Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

1.3.2Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung

Zum Verständnis des gesellschaftlich-politischen Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung liegt der allgemeine Konsens immer noch auf der abstrakten Ebene, der im Brundtland-Bericht vorgeschlagenen Definition:

Nach der Brundtland-Definition ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987).

Hiermit sind vier wesentliche Erkenntnisse verbunden:

 Der Schlüssel für die Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse liegt in der Auseinandersetzung mit den menschlichen Bedürfnissen (Bedürfnisorientierung), sowohl

 der gegenwärtiger als auch der zukünftiger Generationen (intergenerative Gerechtigkeit).

 Gleichzeitig ist hiermit die ethische Forderung nach einem Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern verbunden (intragenerative Gerechtigkeit) und

 die Einsicht verknüpft, dass ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen notwendig als eine innere Einheit zu sehen sind (integrativer Aspekt).

Diese Forderungen klingen zunächst trivial, in der Umsetzung liegt jedoch eine erhebliche Brisanz, weil zum einen die Bedürfnisse künftiger Generationen heute kaum abschätzbar sind und zum anderen ökonomische, ökologische und soziale Interessen häufig nicht zielkonform sind.

Für die Umsetzung schließt sich hier insofern die Frage an, ob alle Dimensionen gleichrangig zu betrachten sind oder einzelne als vorrangig angesehen werden müssen. Im politischen Raum hat sich in der Nachhaltigkeitsdiskussion diesbezüglich früh das „Nachhaltigkeitsdreieck“ (s. z. B. van Dieren 1995, vgl. Abb. 1.1) bzw. das „Drei-Säulen-Modell“ (EK 1998) durchgesetzt.


Abb. 1.1 Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Quelle: Van Dieren 1995, S. 120 – leicht verändert in Kanning 2005, S. 24).

Beide gehen davon aus, dass alle drei Dimensionen, d.h. wirtschaftliches Wachstum, ökologische Verträglichkeit und soziale Sicherheit, als gleichberechtigte Ziele zu betrachten sind, die miteinander in Balance zu bringen sind.

Wird aber die Nachhaltigkeitsvision ernst genommen, d.h. soll es langfristig darum gehen, die Lebensgrundlagen auch für nachkommende Generationen zu wahren, ist diese Gleichrangigkeit wissenschaftlich nicht haltbar (s. z. B. SRU 2002) und so habe – kritischen Stimmen zufolge – das „Nachhaltigkeitsdreieck (...) die Diskussion in eine Sackgasse geführt“ (BfW et al. 2009).

Theoretische Begründungen für die fundamentale Bedeutung der ökologischen Dimension sowie der damit untrennbar verbundenen sozialen Dimension finden sich insbesondere im Bereich der Ökologischen Ökonomie, die im Folgenden ausgeleuchtet wird. Daneben werden die ethischen Grundlagen der Nachhaltigkeit weiterführend in Kapitel 2 dargestellt.

1.4Theoretische Fundamente

Noch lässt sich eine nachhaltige Entwicklung weder aus den Gedankengebäuden der Naturwissenschaften noch aus dem Fundus der Wirtschafts- oder der Sozialwissenschaften umfassend ableiten, wie es Renn und Kastenholz (1996) bereits in einem frühen Beitrag herausgearbeitet haben. So fehlt bis heute eine konsistente, integrierte theoretische Fundierung einer nachhaltigen Entwicklung.

Die weitreichendsten theoretischen Beiträge finden sich im Bereich der Ökologischen Ökonomie, die etwa Ende der 1980er Jahre in den USA mit der Zielsetzung entstanden ist, die ökologischen und ökonomischen Wissenschaften wieder zusammenzubringen. Denn insbesondere in der durch die neoklassische Ökonomie gewachsenen Trennlinie zwischen den beiden Disziplinen wird eine Ursache für die mangelnde Nachhaltigkeit der modernen Gesellschaften gesehen (s. Costanza et al. 2001; van den Bergh 2000). So hat sich die Ökologische Ökonomie von Anfang an als „the science and management of sustainability“ bzw. die „Wissenschaft von der Nachhaltigkeit“ (Costanza et al. 1991; s. Lerch, Nutzinger 1998) verstanden, deren gemeinsame normative Basis das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung darstellt (s. z. B. van den Bergh 2000; Biesecker und Schmid 2001). Auf internationaler Ebene ist die Ökologische Ökonomie v.a. aus dem naturwissenschaftlichen Bereich heraus entstanden, im deutschsprachigen Raum spielt daneben die sozio-ökonomische Perspektive eine stärkere Rolle (s. z. B. Majer 1999; Busch-Lüty 2000).

Noch umfasst die Ökologische Ökonomie aber kein geschlossenes, allgemein geteiltes Paradigma fest gefügter Prämissen und Theorien. Vielmehr kann die für eine Theorierichtung noch recht junge Erscheinung als eine Disziplin im Entstehen begriffen werden, die sich gleichfalls weiter ausdifferenziert und weiter entwickelt. So sind die Beiträge, die international und national unter dem Label der Ökologischen Ökonomie oder – v.a. im deutschsprachigen Raum – auch mit der Erweiterung Sozial-ökologische Ökonomie firmieren, äußerst vielfältig und sowohl hinsichtlich der vertretenen Konzeptionen als auch der Methoden bewusst pluralistisch angelegt. Jedoch können einige grundlegende, richtungweisende Gemeinsamkeiten und Erkenntnisse herausgestellt werden, die sie von der Mainstream-Ökonomie fundamental unterscheidet. Die Ökologische Ökonomie wird deshalb auch als heterodox – d.h. von der herrschenden neoklassischen Lehrmeinung abweichend – charakterisiert (weiterführend s. Kanning 2005).

Als zentrales, gemeinsames Merkmal der Ökologischen Ökonomie kann die als „voranalytisch“ bezeichnete Vision hervorgehoben werden, das sozio-ökonomische System als Subsystem des übergreifenden ökologischen Systems zu betrachten, von dessen Produktiv- und Wertschöpfungskraft alles menschliche Wirtschaften lebt und auf das es sich auswirkt (s. Busch-Lüty 2000). Das sozio-ökonomische System wird also als in das ökologische System eingebunden und damit als von ihm abhängig betrachtet (Ökosystem-Konzept, vgl. Abb. 1.2).


Abb. 1.2 Umweltkonzept der neoklassischen Umweltökonomie und das Ökosystem-Konzept der Ökologischen Ökonomie (Quelle: Gabler 1998, leicht verändert in Kanning 2005, S. 57).

Während dieses Verständnis für die meisten Wissenschaften keine neue Erkenntnis ist, bedeutet es für Ökonomen einen fundamentalen Wandel im Denken, denn die auch heute noch in allen Hochschulen vorherrschende, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende, neoklassische ökonomische Lehre geht von der Vorstellung aus, das ökonomische System sei autonom.

Für die Nachhaltigkeitsdiskussion ist diese voranalytische Vision also von einem Wert, der in den Worten von Vertretern der Ökologischen Ökonomie „hinsichtlich seiner Bedeutung kaum überschätzt werden [kann]. Er impliziert eine grundlegend veränderte Wahrnehmung der Probleme der Ressourcenallokation und ihrer Lösungen. Insbesondere bedeutet er eine Verlagerung des analytischen Schwerpunkts von Ressourcen, die auf Märkten gehandelt werden, zu den biophysischen Grundlagen interdependenter ökologischer und ökonomischer Systeme“ (Costanza et al. 2001).

Mit diesem „neuen“ voranalytischen Verständnis lässt sich also die vorstehend aufgeworfene Frage nach der Gleichrangigkeit der drei Dimensionen leicht beantworten: Ohne die Funktionsfähigkeit und produktiven Kräfte des ökologischen Systems ist das sozio-ökonomische System nicht überlebensfähig.

Darüber hinaus lassen sich in den Ansätzen der Ökologischen Ökonomie drei grundlegende Weltbilder erkennen, von denen die verschiedenen Beiträge beeinflusst sind und aus denen unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende Erkenntnisse für den Weg zur Nachhaltigkeit gewonnen werden können.

Insbesondere die frühen Ansätze sind vom physikalischen Weltbild der Thermodynamik geprägt, das mit dem ersten Hauptsatz, dem Energieerhaltungssatz, bereits in den traditionellen Beiträgen der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomie die Basis für die „haushälterische“ Betrachtung von Stoff- und Energieströmen und damit die Effizienzstrategie (s. Kap. 1.4.3) liefert. Vertreter der Ökologischen Ökonomie ziehen hieraus eine weitere entscheidende Erkenntnis: Mit dem zweiten Hauptsatz, dem Entropiegesetz, lässt sich erklären, dass Prozessumwandlungen irreversibel sind, da die Entropie nur zunehmen oder gleich bleiben, jedoch niemals abnehmen kann (s. Daly 1990, 1994).

Dieses stellt einen entscheidenden Bruch gegenüber dem traditionellen ökonomischen, unbegrenzten Wachstumsdenken dar, denn hiernach sind dem materiellen wirtschaftlichen Wachstum physikalisch begründete absolute Grenzen gesetzt.

Allerdings sagen die physikalischen Gesetze noch nichts darüber aus, wann ein nachhaltiges Niveau des Material- und Energiedurchsatzes (Sustainable Scale) erreicht wird. Dieses kann letztlich nur auf der Basis der ökologischen Tragekapazität bzw. der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der natürlichen Umwelt ermittelt werden, die sich wiederum nicht mit rein naturwissenschaftlichen Methoden bestimmen lässt, so dass sich hier eine weitere Unbekannte findet.

Weitere Erklärungsbeiträge liefern die Ansätze, die vom biologischen Weltbild des Lebendigen geprägt sind, das im 20. Jahrhundert einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft eingeleitet und heute alle Disziplinen erreicht hat. Mit der Verbreitung der aus der Biologie begründeten Allgemeinen Systemtheorie (Bertalannfy 1968) hat sich die Vorstellung, dass alles determiniert ist und Entwicklungsprozesse exakt wie Maschinen berechenbar sind, als Fiktion erwiesen. Vielmehr erschließen sich Systeme nur durch einen ganzheitlichen Blick. Die Eigenschaften der konstitutiven Elemente sind nicht an ihnen selbst ablesbar, sondern resultieren aus ihrer Konfiguration. Die kausal wechselwirkenden Elemente bilden einen Funktionszusammenhang höherer Ordnung, der auf jedes einzelne Element zurückwirkt (s. z. B. Müller 1996). So ist der Ablauf evolutorischer Prozesse zwar logisch und nachvollziehbar, jedoch nicht determiniert und damit nicht prognostizier- oder gar zentral steuerbar.

 

In dieser biologisch begründeten Gedankenwelt findet sich eine weitere naturwissenschaftliche Erklärung dafür, dass der Entwicklung des ökonomischen Systems ökologisch bedingte Grenzen gesetzt sind. Denn allein das ökologische System ist aufgrund der ihm eigenen Produktivität in der Lage, negentropische, d.h. geordnete und nutzbare Strukturen aufzubauen. Die Ökonomie dagegen kann diese nicht selbst produzieren, sondern nur verbrauchen. Zusätzlich zu den mit dem klassischen thermodynamischen Weltbild begründeten absoluten Grenzen des materiellen Wachstums wird hiermit der Blick auf die selbstorganisierenden Reproduktionskapazitäten der ökologischen Systeme gelenkt, die eine lebensnotwendige Voraussetzung sind, ohne die eine Ökonomie langfristig nicht denkbar ist.

Gegenüber anderen Ansätzen der Evolutorischen Ökonomie, die sich im Allgemeinen nur auf das sozio-ökonomische System beziehen, legen Vertreter der Ökologischen Ökonomie mit dem ebenfalls aus der Biologie entnommenen Leitbild der ko-evolutionären Entwicklung den Betrachtungsschwerpunkt zudem auf die Interaktionen zwischen sozio-ökonomischen und ökologischen Systemen (Norgaard 1994; Costanza et al. 2001).


Abb. 1.3 Der Prozess der ko-evolutionären Entwicklung (Quelle: Norgaard 1994, S. 27, in: Costanza et al. 2001, S. 79).

Als entscheidend für das Verhältnis von Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie wird angesehen, dass sich die Teilsysteme Werte, Wissen, soziale Organisation, Technologie und die Umweltsituation jeweils selbstorganisierend weiterentwickeln und sich dabei gleichzeitig gegenseitig beeinflussen. Dieses lenkt den Blick darauf, dass Innovationen für den Weg zur Nachhaltigkeit nicht isoliert von einzelnen Unternehmen entwickelt werden können, sondern nur in und aus den jeweiligen Systemzusammenhängen heraus.

Neben den beiden naturwissenschaftlichen Weltanschauungen scheint in einigen deutschen Beiträgen ein weiteres philosophisch und ökonomietheoretisch geprägtes Weltbild durch, das sich zwischen Naturalismus und Humanismus bewegt und dementsprechend auch von einer anderen Begriffswelt geprägt ist. Begrifflich lässt sich dieses (noch) nicht präzise fassen, vereinfacht sei es im vorliegenden Beitrag als ‚naturorientiertes‘ Weltbild angesprochen, da es „um eine intelligente Orientierung an der Natur“ (Biesecker und Schmid 2001, S. 271; vgl. auch Isenmann 2003) geht und mit dem Leitbild der (Re-)Produktion theoretisch gefasst wird (Biesecker und Hofmeister 2010).

In diesen Beiträgen unterscheidet sich die Natur, die Wirtschaft und Gesellschaft umgibt, von dem naturwissenschaftlichen Ökologie- bzw. Ökosystemverständnis durch einen ganzheitlicheren Lebensbegriff, der auch den Menschen und das ‚gute Leben‘ umfasst. Das Nachhaltigkeitsprinzip wird hier als ein komplexes Lebensprinzip in seiner Funktion von Raum und Zeit verstanden, in dem alle Lebewesen miteinander in Beziehung verbunden sind und in dem die Produktivität des Lebendigen den Suchprozess der evolutionären Bewährung antreibt und steuert (s. Busch-Lüty 2000).

Philosophisch begründet ist der Mensch dabei einerseits Teil der Natur, andererseits kann er diese aber auch bewusst gestalten (dialektisches Verhältnis von natura naturans (Naturproduktivität) und natura naturata (Naturprodukt)) (s. Immler 1989). Hiermit sind zwei wesentliche Erkenntnisse verbunden:

Erstens lässt sich die Natur nicht schematisch in Quellen und Senken unterscheiden, wie es das (neo)klassische Input-Output-Denken impliziert, sondern die Prozesse stellen eine Einheit dar: So ist die „Produktion“ von natürlichen Ressourcen (Quellenfunktion) untrennbar mit der eigenen „Reproduktion“, d.h. den natürlichen Prozessen der Wiederherstellung und damit auch dem Abbau anthropogener Abfallprodukte (Senkenfunktion) verbunden. Hier findet sich also auch eine theoretische Begründung für das Prinzip der Kreislaufwirtschaft.

Zweitens bedingt jede ökonomische Handlung zugleich eine Veränderung der natürlichen Prozesse. Wirtschaftsakteure sind also gleichzeitig Gestaltende von Natur. Dieses wird über die physischen Dimensionen, d.h. die Stoff- und Energieströme, mit Hilfe eines (Re-)Produktionsmodells abgebildet (Immler und Hofmeister 1998; Biesecker und Hofmeister 2010).

Zur Gestaltung dieser Prozesse können Menschen und ihre Ökonomien zwar von Ökosystemen und ihren Organisationsprozessen lernen, was sie aus diesem Gelernten aber in welcher Art auf ihre eigenen ökonomischen und sozialen Organisationen übertragen, ist Sache sozialer Bewertungsprozesse. Eine Balance ist naturwissenschaftlich nicht vorgegeben, sondern diese ist vielmehr immer wieder durch neue gesellschaftliche Such- und Bewertungsprozesse herzustellen (Biesecker und Schmid 2001). Insgesamt ist die ökologische Dimension also untrennbar auch mit der sozialen verbunden.

Stark vereinfacht lassen sich aus den vorstehend blitzlichtartig skizzierten Theoriebausteinen zusammengefasst einige Schlüsselbotschaften zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse extrahieren:

 Die physischen Dimensionen des Wirtschaftens, d.h. die Stoff- und Energieströme, sind die Brücke zwischen Natur/Ökologie und Wirtschaft/Gesellschaft.

 Ein unbegrenztes materielles Wachstum ist physikalisch begründet nicht möglich.

 Ökonomie ist ohne die Funktions-/Reproduktionsfähigkeit der Natur nicht lebensfähig.

 Das Verhältnis von Wirtschaft, Gesellschaft und Natur wird durch die ko-evolutionäre Entwicklung der Teilsysteme bestimmt, die sich jeweils selbstorganisierend weiterentwickeln und dabei gleichzeitig gegenseitig beeinflussen.

 Natur kann nicht schematisch in Quellen (Input) und Senken (Output) unterschieden werden, Produktion und Reproduktion stellen eine Einheit dar.

 Wirtschaftsakteure/Unternehmen sind auch Gestalter von Natur.

 Weder sind die Reproduktionsleistungen der Natur naturwissenschaftlich vorgegeben, noch ist es die Balance zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Prozessen. Letztere muss durch gesellschaftliche Bewertungs- und Verständigungsprozesse kontinuierlich raum- und zeitspezifisch ausgehandelt werden.

1.5Orientierungen zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse

Die grundlegenden konzeptionellen Beiträge zum Nachhaltigkeitsleitbild sind im Wesentlichen in den 1990er Jahren erarbeitet worden und sollen in den folgenden Abschnitten skizziert werden.

1.5.1Nachhaltigkeitskonzepte

In den Wirtschaftswissenschaften sind sowohl im Rahmen der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomie als auch der vorstehend skizzierten Ökologischen Ökonomie populäre Nachhaltigkeitskonzepte entwickelt worden, die sich mit der Beziehung zwischen natürlichen Beständen (Naturkapital) und (künstlichem) Kapital befassen. Dabei bestehen insbesondere unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit Naturkapital durch (künstliches) Kapital substituiert werden darf, so dass die Spannweite der Konzepte vom nachhaltigen Wirtschaftswachstum bis zu Nachhaltigkeitsvorstellungen reicht, die jedweden Eingriff in die globalen Ökosysteme ausschließen (zur Übersicht s. z. B. Gawel 1996; SRU 2002; Kanning 2005).

Ausgehend von der Unkenntnis über Bedürfnisse und Wünsche künftiger Generationen argumentiert die neoklassische Ressourcen- und Umweltökonomie, dass es unerheblich ist, in welcher Form – ob natürlich oder menschengemacht – das „Gesamtkapital“ weitergegeben wird, solange sein aggregierter Geldwert nicht abnimmt. Mit dieser Interpretation, die auch als schwache Nachhaltigkeit (Weak Sustainability) bezeichnet wird, kann z. B. ein unveränderter Verbrauch an fossilen Energieträgern mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, dass der Energiebedarf zukünftiger Generationen mit Solarenergie gedeckt werden könne, obwohl die technischen Voraussetzungen dafür derzeit noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind (s. Nutzinger und Radke 1995).

Demgegenüber steht eine Interpretation des Begriffes, die keinerlei Substitution von natürlichem durch menschengemachtes Kapital zulässt. Dieses Konzept der sogenannten strikten oder starkenNachhaltigkeit (Strong Sustainability) bedeutet, keine nicht-regenerierbaren Ressourcen zu benutzen und regenerierbare Ressourcen nur unterhalb ihrer Assimilationskapazität einzusetzen (s. Nutzinger und Radke 1995).

Da beide Konzepte erhebliche Nachteile haben, wird von den Vertretern der Ökologischen Ökonomie ein weiterer Weg diskutiert, der auch als (kritische) ökologische Nachhaltigkeit bezeichnet wird. Diese Sichtweise erkennt die Notwendigkeit einer Substitution natürlicher Ressourcen kurz- bis mittelfristig an, jedoch darf dabei niemals ein kritischer natürlicher Ressourcenbestand unterschritten werden. Dieses zu beurteilen, erfordert eine differenzierte Betrachtung des Naturkapitals, getrennt nach erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen sowie den Umweltmedien hinsichtlich ihrer Aufnahmefähigkeit für Schadstoffe (s. Nutzinger und Radke 1995).

In der Nachhaltigkeitsdiskussion dominiert der letztgenannte Ansatz der (kritischen) ökologischen Nachhaltigkeit und findet sich in den sogenannten Managementregeln wieder.

1.5.2Managementregeln der Nachhaltigkeit

Über die abstrakte Ebene der Brundtland-Definition hinaus lassen sich die aus dem Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit abgeleiteten „Managementregeln der Nachhaltigkeit“ als konsensual herausstellen:

 „Regeneration: Erneuerbare Naturgüter (z. B. Holz oder Fischbestände) dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrer Regenerationsfähigkeit genutzt werden, anderenfalls gingen sie zukünftigen Generationen verloren.

 Substitution: Nicht-erneuerbare Naturgüter (z. B. Mineralien und fossile Energieträger) dürfen nur in dem Maße genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andere Materialien oder durch andere Energieträger ersetzt werden können.

 Anpassungsfähigkeit: Die Freisetzung von Stoffen oder Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme – z. B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane“ (BMU 1998).

Darüber hinaus werden auch weitere Regeln benannt. So wird – bezugnehmend auf die grundlegenden Arbeiten der Enquête-Kommission 1994 – häufig die Beachtung der zeitlichen Dimension als vierte ökologische Grundregel angeführt. Ergänzend fügte die Enquête-Kommisson 1998 noch eine fünfte Regel zur Stärkung der sozialen Dimension hinzu (ebd. S. 51). Auch in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden weitergehend zehn „Managementregeln der Nachhaltigkeit“ u. a. für die verschiedenen Akteure und Handlungsbereiche benannt (s. BR 2002a). Die meisten Arbeiten beinhalten jedoch die eingangs hervorgehobenen drei Managementregeln, so dass darüber vom Grundsatz her Konsens besteht (s. Atmatzidis et al. 1995; BR 1997).

Allerdings erfordert die Anwendung dieser für die globale Ebene formulierten Grundregeln räumlich differenzierte Betrachtungen. Insbesondere zur Beachtung der Regenerationsfähigkeit (Regel 1) sowie der Anpassungsfähigkeit (Regel 3) müssen die jeweiligen standörtlichen Spezifika einbezogen werden, was bisher allenfalls in Bezug auf einzelne Substanzen oder Substanzgruppen geleistet werden kann. Die Managementregeln können deshalb zwar als grobe Orientierung dienen, sie reichen aber nicht aus, um hieraus konkrete Handlungsanweisungen für einzelne Akteure abzuleiten. Ein wesentliches Problem liegt zudem in dem rein materiellen Verständnis von Gesellschaft als stoffliches und energetisches Input-Output-System, in das sich immaterielle Faktoren wie die Kommunikation als wesentlicher Bestandteil gesellschaftlichen Lebens nur schwerlich integrieren lassen (s. Fischer-Kowalski 1997). Auch gehen die in der Agenda 21 formulierten Handlungsbereiche weit über diese ressourcen- bzw. stoffbezogenen Grundregeln hinaus, so z. B. die in Kapitel 15 geforderte Erhaltung der biologischen Vielfalt (s. BMU o.J.).