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Fuldaer Hochschulschriften

Fuldaer Hochschulschriften

Im Auftrag der Theologischen Fakultät Fulda herausgegeben von Jörg Disse in Zusammenarbeit mit Richard Hartmann und Bernd Willmes

Richard Hartmann (Hrsg.)

Bilderwechsel

Kirche – herausgefordert

durch ländliche Räume


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de

Gestaltung: Hain-Team, Bad Zwischenahn (www.hain-team.de)

Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg

ISBN 978-3-429-03544-0 (print)

ISBN 978-3-429-04664-4 (PDF)

ISBN 978-3-429-06073-2 (ePub)

Inhalt

Vorwort

Dagmar Denker

Einführung

Richard Hartmann

Zeichen der Zeit : Neu sehen

„Bilderwechsel“ – Akzente zur pastoralen Neuausrichtung im Spiegel ausgewählter aktueller Verlautbarungen deutscher Bischöfe

Hubertus Schönemann

Zeichen der Zeit sehen

Gerhard Stanke

Landsichten

Stärken und Schwächen unserer Dörfer – Wie könnte ein Fitnessprogramm für die Zukunft aussehen?

Gerhard Henkel

Der ländliche Raum im Wandel von der Industrialisierung bis zur Globalisierung

Alois Glück

Gestaltwandel

Bilderwechsel – Des Kirchtums neue Kleider: Wie Kirche sich landläufig neu gestalten kann

Stefan Weyergraf gen. Streit

Damit Kirche in der Fläche bleibt: Das Modell der Verbände bietet eine große Chance für eine zukunftsfähige Landpastoral

Richard Stefke

Partizipation und Innovation in ländlichen Räumen am Beispiel bürgerschaftlichen Engagements. Der Verein „Hilfe von Haus zu Haus“

Maria Hensler

Der Beitrag der Landvolkshochschulen im Prozess der Kirchenentwicklung am Beispiel der katholischen Landvolkshochschule „Anton Heinen“ Hardehausen

Stephan Kreye

„Kirche in der Fläche“ als Schwerpunktthema im Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland

Jürgen Schilling

Theologische Einsichten

Gottes Landpastoral: Was macht ein Stadtbewohner auf dem Land?

Hans-Joachim Sander

Land ist mehr

Birgit Hoyer

Konzeption der konzeptionellen Offenheit: Herausforderungen – Nachfragen – Konkretionen

Richard Hartmann

Autorenverzeichnis

Vorwort

Dagmar Denker

Es mag sein, dass „Land“ und „Stadt“ einmal sehr unterschiedliche Lebensräume waren – zumindest in den Bildern, die wir in uns tragen. Das habe ich als „westfälisches Landei“ sehr eindrücklich erlebt. Wir spielten im Dorf auf dem Hof und auf der Straße, jeder kannte jeden, alles war vertraut und geregelt; wir feierten zusammen und weinten gemeinsam, wir kauften in „unserem“ Laden, gingen in „unsere“ Kirche.

Natürlich erlebten wir alle die Kehrseite dieser Idylle: soziale Kontrolle, Engstirnigkeit, sehr begrenzte Freiräume, wenig Mobilität ∇ eine kleine Welt eben. Aber es waren und sind doch vor allem die positiven Bilder, die blieben − schöngefärbt und schöngeredet. Die „große“ Stadt, damals in unerreichbarer Entfernung (40 Kilometer), war Reiz und Bedrohung zugleich.

Es ist kein Geheimnis, dass diese Bilder heute nicht mehr stimmen – und vermutlich die Wirklichkeit immer nur sehr unzureichend abgebildet haben. Dennoch verstärkt sich der Eindruck, dass sich ein nicht unerheblicher Rest dieser Vorstellungen erhalten hat und gepflegt wird; nicht zuletzt, weil wir uns nicht davon trennen wollen. Ein Rest an Nestwärme und Idylle möchten wir uns nur allzu gern erhalten.

Ähnlich gilt das auch für unsere religiösen Sehnsüchte und Vorstellungen. Auch da sehnen wir uns allzu oft nach Bildern der Vergangenheit, die sich in der Rückschau mehr und mehr verklären und die Wirklichkeit verschwimmen lassen. Umso bedeutsamer ist es, bei allen pastoralen Fragen (eine) Wirklichkeit wahrzunehmen, die möglichst unbelastet ist von überholten Bildern, übersteigerten Ängsten und gepflegter Wehmut. Es geht um eine Wirklichkeit, die geprägt wird von Menschen dieser Zeit, in diesen Sozialformen, mit ihren Ängsten und Sorgen, ihrer Trauer und Angst dieser Tage.

Wie werden wir die Frage nach Gott in Zukunft (noch) vernehmbar und überzeugend stellen können? Wie werden wir das Evangelium lebendig halten und weitersagen? Wie und wo werden wir miteinander unseren Glauben feiern – in 10 Jahren, in 20 Jahren, in der kommenden Generation? Wie werden wir als Kirche weiterhin im Leben der Menschen in unterschiedlichen Lebensräumen Bedeutung haben? Das sind die eigentlichen Fragen, die sich hinter all den Bemühungen um die Pastoral und eben auch hinter dem Schlagwort der „Landpastoral“ verbergen.

Wir haben inzwischen verstanden, dass wir bei allen pastoralen Überlegungen sehr viel genauer hinschauen müssen auf die Lebensräume, die Menschen prägen und die von Menschen geprägt werden; dass wir die differenzierten Lebensentwürfe wahrnehmen müssen, die sie entwickeln, und dass wir gefordert sind, Wege zu finden, mit ihren veränderten Lebensumständen umzugehen: mit Vereinzelung, zerbrochenen Biografien und brüchigen Beziehungen. Immer wieder in Erinnerung rufen müssen wir uns, dass wir auf all diese bedrängenden Fragen nur dann eine Antwort geben können, wenn unser Suchen nach Antworten durchdrungen ist vom Vertrauen in einen Gott, der uns nicht jenseits dieser Wirklichkeit, sondern in den Menschen dieser Zeit entgegenkommt. Ich bin zutiefst überzeugt, dass in einem aufrichtigen und einem dem Menschen zugewandten Suchen für uns als Kirche die wirklichen Aufbrüche und die eigentliche Erneuerung liegen.

Das Hünfelder Symposion zur Landpastoral, das in diesem Band wesentlich dokumentiert wird, hat viele der oben aufgeführten Blitzlichter im Licht der Wissenschaft und der kirchlichen Dokumente in den Blick genommen und hinsichtlich einer zukunftsfähigen Pastoral beleuchtet. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zu all den Prozessen, die im Moment nicht nur im Bistum Fulda zu tief greifenden Veränderungen führen und führen müssen. Viele Beiträge dokumentieren darüber hinaus, dass es bereits viele sehr konkrete Ansätze und gelungene Antwortversuche gibt. Dennoch markiert diese Dokumentation nicht das Ende, sondern einen neuen Abschnitt eines interessanten Weges, den wir vor uns haben − der allerdings durch die Erfahrungen ebendieser Veranstaltung noch einmal neuen Schwung aufgenommen hat.

Einführung

Richard Hartmann

Der vorliegende Band hat eine doppelte Funktion: Er versteht sich einerseits als Tagungsdokumentation der Tagung „Landpastoral“ in Hünfeld vom 10.–12. Oktober 2011 und greift bewusst über die rein wissenschaftlichen Beiträge hinaus eine Vielfalt von Tagungselementen auf: neben der Predigt von Generalvikar Stanke auch Erfahrungsberichte oder gar ein Arbeitsprotokoll. Andererseits soll über den Charakter der Tagungsdokumentation hinaus das Thema in einen weiteren Rahmen gestellt werden, um die Herausforderung der Landpastoral zu neuen Handlungsschritten zuzuspitzen.

Im ersten Abschnitt „Zeichen der Zeit: Neu sehen“ legt Hubertus Schönemann in der Durchsicht bischöflicher Dokumente Texte vor, die verdeutlichen, wie wichtig eine pastorale Neuausrichtung ist. In deren Grundaussagen wird bereits spürbar, dass auch auf höchster Ebene pastorale, konzeptionelle und planerische Veränderungen als notwendig erkannt worden sind. Gerhard Stanke ordnet in seiner Predigt den Prozess in die Rezeption der Rede von den Zeichen der Zeit von Johannes XXIII. und die Aufgaben der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ ein und stellt die provozierende Frage, was uns hindert, heute diese Zeichen zu verstehen.

 

Der zweite Abschnitt „Landsichten“ wendet den Blick auf die Landerfahrungen selbst. Der renommierte Geograph Gerhard Henkel entfaltet – auf dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung und aus gegenwärtigen Begegnungen heraus – die Chancen und Herausforderungen der Landregionen. Er wirft mit uns einen Blick „aufs Land“. Bei der Tagung selbst konnten wir uns dies noch anschaulicher durch die von den Fernsehanstalten produzierten Bilder und Schemen vor Augen führen: Klaus Bassiner vom ZDF präsentierte Einblicke in die Serienproduktionen der öffentlichen und privaten Medienanstalten. Mit dem Referat des Vorsitzenden des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken Alois Glück, das beim Renovabiskongress vom 1.∇3. September 2011 in Freising gehalten worden war, nehmen wir die Erfahrungen jahrzehntelanger politischer Arbeit mit in den Band auf, die nicht unmaßgeblich geprägt war von der eigenen Lebensgeschichte in der Katholischen Landjugend- und Landvolk-Bewegung.

Mehrere Beiträge dokumentieren im dritten Abschnitt den „Gestaltwandel“. Der Theologe und Künstler Stefan Weyergraf gen. Streit, der etliche Projekte der Umgestaltung von Kirchen auf dem Land begleitet, gewährt auch in diesem Beitrag den Leserinnen und Lesern Einblick in die Erfahrungen, die der Blickwechsel nach sich zieht. Richard Stefke befasst sich mit dem Gestaltwandel aus Sicht der Verbände, Stephan Kreye wendet sich der Institution einer Land-Volkshochschule zu. Kirchliches Engagement auf dem Land kann, wie Maria Hensler zeigt, auch als klassisch bürgerschaftliches Engagement verstanden werden. Mit Jürgen Schilling richten wir den Blick auf die Evangelische Kirche, die mit ähnlichen Herausforderungen ringt.

All diese Erfahrungen führen zu etlichen theologischen Fragestellungen, denen sich im vierten, „Theologische Einsichten“ betitelten Abschnitt Hans-Joachim Sander und Birgit Hoyer widmen. Hans-Joachim Sander geht auf das Verhältnis von Stadtreligion und Landreligion ein und fragt nach den Orten Gottes und den Heterotopen. Birgit Hoyer sieht, dass das Land anders ist, anders als viele erwartete Idyllen und auch wesentlich konfliktbeladener. Als Erfahrungshintergrund dient ihr das Schicksal der Vertriebenen in den Dörfern.

Was folgt aus all dem? Im abschließenden Beitrag versucht Richard Hartmann die wichtigsten Herausforderungen zu benennen, um fast schon eine Agenda für die pastoralen Zukunftsentscheidungen vorzulegen. Wer sich dem Thema „Kirche auf dem Land“ stellt, wird sich doppelt „umschauen“ müssen: zunächst einfach im Sinne aufmerksamen Wahrnehmens, dann aber auch im Sinne einer neuen und veränderten Ausrichtung des Handelns.

Zeichen der Zeit: Neu sehen

„Bilderwechsel“ – Akzente zur pastoralen Neuausrichtung im Spiegel ausgewählter aktueller Verlautbarungen deutscher Bischöfe

Hubertus Schönemann

Kirche im Transformationsprozess

Unzweifelhaft befindet sich die katholische Kirche in Deutschland in einem tief greifenden und fundamentalen Transformationsprozess. Unabhängig davon, ob man ihn an einen von außen – durch die veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten – in Gang gesetzten und somit als „aufgezwungenen“ oder als einen von innen heraus im Sinne eines gestalteten Aufbruchs versteht: Das Selbstverständnis, die Strukturen und die pastorale Praxis der Kirche sind im Wandel. Alte Selbstverständlichkeiten werden im besten Sinne frag-würdig, Neues bricht sich Bahn. Wenn die in diesem Band vertretene These, dass sich der derzeitige Umbruchsprozess der Kirche in ländlichen Räumen am deutlichsten zeigt und von dorther zu neuen Perspektiven und zu neuen Haltungen und Handlungsoptionen für eine missionarisch-lernende Kirche führt, so mag es als orientierende Lesehilfe dienlich sein, den Blick auf die pastorale Situation in ländlichen Räumen auf dem Hintergrund von Akzenten wahrzunehmen und zu deuten, die deutsche Bischöfe in ihren jüngeren Verlautbarungen über den Wandel der pastoralen und kirchlichen Situation insgesamt derzeit setzen. Möglicherweise erschließt sich von dort her die pastorale Situation in der Fläche als theologischer Ort, der Ausgangspunkt eines neuen pastoraltheologischen Erkenntnisprozesses ist. Dies kann zu einer dem Evangelium und der veränderten gesellschaftlichen Situation gleichermaßen adäquaten kirchlichen Praxis führen.

Die entsprechenden bischöflichen Verlautbarungen haben die Gestalt von Hirtenbriefen, Predigten und Ansprachen, die in unterschiedlichen Situationen gehalten und/ oder veröffentlicht wurden. Die Befassung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch wurde bei der Auswahl der Texte auf einen Bezug zur grundlegenden Neuorientierung in der Kirche und auf eine gewisse geografische „Ausgewogenheit“ geachtet. So kommen Bischöfe aus Bistümern zur Sprache, die eine mehrheitlich volkskirchliche Situation aufweisen, aber auch Bischöfe aus Diasporadiözesen im Norden und Osten Deutschlands. Dies macht deutlich, dass der Transformationsprozess zwar kontextuell in unterschiedlicher Weise begriffen und angegangen wird, dass aber in den meisten Bistümern die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kirchlichen Zeugnisses erkannt worden ist.

Bischof Norbert Trelle, Hildesheim

Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle nimmt in seinem Hirtenbrief zur Österlichen Bußzeit 2011 die Vorbereitungen zum Bistumsjubiläum zum Anlass, über die Veränderungen kirchlicher Pastoral nachzudenken.1 In Aufnahme des prophetischen Wortes „Es kommt Neues, schon kommt es zum Vorschein, seht ihr es nicht“ (Jes 43,18) entwickelt er „Prozesse lokaler Kirchenentwicklung“ für das Bistum Hildesheim im Sinne einer induktiven Pastoral, wie sie beispielsweise im pastoralen Ansatz der „Small Christian Communities“ versucht wird. Damit sei gemeint, dass jeder Ort ein bestimmtes Charisma hat. Aufgabe der Kirche sei es, „diese Chancen und Aufbrüche gemeinsam zu entdecken, sie weiterzuentwickeln und zu fördern“. Bischof Trelle sieht christliche Gemeinschaft zukünftig in vielfältigen und unterschiedlichen Formen, die Integration möglich machen, die Gemeinschaften für andere sind und sich an Gotteswort, Gebet und Gottesdienst orientieren. Grundlegende Dimension der Kirche ist für Trelle die Taufberufung der Christen als Geistträgerinnen und -träger. Er wirbt für eine Kirche, die offen für zukünftige Veränderung ist und Vertrauen in Gott und aufeinander wagt.

Bischof Felix Genn, Münster

Bischof Felix Genn betont auf seiner grundlegenden Ansprache vor 800 pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums Münster2 die veränderten gesellschaftlichen und pastoralen Herausforderungen, die dazu führen, dass eine bestimmte Sozialgestalt von Kirche zu Ende ist, in der nämlich jeder Bürger einer Kommune ein getaufter Christ ist. Diese Selbstverständlichkeit ist vergangen. In dieser Situation bestehe die Gefahr, sich als Kirche der Entschiedenen auf eine „reine Herde“ zurückzuziehen. Vielmehr müsse die Kirche das Geschenk der christlichen Berufung bedenken und ihre missionarische Sendung leben. Ziel sei ein authentisches Glaubensleben in der Vertiefung der persönlichen Beziehung zu Christus, in der inneren Aneignung dessen, was im Credo bekannt wird. Genn votiert für eine lebendige Feier der Eucharistie, die im Zusammenhang einer gelebten Eucharistie gesehen und vollzogen werden solle. Mystagogie, so der Bischof, beinhalte, Gottes Gegenwart im Leben der Menschen entdecken zu helfen. Dies geschieht insbesondere, indem die Glieder der Kirche ihre Sendung wahrnehmen (Laienapostolat). Die Zusammenführung von Pfarreien ist ein „Weg, der helfen kann, leichter die oft unter sich bleibenden kleinen ‚Gemeindefamilien‘ auf die Menschen, die außerhalb davon sind, zu öffnen und im Zusammenwirken vieler Charismen neue Wege zur Verkündigung des Evangeliums wagen und beschreiten zu können.“ So entsteht durch den Einsatz von Hauptamtlichen, Charismen und Begabungen ein Netzwerk von Gemeinschaften und eine Synergie von Aktivitäten. Nach Genn muss es die Möglichkeit geben, das Glaubensleben in einer sehr großen oder ländlichen gegliederten Pfarrei dezentral zu gestalten. Beheimatung vor Ort und gleichzeitig Durchlässigkeit auf die größere Einheit hin ist das Erfordernis einer mobiler gewordenen Gesellschaft. Es müsse ein besseres Miteinander der Dienste und Ämter mit dem Ziel der Sensibilisierung für die Armen und der Vertiefung des Glaubens geben. Der Bischof von Münster wirbt für eine Kultur der Wertschätzung und des Vertrauens, für eine „Seelsorge mit Gesicht“. In diesen Zusammenhang gehören für ihn auch Überlegungen zur Teilhabe der Laien am Leitungsdienst. Im Bereich Liturgie betont Genn die Bedeutung des Wortes Gottes, des Gebets, der Schönheit der Liturgie, bei der insbesondere die Eucharistiefeier als Zentrum der Sammlung erlebbar wird. In der Katechese weist Genn den punktuellen Kontakten mit Menschen eine hohe Bedeutung zu und verweist auf die Bedeutung der Kasualien. Für ihn verbindet sich jedoch damit die Frage, wie man mit den Menschen in Kontakt kommt. Vertiefung und Erneuerung des Glaubens seien vorrangige Optionen. So sollten sich Pfarrgremien, Seelsorgeteams und Pastoralkonferenzen als „Glaubensgruppen“ verstehen. Schließlich legt Bischof Genn Wert auf den Dienst „mit“ den Armen: Kirche bleibt da lebendig, wo sie sich denen zuwendet, von denen sie rein äußerlich nichts zurückbekommen kann.

Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Osnabrück

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode nimmt im Geleitwort zu Beginn des Katechetischen Prozesses „Vom Wort des Lebens sprechen wir“ zu den Herausforderungen des heutigen Kirche-Seins Stellung.3 Sein primäres Ziel ist es, dass die Glieder der Kirche im Glauben erwachsen werden. Er verbindet damit ein Wachsen und Reifen in der Begegnung von Glaubenden und Suchenden. Im Weiteren beschäftigt den Bischof im Rahmen des Christ-Werdens, welche Türen geöffnet werden können, im Rahmen des Christ-Seins, wie ein Weg als lebenslange Glaubensvertiefung gestaltet werden kann. Christsein bekennen bedeutet für Bode Auskunftsfähigkeit und insbesondere die Entdeckung, Bildung und Stärkung glaubwürdiger Personen als Zeuginnen und Zeugen.

Erzbischof Hans-Josef Becker, Paderborn

In seinem Fastenhirtenbrief zur Österlichen Bußzeit 2010 „Die eigene Berufung entdecken und leben“4 stellt der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker den Prozess „Berufung 2014“ für sein Bistum in den Mittelpunkt. Angesichts der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gilt es zu „lernen, die Zumutungen, die uns begegnen, aus dem Glauben an Gott anzunehmen“5. Wir „können und dürfen […] jetzt nicht einfach so weitermachen wie bisher!“6 Manches muss zugrunde gehen, anderes entsteht neu. Entscheidend sei für kirchliches Tun „das wirkliche Rechnen mit Gott im Leben des Einzelnen und im Alltag der Kirche“.7 Wenn der Ausgangspunkt der Pastoral die Erkenntnis ist, dass Gott mit uns unterwegs ist zum Heil der Welt, so ergebe sich daraus als Auftrag jeder einzelnen Kirchengemeinde, sich für die Umgebung zu öffnen, Schwerpunkte zu setzen und ihre Grundmotivation zu klären. Es geht nicht darum, so Becker, im Sinne einer „additiven Pastoral“ alles noch mehr draufzusatteln, sondern vielmehr darum, „das übliche Programm zugunsten eines solchen Innehaltens zurückzufahren“8. Erzbischof Becker unterstreicht die Verantwortung aller Getauften. Es geht nicht um die Aufrechterhaltung aller kirchlichen Strukturen, Organisationen und Einrichtungen, sondern darum, den Glauben mehr als bislang ins Gespräch zu bringen und miteinander zu erfahren. Zu diesem Zweck müsse sich eine stärkere Kultur des Willkommens entwickeln sowie das Bewusstsein, als Christen und als Gemeinschaft von Gott angesprochen und in seine Gemeinschaft berufen zu sein. Die zentrale Kategorie ist für Becker eine Pastoral der Berufung. Die Berufung der Amtsträger ist theologisch und pastoral-praktisch auf dem Horizont und im Dienst der Berufung aller Getauften zu entfalten.

Mit diesen Überlegungen schreibt der Erzbischof die Gedanken weiter, die er unter dem Stichwort „Perspektiven 2014“ bereits beim Diözesanen Forum am 21. 11. 2009 entwickelt hatte.9 Die derzeitigen Veränderungen „berühren den theologischen und geistlichen Kern dessen, wozu die Kirche da ist.“ Es ist wichtig innezuhalten, um Zeitreserven und Freiraum zu gewinnen für eine nüchterne und schonungslose Analyse dessen, was im Sinne der Glaubenserneuerung und -vertiefung nottut. Dem Fortbestand des Glaubenslebens haben sich alle Formen und Strukturen, auch die der neuen pastoralen Räume, und auch die der kirchlichen Verwaltung, der Schulen, Hochschulen und sonstigen Bildungseinrichtungen, in Dienst zu stellen. Erzbischof Becker sieht die Notwendigkeit, hauptberufliche wie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche gut auszubilden und zu begleiten, sie vor allem zu befähigen, über ihren Glauben zu sprechen, ihre Glaubensfragen und Glaubenszweifel ernst zu nehmen, ihr Leben und das, was dazugehört, mit Kategorien des Glaubens deuten zu helfen.