Die Sichtbarkeit der Übersetzung

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Z serii: TRANSFER #25
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2 Übersetzung im Zeichen des Cultural Turn

Kulturtheoretisch und -wissenschaftlich ausgerichtete Ansätze deuten die bei Übersetzungen zur Verhandlung stehende sprachliche Differenz bekanntlich metonymisch, nämlich als Evokation kultureller Alterität im Geflecht eines hierarchischen Verhältnisses zwischen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen (vgl. z.B. Bassnett/Trivedi 1999; Bachmann-Medick 2006; Bandia 2008). Übersetzungen, so Sandra Richter, bilden Knotenpunkte des „Literaturkontaktes“ (2017: 23) und des Kulturtransfers. Der Übersetzungsprozess stellt sich dementsprechend als interkultureller Akt der Kommunikation dar, der nach Formen der „thick translation“ (Appiah 1993), also kultur- und kontextsensitiven Deutungen verlangt. Dabei geht es um eine sprachlich vermittelte Annäherung an kulturelle Alterität, die – und das ist eine der Aporien der Übersetzung – erst in der Relation zu einer als eigen gesetzten Sprache und entsprechenden Wissensordnungen Kontur gewinnt (vgl. Neumann 2020). Kategorien wie kulturelle Differenz, Fremdheit und Eigenheit, Repräsentation und Transformation verdrängen oder überlagern damit das Interesse an sprachlicher Äquivalenz und sensibilisieren für die Machtrelationen, die Übersetzungen zugrunde liegen und denen sie umgekehrt zur Geltung verhelfen (vgl. Bachmann-Medick 2011: 449). Vittoria Borsò (2006: 9) etwa konstatiert: „Die Praktiken des Übersetzens sind seit der Moderne, besonders deutlich jedoch in der jetzigen Phase der Globalisierung, ein Laboratorium der Fragen, die das Verhältnis der Kulturen untereinander betreffen.“ Dies ist zweifelsohne richtig; gleichwohl wäre es gerade im Kontext der Übersetzung ästhetisch vieldeutiger Literatur verkürzt, eine glatte, funktionsorientierte Korrelation von Text und Kultur bzw. sprachlicher und kultureller Differenz vorzunehmen. Die Vorstellung, dass das sprachliche Zeichen als Träger fixierbarer kultureller Alterität fungiert, läuft Gefahr, ein Referentialitätsmodell zu perpetuieren, das die Instabilität und Mehrsinnigkeit von Sprache unterschätzt und essentialisierenden Zeichen- und Kulturkonzepten in die Hand spielt. Hinzu kommt, dass homologe Verbindungen zwischen Sprache und Kultur im Zeichen zunehmender Diversität innerhalb von Gesellschaften sowie entsprechender multi- und translingualer Konfigurationen, die Mehrfachzuordnungen, Zwischenräume und hybride Konstellationen implizieren, an Plausibilität verlieren (vgl. Ette 2006). Welche kulturelle Alterität etwa steht in der deutschen Übersetzung des Erfolgsromans Open City (2011) zur Disposition, verfasst von Teju Cole, einem Autor, der zugleich amerikanisch, nigerianisch, amerikanisch-nigerianisch und postnational ist und dessen Roman einen in New York lebendenden nigerianisch-deutschen Protagonisten ins Zentrum stellt? Eine Übersetzungskritik, die sprachliche, kulturtheoretische und ideologiekritische Aspekte zusammendenkt, sollte sprachliche Differenz auch als Moment einer ästhetisch ermöglichten Selbstreflexion und kommunikativen Friktion verstehen, das zwar kulturelle Wissensordnungen anklingen lässt, sich aber eindeutigen Funktionszuschreibungen widersetzt.

Die sozio-politische und ethische Bedeutung von Übersetzungen erwächst aus der ihnen eingelassenen Dynamik von Eigenem und Fremden, eine Dynamik, die, und das ist zentral, Übersetzungen einerseits implizieren und andererseits in ihrer Performativität mitgestalten. Übersetzung, so Anselm Haverkamp (1997: 7), „ist die Agentur der Differenz, welche die trügerische Identität von Kulturen sowohl schafft, als auch sie im Zwiespalt ihrer ursprünglichen Nicht-Identität erneuert und vertieft“. Übersetzungen können gleichermaßen identitätsstabilisierende wie -destabilisierende Effekte haben. Sie führen zum einen differentielle Kategorien und Irritationen in Sprache und Kultur ein und öffnen das Eigene für das Andere;1 zum anderen können sie den Monolingualismus insbesondere von hegemonialen Sprachgemeinschaften fördern und performativ durch die Markierung als ‚eigen‘ und ‚fremd‘ homogenisierende Vorstellungen von Sprache und Gemeinschaft festigen. Es sind diese letzteren, auf Identitätsstabilisierung angelegten Übersetzungen, die Venuti von der epistemischen ‚Gewalt der Übersetzung‘ sprechen lassen:

[T]he violence […] resides in the very purpose and activity of translation: the reconstitution of the foreign text in accordance with values, beliefs and representations that preexist it in the target language, always configured in hierarchies of dominance and marginality, always determining the production, circulation and reception of texts. […] Translation is the forcible replacement of the linguistic and cultural differences of the foreign text with a text that is intelligible to the translating-language reader. […] The aim of translation is to bring back a cultural other as the recognizable, the familiar, even the same; and this aim always risks a wholesale domestication of the foreign text (Venuti 2008: 14).

Man muss den übergeneralisierenden Charakter der Aussage nicht mittragen, aber auch die Geschichte der Übersetzung zeigt, dass Übersetzungen, die Alterität tilgen bzw. domestizieren und an die Ordnungen der ‚eigenen‘ Sprache anpassen, zumeist dann Konjunktur haben, wenn es darum geht, das Monopol einer Kultur zu stärken bzw. durchzusetzen. Domestizierende Übersetzungen, wie Venuti sie in Rückgriff auf die romantische Übersetzungstheorie von Friedrich Schleiermacher (1813) nennt, sind auf Glättung von Differenz im Dienste eines scheinbar reibungslosen Transfers von einer literarischen Kultur in eine andere und auf Bestätigung bestehender Ordnungen angelegt.2 Anstatt die Fremdheit des Textes zu kuratieren und für Momente ästhetischer und kultureller Brechung, Neuerung und Irritation produktiv zu machen, schmelzen domestizierende Übersetzungen Fremdes ein und setzen an dessen Stelle das Eigene. Ein Blick auf die Übersetzungsgeschichte zeigt aber auch, dass es oftmals domestizierende Übersetzungen sind, die neuen, scheinbar fremden Autor:innen zur Geltung verhelfen und die (wahrgenommene) historische und kulturelle Distanzen überbrücken. Dies zeigt die Geschichte der deutschen Shakespeare-Übersetzungen ebenso wie zahlreiche Übersetzungen von anglo-afrikanischen Literaturen. Anders gesagt: Domestizierende Übersetzungen können zumindest für eine größere Wahrnehmung, bisweilen sogar Akzeptanz von bislang unbekannten fremdsprachigen Autor:innen sorgen. Häufig sind es dann, wie etwa im Fall von Chinua Achebes Klassiker Things Fall Apart (1958), Neuübersetzungen, die verfremdende Strategien einführen und Leser:innen mit der Differenz anderer literarischer Gemeinschaften konfrontieren.

Gegen die Gefahr einer auf Tilgung von Differenz angelegten Übersetzungspraxis setzt Venuti – wie viele andere Übersetzungstheoretiker:innen – das widerständige ‚verfremdende‘ Übersetzen, das sich für sprachliche und kulturelle Andersheit öffnet.3 Verfremdendes Übersetzen ist für Venuti ‚sichtbares‘ Übersetzen, denn es bringt die Spuren anderer Sprachen zum Vorschein und widersetzt sich monologischen Strukturen und universalisierender Aneignung. Venutis Prämisse ist, dass sichtbares und verfremdendes Übersetzen die Grenzen eigener Sprach- und Wissensordnungen anzeigt und nicht-assimilierbare Partikularitäten gegen totalisierende Kulturansprüche stark macht. Verfremdende Übersetzungen, so Venuti in The Scandals of Translation: Towards an Ethics of Difference (1998), erkennen die Eigenwilligkeit des fremden Textes an: „This translation ethics does not so much prevent the assimilation of the foreign text as aim to signify the autonomous existence of that text behind (yet by means of) the assimilative process of the translation.“ (Venuti 1998: 11) Das ethisch relevante Spannungsverhältnis zwischen der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Übersetzung impliziert mithin auch „eine Spannung zwischen dargestellter Identität und Nicht-Identität der Kulturen“ (Sepp 2017: 60).

Natürlich – dies ist oben angedeutet und darauf haben Kritiker:innen verschiedentlich hingewiesen (vgl. Grutman 1998; Pym 1995) – ist Venutis Unterscheidung zwischen domestizierenden und verfremdenden Übersetzungen zu dichotom konzipiert. Zwischen domestizierenden und verfremdenden Übersetzungen liegen etliche Zwischenformen, die sich eindeutigen Zuordnungen entziehen. Anthony Pym (1995) zufolge blendet die Unterscheidung die vermittelnden, transitorischen Räume des Dazwischen aus, wobei es aber gerade diese sind, in denen sich ständig in Bewegung befindliche Übersetzer:innen befinden, die Verbindungen zwischen Sprachen, Texten und Gemeinschaften allererst ausloten und knüpfen. Auch Venutis Korrelation zwischen verfremdend, sichtbar und widerständig greift zu kurz, denn letztlich kann jedwede Übersetzung zum Instrument von ethnozentrischer Selbstbehauptung werden (vgl. Tymoczko 2000; Boyden 2006). Wie u.a. Pym (1995) in seiner Kritik an Schleiermacher und Venuti darlegt, zeigt nicht zuletzt die deutsche Geschichte, dass das verfremdende Übersetzen oftmals in den Dienst des Nationalen gestellt und für die Profilierung der Nationalsprache sowie des Nationalbewusstseins vereinnahmt wurde. Um zu einer differenzierten Einschätzung des Wirkungspotentials von domestizierenden und verfremdenden Übersetzungen zu gelangen, gilt es darüber hinaus auch, Hierarchien zwischen Sprachen zu berücksichtigen. Wie übersetzungssoziologische Ansätze zeigen (vgl. Sapiro 2015; Casanova 2015), werden etwa Texte, die in einer auf dem internationalen Buchmarkt als prestigeträchtig angesehenen Sprache verfasst sind, häufiger verfremdend übersetzt als Texte aus weniger prestigeträchtigen Sprachen. Anders gewendet: Hegemoniale Alterität, allen voran diejenige von englischsprachigen Texten, wird seltener getilgt als die von minoritären oder peripheren Sprachen, wobei es aber gerade letztere sind, die, wie Gayatri Spivak betont, besonderen Schutzes bedürfen (vgl. Spivak 1993). Venutis Korrelation greift aber auch angesichts historisch und kulturell variabler Literaturverständnisse und Translationspraktiken (vgl. Coldiron 2012), verschiedener Rezeptionsweisen und Veränderungen des internationalen Buchmarktes zu kurz. Der gegenwärtige Buchmarkt beispielsweise setzt im Lichte einer regelrechten „alterity industry“ (Huggan 2001: x) verstärkt auf die Vermarktung von ‚Identität‘ und ‚Differenz‘. Gerade in rezenten Übersetzungen von postkolonialen Literaturen ist (selektive) Sichtbarkeit, etwa in Form der Integration fremdsprachlicher Begriffe, zu einer erwartbaren Strategie geworden: Sie dürfte sich im Lektüreprozess problemlos als Chiffre für eine nicht näher zu bestimmende, allenfalls noch exotisierend wirkende Fremdheit naturalisieren lassen (dies gilt umso mehr, wenn entsprechende Begriffe, wie häufig üblich, kursiviert sind); verdichtet sich aber wohl kaum zu einer Ethik der Differenz.

 

Kreative und eigenwillige Übersetzungen, Übersetzungen, die die Spuren anderer Sprachen, eingeschlossen ihrer semantischen Kategorisierungen, Formgebungen und konkreten Materialitäten, sichtbar und auch hörbar werden lassen, die der Versuchung entgehen, bestehende und eingeschliffene Sprachmuster im Sinne der Transparenz und Leserfreundlichkeit zu reproduzieren, sind nicht an und für sich ethisch. Sie bieten aber eine Möglichkeit, identitätsstabilisierende Homogenitätsfantasien zu unterlaufen und festgezurrte sprachliche Kategorien an ihre Grenzen stoßen zu lassen (vgl. Gerling/Santana López 2018). Sie schreiben der Zielsprache die Eigenwilligkeiten anderer Sprachen, Denkordnungen und Kulturen ein; sie versehen das scheinbar allzu Vertraute mit dem ‚Stachel der Fremdheit‘ (vgl. Waldenfels 1990) und sorgen damit zugleich für eine ständige Fortschreibung und unvorhersehbare Erweiterung der Zielsprache. Dabei sind sie zugleich eine Chance, die Besonderheiten einzelner Sprachen und die durch sie ermöglichten epistemischen und affektiven Welterfahrungen zum Vorschein zu bringen. ‚Sichtbare‘ Übersetzungen schaffen einen Raum, um Neukonfigurationen von Sprache jenseits einer unterstellten Universalität zu erproben und sprachliche Entscheidungen reflexiv werden zu lassen.4

3 Übersetzung zwischen Sprachen, Übersetztheit der Sprache

Anders als von Venuti impliziert, geht es bei solchen verfremdenden, die andere Sprache sichtbar machenden Übersetzungen aber nicht nur um die Anerkennung der Differenz einer anderen Sprache und die vollständige ‚Autonomie‘ des Fremden. Vielmehr geht es auch darum, Differenz und Fremdheit innerhalb der eigenen Sprache sichtbar zu machen und allzu statische Unterscheidungen zwischen der eigenen und der fremden Sprache, wie sie Roman Jakobsons Konzept der interlingualen Übersetzung (1959) unterstellt, durch Hybridisierung und Verflechtung zu verflüssigen (vgl. Berman 1984; Bandia 2008; Young 2016; Neumann 2020). Historisch konkret macht der Komparatist und Historiker Naoki Sakai (1997, 2009) diesen Sachverhalt. Er argumentiert, dass die Einheit und Zählbarkeit von sogenannten ‚Sprachen‘ Übersetzungen keineswegs vorgängig seien; vielmehr wurden entsprechende Vorstellungen auch durch ein bestimmtes ‚Regime der Übersetzung‘ geschaffen, das eng an den sich im 18. Jahrhundert herausbildenden Nationalstaat und das damit verbundene monolinguale Paradigma geknüpft ist: „[T]ranslation is anterior to the unity of language and […] this unity is posited through the specific representation of translation.“ (2009: 71) In anderen Worten: Das dominante Regime der Übersetzung, das Sprache als Nationalsprache konfiguriert und mit einem Territorium und ‚Volkscharakter‘ assoziiert, ist zugleich ein Akt der Grenzziehung, der Differenzen zwischen Sprachen (nicht zuletzt auch in Abgrenzung von sogenannten Dialekten) hypostasiert und damit Relationen zwischen nunmehr als Nationen vorstellbaren Gemeinschaften entscheidend prägt.1 Der interlingualen Übersetzung ist vor diesem Hintergrund eine Ambivalenz zu eigen, denn sie überbrückt nicht nur Grenzen zwischen Sprachen; vielmehr setzt sie diese Grenzen auch in Szene und konstituiert Sprache damit als eine mehr oder weniger in sich geschlossene Entität.

Jacques Derrida greift die Vorstellung der Fremdheit innerhalb der eigenen Sprache in seiner Schrift Le monolinguisme de l’autre (1996) aus philosophischer Perspektive auf. In dieser stark autobiographisch geprägten Schrift reflektiert er seine Erfahrung als Jude in der französischen Kolonie Algerien und später in Frankreich vor dem Hintergrund hegemonialer Sprachpolitiken. Der Herderschen Vorstellung von einer Muttersprache und einem entsprechend genealogisch begründeten Sprachbesitz stellt er die Erfahrung sprachlicher Enteignung entgegen und leitet hieraus die These ab, dass Sprache immer nur angeeignet ist. Sprache, so sein wesentliches Argument, ist niemals Eigentum, weil ein natürlicher Zusammenhang zwischen Sprachen, Identitäten, Territorien und Subjekten nicht besteht. Sie hat immer kulturell multiple bzw. heteronome Herkünfte und ist überdies von anderen Sprachen und ihren Geschichten überlagert. Die scheinbar eigene Sprache ist daher immer auch eine Fremdsprache, die Sprache des Anderen, die, nicht zuletzt aufgrund einer ihr eingelassenen différance, nie mit sich identisch ist: „Ma langue, la seule que je m’entende parler et m’entende à parler, c’est la langue de l’autre.“ (Derrida 1996: 47)2 Gegen die vor allem im Kolonialismus vorherrschende Gewalt kultureller und sprachlicher Usurpation und gegen die Gefahr einer ‚Herrensprache‘ (vgl. 44), die auf monokulturelle Hegemonie und Unterdrückung von Differenz angelegt ist, setzt Derrida das transformative Potential der ‚gastfreundlichen‘ Sprache (vgl. 119) – einer Gastfreundschaft vor jeder Einladung. Diese Sprache bleibt für das Andere und den Anderen und somit auch für ihr eigenes Werden offen: „la langue est à l’autre, venue de l’autre, la venue de l’autre.“ (127) Angesichts dieser Verflechtungen findet Übersetzung, so Derrida, eben nicht nur zwischen Sprachen, sondern vielmehr innerhalb jeder einzelnen Sprache statt. Anders gewendet: Jede Sprache ist bereits eine übersetzte, also eine von kultureller und historischer Übersetzung geprägte Sprache. Anselm Haverkamp fasst diese Erkenntnis zusammen: „Jede der Sprachen, zwischen denen übersetzt, über-gesetzt werden soll, ist bereits eine von Übersetzung tief gezeichnete Sprache: keine ursprünglich natürliche, sondern eine ursprünglich kultivierte, überbaute Sprache.“ (Haverkamp 1997: 9)

Vor dem Hintergrund Derridas philosophischer Reflexion des Monolingualismus lässt sich eine ganze Reihe jüngerer literarischer Texte lesen, die Verflechtungen zwischen scheinbar getrennten Sprachen erproben und in diesem Prozess die Übersetztheit jeder einzelnen sichtbar machen. Oftmals verfasst von Autor:innen, die mehreren Kulturen angehören, die zwischen Welten leben und verschiedene Sprachen sprechen – Feridun Zaimoğlu, Yoko Tawada, Emine Sevgi Özdamar und Philipp Khabo Köpsell stehen dafür ein –, verlagern sie den Akzent auf die Übersetzung innerhalb jeder einzelnen Sprache und machen Übersetzungsprozesse selbst zum zentralen Prinzip poetologischer Kreativität. Die Literaturwissenschaftlerin Rebecca Walkowitz (2015) bezeichnet solche Literaturen treffend als born translated, also als Texte, die in der Übersetzung entstehen und deren Poetik durch sprachliche und kulturelle Übersetztheit geprägt ist. Born translated-Texte unterlaufen die Dichotomie zwischen der vorgängigen Kreativität des Originals und der scheinbar bloß imitierenden Nachträglichkeit der Übersetzung und lassen stattdessen die übersetzerische Dimension der Poiesis zum Vorschein treten. Indem sie unterschiedliche Sprachen miteinander in einen Dialog bringen und in diesem Prozess die Grenzen zwischen Sprachen dynamisieren, unterminieren sie eindeutige und eindimensionale Relationen zwischen Sprache, Kultur, Raum und Identität und machen das monolinguale Paradigma als Grundlage nationaler Gemeinschaft hinterfragbar (vgl. Yildiz 2012). Verfasst in verschiedenen Sprachen, einer „plurality without a number“, wie Helgesson und Kullberg (2018: 137) zurecht betonen, bedeuten sie einen Affront für native readers, die meinen, privilegierten Zugang zum Text zu haben, weil dieser in ‚ihrer‘ Sprache verfasst wurde. Es sind Texte, die die transkulturelle Dimension von Sprache jenseits von Binäroppositionen offenlegen und die gegen die ‚Wut der Aneignung‘ (vgl. Derrida 1996: 46) Mehrfachzugehörigkeit, Austausch und Translingualität stark machen. Der Reiz einer solchen ungezähmten Translingualität liegt darin, dass sie sich eben nicht länger auf eine „pluralisierte Einsprachigkeit“ (Stockhammer 2017: 20) zurückführen lässt: Die aufgerufenen Sprachen werden hier ‚fremdgeschrieben‘ (vgl. Ette 2007: 173) und entgrenzt, dabei aber zugleich in eine neue, dritte Sprache übersetzt, die lokal und translokal zugleich ist und die polyzentrische Formen der Gemeinschaftsbildung konkret werden lässt: „Translinguale Übersetzungsprozesse“, schreibt Ottmar Ette (174), „charakterisieren sich dabei durch ihre spezifische Unabschließbarkeit. Das ihnen Eigene ist die an keinen Fixpunkt gelangende Bewegung.“

4 Sichtbarkeit im Spannungsfeld von Text und literarischem Feld

Die Praktiken des Übersetzens bieten ein Laboratorium für den Umgang mit sprachlicher Differenz. Dieses Laboratorium wird von verschiedenen, nicht immer gleichberechtigten Akteur:innen bespielt, nämlich von Übersetzer:innen, Lektor:innen, Verlagen, Rezensent:innen, etc. Dies bedeutet auch, dass Sichtbarkeit nicht nur ein textuelles Phänomen ist, sondern auch ein institutionelles und institutionell generiertes, das aufs Engste mit dem literarischen Feld verbunden ist. Das literarische Feld ist, wie u.a. Pierre Bourdieu und Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der Übersetzungssoziologie zeigen (vgl. Sapiro 2015; Neumann/Stedman 2020), von nationalen Besonderheiten geprägt; es ist aber auch zunehmend eingebunden in einen transnational operierenden Buchmarkt, der auf globale Distribution bei gleichzeitiger Berücksichtigung lokal disparater Leserschaften ausgerichtet ist. Die Sichtbarkeit der Übersetzung, so eine zentrale Prämisse des Bandes, entsteht im Spannungsfeld zwischen Text und den literaturrelevanten Institutionen bzw. Agent:innen, also Verlagen, Lektor:innen, Kritiker:innen, Rezensionsorganen, Literaturpreisen, Kanonisierungsprozessen etc. Wie sichtbar Übersetzungen sein können und sein dürfen, hängt etwa maßgeblich von verlagspolitischen Entscheidungen und (tatsächlichen oder unterstellten) Rezeptionserwartungen ab. Die Übersetzungssoziologin Gisèle Sapiro (2015, 2016) hat gezeigt, dass gerade große, vornehmlich nach marktökonomischen Prinzipien operierende Verlage bzw. Verlagskonglomerate glättende Übersetzungen prämieren und dazu tendieren, Übersetzer:innen – z.B. auf Buchcovern oder Verlagsseiten – unsichtbar zu machen. Ihr Name wird zumeist nur auf dem Innenumschlag genannt. Dies gilt verstärkt im Fall der Übersetzung von sogenannter Mainstream-Literatur bzw. ‚airport fiction‘, die oftmals auf alt bewährte Plotmuster, Topoi und Erzählverfahren setzt. Der Akt der Übersetzung wird hier kaum als eigene, kreative Leistung anerkannt, sondern zu einem Instrument der Maximierung von Zirkulation herabgesetzt. Institutionell produzierte Unsichtbarkeit wird von dem Übersetzer, Literaturkritiker und Schriftsteller Jan Wilm in diesem Band auch auf kapitalistische Gewinnsteigerung zurückgeführt: „Durchs Unsichtbarmachen der Übersetzer*innen ergeben sich für Verlage tatsächlich kapitalistische Vorteile, da die Werbekampagne ausschließlich auf die schreibende Person konzentriert werden kann. Es ist in vielen Fällen gar nicht gewünscht, dass man als Übersetzer*in selbst als Fürsprecher*in eines übersetzten Werkes auftritt.“ Hingegen ist bei kleineren, unabhängigen Verlagen oder aber auch im Falle der Übersetzung von klassischer, kanonischer oder international bereits konsekrierter Literatur zumindest eine Tendenz zu erkennen, die kreativen Eigenleistungen von Übersetzungen zu würdigen und Übersetzer:innen in ihrer transformativen Agentialität ins Rampenlicht zu rücken. Bei groß angelegten Übersetzungsprojekten finden sich oftmals Porträts der Übersetzer:innen oder Erläuterungen zum Übersetzungsprozess auf den Verlagsseiten, so etwa bei der Übersetzung von Olga Tokarczuks Księgi Jakubowe (2014) / Die Jakobsbücher (2019; Kampa Verlag) durch Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein oder im Falle von Sam Selvons Klassiker The Lonely Londoners (1956) / Die Taugenichtse (2017; dtv), übersetzt von Miriam Mandelkow. Die Übersetztheit wird hier als eigener, symbolischer Wert anerkannt, der der Originalität keinen Abbruch tut, sondern sie im Gegenteil steigert. Mit dieser Anerkennung einher geht ein verändertes Verständnis von übersetzter Literatur, die nunmehr als kollaboratives Projekt erscheint und ohnehin überkommene Vorstellungen vom geschlossenen Werk und der Autonomie von Autor:innen unterläuft.

 

Auch auf anderen Ebenen sind kleinere Veränderungen zu erkennen, die von einem gesteigerten Bewusstsein für den Wert der Übersetzung zeugen. Insbesondere wurden mehr Übersetzer:innenpreise und -stipendien eingerichtet, so etwa die Radial-Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, der Deutsch-Hebräische Übersetzerpreis oder der Nerval-Goethe-Preis. Und natürlich: Auch die Forschung wendet sich verstärkt der Rolle von Übersetzungen zu, holt diese aus ihrem vermeintlichen Schattendasein heraus und leistet damit einen kleinen Beitrag, die Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen von Literaturkontakten zu reflektieren.1 Diesem Ziel ist auch der vorliegende Band verpflichtet, der die Sichtbarkeit der Übersetzung aus dem Spannungsfeld zwischen Text und literarischem Feld heraus begreift und exemplarisch konkretisiert. Um dies zu leisten, werden in dem Teil I „Theorien der Übersetzung“ Formen und Strategien der Un/Sichtbarkeit von Übersetzungen thematisiert und kritisch kommentiert. Klaus Kaindl problematisiert in seinem Beitrag auch unter Rückgriff auf Ralph Ellisons Roman Invisible Man (1952) und dessen (Neu-)Übersetzung allzu eindimensionale Konzepte von Sichtbarkeit. In seiner theoretischen Fundierung zeigt er in kritischer Auseinandersetzung mit Venutis Thesen, dass flüssige Übersetzungen keineswegs gleichzusetzen sind mit der Unsichtbarkeit von Übersetzer:innen. Sichtbarkeit, so eines seiner zentralen Argumente, ist keine textuell gegebene Kategorie, sondern wird durch verschiedene Akteur:innen generiert und ist damit als ‚multifaktoriell‘ zu konzipieren. In seinem Beitrag über „Dienstboten, Kuppler, Verräter“ setzt sich Albrecht Buschmann aus begriffsgeschichtlicher und kulturtheoretischer Perspektive mit dem Phänomen der Sichtbarkeit auseinander und gelangt dabei zu einer Unterscheidung zwischen einer philologisch objektivierbaren Sichtbarkeit und der kulturellen Wahrnehmung derselben. Um dieser Wahrnehmbarkeit auf die Spur zu kommen, stellt er zwei bislang wenig beachtete Bereiche ins Zentrum, nämlich zum einen die Thematisierung des Übersetzens in Sprichworten und Redensarten, zum anderen die Sichtbarkeit von Übersetzungen in Bibliotheken bzw. Bibliothekskatalogen.

Teil II des Bandes „Praktiken der Übersetzung – Zielsprache Deutsch“ setzt sich zum Ziel, interlinguale Übersetzungen ins Deutsche zu analysieren und einige der Voraussetzungen und Effekte translatorischer Entscheidungen zu reflektieren. Berücksichtigt werden nicht nur die Rolle von Übersetzer:innen, sondern auch die Anforderungen des Buchmarktes. Die Analyse sprachlicher Spezifika wird hier ergänzt durch soziologisch orientierte Ansätze zum literarischen Feld, auch in der Absicht, starre Grenzen zwischen dem sogenannten Innen und Außen des Textes zu dynamisieren. Der Beitrag von Ursula Reutner und Philipp Heidepeter untersucht translatorische Sichtbarkeit aus vergleichender Perspektive: Es geht um die Übersetzung sowie Neuübersetzung von Raymond Queneaus Klassiker Zazie dans le métro (1959), vorgelegt von Eugen Helmlé (1960) bzw. Frank Heibert (2019). Dabei steht der unterschiedliche Umgang mit Namen und Kulturspezifika, die als Kristallisationspunkte für die Vermittlung sprachlicher und kultureller Alterität verstanden werden, im Vordergrund. Um Fragen nach translatorischer Sichtbarkeit zu beantworten, entwickelt der Beitrag aus sprachwissenschaftlicher Perspektive Kategorien, die das Maß der sprachlichen Akzentuierung von französischen Partikularitäten im Zieltext beschreibbar machen. Es geht weiter mit einem Beitrag von Helena Küster zur „Allgegenwart und Unsichtbarkeit des Englischen in der Zielsprache Deutsch“, der sich wiederum auf grundlegendere Weise mit Venutis Unterscheidung zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit befasst und zugleich die Rolle von Anglizismen in deutschsprachigen Übersetzungen beleuchtet. Der Beitrag problematisiert die kulturspezifische Prägung von Venutis Thesen, die sich, so die grundlegende Einsicht, gerade auch aufgrund symbolischer Hierarchien zwischen Sprachen kaum auf andere Kontexte übertragen lassen. Die Integration von Anglizismen in deutschsprachigen Übersetzungen ist eben nicht primär als Strategie der Verfremdung zu verstehen, die auf Akzentuierung von sprachlicher und kultureller Differenz ausgerichtet ist. Vielmehr unterstellt sie eine oftmals trügerische Nähe und Verstehbarkeit anglo-amerikanischer Kulturen. Der Beitrag von Eva Ulrike Pirker nimmt sich den übersetzerischen Herausforderungen an, die „Figur(ation)en des Übersetzens“ in literarischen Texten mit sich bringen. Konkret geht es um die deutsche Übersetzung von Petina Gappahs Roman Out of Darkness, Shining Light (2019), die von Anette Grube (2018) angefertigt wurde. Übersetzungsfigurationen in der Literatur machen häufig gerade auf die Unübersetzbarkeit – von Wertvorstellungen und Weltzugängen in unterschiedliche Kontexte, Medien und Sprachen – aufmerksam. Sie erfordern daher ein besonderes Maß von Reflexion über die in der Übersetzung getroffenen Setzungen. Der Artikel zeigt in einer kontextsensiblen und rezeptionsorientierten Analyse von Grubes Übersetzung Gewinne und Verluste entsprechender Setzungen. Der darauffolgende Artikel von Rike Bolte beleuchtet die Herausforderungen von Übersetzungen aus indigenen Sprachen in hegemoniale Literatursprachen – ein Thema, das trotz seiner Brisanz bislang kaum Beachtung gefunden hat. Ihr geht es vor allem um ethische Fragen, die die Übersetzung von in Wayuunaiki verfasster Literatur – konkret die Dichtung von Vito Apüshana – aufwirft. Wie lassen sich, so fragt die Wissenschaftlerin und Übersetzerin, die sozialen, politischen, kulturellen und kosmologischen Besonderheiten der südamerikanischen Wayuu-Kultur – und ihrer Sprache, Wayuunaiki –, überhaupt angemessen ins Deutsche übersetzen? Die Herausforderung, die entsprechende Übersetzungen ins Deutsche bedeuten, gründet nicht zuletzt in dem Umstand, dass diese immer medialisiert sind, also von einer bereits vorliegenden spanischen Übersetzung ausgehen. Christine Ivanovics Beitrag „Die radikale Übersetzung“ bildet schließlich den Abschluss von Teil II und schlägt bereits einen Bogen zu Teil III. Ivanovic fragt nach dem Stellenwert von sichtbaren und verfremdenden Übersetzungen, die trotz aller übersetzungstheoretischer Argumente bis heute eine untergeordnete Rolle auf dem Buchmarkt spielen. Sind radikalere Formen des Übersetzens, die Mehrdeutigkeiten und Leerstellen generieren, allein die Domäne einer übersetzerischen Avantgarde? Vor diesem Hintergrund lenkt Ivanovic den Blick auf das mehrsprachige und vielschichtige Werk von Yoko Tawada. Tawada ist eine der – im deutschsprachigen Raum stark wahrgenommenen – transkulturellen Autor:innen, die übersetzen und schreiben und das historisch belastete Verhältnis von Original und Übersetzung neu definieren.

Teil III „Poetologien der Übersetzung – Übersetzung und Multilingualität innerhalb deutschsprachiger Literaturen“ verlagert den Akzent von der Übersetzung zwischen den Sprachen auf die Übersetztheit innerhalb der Sprache. Er verfolgt das Ziel, jene literarischen Texte, zumeist Beispiele der transkulturellen und exophonen Literatur, zu analysieren, die auf inszenierte Mehr- und Zwischensprachigkeit setzen, um die inhärente Übersetztheit der deutschsprachigen Literatur und Sprache zum Vorschein zu bringen. Vorstellungen von Sprachen als geschlossenen Gebilden werden hier ebenso in Frage gestellt wie die Herdersche Korrelierung von Territorium, Sprache und Gemeinschaft. Mit diesen zwischensprachlichen Konstellationen und translatorischen Poetiken verbinden sich weiterreichende sozio-politische Fragestellungen nach Formen der Sozialität jenseits von identitären Homogenitätskonstruktionen, wie sie etwa durch ‚Nationalsprache‘, aber auch ‚Nationalliteratur‘ perpetuiert werden. Arvi Sepp untersucht in seinem Beitrag Übersetzung als hermeneutische Denkfigur in der Prosa von Yoko Tawada und Emine Sevgi Özdamar und zeigt den engen Zusammenhang zwischen Sprachreflexivität und einer Ethik des Kulturtransfers auf. Er analysiert die Texte der transkulturellen Autorinnen hinsichtlich der metaphorischen Ausgestaltung sprachlicher und kultureller Dislokation und illustriert, wie der Topos der ‚Zunge‘ zum Ausgangspunkt wird, um eine radikale multikulturelle Erfahrung von Körperlichkeit zwischen Sprachen und Kulturen zu modellieren. Gerade die Sichtbarkeit der Materialität von Sprache und Text dient hier der Profilierung einer transkulturellen Poetik, die sich aus grenzüberschreitenden Literatur- und Kulturpraktiken speist. Der Beitrag von Volker Dörr nähert sich den Erzähltexten von Emine Sevgi Özdamar aus anderer Perspektive, einer Perspektive, die Interferenzen zwischen den beteiligten Sprachen Türkisch, der ‚Muttersprache‘ der Autorin, Arabisch, der Sprache u.a. des Islam, und Deutsch, der vorherrschenden Sprache der Texte, in den Vordergrund rückt. Die translatorische bzw. transkulturelle Poetik Özdamars integriert unübersetzte Wörter, markierte Übersetzungen und unmarkierte wörtliche Übersetzungen, um das Verhältnis zwischen Sprachen auszuloten. Deutlich wird dabei, dass solche translatorischen Poetiken eben nicht nur grenzüberschreitende und subversive Akte sind; vielmehr implizieren sie auch performative Sprechakte, die Differenzen zwischen Sprachen allererst herstellen. Vor dem Hintergrund einer solchen Dynamik von Konstruktion und anschließender Dekonstruktion stellt sich die Frage nach dem politischen Potential sprachlicher Hybridität in der Tat neu. Es folgt ein Beitrag von Vera Elisabeth Gerling, der den Blick auf María Cecilia Barbettas Roman Nachtleuchten (2018) lenkt und damit einen Roman erforscht, der sprachliche Vernetzungen zum Ausgangspunkt transkultureller Formen der Erinnerung nimmt. Die in Argentinien geborene, in Berlin lebende Autorin erinnert in ihrer Zweitsprache Deutsch an die Geschichte der argentinischen Militärdiktatur. Übersetzerische Verfahren, so zeigt Gerling, werden in diesem exophonen Werk vor allem genutzt, um kulturelle, nationale und territoriale Grenzen zu überschreiten und einen hybriden Raum des Erinnerns zu schaffen, der sich nationalkultureller Vereinnahmung widersetzt. Teil III schließt mit einem Beitrag von Monika Schmitz-Emans, der literarisch-graphische Inszenierungen sprachlicher Übergänge und Zwischenräume in ausgewählten Texten von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Yoko Tawada, Ann Cotten, Theresa Hak Kyung Cha und Uljana Wolf untersucht. Akte der Übersetzung zwischen und innerhalb von Sprachen werden in diesen Texten nicht nur durch vielschichtige multilinguale und zwischensprachliche Poetiken sichtbar; vielmehr werden sie auch durch Brüche mit orthographischen Konventionen sowie die Mischung von Schriftsystemen sinnfällig gemacht. Sogenannte fremdschriftliche Texte, dies zeigt der Beitrag eingängig, weisen Leser:innen zumeist beharrlicher ab als fremdsprachliche Texte, denn sie entziehen sich selbst einer Oberflächenlektüre. Zugleich haben fremdschriftliche Zeichen, Zeichenketten und Arrangements eine starke ‚Fremdheitsanmutung‘, die zu leserseitigen Auseinandersetzungen mit Fremdheit einlädt, die sie aber auch zu Impulsgebern innovativer Schreibverfahren macht. Der Aufsatz illustriert deutlich, welch vielschichtige Formen die Auseinandersetzung mit Übersetzung in der Literatur annehmen kann und welch unterschiedliche Effekte diese translatorischen Poetiken auszulösen vermögen.