Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage

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Der Weg Christi, den das Credo beschreibt, führt schließlich zur sessio ad dexteram »des allmächtigen Vaters«. Diesem Topos widmet sich zunächst Reinhard Feldmeier unter der besonderen Fragestellung |13|nach dem Verhältnis zwischen göttlicher Allmacht und menschlicher Freiheit. Ausgehend von der Vorstellung der »Selbstbegrenzung Gottes« im Hinblick auf die Ausübung seiner Macht wird auch das von Jesus Christus ausgesagte »Sitzen zur Rechten Gottes« konsequent als Heilsgeschehen interpretiert. Der Allmächtige teilt gleichsam seine Herrschaft. In der »Beteiligung« Christi an Gottes Herrschaft erweise sich dessen »Allmacht« als »Rettermacht« und ist »als solche Bedingung der Möglichkeit von Erlösung qua Neuschöpfung« (394). Gespiegelt werde diese Grundstruktur der Macht in der Ermächtigung derer, die von ihr verkündigen, wie anhand des Beispiels des Paulus und seinem »Ruhm der Schwachheit« ausgeführt wird. In dieser Art der Teilhabe an Gottes schöpferischer und die Welt (er-)haltender Macht gründe letztlich auch die Freiheit derer, die »Gottes Kinder« genannt werden. Martin Wendte stellt sich dieser bereits erkennbar systematisch ausgerichteten Vorgabe Feldmeiers, indem er ebenfalls Gottes »allmächtige Herrschaft und die Freiheit der Christgläubigen« (403) miteinander in Beziehung setzt. Wendte wählt dazu die Form der These und fordert damit umso mehr zur Auseinandersetzung heraus. Seine Überlegungen sind trinitarisch orientiert unter der Fragestellung, was sich hinsichtlich des Gottesbildes eigentlich verändere, wenn man es konsequent trinitarisch denkt. Im Zentrum steht dabei die Interpretation des Topos von der Allmacht Gottes als Allmacht der Liebe, in der sich Gottes kommunikatives Wesen entfalte. Damit gewinnt die Vorstellung einer innertrinitarischen Perichorese neues Gewicht in der Diskussion um die Eigenschaften und das Wesen Gottes. Im Hinblick auf die Freiheit des Menschen ist nach Wendte die Ermächtigung »zu freiem Sein und Tun« (408) durch Gott entscheidend, der darin den Menschen an seiner eigenen, durch die Allmacht der Liebe begründeten Freiheit partizipieren lasse, die sich konkret als Handlungsfreiheit (im Unterschied zu bloßer Wahlfreiheit) erweise. Ontologisch begründet wird dies durch Reflexionen über den Zusammenhang von Gott (als dem Ursprung der Wirklichkeit des Kosmos) und der Gegenständlichkeit des Geschaffenen. Der Regelhaftigkeit, die der Wirklichkeit zugrunde liegt, ließen sich nicht nur die drei Personen der Trinität zuordnen, sondern sie bestimme auch maßgeblich die Anthropologie und letztlich das Wesen von Wahrheit. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist Wendtes Interpretation des sessio-Motivs, die der exegetischen Deutung Feldmeiers nahekommt: Die »Rechte Gottes« sei kein Ort, sondern »vielmehr […] an allen Orten zu finden – sie ist allgegenwärtig –, da ohne sie die |14|Schöpfung nicht erhalten wird« (427). Dem Gottesdienst und speziell den Sakramenten komme dabei eine zentrale Funktion zu – Aspekte, die auch Anne Käfer hervorgehoben hat. Dass und inwiefern bei der Gestaltung der durch Gottes kommunikatives Wesen eröffneten »Möglichkeitsräume« menschlicher Freiheit auch die Dimension des deus absconditus nicht unreflektiert bleiben darf, schärft Wendte zum Schluss nachdrücklich ein.

Die letzte Zeile des christologischen Artikels thematisiert die Erwartung der Wiederkunft Christi zum Gericht, zweifellos eine der schwierigsten Vorstellungen innerhalb des Credos. Hermut Löhr und Markus Mühling gehen es mutig an. Aus neutestamentlicher Sicht und mit einem intensiven Blick auf die frühe patristische Zeit zeichnet Löhr zunächst die Entstehung dieser Vorstellung in der frühchristlichen Bekenntnisgeschichte nach. Apg 10 komme dabei eine Schlüsselfunktion zu, insofern der Topos von Christus als Richter in 10,42 neben anderen Aspekten des Credos im Kontext einer Rede des Petrus zur Taufe des Kornelius aufgenommen ist. Der Text lege nahe, dass die Ursprünge des Credo sehr wahrscheinlich mit der Taufunterweisung zusammenhängen. Die Vorstellung vom wiederkommenden Christus als Richter gehe in der Sache zurück auf die Vorstellung vom endzeitlichen Kommen des Menschensohns, eine Tradition, die vom Danielbuch über die frühjüdische Überlieferung Eingang in die neutestamentliche Literatur gefunden hat. Dabei zeige sich, dass der konkrete Bedeutungsgehalt der einzelnen Aussageelemente keineswegs eindeutig ist und nicht zuletzt auch im Kontext des Credos bestimmt werden muss; im Falle der Gerichtsankündigung etwa mit dem Topos der Sündenvergebung im dritten Artikel des Bekenntnisses. Hinzuzufügen wäre, dass natürlich auch die Interpretation der Allmacht Gottes unter der Maßgabe der Liebe hier systematisch-theologisch eine Rolle spielt. Vor dem Hintergrund der Traditionsgeschichte des Topos werde nicht zuletzt die Unschärfe der Aussagen vom »Richten der Lebenden und Toten« deutlich, da in der Tradition nicht nur von einem universalen Gericht über alle Menschen, sondern gelegentlich auch von einem Gericht allein über die Sünder die Rede sei. Dies gelte es ebenfalls im Kontext der Credoaussagen hermeneutisch einzuholen. Mühling versucht dies anhand von Thesen, in denen er den Topos des endzeitlichen Gerichtes konsequent auf der Grundlage einer »relational-narrativen Ontologie« (480) entfaltet. Die Vorstellung vom endzeitlich als Richter kommenden Christus ist darin Teil einer vielschichtigen Verschränkung ganz verschiedener Narrative, wobei |15|Kreuz und Auferstehung als christologischem Narrativ konstitutive Bedeutung zukomme. Insbesondere mit Strafen bzw. einer »Bewertung des Vergangenen« verbundene Gerichtsvorstellungen erwiesen sich dabei als Problem, »weil sie die intern-relationierte Verfassung des Personseins verkennen« (482). Das Gericht sei daher als »Prozess der Konstitution menschlicher Personalität zu verstehen« und setze einen »Transformationsprozess von der Narration im Hier und Jetzt in die Narration der eschatischen Realität« voraus (484). Als Exeget wird man sich fragen, inwieweit eine solche eschatologische Theorie mit Schrift und Tradition korreliert und insofern tatsächlich hermeneutische Plausibilität beansprucht. Mühlings Unterscheidung von Person und Tat, die auch biblisch-theologisch gut begründet ist (vgl. 1 Kor 3,11–15), deutet diese Korrelation an.

Das grundsätzliche Problem liegt freilich im Gegenstand der letzten Zeile des zweiten Bekenntnisartikels: Während alle anderen Aussagen sich auf vergangene Ereignisse der Christusgeschichte und deren Interpretation (bzw. die Interpretation ihrer Erzählung und der daraus bereits generierten Deutungen) beziehen, handelt die Aussage vom wiederkommenden Richter von der Zukunft. Über diese lässt sich letztlich nur im Modus der Metapher als Veranschaulichung von persönlicher Hoffnung bzw. Glaubensüberzeugung oder aber in Gestalt einer im positiven Sinne spekulativen Theologie reden, in der versucht wird, das interpretatorische Potenzial der Christusgeschichte konsequent auf die Zukunft derer zu beziehen, die in Bezug auf ihre eigene Geschichte entweder »an Christus glauben«, sich zu dieser Glaubensherausforderung ablehnend oder auch indifferent verhalten. Dass es hierbei Leerstellen geben muss, liegt in der Natur der Sache; dass auch in Bezug auf das Gericht als Urteil über das, was vom Leben bleibt, die Liebe Gottes der Maßstab des Urteils sein wird, in der Konsequenz der Christusgeschichte.

Im Hinblick auf den Ertrag der Tagung hat sich – als Resümee des Exegeten – vor allem gezeigt, wie groß der innertheologische Gesprächsbedarf ist. Die sich in dem vorliegenden Band dokumentierende Absicht ist es, Exegetinnen und Exegeten sowie Systematikerinnen und Systematiker zu einem solchen gemeinsamen Gespräch zusammenzubringen. Die Tatsache, dass alle Beteiligten der Einladung dazu gefolgt sind und sich diesem intensiven Austausch gestellt haben, hat zudem deutlich gemacht, dass der Bedarf einer solchen Verständigung über den im Zentrum des christlichen Glaubensbekenntnisses stehenden Artikel tatsächlich groß ist, zumal in Zeiten, in denen religiöser |16|Pluralismus ein Leitbegriff ist und die christlich geprägten Kulturen und Gesellschaften Europas vor große Herausforderungen gestellt sind. Die akademische Theologie in ihrer diese Prozesse begleitenden Funktion ist in ihrem Wesen wohl die am breitesten interdisziplinär vernetzte Wissenschaft, sowohl nach außen hin in Wissenschaftsbereiche außerhalb der Theologie, aber eben auch – und das kommt leider oft zu kurz – nach innen. Nicht zuletzt für Studierende der Theologie – sei es für das Pfarramt oder das Lehramt – ist zunächst der interne Diskurs der theologischen Disziplinen von großer Bedeutung, und das nicht nur in kognitiv-systematisierender Hinsicht. Wenn denn das Studium nicht nur zum Erwerb von »Kompetenzen« zur Ausübung eines mehr oder weniger krisensicheren »Jobs« befähigen, sondern auch heute noch zu so etwas wie einer »theologischen Existenz« führen soll, mit der junge Menschen sich identifizieren und die in der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus ihre eigentliche Aufgabe (um nicht zu sagen: »Mission«) sieht, dann ist es wohl gerade das apostolische Bekenntnis der Kirche, das gleichsam als traditionsgeschichtliche Zuspitzung ihrer Verkündigung vor dem Hintergrund sich verändernder Zeiten und Weltwahrnehmungen zu einer besonderen Beschäftigung mit seinen Inhalten nötigt. Rochus Leonhardt hat das kritische Potential dieser Herausforderung durch das Credo am Beispiel des Apostolikumstreites anschaulich gemacht. Der Ruf nach neuen, zeitgemäßen Bekenntnissen ist seitdem immer wieder einmal laut geworden, und vielen Menschen fällt es oft schwer, sich mit den alten Formeln und Formulierungen anzufreunden, ihnen etwas abzugewinnen, das ihren eigenen Glauben angemessen zur Sprache bringt. Die gerade in der traditionsgebundenen Formulierung liegende identitätsbildende Funktion des Credos für die Kirche spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es eher um die Möglichkeiten, sich in ganz persönlicher Weise mit den Aussagen des Credos zu identifizieren – oder eben nicht. Das ist hier nicht zu erörtern; die Hoffnung, die sich mit diesem Band und seinem Format verbindet, ist jedenfalls, dass die Beiträge in ihrem Bezug zueinander und auch in den Spannungen, die sie untereinander aufwerfen, insgesamt dazu beitragen, das Gespräch über den Glauben und seine Traditionen anzuregen, scheinbare Denk- und Glaubenstabus (die es in der Wissenschaft ohnehin per definitionem nicht geben darf) aufzubrechen, zum Widerspruch herauszufordern und so vor allem das eigenständige theologische Denken und eine verantwortungsbewusste Sprach- und Gesprächsfähigkeit zu fördern – kurz: zu |17|jener »theologischen Existenz« zu ermutigen, von der oben die Rede war.

 

Dass der Diskurs über das Credo in der Fokussierung auf Exegese und Dogmatik nur ein Anfang sein kann, sei noch einmal ausdrücklich bewusst gemacht. Aber – wie gesagt – irgendwo muss man beginnen. Zur Theologie gehört sub conditio mundi vel academiae auch die Pragmatik ihrer nicht zu vermeidenden Unzulänglichkeit. Mit einer bereits geplanten Folgetagung (und damit auch einem Folgeband) zum ersten und dritten Artikel sollen diese Bemühungen um einen Anfang fortgesetzt werden.

Fußnoten

1

Die lateinische Version des Nizänums bietet ebenfalls die Pluralform, seine griechische Version hingegen den Singular πιστεύω. Das Nizäno-Konstantinopolitanum formuliert umgekehrt in der griechischen Version im Plural und in der lateinischen im Singular. Zum Verhältnis zwischen Nizänum und Nizäno-Konstantinopolitanum vgl. J.N.D. KELLY, Altkirchliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, UTB 1746, Göttingen 21993, 294–327.

2

Vgl. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen unter https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678–10.pdf – Zugriff am 24.04.2017.

3

http://www.interseth.de/wp-content/uploads/2013/05/Stellungnahme-des-SETh-zur-Konfessionsklausel1.pdf – Zugriff am 24.04.2017.

4

http://www.ekd.de/download/konfessionsklausel_2002.pdf – Zugriff am 24.04.2017.

|19|»Wir glauben an Jesus Christus …«

Glaube und Bekenntnis im frühen Christentum zwischen Integration und Abgrenzung[1]

Andreas Lindemann

In welcher Weise wurde der Glaube an Jesus Christus und das Bekenntnis zu ihm in der Anfangszeit des Christentums[2] ausgesprochen? Die christliche Kirche bezieht sich auch nach fast zweitausend Jahren auf jene Anfangszeit und auf die damals formulierten Aussagen; der Glaube und das Bekenntnis der ersten Christen sind deshalb nicht nur Gegenstand historischer Forschung, sondern sie haben unmittelbare Bedeutung für die Gegenwart.

»Christen«, also die an Jesus Christus glaubenden und sich zu ihm bekennenden Menschen, waren im 1. Jh. christlicher Zeitrechnung, also in der frühen römischen Kaiserzeit,[3] eine sehr kleine Minderheit. Das, von dem ihr Glaube sprach – Leben, Tod und Auferweckung des Jesus von Nazareth –, gab es erst seit ganz kurzer Zeit; dieser Glaube war also etwas geschichtlich Neues, und schon das machte ihn nach antiken Maßstäben verdächtig. Überdies waren die Christen – ob jüdischer, ob nichtjüdischer Herkunft – vor ihrer Taufe anderen religiösen Lehren und Vorstellungen gefolgt; sie waren also »Konvertiten«, und so ergab sich für sie die Spannung zwischen »Integration« und »Abgrenzung« ganz von selber. Die Fragen: Welche Aspekte meines bisherigen Denkens und Lebens kann ich mitnehmen in mein neues Leben? Welche Werte meiner Umgebung bleiben für mich unverändert gültig? Wo muss ich mich von meiner Vergangenheit und von meiner bisherigen Umgebung bewusst abgrenzen?, waren für jeden unausweichlich, jede und jeder Einzelne musste darauf eine Antwort finden. Bald kam auch die Frage hinzu, wo und in welcher Weise eine |20|bewusste Abgrenzung nicht nur nach »Außen« nötig werden könnte, sondern auch nach »Innen«, also die Abgrenzung von abweichenden Positionen innerhalb der eigenen Gruppe.

Die folgenden Überlegungen sind in sechs Abschnitte gegliedert: Am Anfang (1.) stehen kurze Bemerkungen zum »Bekennen« und zum »Bekenntnis«. Es folgen (2.) Hinweise auf die Praxis religiösen Bekennens im Volk Israel und in der paganen antiken Welt. Sodann (3.) wird nach den Anfängen des Bekenntnisses zu Jesus gefragt und von da aus werden (4.) einige Bekenntnisaussagen vorgestellt, wie sie vor allem in den Briefen des Apostels Paulus als den ältesten uns erhaltenen christlichen Schriften zu finden sind. Es geht dann (5.) um die Frage, in welchen Situationen in der Zeit des frühen Christentums die Glaubenden Anlass hatten, ein Bekenntnis abzulegen. Am Schluss stehen (6.) einige Bemerkungen zum Verhältnis von Glaube und Leben.

1. »Bekennen« und »Bekenntnis«

Das deutsche Verb »bekennen« meint ursprünglich, dass man etwas »bekannt gibt«,[4] das Substantiv »Bekenntnis« hat fast den Sinn von »Bekanntmachung«. Menschen, die ein Glaubensbekenntnis aussprechen, machen also ihren Glauben anderen bekannt. Das im Neuen Testament verwendete, meist mit dem Begriff »bekennen« wiedergegebene Verb ὁμολογεῖν bedeutet eigentlich, dass Menschen »etwas gemeinsam aussprechen«.[5] Das Bekennen des Glaubens ist also die offen und gemeinsam gesprochene Auskunft über den Inhalt dessen, was die betreffenden Menschen glauben. Der Glaube geht dem Bekenntnis voraus; aber die explizite Formulierung eines Bekenntnisses |21|trägt dazu bei, dass der Inhalt dieses Glaubens genauer bestimmt und auch anderen mitgeteilt werden kann.[6]

Einige Bekenntnisaussagen, insbesondere auch manche Sätze in dem traditionellen »Apostolischen Glaubensbekenntnis«, wirken allerdings so, als werde hier weniger vom Glauben als vielmehr von Tatsachen oder Sachverhalten gesprochen, die man als zutreffende Behauptungen anerkennt. Spätestens seit der Aufklärung im 18. Jh., vielfach aber schon sehr viel früher, geraten nicht wenige Menschen diesen Aussagen gegenüber in Zweifel oder lehnen solche Bekenntnisaussagen ganz ab. Glaube im christlichen Verständnis meint aber nicht die Zustimmung zu bestimmten Tatsachenbehauptungen; Glaube bedeutet vielmehr, dass ein Mensch die Botschaft von der ihm zugesprochenen Gnade Gottes hört und diese Botschaft als für sich selber gültig annimmt. In dem Wort »glauben« ist der Aspekt »vertrauen« mit enthalten; und für das im Neuen Testament sehr häufig belegte griechische Verb πιστεύειν gilt dasselbe. Die Aussage »ich glaube« meint also nicht in erster Linie, dass ich die Mitteilung über einen Sachverhalt »für wahr halte«, sondern sie bedeutet, dass ich einer mir gemachten Zusage vertraue.

2. Die Praxis religiösen Bekennens im Volk Israel und in der paganen Welt

1. Das Volk Israel bekennt sich zu JHWH als seinem Gott. Es gibt in der jüdischen Bibel kein ausformuliertes Bekenntnis; aber in Dtn 6,4f. wird ein Gebet überliefert, das zugleich die Funktion eines Bekenntnisses hat: »Höre, Israel, der HERR unser Gott, ist ein HERR.[7] Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft.« Mit diesem »Schema Jisrael« spricht das Volk Israel seinen Glauben aus; zugleich bringt es |22|damit seine Identität zum Ausdruck, indem es von seiner besonderen Gottesbeziehung spricht.

Viele alttestamentliche Texte sprechen von Gottes geschichtlichem Handeln für sein Volk; auch solche Aussagen können die Funktion von Bekenntnissen haben. In Dtn 26,1–4 steht die Anweisung, man solle zu Beginn der Ernte dem Priester am Heiligtum die Erstlingsgaben überbringen, und dann, so heißt es weiter (V. 5–9), »sollst du bekennen und vor dem HERRN, deinem Gott, sprechen: Ein verlorener Aramäer[8] war mein Vater, und er zog hinab nach Ägypten und blieb dort als Fremder mit wenigen Leuten, und dort wurde er zu einer großen, starken und zahlreichen Nation. Die Ägypter aber behandelten uns schlecht und unterdrückten uns und auferlegten uns harte Arbeit. Da schrien wir zum HERRN, dem Gott unserer Vorfahren, und der HERR hörte unser Schreien und sah unsere Unterdrückung, unsere Mühsal und unsere Bedrängnis. Und der HERR führte uns heraus aus Ägypten mit starker Hand und ausgestrecktem Arm, mit großen und furchterregenden Taten, mit Zeichen und Wundern, und er brachte uns an diesen Ort und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen« (Übersetzung Zürcher Bibel). Diese bekenntnisartige Aussage schildert in Kurzfassung die Geschichte des Volkes Israel, wie sie sich in dessen religiöser Erinnerung darstellt; dass die Geschichte historisch anders verlaufen war und in anderen biblischen Texten z.T. auch anders dargestellt wird, ist dabei von untergeordneter Bedeutung.

Wenn in der jüdischen Bibel von »Israel« gesprochen wird, ist die Einheit von Volk und Religion vorausgesetzt in der Bindung an den einen Gott. Damit verbunden ist ein bestimmtes Ethos, vor allem die Einhaltung von Verhaltensnormen, wie sie im Gesetz, der Tora, ausgesagt sind. Das »Schema Jisrael« und die Schilderung des geschichtlichen Weges Gottes mit seinem Volk dienen nicht der Abgrenzung nach außen; diese Texte bestätigen vielmehr die gegebene Identität, und so bezeugen sie den Menschen des Volkes Israel ihre von Geburt an bestehende Zugehörigkeit zu diesem Volk und das damit verbundene Selbstverständnis.

Für das jüdische Selbstverständnis spielte und spielt das Land, in dem das Volk wohnt, eine besondere Rolle, zumal das Volk davon überzeugt ist, Gott selbst habe ihm dieses Land (»Land Israel«) |23|als Wohnsitz gegeben.[9] Darum war nach dem babylonischen Exil (586–539 v. Chr.) die Rückkehr des Volkes in »das Land« von größter Bedeutung,[10] auch wenn tatsächlich ein Teil in der Diaspora in Babylon geblieben war. Als im 2. Jh. v. Chr. dieses Gebiet unter der Herrschaft der seleukidischen Könige stand, bekämpften diese, anders als die Fremdherrscher in früherer Zeit, die jüdische Gottesverehrung; als Antiochus IV. im Jahre 168 v. Chr. die Entweihung des Jerusalemer Tempels verfügte, setzten sich die Makkabäer dagegen erfolgreich zur Wehr,[11] und es kam zur Errichtung des hasmonäischen Königtums. Nach der römischen Eroberung des Landes durch Pompeius im Jahre 63 v. Chr. verlor der jüdische Staat seine politische Selbständigkeit; Herodes der Große (König von 39–4 v. Chr.) und seine Söhne, unter ihnen Herodes Antipas als der Landesherr Jesu (4 v. Chr. bis 41 n. Chr.), waren Fürsten von Gnaden Roms. Nach dem Jüdischen Krieg (66–70/73 n. Chr.) ging auch diese Selbstverwaltung verloren; nach dem gescheiterten Bar-Kochba-Aufstand (132–135 n. Chr.) wurde das Gebiet von den Römern schließlich »Palaestina« genannt, Jerusalem erhielt den Namen Aelia Capitolina.

Der jüdische Glaube wurde von Rom durchweg anerkannt und respektiert – nicht nur in Judäa und in Galiläa, sondern im gesamten Römischen Reich.[12] Das galt insbesondere auch für den Glauben an den einen Gott: Als im Laufe des 1. Jh. n. Chr. die kultische Verehrung des Herrschers für die Bewohner des Imperiums allmählich obligatorisch wurde,[13] blieben die Juden von der entsprechenden |24|Verpflichtung ausgenommen; sie opferten nicht dem Kaiser, sondern bis zum Jahre 66 n. Chr. wurden im Jerusalemer Tempel Opfer für den Kaiser dargebracht. Der jüdische Glaube unterschied sich schon durch den Absolutheitsanspruch JHWHs grundlegend von den anderen Religionen; das wurde von der Umwelt mit Verwunderung und auch mit Kritik registriert, aber die lange Geschichte des Volkes und des jüdischen Glaubens stieß bei den anderen Völkern auch auf staunende Anerkennung und führte zur Duldung der religiösen Sonderstellung des jüdischen Volkes.

2. Worin bestand im nichtjüdischen Raum das Bekennen? Wie sprachen »die Heiden«[14] ihren Glauben aus? Die Identität der freien Bürger einer Region oder einer Stadt zeigte sich in der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Volk oder in dem Bürgerrecht in der betreffenden Stadt (πόλις oder civitas); auch hier war die Identität verbunden mit einem bestimmten Ethos, also mit der Praxis anerkannter religiöser und sittlicher Normen.[15] Dazu gehörte insbesondere auch die Teilnahme am Kult der in der jeweiligen Stadt verehrten Gottheiten; aber es gab keinen Ausschließlichkeitsanspruch, also keine grundsätzliche Abgrenzung nach außen. Jedoch entwickelte sich seit dem letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende auch eine neue Form von Religiosität, jenseits ethnischer und politischer, zum Teil auch jenseits sozialer Grenzen. So breitete sich beispielsweise die Verehrung der ursprünglich zur Götterwelt Ägyptens gehörenden Göttin Isis fast im gesamten Römischen Reich aus, und diese Verehrung war, anders als bei den städtischen Kulten, mit Elementen persönlicher Frömmigkeit verbunden, nicht zuletzt auf Grund der persönlichen »Einweihung« des einzelnen Menschen in das ihm Erlösung verheißende »Mysterium«.[16] Man konnte sich aber in mehrere Mysterien einweihen lassen, und überdies verehrte man in Athen weiterhin die Athene, in Ephesus die Artemis und in Rom den Jupiter, jeweils zusammen mit den anderen |25|Göttern. JHWH, der Gott des jüdischen Volkes, war der einzige Gott, der keine anderen Götter neben sich duldete, wie das erste der Zehn Gebote sagt. Da das Judentum den Vorzug des hohen Alters besaß und im Allgemeinen keine Mission trieb, kam es ungeachtet dieses Ausschließlichkeitsanspruchs vergleichsweise selten zu religiös begründeten Konflikten;[17] lediglich im jüdischen Kernland, vor allem in Judäa, versuchten die Zeloten, Gottes Anspruch auf die Menschen und auf das »heilige Land« notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen, woraus im Jahre 66 n. Chr. der Jüdische Krieg gegen Rom erwuchs.[18]