Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis

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2 Asynchrone Entwicklung: Wirtschaft und Sprachenpolitik in der Großregion Saar-Lor-Lux

In einer Pressemeldung des Statistischen Amtes des Saarlandes zum 16. Gipfel der Großregion Saar-Lor-Lux-Rheinland / Pfalz-Wallonie“ am 28.01. 2019 wird zur beruflichen Mobilität festgehalten.

Täglich pendeln über 230 000 Berufstätige in eine andere der fünf Regionen, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Damit ist die Großregion der größte grenzüberschreitende Arbeitsmarkt in ganz Europa. Fast die Hälfte der Grenzgänger kommt aus Lothringen (113 000), und die beliebteste Zielregion für auswärtige Beschäftigte ist das Großherzogtum Luxemburg (176 000 Berufspendler aus allen Nachbarregionen, darunter 90 000 aus Lothringen). Im Saarland arbeiten etwa 16 000 Beschäftigte aus Lothringen und 27 000 aus Rheinland-Pfalz. Diesem Zustrom von 43 000 Einpendlern stehen umgekehrt 27 000 Saarländer gegenüber, die außerhalb des Landes ihrem Beruf nachgehen, und zwar überwiegend in Rheinland-Pfalz (über 17 000). (Saarland – Themenportale 2019)

In den Jahren seit 2015 haben vor allem Fragen des Sprachenlernens in Verbindung mit Migration die sprachenpolitische Debatte in den deutschsprachigen Ländern und im Bereich des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache geprägt. Wie kaum ein anderer Bereich ist aber immer auch der Rahmen des Sprachenlernens in Grenzsituationen von bildungs- und sprachenpolitischen Entscheidungen geprägt. Dies gilt nach wie vor in besonderer Weise auch für das Erlernen des Französischen im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und des Deutschen in der neu formierten französischen Region Grand Est. Die besondere Sprachensituation in der Schweiz, in der die Nationalsprache Französisch in den letzten zwanzig Jahren ebenfalls durch das Englische zuerst im Kanton Zürich und dann landesweit unter Druck geraten ist, muss in diesem Kontext außen vor bleiben.

In den aktuellen bildungs- und regionalpolitischen Debatten scheint das Sprachenthema in Grenzregionen nicht mehr präsent zu sein. Mit dem Totalausfall des Gesamtverbandes Moderne Fremdsprachen als Nachfolgeverband des FMF, dessen saarländischer Landesverband in der Zeit von Albert Raasch ein wesentlicher Akteur in sprachenpolitischen Debatten war, ist die Stimme der Lehrkräfte in der öffentlichen Diskussion nicht mehr hörbar. In der letzten Ausgabe der Cahiers de la Grande Région (Mai 2020) spielt das Sprachenthema ebenfalls keine Rolle. Für Luxemburg erscheint die Sprachensituation aktuell noch am besten dokumentiert. Hier wird beispielsweise die Affinität junger Luxemburgerinnen und Luxemburger zum deutschsprachigen Fernsehprogramm (mehr als zum französischsprachigen) ebenso dokumentiert (Boersenberger 2014) wie die Konsequenzen, die sich aus der Migrationsentwicklung auf die Sprachensituation auch in Grenzregionen ergeben haben.

Dem Bildungsportal des Saarlandes ist in Bezug auf die Fremdsprachen nur die unveränderte Tatsache zu entnehmen:

Die meisten Gymnasien führen einen Sprachenzweig mit Französisch, Englisch oder Latein als erster Fremdsprache; im Regelfall kommt in Klassenstufe 6 eine zweite Fremdsprache (Englisch, Französisch oder Latein), in Klassenstufe 8 eine dritte Pflichtfremdsprache (Spanisch, Italienisch, Latein oder Französisch) hinzu. (Saarland – Bildungsserver 2018)

Schon in den einleitenden Bemerkungen ist deutlich geworden, dass Entwicklungen weder politisch noch sprachenpolitisch automatisch in die Richtung mehr Kontakte, weniger Grenzen verlaufen. Die Hoffnung, dass sich vertiefende Integrationsprozesse an Sprachgrenzen sozusagen automatisch zu größerer Sprachlernmotivation und mehrsprachigen Kompetenzen führen würden, hat sich nicht erfüllt. Tatsächlich wirken auch in Grenzregionen zunehmend überregionale Faktoren, wie sowohl die Zunahme des Interesses an der Fremdsprache Spanisch in Lothringen, als auch die drastische Abnahme des Interesses an Deutsch als erster Fremdsprache zugunsten des Englischen in den grenznahen polnischen Woiwodschaften demonstrieren. Unter zusätzlichen Druck geriet die Fremdsprache Deutsch nicht nur in der Region Grand Est auch durch Sprachenpolitik der Regierung Hollande, die de facto auf die Abschaffung des Deutschen als erste Fremdsprache abzielte und damit auch die etablierten Schulformen mit erweitertem Deutsch-Angebot wie die classes BiLangues (Goethe-Institut 2020) und die sections européennes gefährdete. Aktuell lernen in Frankreich nur noch drei Prozent der Schülerinnen und Schüler Deutsch als erste Fremdsprache und 16 % als zweite. Dem entspricht der Rückgang der Germanistik-Studierenden an den Universitäten (Auswärtiges Amt 2020: 20). Trotz einiger Korrekturen durch die Regierung Macron – so ist es wieder möglich für Kinder, die bereits in der Grundschule mit Deutsch begonnen haben, diese Fremdsprache im Collège als erste Fremdsprache zu wählen – hat diese Entwicklung der schulischen Mehrsprachigkeit in Frankreich nachhaltig geschadet. Die Weiterentwicklung von Initiativen und Konzepten bleibt daher für die Fremdsprachendidaktik ebenso auf der Tagesordnung wie die Weiterentwicklung der Sprachenpolitik regional und zentral. Das Wirken von Albert Raasch in beiden Feldern bleibt damit maßgebend und aktuell. Die tatsächliche Entwicklung verlief in diesen Feldern also weder linear noch widerspruchsfrei, wie auch die folgenden Beispiele belegen.

Ein ebenso mutiger wie ermutigender und aufsehenerregender Schritt war die Initiative der damaligen Ministerpräsidentin des Saarlandes Kramp-Karrenbauer im Jubiläumsjahr des deutsch-französischen Elysee-Vertrags 2013 zur Entwicklung des Saarlandes als einer zweisprachigen Region, der die Erkenntnis zu Grunde lag, dass Sprachenpolitik als Teil regionaler Strukturpolitik in einem wirtschaftlichen Umfeld zunehmender regionaler Mobilität und Wirtschaftsdynamik zu verstehen ist. Dieser Ansatz war Grundlage jener von Kramp-Karrenbauer zusammen mit dem Koalitionspartner SPD entwickelten Frankreich-Strategie ihrer Landesregierung. Das Bundesland sollte innerhalb einer Generation als „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber anderen Bundesländern durch flächendeckenden Französischunterricht schon ab der ersten Grundschulklasse zweisprachig werden. „Die ‚Generation Elysee‘, also die Saarländer, die im Jubiläumsjahr 2013 geboren sind und in 30 Jahren selbst Kinder bekommen, sollen für ihren Nachwuchs die Chance erhalten, beide Sprachen im Alltag- und Berufsleben zu beherrschen.“ So beschrieb Kramp-Karrenbauer vor der Presse ihre Vision, die sie den Saarländern nicht per Zwang und Verordnung, sondern im Bürgerdialog vermitteln wollte (Saarland 2020: 10). Deutsch als alleinige Amtssprache und die Rolle des Englischen als einer für den Beruf unverzichtbaren Weltsprache sollten durch den Plan eines „ganzheitlichen zivilgesellschaftlichen Projektes“ (ibid.), der Entwicklung der Französisch-Kompetenz, nicht beeinträchtigt werden.

Die Situation der Mehrsprachigkeit wird das Land mit einem besonderen Esprit erfüllen, der auch neue kosmopolitische Zielgruppen anlockt. Diese reizt die grenzüberschreitende „europäische“ Kulturmetropole, die auf eine Fülle an grenzüberschreitenden Kulturschaffenden und -stätten zurückgreifen kann und anders als in anderen europäischen Metropolen von kurzen Wegen profitiert. (Saarland 2020: 12)

Zum Maßnahmepaket gehörte auch der Ausbau des Netzes der bilingualen Kindertagesstätten besonders im Elsass und Lothringen, die in der Absichtserklärung einer deutsch-französische Qualitätscharta für bilinguale Kindertagesstätten unterschrieben wurde. Im Umsetzungsvertrag des sogenannten GuteKita-Gesetzes des Bundes wird auf ein Netz von mehr als 200 bilingualen Kitas des Saarlandes verwiesen, die ganzheitlich-alltagsintegriert und immersiv deutsch-französisch arbeiten (Gute-Kita-Gesetz o.J.: 11) und in denen schon Dreijährige mit beiden Sprachen aufwachsen. Das sind insgesamt etwa 40 % der Kitas des Saarlandes (zur entsprechenden Entwicklung in Sachsen vgl. Gellrich 2015). Zur sprachenpolitischen Erfolgsgeschichte gehören auch zahlreiche Initiativen in Bezug auf die zweisprachige Berufsausbildung, insbesondere in der Automobilindustrie mit ihren großen Produktionsstandorten (Smart in Lothringen, Ford in Saarlouis, Saarland). Parallel zum Kita-Projekt wurde im Jahre 2013 auch die Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung in Dillingen gegründet mit einem Angebot an lothringische Lycée-Schülerinnen und -Schüler bzw. Studentinnen und Studenten (Niveau Bac Pro und BTS). Sie können im Projekt Teile der Pflicht-Praxisphasen in einem saarländischen Betrieb absolvieren. Saarländische Auszubildende und Fachoberschüler können einen Teil ihrer Berufsausbildung bzw. ein Praktikum in einem französischen Betrieb absolvieren. Eine Pressemitteilung auf der Internetseite des Saarlandes meldete 2017 gestiegenes Interesse an diesem Angebot (Saarland – Themenportale 2017), was ich aus meinen persönlichen Erfahrungen in Lothringen bestätigen kann.

Zwar wurde das strategische Projekt auch von der Nachfolgeregierung fortgeführt (Saarland 2020), und die Erfolge sind sichtbar, aber der Weg zu den visionären Zielen erscheint lang und man ist unwillkürlich an die beiden ersten Murphy-Gesetze erinnert: Alles dauert länger als man denkt, und nichts ist so leicht, wie es aussieht.

Man kann vermuten, dass die Zeit der Grenzschließung von März bis Mitte Juni 2020 zwar vielen Menschen die Zusammengehörigkeit der Region bewusster werden ließ, wie viele aktuelle Nachrichten aus den Grenzgemeinden zeigen, und Fortschritte in Richtung regionaler Kooperation nicht unumkehrbar sind, aber die Prioritäten auch staatlichen Handelns waren hier eher ökonomisch und nicht kulturpolitisch bestimmt. Auf der Regionalkonferenz der Region im Jahre 2019 scheint die Sprachenfrage keine Rolle gespielt zu haben. Im Mittelpunkt standen die berufliche Mobilität und die allgemeine Wirtschaftsentwicklung.

 

3 Sprach- und Bildungspolitik im deutsch-polnischen Grenzraum – eine Langzeitstudie

Infrastrukturell wesentlich weniger differenziert ausgebaut ist die Situation in den Grenzregionen zu Polen und der Tschechischen Republik. Wegen der unterschiedlichen Wirtschaftsdynamik und der vergleichsweise asymmetrischen Mobilität auf dem Arbeitsmarkt erscheint ein direkter Vergleich der Regionen wenig sinnvoll. Eine aktuelle Langzeitstudie gibt allerdings Einblicke in schulische Entwicklungen, die die Entwicklungen von Sprachbedürfnissen und Einstellungen zur Mehrsprachigkeit genauer beschreiben. Die Dissertationsschrift mit dem ursprünglichen Titel Europäische Mehrsprachigkeit, bilinguales Lernen und Deutsch als Fremdsprache: Längsschnittstudien zum Nachbarsprachenlernen im ostsächsischen Grenzraum, vorgelegt von Dorothea Spaniel-Weise (2018), wurde inspiriert u.a. durch die Arbeiten von Albert Raasch, auf den sie sich auch an verschiedenen Punkten direkt bezieht.

Spaniel-Weise (2018) fasst Modelle des mehrsprachigen fachlichen Lernens (Content and Language Integrated Learning, CLIL) ebenso zusammen wie den Zusammenhang zwischen Wirtschaftserfolg und Mehrsprachigkeit – wie ihn die große ELAN-Studie der EU (ELAN 2006) im Jahre 2006 belegt hatte –, wie die Ebene der theoretischen Positionen zur europäischen Identität, die in Habermas’ Forderung nach einer europäischen Diskurskultur (Habermas 2014: 111) und Foucaults Postulat des Nationalen als unverzichtbarem Ordnungsschema zum Ausdruck kommen. Dass Grenzkompetenz sich aus einer Fülle unterschiedlicher Faktoren wie Mobilität, Bildung und Mehrsprachigkeit zusammensetzt, die nicht automatisch im Zuge umfangreicher Maßnahmen top-down entstehen, zeigt die Verfasserin an vielen Beispielen. In ihrer historischen Betrachtung wird deutlich, dass bereits die deutsch-tschechisch-polnischen Grenzen in der Geschichte der DDR je nach politischer Lage im Nachbarland jeweils offener oder geschlossener waren, dass das Erlernen der Sprache des Nachbarn auf deutscher Seite nie besonders ausgeprägt war und dass die Aktivitäten etwa des deutsch-polnischen Jugendwerkes im Vergleich zum deutsch-französischen eher weniger umfangreich sind, bzw. auf zahlenmäßig geringeres Interesse in Deutschland stoßen. In dieser Asymmetrie liegt sicher das Grundproblem mangelnder Nachhaltigkeit von Einzelmaßnahmen begründet.

Waren mit Konzepten wie bilinguales Sach-Fach-Lernen (CLIL & CLILIG) einst Hoffnungen auf ein europäisches Schulmodell verbunden, so zeigt die zurückgehende Zahl der Neueinrichtungen trotz aller ministeriellen Förderung und durch die KMK, dass sich diese Hoffnungen nicht erfüllt haben. Die Skepsis vieler Fachdidaktiker und Spracherwerbsforscher (Long 2019) mag dazu beigetragen haben, letztlich fehlten aber auch die infrastrukturellen bildungspolitischen Voraussetzungen, vor allem in der Ausbildung von Fachlehrkräften mit entsprechender Fach-Qualifikation und fremdsprachlicher Kompetenz und in der Bereitstellung adäquater Lernmaterialien, die vom Markt so nicht hervorgebracht werden und staatlicher Förderung bedurft hätten; und schließlich fehlte auch systematische Weiterbildung in Bezug auf zweisprachiges Team-Teaching.

Kern der Studie von Spaniel-Weise sind Datenerhebungen in den bilingualen Schulen in Görlitz und Pirna. Die Datenerhebung, die in der Vorstudie der Jahre 2002-2004 aus einer Lerner-Befragung bestand und in der späteren Hauptstudie aus einer Expertenbefragung, die die Verfasserin in ihrer Methodik an Zydatiß anlehnt (Spaniel-Weise 2019: 178), sind umfangreich und dienen dem Ziel, die Forschungsfragen näher zu beleuchten. Tatsächlich gehen sie in ihren Details und im Umfang über dieses Ziel hinaus und erheben Daten, die einen Einblick in verschiedene Ebenen des schulischen Handelns, aber auch in die Motive, Haltungen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern in den Institutionen geben, jedoch auch in die Wirksamkeit und die Intentionen von Maßnahmen der sächsischen Kultusverwaltung. Wertvolle Aufschlüsse im Sinne einer konzeptuellen Ausrichtung liefern ebenfalls die Daten zu den Ergebnissen der Sprachausbildung, sowohl in Bezug auf die erreichte Kompetenz als auch auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu den jeweiligen Nachbarsprachen – und nicht zuletzt auf die strukturellen Defizite der angebotenen sprachlichen Bildung. Diese liegen vor allem in einer unzureichenden Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte für den Umgang mit mehrsprachigen Settings. Obwohl die Schülerinnen und Schüler sowohl ihren Unterricht als auch die interkulturelle Lernsituation in Grenznähe generell positiv einschätzen, bleiben doch Selbstzweifel an der erreichten Kompetenz, die auch durch die zitierten Sprachstands-Einschätzungen bestätigt werden. Kompetenzfortschritte wurden weniger durch den fremdsprachlichen Sach-Fachunterricht erreicht als durch Begegnungssituationen und geplante und informelle Sprachkontakte. Hier sind die dokumentierten Kontaktsituationen jeweils aufschlussreich. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zu dem von Albert Raasch dokumentierten, umfangreichen Strauß an beispielhaften kontaktfördernden und -etablierenden Einzelmaßnahmen in der Region SaarLorLux um die Jahrtausendwende. Auch bei der untersuchten Zielgruppe ist mit der Zeit die Einschätzung der Bedeutung des Englischen als Voraussetzung beruflicher Kommunikation deutlich gestiegen. Diese Entwicklung wird auch auf tschechischer Seite durch bildungspolitische Maßnahmen, die trotz der geographischen Nachbarschaft zu zwei deutschsprachigen Ländern eindeutig das Englische durchgängig präferierten, gestärkt.

4 Der Begleitband zum Europäischen Referenzrahmen als didaktisch-methodischer Impuls

Für die zukünftige Entwicklung der Pragmatik der interkulturellen Kommunikation gerade in Grenzregionen kann der im Mai auf Deutsch erschienene Begleitband zum Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (2020) wichtige Impulse für eine Konkretisierung und Differenzierung der praktischen Lernzielgestaltung und konkrete Übungsentwicklung geben. Dies gilt insbesondere für die Lernzielkategorie der Mediation. Die Übersetzung des englischen Begriffs mediation mit dem deutschen Begriff Mediation ist nicht unproblematisch, da der Begriff im Deutschen sowohl im Wirtschaftsleben gesetzlich definiert1 ist, als auch in der psychologischen Praxis, in der er ein Konfliktmanagement durch einen neutralen Moderator beschreibt. Der bereits im Europäischen Referenzrahmen von 2001 verwendete Begriff der Sprachmittlung hätte sich hier eher angeboten. Gerade für die Beschreibung der kommunikativen Herausforderungen der interkulturellen Kommunikation in Grenzregionen enthält dieser Begriff ein lernzielgenerierendes Potenzial. Die Leitfrage ist dabei:

In welchen Interaktionsformen und welchen Domänen der Sprachverwendung und auf welcher Textbasis findet in interkulturellen Settings in Grenzregionen Mediation statt und wie kann man sie auf der Lernzielebene beschreiben?

In der gegenwärtigen Situation erscheint eine von den pragmatischen Alltagskontakten ausgehende Motivation, die Nachbarsprache zu lernen, nicht unbedingt in gleicher Weise zu entstehen wie früher. Die digitalen synchronischen Übersetzungsmöglichkeiten per App decken gerade im grundlegenden A1-Bereich inzwischen viele pragmatische Alltagsbedürfnisse ab – um in Saarbrücken einzukaufen oder touristisch unterwegs zu sein, sind beispielsweise Deutschkenntnisse kaum mehr erforderlich. Mittelfristig wird diese Entwicklung digitaler Potenziale insbesondere den A1-Lernbereich aller Fremdsprachen verändern. Umso mehr muss die pragmatische Lernzielgestaltung den Fokus auf interkulturelle Kontakte und die verständnissichernde Weitergabe und Mittlung von Informationen an Dritte richten. Informationen aus gelesenen Texten in der eigenen oder einer anderen Sprache weitergeben, die intersprachliche Übersetzung gesprochener oder geschriebener Äußerungen, der Dialog über interkulturelle Beobachtungen, all das sind Lernziele, die auch im Anfangsunterricht vorbereitet werden können und das Training von Alltagsdialogen, wie z.B. zum Thema Einkaufen ablösen werden. Im englischsprachigen Text des Companion Guide heißt es zu den Zielen der Mediation.

In mediation, the user / learner acts as a social agent who creates bridges and helps to construct or convey meaning, sometimes within the same language, sometimes from one language to another (cross-linguistic mediation). The focus is on the role of language in processes like creating the space and conditions for communicating and / or learning, collaborating to construct new meaning, encouraging others to construct or understand new meaning, and passing on new information in an appropriate form. The context can be social, pedagogic, cultural, linguistic or professional. (Council of Europe 2020).

Die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung zum neuen Begleitband (DGFF 2020) enthält neben vielfach begründeter Kritik2 an Methoden und Inhalten des Begleitbandes auch eine positive Wertung dieser Weiterentwicklung. In den Konzepten der drei neuen DaF-Erwachsenen-Lehrwerke der marktführenden Verlage Cornelsen, Klett und Hueber (Das Leben, Momente, und Netzwerk neu) ist diese Veränderung bereits in Ansätzen sichtbar. Die Materialien zeigen aber auch, dass die Umsetzung des allgemeinen Lernzielbereichs Mediation sowohl auf der Ebene der Lernziele als auch im Übungsbereich weiterer Konkretisierung und didaktisch-methodischer Begleitung bedarf.

Beschreibt man praktische Entwicklungen und konzeptuelle Einflussfaktoren auf die Didaktik des Fremdsprachenlernens in Grenzregionen, so muss schlussendlich die Entwicklung der Mehrsprachigkeitsdidaktik in den letzten zwanzig Jahren erwähnt werden, deren Forschungsergebnisse in großer Breite im Handbuch von Fäcke & Meißner (2019) dargestellt sind. Für Deutsch und Französisch als international typische zweite Fremdsprachen wird hier zum einen deutlich, dass sie nur in einer bildungspolitischen Rahmenkonstellation der Mehrsprachigkeit eine Zukunft haben, in der das Englisch nicht das Synonym für fremdsprachliches Lernen schlechthin ist. In dem Band wird in zahlreichen Beiträgen aus Theorie und Praxis anschaulich belegt, dass nur ein lokal und regional zu definierendes Gesamtsprachen-Curriculum unter Einschluss der Herkunftssprachen der Migration, der Nachbarschaftssprachen und der internationalen Verkehrssprache Englisch in einem abgestimmten Konzept die Grundlage eines integrierten sprachlichen Kompetenzmodells sein kann. Auch im Elsass ist Arabisch eine Nachbarsprache, in Luxemburg vor allem Portugiesisch.

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