oft auch einer ‚spät einsetzenden Fremdsprache‘ (ab Kl. 10) dringend einer besonderen Berücksichtigung bedarf. Bis jetzt gibt es aber nur die im Rahmen von Bildungsplänen einzelner Schulen entwickelten Standard-Formulierungen zum Spanischen, die sich in der Regel an den verfügbaren KMK-Beschlüssen zum Englisch- und Französischunterricht orientieren. Die KMK hat Ende 2003 einen Beschluss zu den „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss“ verfasst und Ende 2012 die „Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife“ folgen lassen (siehe KMK 2003 und KMK 2012). In beiden Beschlüssen geht es um die Grundlagen eines kompetenzorientieren Ausbildungssystems, das Bildungsinhalte eben nicht mehr als fixen Lehr- und Lernstoff, sondern auf dem Wege einer Kompetenzerweiterung der Schülerinnen und Schüler zu vermitteln versucht. Die für die Fremdsprachen wesentlichen Kompetenzbereiche werden im Beschluss von 2003: 8 wie folgt differenziert:

 1) Kommunikative Fertigkeiten

 2) Verfügung über die sprachlichen Mittel

 3) Interkulturelle Kompetenzen

 4) Methodische Kompetenzen

Im Beschluss für die fortgeführte Fremdsprache von 2012: 12 erfolgt knappe neun Jahre später bereits eine modifizierte und erweiterte Differenzierung in:

 1) Funktionale kommunikative Kompetenz

 2) Interkulturelle kommunikative Kompetenz

 3) Text- und Medienkompetenz

 4) Sprachbewusstheit

 5) Sprachlernkompetenz

Das zu dem KMK-Beschluss von 2012 gehörige Schema sieht wie folgt aus (vgl. KMK 2012: 12):

Abbildung 1

Kompetenzbasiertes Schulbildungskonzept

Die Erforschung und Messung des Professionswissens in dem von uns hervorgehobenen fachspezifischen Kompetenzbereich muss genau an den hier ausdifferenzierten komplexen Anforderungen an den Fremdsprachenlehrer ansetzen. Sein Fachunterricht muss darauf ausgerichtet sein, all die hier genannten Kompetenzbereiche seiner Schülerinnen und Schüler zu fördern und sie bei den entsprechenden Lernprozessen durch geeignete Bildungsinhalte und Vermittlungsmethoden zu unterstützen. Die für die Schülerschaft relevanten Kompetenzbereiche sind letztlich alle handlungsorientiert, so dass es sich beim modernen Fremdsprachenunterricht längst nicht mehr um eine statische Vermittlung deklarativen Wissens handelt. Im Vordergrund stehen die kommunikativen Kompetenzen sowie der kompetente Umgang mit Sprache, Texten und Medien auf einem reflektierten Niveau. Diese Zielsetzungen sind letztlich nur von den Schülerinnen und Schülern selbst umzusetzen, so dass Aspekte wie Motivation, Selbstregulation und konstruktivistisches Lernverhalten eine zentrale Rolle spielen. Die Fremdsprachenlehrkraft braucht zur Anregung solcher Lernprozesse bei ihren Schülerinnen und Schülern einen hohen Anteil an professioneller Kompetenz des ersten von uns unterschiedenen Bereichs (vgl. Kap. 1). Sie ist und bleibt aber bei der konkreten Unterrichtsgestaltung auf festgelegte fachliche Bildungsinhalte und ihre Vermittlungswege konzentriert, um die Kompetenzerweiterung ihrer Schülerinnen und Schüler innerhalb eines angemessenen Fachunterrichts unter Berücksichtigung curricularer Vorgaben und vergleichbarer Aufgaben- und Prüfungsstandards zu gewährleisten. Diese Konzentration aber betrifft das Professionswissen des von uns dargestellten Bereichs 2 (vgl. Kap 1). Insofern stellt sich aus der Sicht der Fremdsprachenlehrkraft die Frage, inwieweit ihr professionelles Fachwissen zu Problemfeldern der interkulturellen Begegnung, zu kommunikativen Fertigkeiten und ihrer Perfektionierung sowie zur kritischen Analyse des Einsatzes von Texten in Medien bei der unterrichtlichen Umsetzung der für ihr Fach geltenden Bildungsstandards zweckdienlich sein kann. Von genau dieser Fragestellung wird auch, wie weiter unten noch erläutert wird, die von uns unternommene empirische Untersuchung zum Professionswissen im Fach Spanisch geleitet.

3 Die Entwicklung eines Erhebungsinstruments zum Professionswissensstand im Lehramts-Studienfach Spanisch
3.1 Inhaltliche Parameter der Studie

Das von uns durchgeführte Projekt nimmt die direkte Ableitung des fachspezifischen Professionswissens im Lehrerberuf von der Lehramtsausbildung an Universitäten in den Blick. Das Forschungsinteresse am Zusammenhang von Ausbildung und beruflicher Praxis ist seit einiger Zeit besonders stark. Auslöser dieses Interesses aus der Sicht der Fachlehrerausbildung ist ein weiterer KMK-Beschluss von 2008 in ergänzter Fassung von 2015, betitelt als „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“. Dieser Beschluss ist als Ergänzung zu dem Beschluss von 2004 über die Standards für die Lehrerbildung in den Bildungswissenschaften gefasst worden (vgl. KMK 2004). Er trägt damit grundsätzlich der in der Bundesrepublik Deutschland gegebenen Ausbildungsstruktur für das Lehramt Rechnung, die jeweils einen bildungswissenschaftlichen und einen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil an den Universitäten umfasst. Unser Versuch einer theoretischen Differenzierung des Professionswissens im Lehrerberuf ist dieser Ausbildungsstruktur angepasst, allerdings ohne sich ihr vollständig zu unterwerfen. Er geht aber durchaus davon aus, dass die erfolgreiche Qualitätssicherung eines Ausbildungsbereichs für das Lehramt an Schulen nur mit dem Postulat gelingen kann, dass diesem Ausbildungsbereich auch ein definierbarer Bereich des Professionswissens im Lehrerberuf entspricht. Der KMK-Beschluss von 2008 definiert diesen fachspezifischen Professionswissensbereich in der Form von Kompetenzstrukturen angehender Lehrerinnen und Lehrer mit einer dreifachen Differenzierung. Dementsprechend sollen Lehramtsstudierende am Ende des Masters (vgl. KMK 2008: 3f.):

 1) über anschlussfähiges Fachwissen verfügen

 2) über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden der Fächer verfügen

 3) über anschlussfähiges fachdidaktisches Wissen verfügen.

In den relativ knappen Erläuterungen dieser drei von dem Lehramtskandidaten mit Masterabschluss eingeforderten Kompetenzbereichen werden prinzipiell nur die wesentlichen Inhaltsstrukturen der drei angesprochenen Ausbildungsdomänen – nämlich Fachwissenschaft, Fachmethodologie und Fachdidaktik – in grob differenzierender Weise angesprochen. So ergeben sich etwa laut des Beschlusses im Bereich der Fachwissenschaft die folgenden Wissensdimensionen (vgl. KMK 2008: 3):

 Verfügungswissen zu den grundlegenden Gebieten der Fächer, wohl vornehmlich als fachinhaltliches Wissen zu verstehen

 

 Orientierungswissen über den Zugang zu den grundlegenden Fragestellungen der Fächer, wohl vornehmlich als Wissen über fachliche Forschungsanliegen zu verstehen

 Metawissen als Reflexionswissen über das Fach und zu ideengeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Konzepten, sowie

 transdisziplinäres Wissen zum Aufbau fächerübergreifender Qualifikationen.

Diese Differenzierung erweist sich als konform mit den grundsätzlichen Zielsetzungen einer wissenschaftlichen Fachausbildung. Sie lässt aber nicht erkennen, auf welche Weise die Lehramtsstudierenden ein Professionswissen zur Erfüllung ihrer späteren lehrplangeleiteten beruflichen Unterrichtstätigkeit entwickeln sollen. Dieselbe Kritik gilt auch für die Beschreibung der Domänen Fachmethodologie und Fachdidaktik. Hinsichtlich der Fachdidaktik ist zusätzlich anzumerken, dass der KMK-Beschluss von 2008 von Kompetenzbereichen der Lehramtskandidaten nach dem Master-Abschluss ausgeht, die nur mit einer intensiven und länger anhaltenden Praxiserfahrung des Unterrichtens erlangt werden können. Insbesondere sind dies die Bereiche der Leistungsbeurteilung, der lernerfolgsbestimmenden Merkmaldifferenzierung in Bezug auf Schülerinnen und Schüler und der praxisbasierten Gestaltungskompetenz von Lernumgebungen. Diese Bereiche, traditionell in der zweiten Ausbildungsphase schwerpunktmäßig verankert, können durch die schulpraktischen Anteile zwar ins Studium implementiert werden, allerdings sind bei der Dichte der Curricula und den knappen Zeitanteilen sicher nicht mehr als erste Grundlagen zu vermitteln. Jede anderslautende Erwartung verführt zu Fehlannahmen und dient nur zur fehlerhaften Abstimmung zwischen der ersten und zweiten Ausbildungsphase.

Die KMK ergänzt ihren Beschluss zu den ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen durch fachspezifische Kompetenzprofile der einzelnen Schulfächer. Für das Fach Spanisch muss dabei auf das Kompetenzprofil ‚Neue Fremdsprachen‘ rekurriert werden, das nicht mehr als eine gute halbe Seite umfasst (vgl. KMK 2008: 39). Die hier benutzten Formulierungen sind wiederum sehr allgemein gehalten und bilden nach wie vor in der Hauptsache die groben Strukturierungsmerkmale der bundesdeutschen Lehramts-Ausbildungsgänge in den neuen Fremdsprachen ab. Exemplarisch führen wir nur eine der insgesamt neun Teilkompetenznennungen an, um ihren grundsätzlichen Grad an Vagheit zu illustrieren. So heißt es in dem entsprechenden Profil:

„(Die Studienabsolventinnen und -absolventen) kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen“ (KMK 2008: 39).

Auch die Differenzierungen des Kompetenzprofils erscheinen somit wenig hilfreich, um nachzuvollziehen, wie die Lehramtsstudierenden im Laufe ihres Studiums ein fachspezifisches Professionswissen nun tatsächlich aufbauen sollen, um ihr Wissen später für den Unterricht zu nutzen. Aber genau das ist der erforderliche Fokus, um eine Studie zum Aufbau des Professionswissens der Lehramtsstudierenden während ihres Studiums durchzuführen.

In einem vorläufigen Fazit lässt sich festhalten, dass die Professionswissensforschung durch ihre sehr profunde und differenzierte Aufdeckung verschiedenster Dimensionen und Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften den Zugang zu einer empirisch-quantitativen Erhebung von Professionswissensanteilen, die im Verlauf des Fach-Lehramtsstudiums erlangt werden, per se nicht erleichtert hat. Aus diesem Grund haben wir die Abstraktion eines auf die institutionellen Rahmenbedingungen beziehbaren Professionswissensanteils vorgeschlagen, ihn als fachspezifischen Kernkompetenzbereich beschrieben und versuchen, genau diesen zur Grundlage unserer empirischen Arbeit zu machen.