Die Geschichte des Dorfes Wyhlert

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Das Kriegerdenkmal vON STEPHAN HURST

Das Kriegerdenkmal

VON STEPHAN HURST

Das Kriegerdenkmal zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gibt es heute nicht mehr. Es stand auf dem Platz vor der evangelischen Kirche in Richtung des Anwesens Bohnert und wurde in den 1970er-Jahren abgetragen und dann im Hochwald entsorgt. Dies wäre heute unter geschichtlichem Aspekt so nicht mehr denkbar, in jenen Jahren jedoch entsprach dies dem Zeitgeist. Das Denkmal hätte zudem restauriert und umfangreich ausgebessert werden müssen. Was hatte es mit dem Kriegerdenkmal auf sich, und wann wurde es errichtet?

Ein Blick zurück: Nach dem verlorenen Weltkrieg änderte sich die Gestaltung von Kriegerdenkmälern erheblich. Galten vor 1918 die Denkmäler vor allem den Teilnehmern der siegreichen Kämpfe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und waren diese geprägt vom stolzen Selbstbewusstsein des jungen Deutschen Reiches, so änderte sich dies nach 1918. Millionen von Toten und Verletzten wurden beklagt, der Krieg war verloren, und auch in Kippenheimweiler gab es viele Opfer. Allein im Ortssippenbuch sind 30 Gefallene benannt, für eine kleine Gemeinde wie Kippenheimweiler ein ungeheurer Aderlass. Viele Familien hatten Tote zu beklagen. Daher ist es nur zu verständlich, dass sich der Kriegerbund Kippenheimweiler am 20. April 1925 mit einem Baugesuch „zum Erstellen eines Kriegerdenkmals auf dem Kirchenplatz“ an die Gemeinde wandte. Karl Zipf als Bauherr und Vertreter des Kriegerbundes sowie der verantwortliche Bauleiter, Bildhauer Franz Sieferle aus Lahr, übergaben das Baugesuch mit Planunterlagen. Mit angehängt war auch die Zustimmung des direkten Nachbarn Friedrich Siefert, der erklärte, er habe gegen die Erstellung des Denkmals nichts einzuwenden.

Nur wenige Tage später, am 28. April 1925, erteilte das evangelische Pfarramt Kippenheim seine Erlaubnis, auf dem der evangelischen Kirche gehörenden Platz ein Kriegerdenkmal zur Erinnerung an die Teilnehmer des Weltkrieges 1914–1918 aus Kippenheimweiler zu errichten. An die Erlaubnis knüpfte das Pfarramt einige Bedingungen, beispielsweise „dass der Kriegerbund auf Verlangen des evangelischen Kirchengemeinderats das Denkmal wieder zu entfernen hat für den Fall, dass die Kirchengemeinde den Platz selbst benötigt und für den Fall, dass sich durch die Errichtung des Denkmals irgendwelche Störungen des kirchlichen Lebens ergeben sollten“.


Dem Baugesuch wurde ein Situationsplan, datiert vom 15. April 1925, mit dem genauen Standort beigefügt. (Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg, B717-2 Nr. 4380)

Nachdem das Bauamt am 19. Mai 1925 seine Zustimmung gegeben hatte, konnte bereits am 29. Juni 1925 die Fertigstellung des Fundaments verkündet werden. Am 14. Juli 1925 erging an das Bezirksamt Lahr die Nachricht, „dass das Kriegerdenkmal planmäßig ausgeführt worden ist und die Besichtigung zu Beanstandungen keinen Anlass gab“. Leider ist nicht mehr bekannt, wann die Einweihung erfolgte. Sie dürfte wohl noch in der zweiten Jahreshälfte 1925 erfolgt sein.

Heute ist es der mächtige Sandsteinblock an der Leichenhalle, der als Mahnmal für alle Opfer der Kriege steht. Er erinnert auch an die leidvolle Zeit des Zweiten Weltkrieges, welcher alleine in Kippenheimweiler 58 Gefallene, Vermisste und Tote forderte. Seine Inschrift lautet:

„Gedenket der Gefallenen und Vermissten unserer Gemeinde 1870–1871/1914–1918/1939–1945 und der Männer, Frauen und Kinder, die in unserer Heimat im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten.“



Das Denkmal wurde links und rechts von steinernen Sitzbänken eingerahmt, die an der vorderen Seite durch zwei Pfeiler mit einem Stahlhelm abgeschlossen wurden. Im unteren Drittel sind alle Soldaten des Krieges 1914–1918 namentlich aufgeführt, darüber auf dem mittleren Segment die Soldaten des Krieges 1870/71. Links und rechts davon befinden sich zwei Bildnisse. Sie zeigen den Abschied 1914 sowie die Rückkehr 1918. Das obere Drittel schließt das Denkmal gestalterisch mit Stufen ab. Der Platz vor dem Denkmal ist eingekiest.

Wylert in der Weimarer Republik und der NS-Zeit
VON STEPHAN HURST

Wylert in der Weimarer Republik und der NS-Zeit

VON STEPHAN HURST

Die Deutschen waren sich bewusst, dass die Bedingungen für den Frieden hart sein werden. Doch der endgültige Text des Versailler Vertrages vom 17. Mai 1919 überstieg die schlimmsten Befürchtungen. Neben 14 % des Territoriums gingen dem Deutschen Reich auch die Hälfte der Eisenerzvorkommen sowie 25 % der Kohlereserven verloren. Für die Zivilbevölkerung jedoch alarmierend waren hohe Sachreparationen. So mussten beispielsweise die Hälfte des Milchviehbestandes sowie der größte Teil des modernen Lokomotivparks abgegeben werden. Am 28. Juni 1919 unterzeichnete die deutsche Delegation enttäuscht den Vertrag.

Durch die hohen Reparationskosten von 131 Milliarden Mark an die Alliierten wurde dem Deutschen Reich 1921 eine kaum zu schulternde finanzielle Last auferlegt.


Landwirt Oswald Siefert 1932 in seinem Hof in der Wylerter Hauptstraße

Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt von Mangel und Knappheit an Gütern. Da Kippenheimweiler jedoch überwiegend landwirtschaftlich geprägt war, litt die Bevölkerung bei Weitem nicht so stark an Hunger wie die Menschen in den Städten.

Jedoch führten die hohen Jahreszahlungen an die Siegermächte zu horrend steigenden Staatsschulden und 1923 zur grassierenden Inflation. Die Geldersparnisse der Bevölkerung gingen komplett verloren.

Erhielt Bürgermeister Johannes Weis noch im April 1923 198.848 Reichsmark an Gehalt, so waren es im Januar 1924 stattliche 103 Billionen Reichsmark. Über Nacht verlor das Geld einen Großteil seines Wertes und stellte die Wirtschaft, die Kommunen und die Bevölkerung vor große Probleme. Christel Stark berichtet über ihre Mutter, die Hebamme im Dorf war: „Also des isch nit eifach gsie. Un do het sie verzellt, no isch jo die Inflation kumme un do het sie ämol firs Geld wu sie kriägt het, grad noch ä Schächtili Schtreichholz bikumme.“

Durch den Dawes-Plan der Alliierten 1924 zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft entspannte sich die Situation vorübergehend. In die Zeit der 1920er-Jahre fallen in Kippenheimweiler die Einweihung der neuen Glocken am 7. September 1924 sowie die Einweihung des Kriegerdenkmals bei der evangelischen Kirche 1925. Beschleunigt durch die Weltwirtschaftskrise und die stark wachsende Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich veränderten sich die Wahlergebnisse bei den Reichstagswahlen dramatisch. Zum Vergleich:



Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Signifikant war der starke Rückgang der Stimmen für die SPD, die DDP, die DNVP und die Zentrumspartei und gleichzeitig der sprunghafte Anstieg der Rechtsradikalen, insbesondere der NSDAP. Vor allem in überwiegend protestantischen Dörfern war dies ausgeprägt, da für die evangelische Bevölkerung das Wählen der (katholischen) Zentrumspartei ausgeschlossen war. Dies galt auch für Kippenheimweiler. Die zuvor an die DDP und DNVP vergebenen Stimmen wanderten zum größten Teil an die NSDAP.

Bürgermeister von 1929–1945 war Karl Zipf. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verblieb er im Amt. Gleichzeitig begann jedoch eine Gleichschaltung der politischen Ämter bis in die kleinsten Ortschaften. Beispielhaft ist hier der Schriftwechsel der Gemeinde mit dem Badischen Bezirksamt über die Vergabe der Feldhüterstelle von Kippenheimweiler.

Mit Brief vom 26. Januar 1934 teilte die Gemeinde Kippenheimweiler dem Bezirksamt mit:

„Feldhüterdienst

Dem Badischen Bezirksamt beehren wir zu berichten, dass infolge Übernahme der Waldhut Lahr-Dinglingen und Mietersheim der bisherige Forstwart und Feldhüter Baier nicht mehr in der Lage ist, den Feldhüterdienst mit zu versehen. Der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 22.01.1934 den Landwirt Julius Siefert als Feldhüter bestimmt.

Das Bürgermeisteramt, gezeichnet: Zipf“

Mit Brief vom 1. Februar 1934 folgte die Antwort des Bezirksamtes:

„Antwort

Die genauen Personalien des neuen Feldhüters sind noch anzugeben, und es ist zu berichten, ob er nach seiner bisherigen politischen Tätigkeit die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintritt.

Bezirksamt“

Die Antwort aus Kippenheimweiler kam umgehend am 14. Februar 1934:

„Dem Badischen Bezirksamt beehren wir obigen Betreffs zu berichten, dass im Feldhüterdienst eine Änderung eingetreten ist. Der vom Gemeinderat ernannte Julius Siefert ist zurückgetreten …“

 

Die näheren Gründe für den Rücktritt von Julius Siefert sind nicht näher dargelegt. Der Schriftwechsel verdeutlicht jedoch, dass selbst in kleinen Ortschaften wie Kippenheimweiler klare parteipolitische Vorgaben umgesetzt wurden.

Das Amt des Bauernführers wurde Otto Weis übertragen, das Amt des Ortsgruppenleiters Emil Frenk. Bis Mitte 1934 waren die bündische Jugend, die evangelischen Jugendverbände und die Reichsschaft Deutscher Pfadfinder aufgelöst und in die HJ integriert, zu der auch der „Bund deutscher Mädel“ gehörte. Die Jugend wurde von der Partei sofort mit einbezogen.

Zeitzeugin Hilde Schiff berichtet:

… Un drno isch halt des drzu kumme, mir sin im Dritte Reich uffgwachse, mir hänn viel Schbort driewe, also vun dr erschte Klass an isch halt dr Schbort Nummer eins gsieh, un des ware au Schbiele, wu mir do gmacht hänn, es het Freizeite gänn. Also eigentlich bin ich weniger uff dr Freizeite gsie, aber dr Träddehof in Seelbach, der war bekannt, wo halt immer die Freizeite gstatt gfunde hänn, un des ware halt au scheni Zitte fir die. Des war dr BdM, dr „Bund deutscher Mädel“.

Außerdem wurde auch das Landjahr eingeführt:

Hilde Schiff: Mir hänn alli miän noch dr Schuel a Landjohr mache mit 14, 15 Johr. Also des isch Pflicht gsieh, bevor dü in dr Beruf wieder niegange bisch.

Stephan Hurst: Landjohr heisst, dü bisch in dr Landwirtschaft gsi oder uffeme Hof. Wu warsch dü do?

Hilde Schiff: Ich war bim Märze Daniel a Johr in der Wylerter Hauptstroß.

Stephan Hurst: Des het mr au im eigene Dorf mache derfe?

Hilde Schiff: Des sinn üsgschriebini Schtelle gsieh, mie Schweschter isch in Schmieh gsieh, z. B. der wu so a Maidli brücht hett zum Kinder hiede, oder vor alle Dinge sinn die bevorzuegt wore, wu dr Mann im Krieg gsieh isch, un die Fraue sinn allei gsieh, mit dänne alde Männer, sozage, un so war’s do au.

Auch für das Winterhilfswerk musste gesammelt werden. Dies musste vor allem von den Jugendlichen mehr oder weniger gründlich umgesetzt werden:

Martin Schmidt: Ja no hänn mir als miän sammle, fier s’Winterhilfswerk. Zuckerbredli un so. Do bisch im Dorf rum, mir hän aber nit gsammelt, mie Schweschder het als iehgsammelt. Dr Helmut, der wohnt in Mohlburg, war au mit mir in dr Klass. Un seller halt: „Kumme, mir gehn Schlittschueh fahre“. Un mir hänn halt nit gsammelt, un sinn uff d’Schiäß gange. Un am Mändig hedds dr Lehrer Hermann schun gwisst, dass mir nit gsammelt hänn. „Kommt raus, kommt raus“. No bin ich schun vorem Kadi gschdande, un no hett der Zipf Wilhelm gruefe: „D’Schweschder het gsammelt“. Un no hab ich wieder kenne an dr Platz hocke, un dr Helmut het dr Ranze voll bikumme.


Ausflug des BdM aus Kippenheimweiler mit dem geschmückten Wagen in den 1930er-Jahren


Die Nationalsozialistische Frauenschaft im Saal des „Hirschen“ im Frühjahr 1944 bei Kaffee und Kuchen. Im Zusammenwirken mit den Mädchen des BdM-Werkes „Glaube und Schönheit“ und den Jungmädeln wurde ein, so im Heimatbrief vom April 1944 erwähnt, „sehr schönes Programm abgewickelt“.

In den Morgenstunden des 10. Mai 1940 begann der Angriff der Wehrmacht auf Frankreich. Schon zuvor war eine Evakuierung der Dörfer in der Rheinschiene geplant, welche sich in einer Breite von etwa 20 Kilometern, der „Roten Zone“, befanden. Auch Kippenheimweiler war betroffen.

Die Evakuierung der „Roten Zone“ erfolgte in den ersten Septembertagen des Jahres 1939. Am 3. September (nach der englischen und der französischen Kriegserklärung) kam der militärische Befehl zur sogenannten Freimachung der Wohngebiete.

Dafür gab es gedruckte Weisungen. Die „Rote Zone“ sollte nicht nur zum Schutz der Zivilbevölkerung freigemacht werden, sondern auch zur Sicherstellung der Beweglichkeit der Wehrmacht.

Der selbstständige oder vorzeitige Antritt des Rückmarsches, das eigenmächtige Verbleiben im Freimachungsgebiet und das Entfernen von einem Marschblock oder einer sonstigen Transporteinheit waren strengstens untersagt. Die Ausrüstung für den Marsch war einschließlich der Ausweispapiere und Urkunden festgelegt und auf 15 kg beschränkt.

Nach etwa drei Monaten, zum Ende des Jahres 1939, konnten die zumeist Frauen und Kinder aus Ebingen / Württemberg wieder nach Kippenheimweiler zurückkehren, nachdem es am Rhein ruhig geblieben war und Soldaten am Westwall stationiert waren.

Zeitzeugen erinnern sich:

Martin Schmidt: Im Krieg annä 39 sinn sie ins Bayrische und Württembergische kumme, sie sinn jo alli furt kumme. D’Miädere, also d’Fraue mit kleini Kinder, un drno wu sie do annä 40 ieber Rhien gsieh sinn, no hänn sie widder kenne heim kumme. Des denkt mir noch.

Stephan Hurst: Sinn do alli üs Wylert ins gliche Dorf kumme?

Martin Schmidt: Nei, di sinn nit alli im gliche Dorf gsieh. Wu sinn sie z’erscht gsieh, im Bayrische oder wu, dert isch’s nit so rosig gsieh. Dann sinn sie nach Bitz bi Ebinge, do sinn sie binnere Frau gsieh, dert isch’s ne schun guet gange, drno. D’Großmuedder het immer gsait, ich geh nit furt, ender geh ich in dr Rhien.

Werner Spathelfer (Jahrgang 1936): Mir sinn nach Bitz bi Ebinge kumme, ins Württebergische. Un do ware mir dann mit dr Lisa fier drei Monate ungfähr. Do war ich no nit in dr Schuel. Ja, so 43 oder 42 bin ich in d’Schuel kumme. Ja, do war ich drbi, minni Müdder un d’Lisa, un d’Chrischta un d’Geddl. Im Vadder sinni Schweschter, die ware au drbi. Un dann ware mir drei Monat in Bitz, un dann sin mir nochmol verlegt wore nach Augsburg. In Bitz do war des ä wunderscheni Zit, do häm mir jo hit noch Besuch, also Verbindunge beschtehn hit noch, un in Augsburg ischs uns ganz schlecht gange, un no het d’Müdder halt gsait, sie bliebt nimmi do, sie geht jetzt heim.

Ingrid Karl: In welchere Form schlecht?

Werner Spathelfer: Kei rechts Esse, kei rechti Zimmer, kei schlofe, nix. Midder Isebahn sinn mir dann heim, sinn mir dann ab. Bi so ä Nacht- und Nebelaktion isch ä Rot-Kriz-Isebahnzug in Augsburg gschdande, un in dänne sinn mir dann iegschdiege.

Ingrid Karl: Ohne dass es jemand gwisst het?

Werner Spathelfer: Ja, des het in Wylert eigentlich gar nieämä gwisst, dass mir kumme.

Ingrid Karl: Des het d’Oma dann entschiede, ni?

Werner Spathelfer: Minni Müdder het des dann entschiede, ja, dass mir gehn, mir bliebe jetzt nimmi, mir gehn jetzt heim. Dr Krieg war schun noch, aber die sinn nach Frankreich immer widder niehmarschiert, un do war bi uns nix me, do war Rueh. Un dann sinn mir dann halt heim, do hänn die Rotkriezschweschtere uns versorgt mit Esse un so Zeigs halt, un mit Trinke, des weiß ich noch guet.

Die Männer blieben im Dorf und fuhren nicht mit ins Württembergische, aber auch einige Frauen. Christel Stark berichtet:

Un d’Müdder isch nit gange, sie het gsait, sie losst d’Vadder nit alleinich un isch daheim bliebe. Awer der Reisekoffer, des war ä sone große Koffer üs Weide, der war packt im Fall eines Falles. Also mir sinn nit furtgange. Dann weiss ich vun Soldade, wu bie uns im Hüs ware oder do unde wars bi’s Gäßlers un’s Bührefiärers, uff däne beidi Ackere sin grossi Nussbeim gsieh, do henn si ä Barack ghan. Un d’Müdder un d’Schäre Ernschdin die hän gwäscht fier diä Soldade, do hab ich au ä Gigli Güzili kriägt, des war schun ebbis, denn erschtens hets jo au im Kriäg gar keini Sießigkeite gänn oder mr het hald Marke ghan, Läbensmittelkarde, un des was fier Schokolad oder Güzili war het miäße vun dr Zuckermärkli un des war jo dänn schun ä weng rar. Ja, so wars. Ja, un bis Schneble’s do war d’Gulaschkanon un mir Kinder sin als Kinder drno do ghockt, wu ebbs los war.

Nach dem Krieg gegen Frankreich 1940 kehrte wieder Ruhe im Grenzgebiet ein. Die jungen Männer verdienten sich ein Zubrot beim Abbau des Stacheldrahtverbaus am Rhein:

Martin Schmidt, Jahrgang 1924: No sinn mir jungi Kerli do num gange, un no hänn mir Schdacheldroht wegmacht. Um Nunnewier rum, z’Wittewier bis uff Kappel, dr ganz Rhien entlang. Un do hänn mir gschaftt, im Summer au, Summer wie Winter, bis mir drno iehzoge wore sinn. Un no sinn mir, im Dezember war ich 17, im Februar sinn mir gmuschdert wore un im März sinn mir schun zum Militär kumme. No isch des wieder äweg kumme, aber des hänn d’Soldade wu schdationiert gsieh sinn, annä 39, no isch der Schdacheldroht do hie kumme. Do isch nur Gras gwachse im Summer, do hesch nix meh kenne bühre. Un no hänn mir ä weng Geld verdient do, 45 Pfennig in dr Schdund hänn mir ghan. Des isch ä näddi Zit gsie fier uns, wer isch dabie gsieh, dr Becke Kurt, dr Krummholze Karl, dr Zipf Wilhelm doobe, des wäre mir gsie. No hänn mir als ieber dr Rhien, im Winder, hänn mir do gschafft. Do isch so ä Driller gsieh un ä Haschbel obedruff. No het einer miäse drille un einer het miäse dr Droht, sinn so Rolle gmacht wore, no isch des uff Laschtwäge wieder furttransbortiert wore.

Am Dorf standen seinerzeit drei Westwallbunker:

Werner Spathelfer: Do hämm mir jo drei Bunker ghan, do iebe, einer, wu d’Soldade gschosse hänn, einer war so ä Verpflegungsbunker un einer war wu dr Schdab drinn ghockt isch.

Ingrid Karl: Un wo ware die Bunker: Im Wald?

Werner Spathelfer: Nei, die ware grad so wu dr Baggersee jetzt isch, 150, 200 Meter oder 300 Meter vum Dorf weg.

Im Frühjahr 1942 wurden die Nahrungsmittelrationen gekürzt, was zu verbreiteter Unzufriedenheit führte. Die meisten Männer waren im Krieg eingezogen, sodass zunehmend Kriegsgefangene aus den besetzten Gebieten in der Landwirtschaft aushelfen mussten. Auch in Kippenheimweiler.

Die Frauen mussten neben den Jugendlichen und älteren Einwohnern verstärkt schwere Arbeiten verrichten und übernahmen sehr oft die Rolle der Männer.

Die Auswirkungen des Krieges rückten insbesondere ab 1943 näher. Die Versorgungslage verschlechterte sich zusehends und die Meldungen mit den Todesnachrichten der umgekommenen Soldaten nahmen mehr und mehr zu. Insgesamt sind im Zweiten Weltkrieg 38 Gefallene aus Kippenheimweiler zu beklagen, zudem blieben 14 Männer vermisst. In Kippenheimweiler starben außerdem sechs Zivilisten: Wilhelm Stubanus, Lina Surbeck, Jakob Zipf, Karl Fleig, Otto Hurter und Hilda Hurter durch Beschuss.

Ab dem Herbst 1944 nahmen die Angriffe aus der Luft bedrohlich zu. Die Luftangriffe der Jagdbomber (Jabos) wurden zur ständigen Gefahr für die auf dem Feld Arbeitenden.

Herbert Zipf erinnert sich:

Mir hän jo in Kippenewillert au Russe ghet, Gfangeni. Ins Lindewirts war au einer, un dr Gregor isch ins Burgermeischders gsi, der het a weng Ditsch kenne. Mir sin als Buebe mit dene Russe zamme gsi und hän däne Rauchware gänn, un dann hänn sie uns als ä weng Russisch glehrt un mir ihne Ditsch.


Normalerweise eine typische Männerarbeit: Lene Fleig geb. Weis beim Pflügen 1942

Hilde Schiff erinnert sich an die Luftangriffe:

Also anna 44 war des ganz schlimm am Schluss, nei anna 45, also do sinn die Jabos kumme, un mir hänn solle s’Feld bschdelle im Friejohr un wenn die kumme sinn, sinn mir glatt in d’Furche gläge, wenn mir nimmi widder kumme sinn underem Baum oder ebbis, also dert isch mr am Morge frieh furtgange un hett gschafft und gluegt. Die wu sie beerdige hänn miän, die sinn am Morge wenn’s angfange hett Dag z’wäre, beerdigt wore, will sich nieme under Tags meh nüs traud hett wäge dänne Jabos. Die sinn so schnall kumme un die hänn jo d’Zieg (Züge) beaast, dass in däne Personezieg kei Fenschter me gsieh isch. Also ich bin nimmi in dr Zug ghockt, ich hab mie Fahrrad gnumme un bin in d’Schuel gfahre uff Lohr.

Auch Werner Spathelfer (*1936) erlebte die Luftangriffe hautnah:

Bis Kopfe Hiesli, s’Herrod hinderi, isch nomol ä Iebergang gwäse, un däne het mr s’Kopfe gsait. Un der Mann het nur ei Arm ghan un war Schrankewärder dert. Un die Siefert Chrischtine hets Welschkorn rüskaue, zwei Welle, un mir dr Berthold und ich hänns miän middem Handwage hole. Jetzt sinn mir dohinde gwäse an dem Feld, des war direkt an dr Bahn. Uff eimol geht des los, sinn Flieäger kumme, un mir hänn gar nit genau gwisst, was do lauft, mir zwe. Un dann sinn die do obe ra im Schturzflug, un dann heschs, Jesis, die werfe jo Bombe, un dann heschs halt mitkrieägt, dass des d’Franzose sinn, un do hesch dü in die Flieger, die sinn so nieder gsieh un so noch bi uns do durchgfloge, hesch grad d’Pilode gsähne do drinnhocke. Un uff eimol isch dr Kopf z’ränne kumme un het gsait, schbinne ihr, Mensch Kinder, un het uns in dr Welschkornacker do rinnzoge. Un no sinn mir do halt do drinn ghockt, bis des fertig war.

 

Ingrid Karl: Im Prinzip ware ihr Kinder jo älleinig an dr Bahn, do war keiner dabie? Werner Spathelfer: Mir zwe ware ganz ällei, mir ware husse, des war kei teerder Weg, des war ä so ä Feldweg, do sinn mir gschdande un hänn halt zuegluegt, wie des war. Des war anna 44, do war ich acht Johr alt. Do hänn sie dr Bahnhof bumbadiert in Dinglinge. Un widder unde war nochämol ä Bahniebergang nach Mietersheim, do hänns Krampferts drinngwohnt, dr Vadder un d’Müdder vun dr Käthe, dr Krampfert Hans, die hänn do unde gwohnt, un der war au Schrankewärder, un der isch uffs Gleis gschdande un het der Zug halt anghalte, dass der nit widderfahrt, un no sinn d’Jabos kumme un hänn ne dert verschosse, uff dr Bahn isch er gschdande. Ja un dann sinn mir, des war jo dann rum, no het do unde alles graucht un brännt am Bahnhof, no het der uns des erklärt, dr Kopf, was do war, dass des dr Kriäg war, dass des d’Franzose ware, un dann isch minni Müdder un d’Chrischtin z’renne kumme un hänn gluegt, was los isch mit uns, will mir halt nimmi kumme sinn. Die hänn Angscht ghan um uns un do sinn mir halt wieder heim. Des war die erschti Berührung mit em Krieg. Ingrid Karl: Fir eich Kinder jetzt. Vorher au? Werner Spathelfer: Sunscht hänn mir gar nix erläbt vum Krieäg, gar nix mitkriägt, hesch als mol Soldade gsähne oder so. Un dann isch anna 44 im Friehjohr, des weiss ich noch guet, no isch ä Batallion kumme mit Lkw, un die sinn alli do gschdande in däre Schtrecki vum Siefert Schorsch, wu jetzt im Bliemli Rolf ghert, ab bis na zus Hebamme, zum Zipf Herbert, do sinn jo links und rechts kei Hieser gsieh, nur Feld, links Gärde un rechts Feld, un do sinn die Lkw alli gschdande drinn, ja, des ware ganz vill. Un vun dert ab hänn mir dann au kei Schuel meh ghan. Do hänn d’meischti Soldade in dr Schul als gschlofe, un d’Feldkuchi war im Schuelhof. Un dert war fier uns Buebe eigentlich d’schenscht Zitt. Do hänn mir am Morge frieh mit der Eimer dänne Soldate Wasser brocht, zum Rasiere un wäsche, un no hänn mir halt dert dr erschte Schoklad krieägt vun dr Ditsche Wehrmacht. Die sinn do schtationiert gwäse, un dr Leutnant war ins Schtulze, do bim Roth Eberhard in dem Hüs iquartiert. Un d’Schribschtub war in dr Schuel, au noch in dr Schuel drinn, oder im Rothüs, des weiss ich nimmi so genau. Un vun dert häm mir jo kei Schuel meh ghan, do war jo fertig.

Die in Kippenheimweiler 1944 stationierten Wehrmachtssoldaten errichteten Panzersperren im Dorf. Eine davon war in der Luisenstraße in Höhe des Anwesens Brunhilde Wenz. Der Graben war oben etwa vier Meter breit und drei Meter tief. Er lief spitz zu und war unten noch etwa einen halben Meter breit, sodass kein Panzer durchfahren konnte. Eine weitere Panzersperre befand sich in der Bahnhofstraße auf Höhe der Anwesen Zipf und Max Bayer quer über die Straße. Rechts und links der Absperrung waren Holzstämme, in der Mitte konnte eine Fahrzeugbreite durch Verschieben von Stämmen „aufgemacht“ werden.

Am 18. und 25. Februar sowie am 2. März 1945 beschoss feindliche Artillerie vom Elsass aus Kippenheimweiler. 28 Gebäude wurden schwer getroffen. Einer der Gründe war, dass auf der Bahnlinie ein fahrbares Eisenbahngeschütz zwischen Offenburg und Kenzingen ins Elsass feuerte und dadurch vermehrt feindliche Flugzeuge auf sich aufmerksam machte. Zudem war der Kirchturm des Dorfes ein willkommenes und weithin sichtbares Ziel. Eine der Granaten explodierte im Keller des Anwesens Jung bei der Kirche, drei Menschen starben dabei. Da im Dorf Fliegerabwehrkanonen standen, wurden auch diese Ziel der Angriffe.

Für die Zivilbevölkerung wurde es immer gefährlicher, im Dorf zu bleiben.


Kinder mit Lehrer Hermann bei der alten Schule mit den Wehrmachtssoldaten

Werner Spathelfer erinnert sich an die Evakuierung des Dorfes:

Un dann, im März 45, hets gheiße, des weiss ich noch guet, also s’isch jetzt letscht mol wu mir jetzt d’heim schlofe, un d’Soldade un minni Müdder und d’Geddel hänn dr Wage glade un s’Grebschde mitgnumme im Wage un sie hänne in dr Schier schdehn kahn, un am Morge hänn uns d’Soldade mit zwei Ross nach Schmieheim gfahre.

Ingrid Karl: Also mit mehrere dann au? Werner Spathelfer: Nit nur mir allei. Do sinn au vor allem d’Fraue, wu do kleini Kinder ghan henn, evakuiert wore. Un mir hänn jo ä weng Landwirtschaft ghan, zwei Kiäh un dr Hund d’heim, un Katze, un d’Hase, un d’Hiehner, un do het minni Müdder jede Morge middem Fahrrad dann rüsfahre mieäße zum Fuedere, d’Kieh fuedere un melke … Do sinn aber au älteri Männer vum Volkssturm im Dorf bliebe, d’heim bliebe un hänn des Dorf halt betreut un hänn als dr Viecher mol ä weng g’fuetert un Wasser gänn. Bi uns war ä Soldad schtationiert. Frog mich jetzt nit, was sie mit dr Milch gmacht hänn, ich weiss nur, dass d’Müdder als gsait het, sie muess rüs, melke. Wu sie si hien het, ob sie sie furt het oder was war midder Milch, des weiss ich nimmi. Un der Soldat het däno gsait, also sie brücht nit so frieh kumme, er duet sowieso sin Ross fuerdere un furdert unseri Kueh mit. Un no war des für d’Mueder halt schu guet. Fier uns Jungi war des a Gammelzitt. Do hänn mir au solle Schuel hahn. S’Fräulein Wöhrle war d’Lehreri, die isch au nach Schmieäh kumme, un do bisch halt ämol in d’Schuel gange un mol nit. Ingrid Karl: Die het aber au kei Ieberblick kahn? Werner Spathelfer: Nei, mir ware inere Schtub gsesse, im Winkel hinde. Des war halt ä wilde Zit, des war eigentlich ä schöni Zit für uns Kinder im Prinzip, gell. Ja, un uff eimol hesch ghert, dass d’Soldade, dass dr Kriäg zu Ende geht. Des verliere mir, der Krieäg, hesch aber wieder nix denkt als jungi Kerli, als jungi Buebe, mir ware jo relativ jung. Un no ischs losgange, no hets gheiße, jetzt kumme sie. Lohr isch heiß umkämpft wore. Un erscht fünf Dag schbäter sinn sie durch, no war dr Krieäg rumm. Also die hänn uns do alli guet uffgnumme in dem Schmieäh, deshalb hab ich au immer ä Hang ghan, friejer, uff des Schmieäh. Do war ich 9 Johr alt, des denkt mir guet.

Als die Franzosen kamen, war Herbert Zipf mit seinem Vater Hermann Zipf und Georg Scheer gerade im Dorf, um den Tieren in den Ställen Futter und Wasser zu geben:

Un die Schtier hän drei Dag nix z’Fresse ghet, und dr Schärschorsch, im Scheer Walter sin Vadder und min Vadder un ich. Un ich habs Hai (Heu) owera min werfe und hän däne Schtier ämol jedem ä Eimer Wasser gänn, dass sie ebbis z’süffe ghet hänn. Un dann simmer nieber uff dr Bunker. Un als mir uffem Bunker driewe ware, sin Panzer schun ins Dorf rigfahre. Un denn hänn sie jo s’Schtuders Hüs angschosse und des isch abbrännt ä Schdick, Schdüders, owe an dr Bahnhofstroß. No het dr Vadder gsait: „Dü, jetzt wird’s aber g’fährlich, jetzt miä mr aber ränne.“ Mir sin an dr Kirch grennt, do hän uns die Panzer nimmi gsene, in dem Moment isch grad ä MG-Salve ragange. Dann sin die Franzose mit dr Panzer durch und die Infantrie, wu bo dr Franzose war, die hän s’ganze Dorf durchkämmt nach ditsche Soldate.

Werner Spathelfer über den Einmarsch der Franzosen

Un dann hänn sie riehgschosse, midder Panzer vum Rebweg hinde un ieber dr Bahn hänn sie riehgschosse, hänn ins Schdüders Hüs (Franz Studer, Bahnhofstraße) niehgschosse, un no hets s’Hüs halber oder fascht abbrennt, uff jede Fall wars halt nimmi zum Bewohne. Un dann war d’Saar Line (Karolina Saar, *1865) im letzte Hüs im Rebweg, un die het Muet kahn. Die het ä Liänduch an dr Bäse ghängt, an dr Schdiehl, oder an dr Bäse halt, un hets obe s’Biehnifenschder nüsghebbt am Rebweg, un des war’s Zeiche, dass nieäme me do isch, dass mir uffgitt. Un no war die Panzerschberri au uff. Dann hänn sie nimmi gschosse un sinn langsam riehgfahre, un hänn dann halt Wylert ieberall durchkämmt un no war nix, un no sinn sie hinde am Dreschischopf, also am Schdierschdall derthinde, do hänn sie sich gsammelt, d’Soldade un d’Panzer, bevor sie Richdung Bahnhof sinn, s’Wurthe nuff sinn.

So ging der Zweite Weltkrieg mit all seinem Leid, seinem Schrecken und Terror auch in Kippenheimweiler zu Ende.