Das Hatschepsut-Puzzle

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Das Ende des Anfangs
AHMOSE (ca. 1547 – 1525 v. Chr.)

Fast 20 Jahre sollte es dauern, bevor Ahmose den letztendlichen und endgültigen Befreiungskampf gegen die Hyksos führen sollte. Der Augenblick dafür war günstig, als Apophis, der starke Gegenspieler seiner Vorgänger, verstorben und dessen deutlich schwächerer Nachfolger Chalmudi einige Jahre im Amt war.

Als die militärische Aufmerksamkeit der Hyksos in deren vorderasiatisches Kerngebiet gelenkt worden war, zog Ahmose gegen die ägyptische Hauptstadt der Fremdlinge in Auaris, dem heutigen Tell ed-Daba im Ostdelta, und überraschte die Fremdherrscher.

Von den genauen Geschehnissen im 18./​19. Regierungsjahr des Ahmose bei Auaris wissen wir nicht viel. Nach der Einnahme von Auaris ließ Ahmose das Delta sichern und verfolgte die flüchtenden Hyksos nach Scharuhen, einer südpalästinischen Stadt, 25 km südlich von Gaza, die die Ägypter drei Jahre lang belagerten. Ägypten war nach 100 Jahren wieder vollständig in ägyptischer Hand, der Sinai stand unter pharaonischer Kontrolle und das Land am Nil begann in Vorderasien erneut an Bedeutung zu gewinnen.

Ahmose wurde aufgrund der erfolgreichen Vertreibung der Hyksos bereits im Altertum als Begründer eines neuen Herrscherhauses (18. Dynastie) und eines neuen Zeitalters (Neues Reich) verstanden.

Nachdem Ägyptens Vormachtstellung im eigenen Land und im Norden gesichert war, erlangte Ahmose auch die Oberherrschaft über Nubien zurück – und damit den Zugang zu den begehrten Goldminen und Steinbrüchen.

In Ägypten begannen die Restaurierungsarbeiten, da in der Zeit der Hyksos viel vernachlässigt worden war: Verwaltung, Ackerbau, Handel und religiöser Kult mussten z. T. wiederbelebt und sowohl auf die neu gewonnene Einheit als auch auf ein neues globales und international orientiertes Denken ausgerichtet werden. Ahmose ersetzte Hyksostreue gegen loyale Beamte, ließ die völlig vernachlässigten Kanalsysteme wieder instand setzen und knüpfte an Handelskontakte der Vergangenheit an. Schließlich verfügte Ägypten erneut über Lapislazuli aus Zentralvorderasien, Türkis aus dem Sinai und Zedernholz aus dem Libanon.

Bei der Wiederherstellung der vernachlässigten Kulte scheint Ahmose in Oberägypten begonnen zu haben und die wenigen ihm noch verbliebenen Jahre reichten nicht aus, um das geistliche Leben wieder flächendeckend zu alter und neuer Blüte zu führen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde in religiöser Hinsicht dem Gott Amun und seinem Tempel im heutigen Dorf Karnak bei Luxor entgegengebracht, denn in Amuns Namen war der Krieg gegen die Hyksos geführt und gewonnen worden, weshalb ihm dafür außergewöhnliche Dankbarkeit gebührte. Schon Kamose errichtete seine berühmten Stelen im Tempel von Karnak, Ahmose fügte eine weitere hinzu und ließ ihm reiche Kriegsbeute zukommen.

Nach Jahrzehnten des Krieges und vielfältiger schmerzhafter, persönlicher Opfer hatten die Ahmosiden endlich die Einheit des Landes wiederhergestellt – das war ein Ziel, das dieser Familie so wichtig war, dass sowohl Seqen-en-Ra als auch Kamose ihr Leben für die Umsetzung gegeben hatten. Aber der Fortbestand der Dynastie ruhte auf tönernen Füßen.

AMENOPHIS I. (ca. 1525 – 1504 v. Chr.)

Als Amenophis I. den Thron seines Vaters erbte, war Ägyptens Einheit erst drei bis vier Jahre jung und damit noch instabil. Aber tendenziell war das Land auf dem Weg, wieder ein selbstbestimmtes und geeintes Reich zu werden. Es verfügte über seine alten Grenzen und hatte auch seine Bedeutung im vorderasiatischen und nubischen Ausland wiedererlangt. Nachdem das Innere soweit wie möglich konsolidiert war, war es nun Amenophis’ Aufgabe, den Einfluss Ägyptens auf seine Nachbarländer zu sichern und auszubauen und das begonnene innere Einigungswerk weiter voranzutreiben. Ägypten war wieder in zwei große Verwaltungsbereiche (Ober- und Unterägypten) aufgeteilt, denen jeweils ein Wesir vorstand. Die außenpolitische Situation Ägyptens war gefestigt.13

Amenophis I. gründete die Arbeitersiedlung Deir el-Medina (Abb. 8), in der die Männer mit ihren Familien lebten, die bis zum Ende der 20. Dynastie (um 1100 v. Chr.) die Gräber von Theben-West schufen. Die Menschen hier verehrten ihn und seine Mutter Ahmes Nefertari als Gründer und Schutzpatrone ihrer Stadt.

Amenophis I. starb etwa im Jahre 1504 v. Chr. Er hinterließ keine lebenden Kinder, die die Dynastie der Ahmosiden direkt fortsetzen sollten. Seine Mutter Ahmes Nefertari hatte ihren Sohn überlebt und war nun die mächtigste Frau im Reich. Es war offenbar an ihr – in Abstimmung mit der Elkab-Connection – den Mann zu bestimmen, der von nun an die Geschicke Ägyptens lenken sollte, und der es schaffen würde, in einer politisch schwierigen Situation klug zu handeln. Einen Mann, von dem Großes zu erwarten war. Diesen Mann fand sie in Thutmosis I., Hatschepsuts Vater.

Abb. 8 Die Arbeitersiedlung von Deir el-Medina gilt als eine Gründung von Amenophis I. Hier lebten die Männer mit ihren Familien, die die Königsgräber der 18. bis 20. Dynastie im thebanischen Westgebirge schufen. Luxor, Theben-West, Deir el-Medina.

Die Familie
DER VATER

Obwohl Hatschepsuts Vater, Thutmosis I. (Abb. 9), heute als dritter Herrscher der 18. Dynastie gezählt wird, war er doch tatsächlich deren biologischer Begründer. Es steht außer Frage, dass er – oder sein Vater – bereits zu Lebzeiten von Amenophis I. eine bedeutende Rolle gespielt haben muss und dass er hohes Ansehen in den königlichen Kreisen genoss. Üblicherweise wurde in Fällen, in denen ein kinderloser Pharao verstorben war, der Wesir als Nachfolger eingesetzt und es ist überaus bemerkenswert, dass man diese Praxis nach dem Tod Amenophis’ I. bewusst nicht gewählt hatte. Thutmosis’ Vorgänger, zu denen er keine verwandtschaftliche Verbindung aufwies, gehörten bis einschließlich Amenophis I. den Ahmosiden und somit der 17. Dynastie an. Es ist eine nicht aus der Luft gegriffene Vermutung, dass das exzessiv-inzestuöse Verhalten der Ahmosiden über mindestens vier Generationen hinweg letztendlich zum Verlöschen dieser Familie geführt haben könnte.

Abb. 9 Thutmosis I., Hatschepsuts Vater, brachte frisches Blut in die Königsfamilie und bereitete die Weltmachtstellung Ägyptens vor. Sein Profil ist charakteristisch und bei vielen seiner Nachfolger ist die „thutmosidische Nase“ anzutreffen. Luxor, Karnak-Tempel, Open-Air-Museum.

Während Amenophis I. offenbar mit der Tradition brach, sich nach dem Mond zu benennen oder seinen Namen mit dem Mond als Bestandteil zu bilden, kehrte Thutmosis wieder dorthin zurück – wenn auch nur indirekt: Thutmosis’ Name ist mit dem Gottesnamen Thot (ägyptisch: Djehuti) konstruiert und Thot ist – neben seinen vielen anderen Aufgaben – ein Mondgott. Thot ist als Synonym für den Mond zu verstehen, sodass der Name „Thutmosis“ (ägyptisch: Djehuti-mes) mit „Mondkind“ zu übersetzen ist und sich inhaltlich nicht im Geringsten von „Ahmose“ (ägyptisch: Iah-mes) unterscheidet, was dieselbe Bedeutung hat. Schon allein durch die Namenswahl ließ Thutmosis erkennen, dass er inhaltlich-politisch an Traditionen anknüpfen, aber formal neue Akzente setzen wollte.


Abb. 10 Seni-seneb, Hatschepsuts Großmutter väterlicherseits, begleitet ihren Sohn Thutmosis I. bei einer Opferhandlung. Luxor, Theben-West, Deir el-Bahari.

Mit Thutmosis I. betrat nun eine genetisch unvorbelastete Familie die Bühne der Geschichte – und gründete ein biologisch neues Herrscherhaus. Seine Herkunft ist nicht geklärt. Auffallend ist, dass Thutmosis in offiziellen Texten zwar seine Mutter, Seni-seneb (Abb. 10), erwähnt, aber niemals seinen Vater, was darauf schließen lässt, dass dieser zum Zeitpunkt der Thronbesteigung seines Sohnes wohl nicht mehr am Leben war. Die sterblichen Überreste seines namentlich unbekannten Vaters vermute ich in der Mumie, die jahrhundertelang als die von Thutmosis I. selbst angesehen worden ist.14 1881 fand sie sich in einem Mumienversteck in Deir el-Bahari, das in der 21. Dynastie (ca. 1000 v. Chr.) im ehemaligen Felsengrab der Ahmes Inhapi (DB 32015) angelegt worden war, um die sterblichen Überreste von Königen und deren Familie aufzunehmen (vgl. Abb. 29) (HÖVELER-MÜLLER 2007: 79 ff.). Diese Mumie besitzt eine auffällige physische Ähnlichkeit mit Thutmosis II. und Thutmosis III., dem mutmaßlichen Sohn und Enkel des in Frage stehenden Mannes, sodass schon sehr früh eine enge Verwandtschaft angenommen worden ist (MASPERO 1889: 581 f.; SMITH 1912: 27). Unter anderem seine Armhaltung (ausgestreckt mit den [nicht mehr vorhandenen] Händen auf den Oberschenkeln nahe dem Schambereich liegend) und die praktizierte Mumifizierungstechnik weisen ihn als chronologisch zwischen Ahmose und Thutmosis II. stehend aus (SMITH 1912: 25 f.).16 Das Alter des nur 1,55 m kleinen und sehr grazilen Mannes wurde aufgrund der abgeriebenen Zähne, Spuren von Falten und weißlichen Haarstoppeln zunächst auf über 50 Jahre geschätzt.17 Aber Röntgenaufnahmen aus den frühen 1970er-Jahren zeigten, dass das Todesalter zwischen 18 und 20 Jahren gelegen haben muss (HARRIS/​WEEKS 1973: 132). 2008 wurde weiterhin deutlich, dass dieser Mann nicht nur nicht königlich war, sondern dass er außerdem an einer Pfeilverletzung gestorben ist.18 Vermutlich stand er im höchsten Dienst des Königs und erhielt nach einem Heldentod im Kriegseinsatz eine Bestattung in dessen engstem Umfeld. Für mein Verständnis ist es weiterhin nicht völlig von der Hand zu weisen, dass dieser – zweifellos bürgerliche – Vater ein Mitglied der Elkab-Connection gewesen sein könnte und vielleicht ebenfalls auf den Namen Ahmose hörte. In jedem Fall unterstützten die mächtigen Männer aus Elkab Thutmosis’ Thronbesteigung, denn einer von ihnen, der Bürgermeister dieser Stadt, wurde schließlich der Erzieher des Kronprinzen Wadj-mose.

 

Während man über die Identität von Thutmosis’ Vater ausschließlich Spekulationen anstellen kann, ist der Name seiner Mutter bekannt: Seni-seneb (vgl. Abb. 10). Dieser Name drückt inhaltlich den Wunsch aus, dass ein gewisser Seni gesund sein möge. Auf der Suche nach diesem Seni stößt man auf thebanischem Gebiet auf einen Mann dieses Namens, der unter Amenophis I. Bürgermeister von Theben war.19 Da nun im alten Ägypten Kinder nicht selten nach ihren Eltern oder Großeltern benannt worden sind, ist es theoretisch möglich, die Königsmutter Seni-seneb mit der Familie des amtierenden Bürgermeisters der Hauptstadt in Verbindung zu bringen. Interessanterweise wird dieser Seni unter Thutmosis I. zum „Vizekönig von Nubien“ befördert und stirbt unter der Regierung von Thutmosis II. Wir dürfen mit einiger Vorsicht die Frage stellen, ob es nicht durchaus möglich ist, in diesem hohen Beamten Seni einen Verwandten, vielleicht sogar einen Bruder, von Seni-seneb und damit eventuell den Onkel von Thutmosis I. zu erkennen.

Thutmosis I. war zwar nicht der biologische Sohn und Erbe seines Vorgängers Amenophis I., doch ganz sicher sein ideeller: Er verstand es, die Pläne seines Vorgängers weiterzuführen und den Grundstein für eine völlige neue Dimension der ägyptischen Machtentfaltung zu legen – zum ersten Mal in der bis dahin rund 1.500-jährigen Geschichte Ägyptens griff das Land weit über seine eigenen Grenzen hinaus und wurde zu einer Weltmacht. Thutmosis I. war die Verkörperung eines neuen ägyptischen Selbstbewusstseins und der Begründer einer Weltpolitik, die dem Land am Nil von nun an einen gefürchteten Platz unter seinen Nachbarn sicherte. Die Zeit, in der Ägypten im eigenen Land gefangen gehalten worden war, sollte endgültig vorüber sein. Wie der Nil in der Überschwemmungszeit bäumte sich Ägypten unter Thutmosis I. auf und bahnte sich seinen Weg zu einem bis dahin nie gekannten Ansehen.

Seine Krönung feierte Thutmosis am 21. Tag des dritten Monats der Aussaat-Jahreszeit seines ersten Regierungsjahres (etwa der 9. März 1504 v. Chr.), wie er etwa Turi, den damaligen Vizekönig von Nubien, wissen ließ (SETHE 1906: 80 f.). Die Grande Dame Ahmes Nefertari hatte Thutmosis als Nachfolger ihres Sohnes unterstützt und dürfte in den ersten Jahren seiner Regierung eine wichtige Rolle gespielt haben.

Thutmosis I. muss bereits vor seiner Thronbesteigung mit mindestens zwei Gemahlinnen verheiratet gewesen sein und mit beiden hatte er Kinder: Mit Ahmes eine Tochter Hatschepsut und mit Mut-neferet einen Sohn namens Thutmosis – den späteren Thutmosis II. Hatschepsut war das erste Kind für Königin Ahmes, denn sie bezeichnet sich selbst bildlich unzweideutig als „Öffner des Leibes“ (SETHE1906: 225, 228). Zwei Brüder, Wadj-mose und Amun-mose, sowie eine Schwester Neferu-biti sollten etwas später von Königin Ahmes geboren werden. Sowohl Hatschepsut als auch ihr Halbbruder Thutmosis waren zum Zeitpunkt der Machtübernahme ihres Vaters schon älter:20 Thutmosis muss maximal in seinen frühen 20ern und Hatschepsut vermutlich 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein. Daraus lässt sich schließen, dass Thutmosis I. bereits Mitte bis Ende 30 war, als er König wurde.


Abb. 11 Die schwangere Königin Ahmes, in deren Bauch sich die noch ungeborene Hatschepsut befindet. Luxor, Theben-West, Deir el-Bahari.

DIE MUTTER

Hatschepsuts Mutter trug den Namen Ahmes (Abb. 11) – ohne weitere Zusätze und Beinamen. Wie wir gesehen haben, hatte man in dieser Zeit eine starke Affinität zu diesem Namen und zum (Sinn-) Bild des Mondes entwickelt. Dieser Name war der bestimmende Personenname der High Society am Nil und lag um 1550 v. Chr. völlig im Trend – sowohl bei den Damen als auch bei den Herren.

Ahmes, die „Große königliche Gemahlin“ von Thutmosis I., führte nur den einfachen Hauptnamen und keinen identifizierenden Beinamen, der eine Gleichsetzung mit einer Prinzessin des ahmosidischen Königshauses erleichtern oder gar möglich machen würde. Als Titel trägt sie neben dem der Königin nur den einer „Königsschwester“, doch sie als Vollschwester von Amenophis I. zu verstehen, ist unmöglich, denn wäre sie die Schwester des Vorgängers ihres Mannes gewesen, wäre König Ahmose ihr Vater, wodurch sie den Titel „Königstochter“ hätte führen dürfen (vgl. Abb. 5). Diesen nennt sie jedoch niemals, was bedeutet, dass er ihr nicht zugestanden hat. Ahmes war also die Schwester eines Königs, nicht aber die Tochter eines solchen. Meines Erachtens besteht die einzige Möglichkeit, Königin Ahmes in dieser Familie zu verankern, darin, sie als Kind der verwitweten Ahmes Nefertari aus einer außerköniglichen Beziehung zu verstehen. Somit wäre sie nach der Thronbesteigung von Amenophis I. als dessen Halbschwester eine „Königsschwester“, aber keine „Königstochter“. Durch die Ehe zwischen Thutmosis I. und Ahmes erleichterte sie ihrem Mann den Weg auf den Thron.

Als Thutmosis I. der neue Pharao Ägyptens wurde, ernannte er Ahmes zu seiner Hauptfrau, zu seiner „Großen königlichen Gemahlin“, die von solcher Schönheit war, dass sie sogar den Göttern auffiel (SETHE 1906: 218 f.). Mit dieser Entscheidung war klar, dass einer ihrer Söhne, Wadj-mose oder Amun-mose, der Nachfolger seines Vaters werden würde. Für den Sohn der Mut-neferet war gleichzeitig der Weg zur Thronfolge abgeschnitten. Man kann sich vorstellen, dass diesbezüglich nicht nur Harmonie die Privatgemächer des Königspalastes erfüllte. Ein solcher „Luxus“ von mehreren Gemahlinnen hat immer wieder einige Könige das Leben gekostet: Mehr Pharaonen ließen ihr Leben vergiftet oder gemeuchelt im Schlafgemach als auf dem Schlachtfeld.

Der von Königin Ahmes geborene Wadj-mose wurde also der Kronprinz und designierte Nachfolger seines Vaters. Die engen Verbindungen zur Elkab-Connection lassen sich – wie erwähnt – durch den Umstand illustrieren, dass der Bürgermeister von Elkab, Pa-heri, der Erzieher dieses Prinzen war.

Hatschepsut – Prinzessin und Gottesgemahlin

Schon in seinem zweiten Regierungsjahr fuhr der neue König mit dem langgedienten Offizier Ahmose, dem Sohn der Ibana, aus Elkab in das Gebiet südlich des 2. Katarakts (vgl. Abb. 4), „um den Aufruhr in den Ländern zu bestrafen und um das ‚Schwellen des Armes’ (d. h. das Aufbegehren) des Fremdlandes fernzuhalten“(SETHE 1906: 8). Der alte Soldat hielt das Ergebnis dieses Feldzuges in seinem Grab fest: „Seine Majestät fuhr stromab, indem alle Länder in seiner Hand waren, jener elende nubische Nomade war mit dem Kopf nach unten aufgehängt am Vorderteil des Königsschiffes Seiner Majestät. Es wurde gelandet in Karnak.“ (SETHE 1906: 8 f.) An diesem vernichtenden Nubien-Feldzug hatten nachweislich die „Große königliche Gemahlin“ Ahmes und eine Prinzessin teilgenommen, die keine Geringere als seine jugendliche Tochter Hatschepsut gewesen sein kann (ROBINS 1996: 30 f.). Sie muss angesichts dieser Reise tiefe und nachhaltige Eindrücke gewonnen haben.

Thutmosis war kein König der Kompromisse. Nach dieser Demonstration ägyptischer Macht in Nubien, bei der ein toter aufständischer Fürst über 600 Nilkilometer vom 2. Katarakt bis weit hinein in das ägyptische Kernland für jeden sichtbar mitgeschleppt worden ist, muss den Nubiern zwangsläufig jeder Mut zur Auflehnung vergangen sein. Das Gebiet zwischen dem 4. und 5. Katarakt wurde die neue Südgrenze Ägyptens (vgl. Abb. 4).


Abb. 12 Thutmosis I. errichtete das erste Obeliskenpaar im Tempel des Amun, zwischen dem 4. und 5. Pylon. Von diesem Paar steht heute nur noch einer (links). Seine Tochter Hatschepsut ließ anlässlich ihres Thronjubiläums im 15. Regierungsjahr ein weiteres Paar aufstellen, von dem einer (rechts) heute noch steht. Luxor, Karnak-Tempel.

Auch die nördlichen Nachbarn beehrte Thutmosis mit einem Besuch des ägyptischen Heeres: Er erreichte den oberen Euphrat und überquerte als erster ägyptischer König in der Geschichte diesen Fluss. Kein anderer Pharao zuvor war jemals so weit nach Norden vorgedrungen wie er – und nur wenige sollten es ihm gleichtun. Ägyptische Stelen bei Karkemisch kennzeichneten jetzt die neue nördliche Grenze des Pharaonenreiches. Auf dem Rückweg jagte Thutmosis Elefanten im Nordosten von Syrien, deren Stoßzähne er nach Ägypten brachte.

An einem strategisch günstigen Ort an der Deltaspitze, in der alten Hauptstadt Memphis, richtete Thutmosis I. ein militärisches Hauptquartier und Ausbildungslager ein, in dem von nun an die Elite des ägyptischen Militärs in einer Art „Militärakademie“ trainiert wurde, unter ihnen auch die späteren Kronprinzen.

Thutmosis I. war ein Pharao, der über die altbekannten Grenzen hinausging – sowohl räumlich durch die Überschreitung des Euphrats als auch technisch, denn er war es, der im Tempel von Karnak ein Obeliskenpaar errichten ließ (s. Abb. 12). Ineni, der Architekt, der schon für seinen Vorgänger tätig war, realisierte für Thutmosis u. a. auch dieses logistische Mammutprojekt. Stolz berichtet er von dieser Meisterleistung: „Ich beaufsichtigte die Aufstellung der beiden großen Obelisken aus rotem Granit an den beiden Pylonentürmen des Tempels. Ich beaufsichtigte die Anfertigung des erhabenen Schiffes von 120 Ellen (ca. 63 m) in seiner Länge und 40 Ellen (ca. 21 m) in seiner Breite, um diese Obelisken zu transportieren. Sie kamen glücklich, wohlbehalten und heil und wurden in Karnak gelandet.“ (SETHE 1906: 56)

Als erster Pharao fügte Thutmosis I. dem sog. Horusnamen seiner Titulatur das Epitheton „Starker Stier“ hinzu, das diesen Namen einleitete. Dieser Bestandteil wurde fortan bis in die römische Zeit hinein verwendet.

Dieses Umfeld prägte die junge Prinzessin Hatschepsut in den ersten Regierungsjahren ihres Vaters. Die Amme der Hatschepsut war eine gut aussehende, grazil gebaute Frau mit üppigen langen Haaren, die auf den Namen Sat-Ra (oft auch als Sit-Ra wiedergegeben; „Tochter des Ra“) hörte und deren Spitzname In („Fisch“) war.21

Großen Einfluss auf die heranwachsende junge Frau hatte die Grande Dame Ahmes Nefertari (vgl. Abb. 7), die Mutter des verstorbenen Königs Amenophis I. Zwischen ihnen muss ein verwandtschaftliches Verhältnis bestanden haben, wie erste Untersuchungen ihres Erbguts ergaben22 – wahrscheinlich war Ahmes Nefertari Hatschepsuts Großmutter mütterlicherseits. Da Ahmes, Hatschepsuts Mutter, allerdings niemals den Titel „Königstochter“ führte, kann sie nicht die Tochter von Ahmose sein, sondern muss aus einer späteren Beziehung der Ahmes Nefertari stammen (vgl. Abb. 5). Ahmes Nefertari wählte Hatschepsut als ihre Nachfolgerin im Amt der „Gottesgemahlin“, was die besondere Verbindung zwischen ihnen einmal mehr unterstreicht. Außerdem war sie in den ersten Jahren von Hatschepsuts Vater, dessen Thronbesteigung sie unterstützt und vorangetrieben hatte, die machtvolle graue Eminenz im Hintergrund, denn sie befindet sich auf Darstellungen dieser Zeit stets hinter Thutmosis I.

 

Als Thutmosis I. nach zwölf Regierungsjahren verstarb, muss Hatschepsut Mitte 20 gewesen sein, und ihre beiden Brüder, Prinz Wadj-mose und Prinz Amun-mose, die Söhne von Ahmes, waren ebenfalls nicht mehr am Leben. Die Nachfolge trat der von der Nebenfrau Mut-neferet geborene Prinz Thutmosis an. Wäre Hatschepsut ein Mann gewesen, wäre sie problemlos ihrem Vater auf den Thron gefolgt – so aber diente sie lediglich als Wegbereiterin für ihren Halbbruder. Durch die Ehe mit ihr, der ältesten Tochter der Hauptehe des gemeinsamen Vaters, die außerdem die amtierende Gottesgemahlin war (Abb. 13), erhielt der Prinz seine Legitimation für den Königsthron, den er als Thutmosis II. bestieg (s. Abb. 14). Dem betagten hohen Offizier Ahmose Pen-Nechbet, einem Mitglied der Elkab-Connection, wurde die Erziehung der gemeinsamen Tochter übertragen, der diese Ehre in seiner Biografie erwähnt: „Ich zog ihre große Tochter, die Königstochter Neferu-Ra …, auf, als sie noch ein Kind war, das an den Brüsten lag.“ (SETHE 1906: 34) Es ist zu vermuten, dass Thutmosis II. und Hatschepsut bereits unter Thutmosis I. verheiratet wurden, um nach dem Tod der Prinzen Wadj-mose und Amun-mose eine reibungslose Übertragung der Macht sicherzustellen. Vielleicht war auch schon Prinzessin Neferu-Ra auf der Welt, als ihr Vater noch kein König war.

Abb. 13 Dieses Relief zeigt Hatschepsut als Gottesgemahlin des Amun und nicht als Pharaonin, weshalb es der mutwilligen Zerstörung entgehen konnte. Luxor, Karnak-Tempel, Open-Air-Museum.

Abb. 14 Die Krönung Thutmosis’ II: Götter haben dem neuen König die Rote Krone Unterägyptens auf das Haupt gesetzt und rücken diese nun zurecht. Luxor, Karnak-Tempel, Open-Air-Museum.

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