DSGVO - BDSG - TTDSG

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b) Kopplungsverbot

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Art. 7 Abs. 4 DSGVO enthält das sogenannte Kopplungsverbot, das auf das Merkmal der freien Entscheidung (ohne Druck und Zwang) aus Art. 4 Nr. 11 DSGVO Bezug nimmt. Es darf demnach kein unbilliger emotionaler oder wirtschaftlicher Druck auf die betroffene Person ausgeübt werden, um sie zu einer Einwilligung zu bewegen, ihre Daten für Zwecke zur Verfügung zu stellen, die für den Vertrag nicht erforderlich sind, etwa für Direktmarketing durch den Verantwortlichen oder Dritte.111 Die Aussicht, nicht zu dem gewünschten Vertragsschluss zu kommen, könnte insbesondere bei fehlenden Alternativen auf dem Markt eine solche Drucksituation darstellen. Gibt es vergleichbare alternative Angebote, die der betroffenen Person auch bei entsprechender Recherche bekannt sein können, die keine Kopplung des Vertragsschlusses mit einer Einwilligung voraussetzen, so entfällt auch der Druck, einwilligen zu müssen, um die gewünschte Leistung zu erhalten.112

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Bekanntlich kann es in Privatrechtsbeziehungen bei den sich gegenübertretenden Vertragsparteien bei einer der beiden Parteien eine stärkere Marktmacht mit der Folge ungleicher Verhandlungsmacht geben. Deshalb ist zu diskutieren, ob die Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung dort ihre Grenze findet, wo dem Betroffenen seine Einwilligung von der stärkeren Partei „abgepresst“ wurde.113 Im Fall einer einseitigen Bestimmungsmacht eines überlegenen Vertragspartners hinsichtlich der angebotenen Leistung, die für die andere Vertragspartei zur Sicherung ihrer persönlichen Lebensverhältnisse von erheblicher Bedeutung ist, kann die Versagung der Einwilligung in eine weitgehende Preisgabe persönlicher Informationen für sie unzumutbar sein. In einem solchen Fall der einseitigen Bestimmungsmacht ist der „informationelle Selbstschutz“ mit der Konsequenz nicht mehr gewährleistet, dass nicht mehr von einer freien Entscheidung als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung ausgegangen werden kann.

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Ansonsten gilt aber weiterhin grundsätzlich: Die Einwilligung ist nicht allein dadurch unwirksam, dass der Einwilligende nur durch die Einwilligung in den Genuss einer Leistung kommt.114 Andersherum: Die Aussicht, dass das Versagen der Einwilligung zu einem irgendwie gearteten Nachteil führen könnte, lässt nicht allein schon deshalb die Freiwilligkeit entfallen. Die Unwirksamkeit wäre aber jedenfalls dann gegeben, wenn die Verweigerung der erstrebten Leistung schon eine solche Bedeutung für den Betroffenen hätte, dass er zu ihrer Erlangung, auch ohne an die Folgen zu denken, aufgrund des Drucks Daten preiszugeben, bereit wäre. Die aus dem Prinzip der Selbstbestimmung abgeleitete Möglichkeit der Einwilligung kann dann nicht mehr im Interesse des Betroffenen liegen, wenn sie sich von der Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.115 Die Teilnahme an einem Gewinnspiel an die Einwilligung zu knüpfen, personenbezogene Daten des Teilnehmenden für Werbezwecke nutzen zu dürfen, wäre danach durch das Kopplungsverbot nicht unzulässig.116 Wird als „Gegenleistung“ für eine vermeintlich kostenlose Leistung des Verantwortlichen (Zahlen mit Daten) die Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten für einen außerhalb der Vertragserfüllung liegenden Zweck gesehen, steht das Kopplungsverbot dem nicht entgegen.117 So entschied auch der Sächsische Datenschutzbeauftragte, dass dem Angebot eines „kostenlosen“ Downloads eines Dokuments gegen Einwilligung in die Zusendung eines Werbe-Newsletters „aus datenschutzaufsichtsbehördlicher Sicht“ nichts entgegenstehe.118

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Danach ist die Einwilligung also nicht freiwillig, wenn der Abschluss eines Vertrags von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von solchen personenbezogenen Daten abhängig gemacht wird, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind. Der ErwG 43 Satz 2 spricht diesen Normtext nochmals explizit ebenfalls an, ErwG 43 Satz 2: „Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, ... wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.“ Gegenstand der Einwilligung wären nur solche Daten, die im Vertragskontext nicht schon aufgrund eines Erlaubnistatbestands etwa aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b DSGVO erlaubtermaßen verarbeitet werden dürfen. Bei den von Absatz 4 angesprochenen Daten geht es stets um solche Daten, die der Verantwortliche nicht nur für die Vertragserfüllung benötigt, sondern darüber hinaus verwenden möchte und dafür dann keine gesetzliche Erlaubnis hat, sondern auf den Erlaubnistatbestand der Einwilligung zurückgreifen müsste. Unproblematisch wäre insofern auch eine vorformulierte Einwilligungserklärung, wenn die „Vertragserfüllung“ nicht von der Einwilligung in die Erhebung und Verarbeitung von für den Vertrag erforderlichen Daten für andere Zwecke oder von sonstigen Daten abhängig machen würde.

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Die Verwendung des Terminus „Vertragserfüllung“ könnte angesichts des deutschen zivilrechtlichen Abstraktionsprinzips irritieren. In der Tat muss hier die Norm so gelesen werden, dass bereits das Verpflichtungsgeschäft, wie jedes Rechtsgeschäft, bei fehlender Freiwilligkeit nicht mit einer Einwilligung gekoppelt werden darf; eine Kopplung mit dem Erfüllungsgeschäft kommt überhaupt nicht in Betracht.119

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Die Kopplung des Vertragsschlusses an eine Einwilligung scheint allerdings trotz des Wortlauts von ErwG 43, der keinen Raum für eine gekoppelte Einwilligung zu lassen scheint, nicht gänzlich ausgeschlossen zu sein;120 jedenfalls weist das Merkmal im Normtext „in größtmöglichen Umfang“ darauf hin, dass bei der Abwägung, ob von einer Freiwilligkeit der Einwilligung im Kontext von Vertragsschlüssen ausgegangen werden kann, dem „Kopplungsverbot“ ein besonderes Gewicht zukommen soll. Das impliziert mit anderen Worten, dass die Kopplung die Freiwilligkeit nicht absolut ausschließt, sondern für eine wertende Betrachtung offen ist.121 Auch ErwG 42 könnte dafür sprechen, weil danach die Regelung den Betroffenen davor schützen soll, dass er „Nachteile“ erleidet. Unter einem Nachteil ließe sich aber auch jede Datenverarbeitung verstehen, die nicht aufgrund einer Erlaubnis aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b bis lit. f DSGVO oder einem sonstigen gesetzlichen Erlaubnistatbestand oder aus einer von einem Vertragsschluss unabhängigen Einwilligung erfolgt. Deshalb ist es zu weitgehend, wenn Schulz unter einem Nachteil erst „schwerwiegende Folgen für die betroffene Person“ versteht.122

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Vor dem Hintergrund einer verbreiteten Praxis, den Vertragsschluss mit einer Einwilligung in die Datennutzung für das personalisierte Dialogmarketing zu verknüpfen, war das allgemeine in § 4a BDSG a.F. enthaltene Kopplungsverbot verstärkend hervorgehoben worden. Belästigungen durch das Dialogmarketing dürfen durchaus als Nachteil angesehen werden, vor dem das Kopplungsverbot schützen soll.123 Es wurde in Frage gestellt, ob die Nutzung werbefinanzierter „kostenloser“ Online-Dienste von der Einwilligung in die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Nutzerdaten abhängig gemacht werden kann („Service gegen Daten“).124 Erwogen wird, ob ein kartellrechtlich unbedenklicher und transparent zu machender beidseitig verpflichtender Vertrag in Betracht kommt, aufgrund dessen die eine Seite den Dienst, die andere, der Nutzer, seine Daten zu liefern hat.125 Zu prüfen wäre dann aber, ob dieses ein wirksamer Vertrag ist, bei dem die Datenerhebung als Vertragspflicht nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b DSGVO zulässig wäre. Eine Einwilligung als Vertragspflicht wäre eine Umgehung des Kopplungsverbots.126 Mit der EU-Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DiRL), die durch die Umsetzung u.a. mit § 327q BGB anerkennt, dass Verbraucher für digitale Inhalte anstelle eines Preises ihre Daten überlassen können, wird das Kopplungsverbot weitgehend leerlaufen (siehe Art. 6 Rn. 62).

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Zulässig soll aber die Erhebung personenbezogener Daten aufgrund einer Einwilligung sein, wenn sie zwar im Zusammenhang mit dem Vertrag steht, aber sie lediglich deshalb erforderlich ist, um dadurch die „notwendige Entscheidungs- und Kalkulationsgrundlage für das konkrete Rechtsgeschäft“ zu erhalten, indem das Risikoprofil der betroffenen Person vor der Entscheidung über den Abschluss einer Lebens- oder Krankenversicherung berechenbar wird.127 Es bestehen Zweifel, ob hierfür eine Einwilligung bemüht und das Kopplungsverbot geprüft werden muss, oder ob nicht eine Erlaubnis schon aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b DSGVO vorliegt, was das Einholen einer Einwilligung überflüssig macht.

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Einerseits soll mit der Vorschrift verhindert werden, dass Monopole ihre faktische Macht ausnutzen, um Kundendaten erheben und verarbeiten zu können, die für das Vertragsverhältnis nicht benötigt werden. Das Kopplungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO ist aber kein ausschließlich gegenüber „Monopolisten“ aktivierbarer Schutz, sondern er besteht unabhängig von der Marktstellung und der – im Übrigen nur sehr schwer feststellbaren – Substituierbarkeit der Leistung, sondern immer dann, wenn die Daten, in deren Erhebung eingewilligt werden soll, für den Vertragszweck nicht erforderlich sind und die Verweigerung der Einwilligung nicht ohne Nachteil für die betroffene Person erfolgt.128 Es soll auch verhindert werden, dass solche Daten für vom Vertragsgegenstand „vollkommen losgelöste Zwecke“ erhoben werden.129 Weil die Vorschrift auch kein absolutes Kopplungsverbot enthält, muss bei einer wertenden Betrachtung im Einzelfall festgestellt werden, ob die betroffene Personen die mit dem Vertrag angestrebte Leistung bei einem anderen Anbieter ohne Nachteil für ihn erlangen könnte.

 

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Der Verantwortliche kann dem Kopplungsverbot letztlich entgehen, wenn er bei der Abfrage von Daten zur Vorbereitung des Vertragsschlusses deutlich macht, dass bestimmte Daten freiwillig („optional“) gegeben werden können. Dabei muss der Verantwortliche allerdings auch gleichwohl die weiteren Bedingungen des Art. 7 DSGVO erfüllen, nämlich das Trennungs- und Transparenzgebot beachten und auf das Widerrufsrecht aufmerksam machen.

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Erweist sich die Einwilligung aufgrund des Kopplungsverbotes als unwirksam, so berührt das den Bestand des Vertrags nicht, mit dem die Einwilligung gekoppelt werden sollte.

III. Sondersituationen
1. Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis

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Unter Geltung des BDSG a.F. wurde intensiv diskutiert, ob wegen des Subordinationsverhältnisses von Beschäftigten (Legaldefinition in § 26 Abs. 8 BDSG) diese überhaupt eine wirksame Einwilligung abgeben können.130 Verbreitet war die Ansicht, dass Beschäftigte nie frei von Zwang seien, wenn sie in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch den Arbeitgeber einwilligen.131 Diese Ansicht war in dieser Rigidität und Absolutheit unzutreffend, und sie ist es auch unter der DSGVO und § 26 BDSG. Dass nach dem BDSG a.F. Einwilligungen von Beschäftigten „nach der herrschenden Meinung“ nur „ganz ausnahmsweise und nur auf gesetzlicher Grundlage in Betracht kommen können“, war unzutreffend.132

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Mit dem „Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften“ wurde mit § 32 BDSG a.F. eine Regelung zum Schutz von Arbeitnehmerdaten aufgenommen. Diese Vorschrift enthielt in Abs. 1 Satz 1 die allgemeine Ermächtigung zur Datenerhebung und -verwendung im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen, die lex specialis gegenüber § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. war. Das Gesetz schloss die Erteilung einer Einwilligung im Arbeitsverhältnis nicht aus. Die Gesetzesbegründung zum 2009 eingefügten § 32 BDSG a.F. erhellt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers „eine Datenerhebung oder -verwendung auf der Grundlage einer freiwillig erteilten Einwilligung des Beschäftigten ... durch § 32 nicht ausgeschlossen“ sein sollte.133 Ein solcher Ausschluss wäre auch erheblichen verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken begegnet.134

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Auch die Art.-29-Datenschutzgruppe hatte sich in mehreren Arbeitspapieren mit der Einwilligungsmöglichkeit in Beschäftigungsverhältnissen befasst.135 Sie hält es für unwahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer frei auf ein Einwilligungsersuchen seines Arbeitgebers reagieren kann, um beispielsweise Überwachungssysteme wie die Videoüberwachung am Arbeitsplatz zu aktivieren oder Beurteilungsformulare auszufüllen, ohne Druck auf die Einwilligung auszuüben. Daher hält es die Art.-29-Datenschutzgruppe für problematisch, dass Arbeitgeber personenbezogene Daten von gegenwärtigen oder zukünftigen Arbeitnehmern auf der Grundlage der Einwilligung verarbeiten. Sie sieht es als unwahrscheinlich an, dass sie frei gegeben werden. Deshalb empfiehlt sie, dass für den Großteil der Datenverarbeitung am Arbeitsplatz eine Einwilligung der Arbeitnehmer wegen des Abhängigkeitsverhältnisses nicht die Grundlage sein sollte.

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Die Art.-29-Datenschutzgruppe formuliert zwar Skepsis, dass es in Beschäftigungsverhältnissen eine Einwilligung ohne Zwang gibt, hat die Freiwilligkeit aber auch nicht ausgeschlossen, sondern darauf hingewiesen, dass ein Arbeitgeber sich in bestimmten Fällen auf eine Einwilligung seiner Beschäftigten stützen können muss und diese auch wirksam ist, wenn nachweislich aus der Verweigerung der Einwilligung oder aus dem Widerruf der Einwilligung kein Nachteil entsteht. In ihrem WP 259 sieht sie durchaus Situationen, in denen eine Einwilligungslösung im Beschäftigungsverhältnis denkbar ist.136

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Zu entscheiden ist, ob es für eine beabsichtigte Datenverarbeitung von Beschäftigtendaten durch den Arbeitgeber, für die nach einer Prüfung festgestellt wurde, dass sie sich nicht auf eine gesetzliche Erlaubnis stützen kann, noch die von der DSGVO eröffnete Einwilligungslösung gibt. „Unzulässig“ würde die Datenverarbeitung, wenn auch eine wirksame Einwilligung nicht eingeholt werden kann. Ob eine Einwilligungslösung ausscheidet, ist also erst im Einzelfall zu prüfen.

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Eine generelle, uneingeschränkte Ablehnung kann keinen Bestand haben.137 Mit Wybitul/Goroll ist festzustellen, dass auch im Beschäftigungsverhältnis die in Einzelfällen fehlende Freiwilligkeit „nicht dazu führen darf, dass die Einwilligung als wesentliches Element der informationellen Selbstbestimmung in Frage zu stellen ist“.138 Auch „im Falle eines Machtungleichgewichts zwischen Datenverarbeiter und Betroffenem (ist) die Freiheit des Einzelnen zur Selbstbestimmung nicht notwendigerweise ausgeschlossen“.139 Sicherlich: In der Bewerbungssituation wird ein Arbeitnehmer, der im Wettbewerb mit anderen Arbeitsuchenden steht, in der Entscheidung nicht frei sein können, über die gesetzlich zulässige Verarbeitung seiner Daten hinaus seinem möglichen künftigen Arbeitgeber die Nutzung seiner Daten für andere als die gesetzlich erlaubten Zwecke zu gestatten. Von einer freien Willensbildung wird man in dieser Lage nicht ausgehen können.

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Dennoch wird man ipso jure auch einem Arbeitnehmer nicht grundsätzlich, insbesondere nicht außerhalb der Bewerbungssituation, absprechen können, frei und ohne Druck zu entscheiden, ob er eine Einwilligungserklärung abgeben soll. Soweit geht die strukturelle Unterlegenheit nicht. Auch das BAG sprach dem Arbeitnehmer seine Handlungsautonomie gegenüber dem Arbeitgeber nicht ab. Im Gegenteil: „Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich ‚frei entscheiden‘, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen.“140 Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass auch im Arbeitsverhältnis – und sogar bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses141 – eine wirksame Einwilligung erteilt werden kann. Lembke weist darauf hin, dass Beschäftigte „durch das geltende Arbeitsrecht so umfangreich geschützt sind, dass nicht generell davon ausgegangen werden kann, sie könnten keine Einwilligung geben, die auf ihrer ‚freien Entscheidung‘ beruht. Andernfalls würde man die betroffenen Arbeitnehmer entmündigen“.142

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Es bedarf also auch im Arbeitsverhältnis konkreter Anhaltspunkte, dass der Arbeitnehmer im Einzelfall eine Einwilligung nicht frei, nach der DSGVO nicht „ohne Zwang“, erteilte und die Einwilligung damit unwirksam ist.

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Art. 88 DSGVO enthält eine ausdrückliche Öffnungsklausel, die den Mitgliedstaaten spezifische Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten erlaubt. Der deutsche Gesetzgeber hat davon mit § 26 BDSG Gebrauch gemacht. Deshalb sind dann, wenn personenbezogene Beschäftigtendaten auf der Grundlage einer Einwilligung verarbeitet werden, die allgemeinen, sich aus Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO ergebenden Bedingungen und ergänzend die besonderen Bedingungen des § 26 Abs. 2 BDSG zu beachten. Auch § 26 BDSG enthält – wie das BDSG a.F. – hinsichtlich der Möglichkeit zur Einwilligung „keine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht“.143 § 26 Abs. 2 Satz 1 BDSG hebt nun in diesem Sinn hervor, dass eine Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis möglich ist und führt in Satz 2 Beispiele auf, bei denen von einer Freiwilligkeit der Einwilligung in die Datenverarbeitung im Beschäftigtenverhältnis auszugehen ist (siehe § 26 Rn. 80). Soweit sie keinen Zwängen aus dem Abhängigkeitsverhältnis unterliegen, können Beschäftigte wirksam in die Erhebung und Verarbeitung ihrer Daten durch den Arbeitgeber einwilligen.144 Dass dann, wenn ein Beschäftigter seine Einwilligung erteilen soll, besonders hohe Anforderungen an die Prüfung zu stellen sind, ob im Abhängigkeitsverhältnis eine freie Entscheidung im konkreten Einzelfall möglich ist, wird hier nicht in Frage gestellt.

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Grundsätzlich können also auch Beschäftigte über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten selbst bestimmen und dem Arbeitgeber aufgrund einer Einwilligung die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten erlauben. Dies widerspricht nicht per se der Bedingung, dass die Einwilligungserklärung freiwillig erfolgen muss. ErwG 155 erhellt dementsprechend, dass auch der europäische Gesetzgeber davon ausgeht, dass auch Beschäftigte unter speziellen Bedingungen in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen können. Darin heißt es, dass die Mitgliedstaaten in nationalen Gesetzen oder in Kollektivvereinbarungen „spezifische Vorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext (vorsehen dürfen), und zwar insbesondere Vorschriften über die Bedingungen, unter denen personenbezogene Daten im Beschäftigungskontext auf der Grundlage der Einwilligung des Beschäftigten verarbeitet werden dürfen, ...“.

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Nach § 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG hat die Einwilligung in Schriftform (gemeint hier im nationalen Regelungskontext: § 126 BGB) zu erfolgen; davon kann abgesehen werden, wenn wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Möglich ist nach § 26 Abs. 3 Satz 2 BDSG auch die Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten. Dann muss darauf vom Arbeitgeber ausdrücklich hingewiesen werden, und es muss sich die Einwilligung ausdrücklich auf diese Daten beziehen (siehe § 26 Rn. 88).

2. Einwilligung durch Kinder

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Vollkommen zu Recht betont ErwG 38, dass Kinder „bei ihren personenbezogenen Daten besonderen Schutz (verdienen), da Kinder sich der betreffenden Risiken, Folgen und Garantien und ihrer Rechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten möglicherweise weniger bewusst sind“. Insbesondere bei der Erstellung von Persönlichkeits- oder Nutzerprofilen und der Erhebung von personenbezogenen Daten von Kindern bei der Nutzung von Diensten, die Kindern direkt angeboten werden, ist nach ErwG 38 der besondere Schutz erforderlich, wobei Art. 8 DSGVO mit der Vollendung des 16. Lebensjahres eine feste Altersgrenze festlegt, ab der die Einsichtsfähigkeit zu unterstellen ist und nicht weiter geprüft werden darf. Ansonsten kann die Einwilligung durch Kinder selbst nur dann erteilt werden, wenn sie über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügen.145 Es muss also „die kognitive und voluntative Komponente der Einwilligung und die Fähigkeit, den eigenen Willen und die Fähigkeit, gemäß dieser Einsicht zu bestimmen und zu handeln, entwickelt sein“.146

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Besondere Bedingungen für die Einwilligung eines Kindes in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft enthält Art. 8 DSGVO. Außerhalb von dessen Anwendungsbereich enthält die DSGVO keine besonderen Regelungen zur Einwilligungs- und Einsichtsfähigkeit von Kindern. Die bisher nach der DSRl und dem BDSG a.F. geltende Rechtslage zur Einsichtsfähigkeit von Kindern wird demnach weiter Bestand haben.147 Danach gibt es keine feste Altersgrenze, zu der die Einsichtsfähigkeit pauschal angenommen werden kann. Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob die minderjährige Person über die für die Einwilligung erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt. Ist das nicht der Fall, ist die Zustimmung zur Datenverarbeitung der Daten eines Kindes bei dem gesetzlichen Vertreter einzuholen.148

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Es wird verbreitet angenommen, dass durchschnittlich entwickelte Minderjährige über die Einsichtsfähigkeit mit Vollendung des 14. Lebensjahres verfügen (siehe Art. 8 Rn. 3ff.).149 Nach dem bisherigen Verständnis kann die Einsichtsfähigkeit von Kindern unter 14 Jahren nicht vorausgesetzt werden, sodass nur die Träger der elterlichen Verantwortung die Einwilligung erteilen können. Eine Ausnahme soll gelten, wenn Präventions- und Beratungsdienste personenbezogene Daten von Kindern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erheben und verarbeiten (ErwG 38).

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Die Einwilligungsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen zur Einsicht in mögliche Folgen der Erhebung und Verwendung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten voraus.150 Soweit es sich um eine isolierte, einseitige und nicht um eine in einen Vertrag eingebundene Einwilligung handelt, bedarf es nicht zwingend der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden gem. §§ 104ff. BGB; die Einsichtsfähigkeit ist für die datenschutzrechtliche Einwilligung trotz ihres rechtsgeschäftlichen Charakters ausreichend.151 Eine feste Altersgrenze von 16 Jahren kennt nur Art. 8 DSGVO für Kinder, die ihnen direkt angebotene Dienste der Informationsgesellschaft in Anspruch nehmen (siehe Art. 8 Rn. 6). Es ist aber nicht sinnvoll, generell eine feste Altersgrenze festzusetzen, nach der für alle Sachverhalte mit ihren unterschiedlichen Risiken für die Gefährdung der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen die Einsichtsfähigkeit pauschal festgelegt wird; dazu sind die Erfahrungshorizonte Jugendlicher in Bezug auf verschiedene Gefährdungssituationen zu unterschiedlich.152

 

120

Mit dem OLG Hamm kann nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr grundsätzlich die nötige Reife haben, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.153 Zu beachten ist auch, dass etwa bei Online-Spielen der Teilnahmeanreiz so groß sein kann, dass Bedenken gegen die Datenübermittlung zurückgestellt und Einwilligungen darin zu unreflektiert erteilt werden.154