DSGVO - BDSG - TTDSG

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4. Verhältnis zu BDSG und sonstigem Zivilrecht

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Art. 17 DSGVO wird durch § 4 BDSG-neu ergänzt, welcher die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume regelt.

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Durch § 35 BDSG-neu wird Art. 17 DSGVO hingegen beschränkt, wenn die Löschung einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt (§ 35 Abs. 1 BDSG), die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigen könnte (§ 35 Abs. 2 BDSG) oder wenn der Löschung satzungsgemäße oder unverhältnismäßige Aufbewahrungsfristen entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 BDSG).

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§ 35 BDSG ist, zumindest nach der Begründung des Regierungsentwurfes, auf die Öffnungsklausel in Art. 23 DSGVO zu stützen.57 Mangels anderer erkennbarer Alternativen scheint § 4 BDSG hingegen unter die Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO gefasst worden zu sein.58 Für Einzelheiten, insbesondere zur Frage der Unionsrechtskonformität siehe § 4 BDSG Rn. 8 und § 35 BDSG Rn. 12.

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Es ist anzunehmen, dass sich die Rechtsprechung des BGH, wonach das bisherige Datenschutzregime gegenüber sonstigen zivilrechtlichen Ansprüchen wie etwa § 823 Abs. 1 und 2 BGB abschließend sei,59 auch im Zusammenhang mit der DSGVO fortsetzen wird.60 Die Annahme, dass § 824 BGB und § 1004 BGB (analog) hingegen weiterhin anwendbar sein sollen, da damit anders gelagerte Schutzzwecke verfolgt werden,61 erscheint vor dem Hintergrund der angestrebten Vollharmonisierung durch die DSGVO problematisch. Möglicherweise stellen diese Normen aber auch gerade solche rechtlichen Verpflichtungen dar, aufgrund derer der Verantwortliche gem. Art. 17 Abs. 1 lit. e DSGVO zur Löschung verpflichtet ist (für Einzelheiten siehe Rn. 63ff.).

II. Recht auf Löschung personenbezogener Daten (Abs. 1)

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Abs. 1 enthält zunächst das Recht des Betroffenen, die Löschung seiner personenbezogenen Daten zu verlangen. Hierbei handelt es sich um einen einfachen Löschanspruch, der die Bezeichnung „Recht auf Vergessenwerden“ nicht zu rechtfertigen vermag62 (vgl. dazu schon Rn. 4ff.).

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Gegenstand des Anspruchs auf Löschung sind ausweislich des Wortlautes der Norm solche personenbezogenen Daten, die die betroffene Person selbst betreffen.63 Unklar ist, ob indirekter Personenbezug ausreichend ist.64 Unklar ist ferner, ob auch die Löschung solcher Daten verlangt werden kann, die sich auf mehrere betroffene Personen beziehen.65 Zufriedenstellende Ergebnisse wird in solchen Fällen nur eine Interessenabwägung liefern können, bei denen die Interessen der die Löschung begehrenden Person gegen die der anderen betroffenen Personen abzuwägen sind.

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Anspruchsgegner ist jeder Verantwortliche i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO.

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Erforderlich ist in jedem Fall zunächst ein entsprechender Antrag der betroffenen Person, der mangels anderweitiger Regelungen in der DSGVO (vgl. insb. Art. 12 DSGVO) formfrei gestellt werden kann66 (vgl. aber zur antragsunabhängigen Löschpflicht Rn. 84ff.). Nicht explizit geregelt wurde ferner, ob der Antrag begründet werden muss. Bereits die Tatsache, dass es dem Verantwortlichen möglich sein muss, die Begründetheit des Antrags zu prüfen, spricht jedoch dafür, dass die betroffene Person die ihr zur Verfügung stehenden Informationen als Begründung angeben sollte.

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Für die Entscheidung des Verantwortlichen über die Begründetheit des Antrags ist schließlich die Sach- und Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt – d.h. im Zeitpunkt der Entscheidung – maßgeblich.67

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Voraussetzung für die Begründetheit des Anspruchs ist das Vorliegen einer der in lit. a bis f des Abs. 1 genannten Gründe sowie das Fehlen eines Ausschlussgrundes gem. Abs. 3. Generell lässt sich feststellen, dass die Löschung immer dann zu erfolgen hat, wenn die Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten bereits rechtswidrig war oder in Zukunft rechtswidrig sein wird.

1. Zweckerreichung (lit. a)

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Der Löschanspruch ist gem. lit. a begründet, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Dieser Löschgrund ist damit Ausfluss der Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung, wie sie in Art. 5 Abs. 1 lit. c und e DSGVO festgelegt sind.

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Der Löschanspruch kann selbst im Falle der Zweckerreichung unbegründet sein, nämlich wenn eine zulässige Zweckänderung die weitere Verarbeitung zu rechtfertigen vermag.68 Diese Auslegung ist erforderlich, um eine mit Art. 6 Abs. 4 DSGVO konsistente Handhabung des Löschanspruchs zu gewährleisten. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit kann dabei nur der vom Verantwortlichen zuletzt verfolgte Zweck sein.69 Eine andere Beurteilung, die es dem Verantwortlichen erlauben würde, erst im Augenblick der Antragstellung nach einem geeigneten Zweck zu suchen, widerspräche den Grundsätzen der Zweckbindung, Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO und der Datenminimierung, Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO.

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In jedem Fall muss die Zweckänderung den Anforderungen in Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO und Art. 6 Abs. 4 DSGVO genügen (siehe Art. 6 Rn. 164ff.).

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Zu der Frage, wann von einer Zweckerreichung auszugehen ist, wenn die Verarbeitung der Ausübung der Meinungs- oder Pressefreiheit diente und daher auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu stützen war, siehe Rn. 112ff. Höchstrichterlich geklärt ist jedenfalls, dass das Kriterium der Zweckerreichung in solchen Fällen grundsätzlich kein geeignetes Kriterium darstellt, um die Dauer der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu bestimmen.70

2. Einwilligungswiderruf (lit. b)

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Der Löschanspruch besteht auch dann, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO oder Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO stützte, widerruft und es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Das Recht der betroffenen Person, die Einwilligung jederzeit zu widerrufen, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 DSGVO (siehe Art. 7 Rn. 76ff.).

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Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob der Widerruf der Einwilligung vor Äußerung des Löschverlangens erfolgen muss und ob es überhaupt zweier getrennter Erklärungen bedarf. Zu beachten ist, dass die DSGVO den betroffenen Personen zur größtmöglichen Verwirklichung ihrer grundrechtlich gewährleisteten Datenschutzrechte verhelfen will71 und daher niedrige Anforderungen an den Einwilligungswiderruf und an das Löschbegehren stellt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass beide Erklärungen zeitlich zusammenfallen können und auch, dass das Löschbegehren konkludent den Einwilligungswiderruf enthalten kann.72 Der Widerruf der Einwilligung kann hingegen nicht ohne Weiteres dahingehend ausgelegt werden, dass auch die Löschung der Daten gewünscht sei, da der betroffenen Person alternativ das Recht zusteht, gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b DSGVO (bloß) die Einschränkung der Verarbeitung der betreffenden Daten zu verlangen. Im Fall des schlichten Einwilligungswiderrufs wäre die Löschung daher vielmehr rechtswidrig, als sie selbst gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO eine Verarbeitung darstellt und damit einer Rechtsgrundlage bedarf. Unbedingt zu beachten ist zudem, dass sich der Einwilligungswiderruf nur auf bestimmte Verarbeitungsschritte beziehen und eine gänzliche Löschung in diesem Fall gerade nicht gewollt sein kann.73

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Die teilweise vertretene Ansicht, lit. b habe nur deklaratorischen Charakter, da die Verarbeitung bei fehlender Einwilligung, wie dies nach deren Widerruf der Fall ist, rechtswidrig ist und der Löschanspruch daher auf lit. d zu stützen sei,74 ist abzulehnen. Zwar lässt sich der Sachverhalt durchaus unter lit. d subsumieren, auch würde das Tatbestandsmerkmal der anderweitigen Rechtsgrundlage nicht umgangen, da die Verarbeitung in diesem Falle nicht rechtswidrig wäre. Allerdings verkennt diese Ansicht den Charakter der lit. d: Diesem Löschgrund kommt eine bloße Auffangfunktion für Rechtsverstöße gegen die DSGVO, die nicht schon unter lit. a bis c zu subsumieren sind, zu.75 Für diese Auslegung spricht die systematische Stellung der lit. d, sowie das Primat der normerhaltenden Auslegung.76

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Anzumerken ist schließlich, dass Art. 17 Abs. 1 lit. b DSGVO, anders als der Verordnungsentwurf der Kommission,77 nicht mehr auf den Ablauf einer vereinbarten Speicherfrist als Löschgrund abstellt. Dieser Fall ist nun unter lit. d zu fassen.78

3. Widerspruch gegen die Verarbeitung (lit. c)

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Das Löschbegehren ist gem. lit. c begründet, wenn die betroffene Person (Alt. 1) gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO Widerspruch eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigenden Gründe vorliegen oder wenn sie (Alt. 2) gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO Widerspruch eingelegt hat.

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Ein eigenständiges Löschbegehren ist, wie bereits ausführlich im Rahmen der lit. b (siehe Rn. 38) besprochen, nicht erforderlich.79 Dieses Ergebnis ist auch nicht mit Blick auf Art. 18 Abs. 1 lit. d DSGVO einzuschränken, da das Recht auf Einschränkung der Datenverarbeitung im Falle des Widerspruchs zum einen nur in Bezug auf Abs. 1 des Art. 21 DSGVO geregelt ist und zum anderen sich nur auf den Zeitraum erstreckt, in dem noch nicht feststeht, ob die schutzwürdigen Gründe im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 DSGVO des Verantwortlichen die Interessen der betroffenen Person überwiegen.

 

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Das Löschbegehren des Betroffenen ist nur erfolgreich, wenn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 bzw. Abs. 2 DSGVO erfüllt sind.80 Die Einschränkung in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 DSGVO muss für den Löschanspruch hingegen nicht beachtet werden, da sich dieser nur auf das Verarbeitungsverbot als Rechtsfolge des Widerspruchs nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO bezieht.

a) Alt. 1: Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO

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Der Löschanspruch nach der ersten Alternative von lit. c besteht im Falle eines begründeten Widerspruchs gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO und wenn keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen.

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Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO räumt jedem Betroffenen das Recht ein, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten Widerspruch einzulegen, soweit diese Daten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DSGVO verarbeitet werden bzw. wurden. Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (siehe hierzu Art. 6 Rn. 94ff.). Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erlaubt die Verarbeitung hingegen, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Letzteres gilt insbesondere, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

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Zusätzlich zum Widerspruch ist erforderlich, dass keine vorrangigen berechtigten Gründe vorliegen. Diese sind als Minus im Vergleich zu den zwingenden schutzwürdigen Gründen des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 DSGVO zu verstehen.81 Ob diese vorrangigen berechtigten Gründe vorliegen und daher den Löschanspruch gar nicht erst entstehen lassen (beachte: Die Ausschlussgründe sind erst in Abs. 3 geregelt, vgl. Rn. 111ff.), ist abhängig von einer Interessenabwägung im Einzelfall.82 Anhaltspunkte bzgl. der in einer solchen Abwägung zu berücksichtigenden Aspekte liefert der EuGH in seiner „Google Spain“-Entscheidung: Zu nennen sind danach die Art der betreffenden Daten, deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person, das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu den betreffenden Informationen und die wirtschaftlichen Interessen der verantwortlichen Stelle.83 Diese Merkmale, die so auch aus der deutschen Rechtsprechung zum Datenschutz bekannt sind,84 beziehen sich nicht nur auf den Verantwortlichen. Ausweislich des Wortlautes der Norm lässt Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 1 DSGVO vorrangige berechtigte Gründe im Allgemeinen und nicht nur vorrangige berechtigte Interessen der verantwortlichen Stelle genügen.

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Fraglich ist, wann es überhaupt auf dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal ankommt. Genügt eine Verarbeitung nicht (mehr) den Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 lit. e bzw. f DSGVO, kann der Löschanspruch mangels Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auf Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO gestützt werden. Hält man lit. d mit der hier vertretenen Ansicht für einen bloßen Auffangtatbestand (siehe Rn. 59), kann der Löschanspruch in dem oben beschriebenen Fall auch auf Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO gestützt werden: Art. 6 Abs. 1 lit. e und f DSGVO erlauben die Verarbeitung, soweit und solange sie für die dort genannten Gründe – anders formuliert: Zwecke – erforderlich sind. Mit Entfallen der Erforderlichkeit im Sinne des Art. 6 DSGVO entfällt also auch die Notwendigkeit der Verarbeitung für einen bestimmten Zweck im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO.

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Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 1 DSGVO fände demnach überhaupt nur auf Fälle der rechtmäßigen Verarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e und f DSGVO Anwendung.

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Aufgrund der Beteiligung staatlicher Akteure an der Verarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO ist insbesondere hier das Merkmal der Erforderlichkeit im Sinne der Verhältnismäßigkeit zu verstehen.85 Verhältnismäßigkeit im staatsrechtlichen Sinne ist dabei anzunehmen, wenn ein legitimes Ziel verfolgt wird und das hierzu eingesetzte Mittel zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Während die Erforderlichkeit bereits beim Fehlen eines milderen aber gleich effektiven Mittels bejaht werden kann, setzt die Angemessenheit den Ausgang einer Interessenabwägung im Sinne der verarbeitenden Stelle voraus. Ist die Verarbeitung also nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO rechtmäßig, kann davon ausgegangen werden, dass in der Regel auch vorrangige berechtigte Gründe i.S.v. Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO für die Verarbeitung vorliegen werden. Im Falle des Widerspruchs gegen eine gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten wird ein Löschanspruch demnach grundsätzlich nicht gegeben sein.

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Dasselbe Ergebnis, wenn auch mit abweichender Begründung, ist bezüglich Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO festzustellen. Die Verarbeitung ist danach nur rechtmäßig, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Die in Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO angelegte Interessenabwägung ist also schon im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vorzunehmen, weshalb im Falle der rechtmäßigen Verarbeitung auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO grundsätzlich kein Löschanspruch gegeben sein kann.

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Unter Zugrundelegung der obigen Auslegung bliebe damit für Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO kein Anwendungsbereich. Dieser Schluss widerspricht allerdings dem bereits genannten Primat der normerhaltenden Auslegung (siehe Rn. 39), weshalb Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO wohl als Spezialfall des Zweckfortfalls für die Zwecke im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. e und f DSGVO zu verstehen ist.

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Lit. c findet somit (nur) auf die Fälle gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e und f DSGVO rechtswidriger Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung.

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Für das einschränkende Tatbestandsmerkmal der vorrangigen berechtigten Gründe bedeutet dies in der Konsequenz, dass ihm rein deklaratorische Funktion zukommt. Die Tatsache, dass das Interesse der betroffenen Person an der Nichtverarbeitung der Daten überwiegt, begründet überhaupt erst die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung, sodass der Löschanspruch nach der hier vertretenen Systematik der lit. c Alt. 1 grundsätzlich nicht aufgrund vorrangig berechtigter Gründe ausgeschlossen sein wird.

b) Alt. 2: Widerspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO

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Der Löschanspruch ist gem. Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 2 DSGVO auch gegeben, wenn die betroffene Person gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung eingelegt hat. Art. 21 Abs. 2 DSGVO räumt der betroffenen Person für die Fälle der Datenverarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung ein privilegiertes Widerspruchsrecht ein86 (für Einzelheiten hierzu siehe Art. 21 Rn. 37ff.).

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Auch dieser Tatbestand des Art. 17 DSGVO stellt sich in seiner Auslegung als problematisch dar, denn Art. 21 Abs. 2 DSGVO verbietet im Zusammenhang mit Art. 21 Abs. 3 DSGVO nach erfolgtem Widerspruch die weitere Verarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung. Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 2 DSGVO gewährt nach seinem Wortlaut aber einen umfassenden Löschanspruch, der auch dann zur Löschpflicht führen würde, wenn die Datenverarbeitung nur auch zum Zwecke der Direktwerbung ausgeführt wurde und nach dem Widerspruch gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden könnte. Herbst sieht hierin zu Recht einen Wertungswiderspruch zwischen den Normen und stellt fest, dass es sich bei Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 2 DSGVO um eine „über das unmittelbare Ziel der Widerspruchsregelung“ hinausschießende Regelung handelt.87 Herbst vertritt ferner die Ansicht, dass dieser Wertungswiderspruch aufgrund des klaren Wortlauts nicht durch Auslegung zu korrigieren sei.88 Möglich wäre jedoch, die Norm dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Löschanspruch nach erfolgtem Widerspruch gem. Art. 21 Abs. 2 DSGVO nur dann besteht, wenn die Daten nur zum Zwecke der Direktwerbung erhoben und verarbeitet wurden und deren weitere Verarbeitung daher nun rechtswidrig wäre (vgl. hierzu schon Rn. 32). Fälle, in denen die weitere Verarbeitung, zu der auch die bloße Speicherung gehört (vgl. Art. 4 Nr. 2 DSGVO), rechtmäßig ist, wären demnach nicht erfasst.

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Dieses Verständnis der Norm würde zudem die Einordnung des Löschanspruchs als speziellere und damit vorrangige Ausprägung des Art. 21 Abs. 3 DSGVO erlauben. Art. 21 Abs. 3 DSGVO enthält ein Verarbeitungsverbot zum Zwecke der Direktwerbung nach Erklärung des Widerspruchs nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO. Nachdem aber auch die bloße Speicherung der Daten eine Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt, ergäbe sich die Löschpflicht bereits aus Art. 21 Abs. 3 DSGVO.

57

Wie Art. 17 Abs. 1 lit. c Alt. 2 DSGVO auszulegen ist, wird sich letztendlich nur anhand der zukünftigen EuGH-Rechtsprechung klären lassen.

4. Unrechtmäßige Verarbeitung (lit. d)

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Gem. Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO besteht ferner ein Löschanspruch, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Während nach dem Kommissionsentwurf noch erforderlich war, dass die Verarbeitung „aus anderen Gründen nicht mit der Verordnung vereinbar“ ist, stellt lit. d nun allgemein auf die Unrechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ab. Damit können nun auch außerhalb der DSGVO bestehende Gründe, welche die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung bedingen, den Löschanspruch begründen.89

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Lit. d ist daneben in solchen Fällen einschlägig, in denen die Rechtswidrigkeit sich sehr wohl aus der DSGVO selbst ergibt, die übrigen Litera des Art. 17 Abs. 1 DSGVO aber keine speziellere Regelung enthalten; es handelt sich bei lit. d um einen Auffangtatbestand.90 Ein Beispiel hierfür ist die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung aufgrund mangelnder Qualität i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO.91

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Dem Wortlaut nach bezieht sich das Kriterium der Rechtmäßigkeit im Unterschied zu den lit. a bis c nicht auf die zukünftige Verarbeitung, sondern auf die bereits stattgefundene.92 Nach der hier vertretenen Ansicht kommt der lit. d statt eines präventiven eher ein korrigierender Charakter zu. Anhaltspunkte, die eine dem Wortlaut entgegenstehende Auslegung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich. Dennoch kann der Löschanspruch nicht entstehen, wenn zwar eine unrechtmäßige Verarbeitung stattgefunden hat, mittlerweile aber ein Rechtsgrund gegeben ist.93 Ein Löschanspruch würde in diesen Fällen zum einen entweder nicht dem Willen der betroffenen Person entsprechen oder der zur Feststellung der Rechtmäßigkeit vorgenommenen Interessenabwägung entgegenwirken. Zum anderen käme Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO damit ein für die DSGVO im Allgemeinen unüblicher Sanktionscharakter zu94 (für Einzelheiten bzgl. des Kapitels 8 – Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen siehe Art. 77ff. DSGVO).

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Problematischer ist die Frage, ob der Löschanspruch entstehen kann, wenn Daten zu verschiedenen Zwecken teilweise rechtswidrig, teilweise rechtmäßig verarbeitet werden, die Daten dabei aber nur einmal gespeichert werden. Grundsätzlich lässt eine Verarbeitungsgrundlage den Löschanspruch entfallen. Allerdings scheint es nicht mit der Zielsetzung der DSGVO vereinbar, einem Betroffenen das effektivste Mittel gegen die rechtswidrige Datenverarbeitung, namentlich die Löschung zu nehmen, solange dieselben Daten daneben noch rechtmäßig verarbeitet werden. Ein angemessenes Ergebnis kann daher nur durch eine Einzelbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gefunden werden, wobei auf die Schwere der rechtswidrigen Verarbeitung, deren Häufigkeit und das Gewicht der die sonstige Verarbeitung rechtfertigenden Gründe abzustellen ist.

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Nicht geregelt ist in lit. d hingegen der Fall, in dem eine Verarbeitung zunächst rechtmäßig war und deren Rechtsgrund nachträglich entfallen ist.95 Notwendig ist immer eine bereits stattgefundene rechtswidrige Verarbeitung. Führt das Entfallen des Rechtsgrundes für die bisherige Verarbeitung zum Fortfall der Rechtsgrundlage für die fortgesetzte Verarbeitung (ggf. auch nur in Form der fortgesetzten Speicherung der betreffenden personenbezogenen Daten) entsteht indes trotzdem eine Löschpflicht, allerdings nicht zwingend aus lit. d.