Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik

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3 „Persönlichkeitsentwicklung und Fremdsprachenerwerb“: Landeskundedidaktik

Gisela Baumgratz-Gangls Forschungsarbeit (1990) ist in den engagierten bildungspolitischen Diskussionen der 70er und 80er Jahren situiert, die auf die Expansion des europäischen Binnenmarktes folgte und der damit gegebenen größeren Mobilität seiner Bürger. Sie nimmt Bezug auf eine ganze Reihe deutsch-französischer Bildungsprojekte. Letztere galten sowohl der Entwicklung von Unterrichtskonzepten für den Französischunterricht der Sekundarstufe I und II, der Lehrerfortbildung durch erlebte Landeskunde und vor allem der Förderung deutsch-französischer Austauschaktivitäten, die von Korrespondenzprojekten über Studienfahrten bis hin zum Schüleraustausch reichten. Baumgratz-Gangl entwickelt einen theoriegeleiteten Zugriff auf diese Erfahrungen, ohne sie allerdings empirisch auszuwerten. Ausgehend von der Annahme, dass der schulische Fremdsprachenunterricht einen „wichtigen Beitrag zur Verbesserung transnationaler und internationaler Kommunikation leisten“ kann, „wenn es gelingt, die Schüler für andere Menschen, ihre Gefühle, Gewohnheiten, Wünsche und Lebensbedingungen zu interessieren“ (ebd. 28), erörtert Baumgratz-Gangl Ergebnisse der Sozialisationsforschung, insbesondere psychosoziale Faktoren der Subjektkonstitution, um zu bestimmen, welche Persönlichkeitsentwicklung bei Schülerinnen und Schülern gefördert werden muss, damit sie befähigt werden, sowohl die Herausforderungen transkultureller Mobilität (etwa Erfahrungen der Fremdheit und Entfremdung) zu meistern, als auch die Chancen zum Lernen von und mit anderen selbstbewusst zu ergreifen. Der Tätigkeitstheorie von Galperin folgend skizziert Baumgratz-Gangl Dimensionen einer relationalen Sprach- und Landeskundedidaktik, die nicht primär das Ziel verfolgt, Wissen zu vermitteln, sondern auf die „Qualifizierung der Persönlichkeit für den zwischenmenschlichen Umgang mit Angehörigen der anderen Gesellschaft und Kultur, bzw. anderer Gesellschaften und Kulturen“ (ebd. 131) setzt. Das Gesamtarrangement des Unterrichts (das Ensemble von Themen, Texten und kommunikativen Situationen) berücksichtigt die persönlichen Erfahrungen der Lernenden; die Unterrichtsmethoden stärken ihre Risikobereitschaft und sensibilisieren für den Umgang mit Fremden. In Bamgratz-Gangls Lehr- und Lernkonzept spielen alle jene Situationen eine Schlüsselrolle, die einen kommunikativen Ernstfall involvieren: die Klassenkorrespondenz, das Auslandspraktikum und der Schüleraustausch.

4 „Linguistik und Englischunterricht“

Das zweibändige Werk Werner Hüllens Linguistik und Englischunterricht (Hüllen 1971, 1979) trägt den Untertitel „Didaktische Analysen“, die sich zum Ziel setzen, den fremdsprachlichen „Unterricht, wie er im praktischen Vollzug erfahren wird, durch theoretische Überlegungen konsistenter, verlässlicher, wohl auch besser und erfolgreicher zu machen“ (Hüllen 1971: 7). Kontext für Hüllens Arbeiten sind zum einen die bildungspolitischen Umwälzungen, die sich in der 1965 beschlossenen Einführung der ersten Fremdsprache für alle Kinder ab der 5. Klasse, also auch für die Hauptschüler, zeigten und deshalb neue Konzepte für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen erforderlich machten, zum anderen die Theoriebildung in der Linguistik, insbesondere die Herausbildung der Angewandten Linguistik. Hüllen geht es um eine Klärung des Verhältnisses der verschiedenen Teilbereiche und Modelle der Sprachwissenschaft zu dem eigenständigen Handlungsbereich Fremdsprachenunterricht. Er erörtert didaktische Implikationen linguistischer Grundbegriffe (Sprache, Grammatik, Lexik, Semantik), diskutiert didaktische Leistungen linguistischer Modelle (Generative Transformationsgrammatik, Kontextualismus) und wendet sich dann vor allem den Implikationen der Pragmalinguistik zu, die zusammen mit der Fokussierung der Emanzipation als übergeordnetem Lernziel des Fremdsprachenunterrichts in der Phase der sogenannten Kommunikativen Wende die fachdidaktische Diskussion bestimmte. Zu welchen Ergebnissen linguistisch fundierte Planung von Englischunterricht führt und wie dabei Linguistik und Fachdidaktik zusammenwirken, wird für verschiedene Komplexe verdeutlicht (Passiv in einer didaktischen Grammatik, Nominalkomposita oder Ausspracheunterricht).

Im Schlusskapitel des zweiten Bandes bilanziert Hüllen mit Rückblick auf mehr als ein Jahrzehnt Diskussion über das Verhältnis von Linguistik und Didaktik, dass die „hohen Erwartungen an eine didaktische Verwendbarkeit linguistischer Begriffe, Methoden und Erkenntnisse [. . .] zurückgenommen werden mussten“ (1976: 141) und dass eine direkte Übernahme linguistischer Erkenntnisse und Analyseverfahren für den Fremdsprachenunterricht seinen besonderen Bedingungen nicht Rechnung tragen kann. Es sei Aufgabe der Fremdsprachendidaktik, ihre Möglichkeiten als praxisorientierte Wissenschaft interdisziplinär zu verorten und von einer solchen Perspektive ihre Forschungspraxis und damit zugleich das Verhältnis von Linguistik und Didaktik zu bestimmen (1976: 151).

3.2.3 TheorieTheorie und EmpirieEmpirie

Theoretische Forschung als Teil einer praxisorientierten Disziplin, einer Handlungswissenschaft, bezieht sich immer auch auf die Empirie, wie die hier erwähnten und skizzierten Beispiele zeigen. Ein solcher Bezug kann in mehrfacher Weise deutlich werden: Die Empirie kann diesen Studien entweder vorgelagert sein und geht als Bericht, als dokumentierte Erfahrung, als Erfahrung der Autorinnen und Autoren in die Überlegungen ein. Der Studie von Klippel zum Lernspiel vorgelagert waren „viele anregende englische „Spielstunden“ mit Hauptschülern unterschiedlicher Klassenstufen“ (Klippel 1980: 5); Hallets Textensembles (Hallet 2002) sind vor ihrer diskursiven Erörterung durch mehrjährige Erprobungen im eigenen Unterricht gegangen. Oder die Empirie ist den Studien nachgelagert und erscheint in der Form von Überprüfung oder Vergewisserung: Nach der umfassenden Bestimmung kreativer Verfahren im Umgang mit literarischen Texten befragt Caspari (1994) Berliner Französischlehrkräfte zum Einsatz und zur Bewertung eben dieser Verfahren. Ferner lassen Ergebnisse theoretischer Forschung die Empirie als anvisierte erscheinen. Sie manifestiert sich in Handlungsvorschlägen, Empfehlungen oder Angeboten von neuen Sichtweisen auf die Praxis, etwa in der Bestimmung und Begründung von Textauswahl und im Entwurf lerneraktivierender Aufgaben für zukünftigen Unterricht (Bredella 2002). Sie zeigt sich in der Konkretisierung intertextueller Unterrichtsmodelle (Hallet 2002), in Vorschlägen zur Nutzung transkultureller Begegnungen innerhalb und jenseits des Unterrichts (Baumgratz-Gangl 1990), in Ansätzen einer fremdsprachlichen Leselehre (Ehlers 1998) sowie im Erkennen und Auskundschaften von Spielräumen für Autonomie (Schmenk 2008). Dieser anvisierte Praxisbezug ist jedoch in keinem der Beispiele präskriptiv gemeint bzw. von dem Verständnis bestimmt, als zwingend aus der Theorie gewonnene Ableitungen für praktisches Handeln im Unterricht zu gelten. Die hier skizzierte theoretische Forschung versteht sich folglich auch nicht als Anwendungsdidaktik. Denn alle auf die Praxis bezogenen Erkenntnisse, zum Teil als Empfehlungen für das Handeln im Unterricht formuliert, bedürfen nicht nur der diskursiven Würdigung und Validierung derjenigen, die aus den unterschiedlichen Perspektiven ihrer jeweiligen Praxis (als Lehrende, als Verfasserinnen und Verfasser von Lehr- und Lernmaterial) auf solche Erkenntnisse zugreifen und dabei ihre Relevanz und Reichweite ausloten. Die Erkenntnisse verlangen auch nach empirischer Überprüfung. Ein besonderes Merkmal theoretischer Arbeiten besteht deshalb darin, dass sie Angebote zum Diskurs über zentrale Aspekte des Gegenstandsbereichs Lehren und Lernen von Fremdsprachen machen und zugleich Motor empirischer Forschung sein können.

› Literatur

Abendroth-Timmer, Dagmar (1998). Der Blick auf das andere Land. Ein Vergleich der Perspektiven in Deutsch-, Französisch- und Russischlehrwerken. Tübingen: Narr.

Baumgratz-Gangl, Gisela (1990). Persönlichkeitsentwicklung und Fremdsprachenerwerb: transnationale und transkulturelle Kommunikationsfähigkeit im Französischunterricht. Paderborn: Schöningh.

Baumgratz-Gangl, Gisela (1993). Compéténce transculturelle et échanges éducatifs. Paris: Hachette.

Bellavia, Elena (2007). Erfahrung, Imagination und Sprache. Die Bedeutung der Metaphern der Alltagssprache für das Fremdsprachenlernen am Beispiel der deutschen Präpositionen. Tübingen: Narr.

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Breidbach, Stephan (2007). Bildung, Kultur, Wissenschaft. Reflexive Didaktik für den bilingualen Sachfachunterricht. Münster: Waxmann.

Brill, Lilli-Marlen (2005). Lehrwerke, Lehrwerkgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache. Aachen: Shaker.

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Casapri, Daniela (1994). Kreativität im Umgang mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht. Theoretische Studien und unterrichtspraktische Erfahrungen. Frankfurt: Lang.

 

Doff, Sabine (2008). Englischdidaktik in der BRD 1949–1989. Konzeptuelle Genese einer Wissenschaft im Dialog von Theorie und Praxis. München: Langenscheidt.

Ehlers, Swantje (1998). Lesetheorie und fremdsprachliche Lesepraxis aus der Perspektive des Deutschen als Fremdsprache. Tübingen: Narr.

Grimm, Nancy (2009). Beyond the ‚Imaginary Indian‘: Zur Aushandlung von Stereotypen kultureller Identität. Perspektiven in/mit indigener Gegenwartsliteratur. Heidelberg: Winter.

Gutschow, Harald (1964, 81973). Englisch an Hauptschulen. Probleme und Arbeitsformen. Berlin: Cornelsen.

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Lueginger, Elisabeth/Renger, Rudi (2013). Das weite Feld der Metaanalyse. Sekundär-, literatur- und metaanalytische Verfahren im Vergleich. Kommunikation.medien 2, 1–31 [www.journal.kommunikation-medien.at].

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Schmenk, Barbara (2002). Geschlechtsspezifisches Fremdsprachenlernen? Zur Konstruktion geschlechtstypischer Lerner- und Lernbilder in der Fremdsprachenforschung. Tübingen: Stauffenberg. [Referenzarbeit].

Schmenk, Barbara (2008). Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs. Tübingen: Narr.

Tassinari, Maria Giovanni (2010). Autonomes Fremdsprachenlernen. Konzepte, Kompetenzen, Strategien. Frankfurt: Lang. [Referenzarbeit]

Thahler, Engelbert (2008). Offene Lernarrangements im Englischunterricht. Rekonstruktion, Konstruktion, Konkretion, Exemplifikation, Integration. München: Langenscheidt.

Thimme, Christian (1996). Geschichte in Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache und Französisch als Fremdsprache für Erwachsene. Ein deutsch-französischer Lehrbuchvergleich. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

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3.3 Empirische Forschung

Karen Schramm

3.3.1 Begriffsklärung

Im Gegensatz zu historischer und theoretischer Forschung (s. Kapitel 3.1 und 3.2) ist für die empirische ForschungempirischeForschungempirische Forschung charakteristisch, dass sie auf der datengeleiteten Untersuchung einer Forschungsfrage beruht. Riemer (2014: 15) stellt in Anlehnung an einschlägige Arbeiten dazu fest, dass „[v]on empirischem Wissen […] – anders als im Fall von Allgemeinwissen und unsystematisch reflektiertem Erfahrungswissen – erst dann gesprochen werden [kann], wenn die allgemeinen Merkmale der Systematizität und Datenfundiertheit wissenschaftlicher Forschung eingehalten werden“. Diese für die jeweilige Untersuchung erfasste oder erhobene Datengrundlage (s. Kapitel 5.2) kann unterschiedlich umfangreich sein, sodass sich empirische Forschung auf einem Kontinuum von Erfahrungsberichten über explorativeexplorativ und deskriptivedeskriptiv Studien bis hin zu explanativenexplanativ Studien beschreiben lässt.

Eine erste Stufe der EmpirieEmpirie stellen ErfahrungsberichtErfahrungsberichte dar. Als fremdsprachendidaktische Beispiele kann u.a. auf Rattunde (1990), Minuth (1996) oder Wernsing (1995) verwiesen werden, die über Unterrichtserfahrungen berichten und auf dieser Grundlage methodische Handlungsempfehlungen entwickeln. Für den Bereich der Projektarbeit zeigt Peuschel (2012: 13–17) als Grundlage ihrer eigenen Studie in ihrem Literaturbericht beispielsweise auf, dass bisherige Forschungen zu diesem Thema weitestgehend auf der Stufe von Erfahrungsberichten angesiedelt sind. Blickt man auf die Entwicklung der empirischen Forschung in der Fremdsprachendidaktik zurück, so ist auch bemerkenswert, dass uns bereits aus früheren Jahrhunderten einige empirische Arbeiten der Fremdsprachendidaktik zugänglich sind, die sich in der Regel auf dieser ersten Stufe der Empirie bewegen (s. Kapitel 3 und 3.1).

Als zweite Stufe der Empirie zielen explorativexplorative Studien auf die Erkundung eines Untersuchungsgegenstands ab, der bisher kaum erforscht ist. In der Regel ist es Ziel solcher explorativen Studien, HypothesenHypothesen generieren über einen bisher wenig erforschten Untersuchungsgegenstand zu generieren. Zahlreiche der in Kapitel 7 unter methodisch-methodologischer Perspektive zusammengefassten – und an vielen Stellen dieses Handbuchs illustrativ aufgegriffenen – Referenzarbeiten liefern Beispiele für solche gewinnbringenden Explorationen: Arras (2007) zu Leistungsbeurteilungen, Ehrenreich (2004) zum ausbildungsbiographischen Ertrag eines assistant-Jahres, Hochstetter (2011) zur diagnostischen Kompetenz von Englischlehrpersonen in der Grundschule, Schart (2003) zur Perspektive von Lehrenden auf Projektunterricht und Schmidt (2007) zum gemeinsamen Lernen mit Selbstlernsoftware.

Auf einer dritten Stufe lassen sich deskriptivdeskriptive Studien einordnen, die genaue Beschreibungen von Phänomenen vornehmen, die bereits in Vorgängerstudien exploriert wurden. Die Referenzarbeit von Özkul (2011) illustriert den Fall einer Fragebogenstudie, die aufgrund von quantitativen Daten zu statistischen Aussagen (und zwar über Berufs- und Studienfachwahlmotive) gelangt; die Referenzarbeit von Schwab (2009) dagegen zeigt den Fall einer konversationsanalytischen Videostudie, die aufgrund von qualitativen Daten interpretative Aussagen (und zwar über Partizipationsmöglichkeiten von Schüler_innen im Plenumgsgespräch) trifft.

Auf einer vierten Stufe der EmpirieEmpirie bewegen sich explanativexplanative Studien, die auf die Erforschung kausaler Zusammenhängekausale Zusammenhänge abzielen. Hierbei steht die Überprüfung von HypothesenHypothesenÜberprüfung von, die zu einem extensiv explorierten und deskriptivdeskriptiv erforschten Untersuchungsgegenstand zum Zeitpunkt der Studie bestehen, im Zentrum der Forschungsanstrengung. Der Wunsch, über die Deskription von Fremdsprachenunterricht hinauszugehen und auch explanative Studien durchzuführen, ist in der Fremdsprachendidaktik spätestens nach Erscheinen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001) und dem Erstarken der Kompetenzorientierung deutlich erkennbar. Die (quasi-)experimentellen Interventionsstudien zum Hörverstehen im Deutschen als Tertiärsprache von Marx (2005) und zu Effekten extensiven Lesens im Fremdsprachenunterricht von Biebricher (2008) illustrieren als Referenzarbeiten dieses Handbuchs, dass auch Dissertationen, die nicht in größere Verbundprojekte eingebunden sind, fundierte Aussagen über Ursache und Wirkung treffen können; oft nutzen explanative Qualifikationsarbeiten aber auch Synergieeffekte aus kooperativen, teils standortübergreifenden Projekten für Einzelstudien.

Die folgenden Abschnitte geben einen einführenden Überblick über prototypische Designs fremdsprachendidaktischer EmpirieEmpirie (dazu grundlegend Abschnitt 2). Dabei findet einerseits die statistische Auswertung quantitativer Daten (Abschnitt 3) und andererseits die interpretative Auswertung qualitativer Daten besondere Berücksichtigung (Abschnitt 4). Auch die komplexen Kombinationsmöglichkeiten dieser Vorgehensweisen in Studien, die als mixed methods bezeichnet werden, sollen kurz angerissen werden (Abschnitt 5).

3.3.2 Quantitatives und qualitatives Paradigma

In der Regel werden das qualitative und das quantitative Forschungsparadigma als zwei diametral gegenübergestellte empirische Arbeitsweisen charakterisiert, die sich bezüglich des Erhebungskontextes, der erhobenen Daten, der Auswertungsmethoden und der dahinterliegenden Wissenschaftstheorie diametral unterscheiden (s. Kapitel 2).

Als Prototyp quantitativer Forschung gilt das ExperimentExperiment. Für dessen quantitative Natur ist die Tatsache charakteristisch, dass es im Labor, also nicht im natürlichen Kontext, und damit unter streng kontrollierten Bedingungen durchgeführt wird. Bei den in Experimenten erhobenen Daten handelt es sich typischerweise um Messwerte (z.B. um Reaktionszeitmessungen oder Test-Werte), die mithilfe statistischer Verfahren ausgewertet werden. Experimentelle Forschung basiert auf der wissenschaftstheoretischen Position des RationalismusRationalismus, nach der in einem hypothesentestenden Verfahren eine objektive bzw. universalgültige Wahrheit aus der Außenperspektive von Forscher_innen, einer sogenannten etischen PerspektiveetischePerspektiveetische Perspektive, beschrieben werden soll (s. Kapitel 2).

Als Prototyp qualitativer Forschung gilt hingegen die EthnographieEthnographie, bei der die Daten mittels teilnehmender Beobachtung im natürlichen Kontext und damit unter hochgradig unkontrollierten Bedingungen gesammelt werden. Diese Daten werden zu Zwecken der Hypothesengenerierung mithilfe interpretativer Verfahren ausgewertet, wobei eine emische PerspektiveemischePerspektiveemische Perspektive verfolgt wird, d.h. dass Forschende die Innenansicht der Forschungspartner_innen analytisch herausarbeiten. Wissenschaftstheoretisch basiert diese Vorgehensweise auf dem RelativismusRelativismus, der der rationalistischen Vorstellung einer universalgültigen Wahrheit das Konzept (sozio-)kulturell geprägter bzw. kontextgebundener Wahrheiten entgegensetzt (s. Kapitel 2).

Grotjahn (1987) hat in einem auf die deutschsprachige Fremdsprachendidaktik sehr einflussreichen Beitrag bereits in den 80er Jahren verdeutlicht, dass diese simple Gegenüberstellung von zwei Prototypen den vielen denkbaren Varianten empirischer Forschungsdesgins nicht gerecht wird. Er unterscheidet neben diesen beiden „Reinformen“ (Grotjahn 1987: 59) des explorativ-interpretativenexplorativ-interpretativ und des analytisch-nomologischenanalytisch-nomologisch Paradigmas sechs weitere „Mischformen“ (ebd.), die sich aus den möglichen Kombinationen der drei Pole (a) (quasi-) experimentelles vs. nicht-experimentelles Design, (b) quantitative vs. qualitative Daten und (c) statistische vs. interpretative Auswertung ergeben: Beispielsweise ist es möglich, im Feld metrische Werte zu erheben und statistisch auszuwerten oder im Labor verbale Daten zu erheben, die interpretativ ausgewertet werden. Somit wird deutlich, dass empirische Designs nicht immer eindeutig einem paradigmatischen Prototypen zugeordnet werden können, sondern dass sich eine Vielzahl von durch das Erkenntnisinteresse geleiteten grundlegenden Design-Möglichkeiten ergibt.