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Zwanzig Jahre sind seither vergangen, zwanzig Jahre mit persönlichen Erzählungen vieler unterschiedlicher Menschen, einschließlich verschiedener Erzählungen derselben Menschen, da sie wieder und wieder zurückgekehrt sind. Manche Geschichten handeln davon, jüdisch zu sein und Familienangehörige in den Lagern verloren zu haben; einige erzählen davon, deutsch oder polnisch zu sein, schwul oder Roma. Viele der Teilnehmer haben nur ein flüchtiges Verhältnis zu dem, was in Auschwitz geschah, aber auch sie haben ihre Geschichten über Erlebnisse, die ihr Leben gezeichnet haben. Ich erinnere mich an eine Frau aus Europa: Sie weinte immer wieder vor Kummer über die zerbrochene Beziehung zu ihrem Vater, die bis zu dessen Tod nicht mehr in Ordnung kam. Unter Schluchzen entschuldigte sie sich dafür, an diesem Ort nicht über die Mordtaten und den Genozid zu sprechen, sondern über einen persönlichen Verlust, der sich viele Jahre später ereignete.

Deutsche Teilnehmer sprachen über die Geheimnisse in ihren Familien; Polen sprachen über das Schweigen in ihren. Palästinenser und Indianer klagten zornig über den Verlust ihres Landes; Ruander beweinten ihr eigenes Massaker. Wer hatte keine eigene Geschichte von Verlust – eines Sohnes, einer Tochter, eines Elternteils, einer Zukunft? Wer wurde nicht alles beschuldigt? Nazis, Deutsche, Polen, Israelis, Europäer, Amerikaner, Präsident Clinton, Saddam Hussein und ja, selbst Juden. Was wurde im Laufe dieser Retreats nicht alles zum Ausdruck gebracht? Ärger, Wut, Selbstgerechtigkeit, Empörung. Es ist so einfach, sich beleidigt zu fühlen, zumal durch triviale Ansichten, die kaum die Oberfläche zu berühren scheinen, auch durch ein plötzliches Lachen oder albernes Geschwätz von Menschen, die für einen Moment vergessen, dass sie mitten auf dem größten Friedhof der Welt stehen.

Bestimmte Wörter – wie Heilung und Transformation – tauchten öfter auf. Man besucht einen riesigen Friedhof nicht, um Heilung zu finden, wütete ein Teilnehmer in einem Jahr. Ich stimme zu, und doch kann es dazu kommen. Mit der Zeit wurde das, was vor zwanzig Jahren damit begann, dass ich meine eigenen Toten beklagte und das Schicksal der europäischen Juden betrauerte, zu etwas ganz anderem. Der Ort, an dem Leben und Tod zusammenkommen, birgt große Kraft in sich. Wie wirst du diesem Ort begegnen, habe ich mich Jahr um Jahr im November erneut gefragt. Die Antwort fiel jedes Mal anders aus, denn diesem Ort begegnen bedeutet meinem eigenen Selbst in der Gestalt von Auschwitz begegnen.

Tut diese Arbeit nicht für euch selbst oder für die Menschen, die kommen, sagte Rabbi Zalman Schachter-Shalomi, Gründer der jüdischen Erneuerungsbewegung, als Bernie 1996 mit ihm über dieses erste Retreat sprach. Tut sie für die Seelen, die noch dort sind.

USA (1994 + dann oft ab 1996)

Manfred Deselaers

Gesegnet sind die Peacemaker …

Seit 1990 lebe ich in Oświęcim, in der katholischen Gemeinde Mariae Himmelfahrt, und seit 1995 arbeite ich als Seelsorger am Centrum für Dialog und Gebet (CDiM). Von Anfang an habe ich die Peacemaker-Retreats mitbekommen, zunächst aus großer Entfernung. Ich hörte in den neunziger Jahren von Piotr Wrona, Priester und damaliger Direktor des CDiM, dass eine amerikanische internationale buddhistische interreligiöse Gruppe mit jüdischen Wurzeln (oder so ähnlich, wörtlich erinnere ich mich nicht mehr) Besinnungstage in Auschwitz plane und durchführe. Darunter vorstellen konnte ich mir nichts.

Dann kam es zu zufälligen Begegnungen, zu Gesprächen am Rande, zu Einladungen und schließlich irgendwann zu der Bitte, die Rolle eines Christian Spirit Holder – eines christlichen Hüters des Retreat-Geistes – zu übernehmen.

Oft habe ich später gesagt, dass für mich diese Retreats der Peacemaker zu den wichtigsten Geschehnissen in Auschwitz und Birkenau gehören. Warum?

Es gibt wenige Gruppen, die so intensiv „auf die Stimme dieser Erde hören“. Besichtigung, natürlich. Begegnungen mit Zeitzeugen gibt es sonst auch oft. Aber schweigend auf der Rampe sitzen, von Zeit zu Zeit Litaneien von Namen der Ermordeten vorlesen … Meditierend den Raum erfahren, an verschiedenen Stellen sich immer neu der vielen verschiedenen Dimensionen bewusst werden … Das ist ein so intensives Ernstnehmen dieses Ortes und seiner Opfer (und sogar seiner Täter), dass sogar ehemalige Häftlinge wiederkamen, um daran teilzunehmen.

Viel gelernt habe ich auch von der Methode, vom Stil des Miteinander-Teilens. Morgens in kleinen Gruppen, abends in großen Gruppen. Es sind nicht Vorträge, die die Atmosphäre prägen, sondern respektvolles Hören auf den inneren Reichtum, den jeder und jede mitbringt.

„Auschwitz“ – das war die Vernichtung des Anderen. Kaum eine Gruppe, die heute nach Auschwitz kommt, bringt so deutlich verschiedene Nationen, Biografien, Konfessionen und Religionen zusammen. Das Heilen der verletzten Identitäten und der verletzten Beziehungen gehört zusammen, es geht nicht anders, davon bin ich überzeugt. Neues Vertrauen wächst aus ehrlichem Einander-Zuhören. Dafür braucht es einen geschützten Raum, in dem Vertrauen möglich ist. Das bieten diese Retreats.

Ich bin katholischer Priester, weder Jude noch Buddhist. Das bedeutet, dass ich mich nicht auf Liturgien einlassen müssen möchte, die ich nicht verstehe oder die mir fremd bleiben. Und das geht nicht nur mir so. Deshalb war für mich dieser Respekt vor der Andersheit des Anderen immer wichtig. Ausdruck davon waren die getrennten Gebete der verschiedenen religiösen Gruppen, die ein Teil des Retreat-Programmangebots waren, wenn auch sonst meist alles gemeinsam angeboten wurde. Jeder konnte „die anderen“ besuchen, aber auch eine Gruppe mit der eigenen Gebetssprache finden.

Manchmal ergaben sich gemeinsame Gebete oder Gebetswege, bei denen wir uns nacheinander in unseren Traditionen ausdrückten. Nicht vergessen werde ich das erste Mal, als ich bei solch einem Gebet vor der Todeswand bei Block 11 im Lager Auschwitz I mitmachte. Meine Rolle war, ein christliches Gebet zu sprechen. Der Rabbi blies das Schofar. Gosia Braunek kniete sich vor die Todeswand, verneigte sich bis zum Boden und drehte die Hände zum Himmel.

Ich hatte diese buddhistische Geste vorher noch nie gesehen. Sie hat mich beeindruckt: Was kann hier angemessener sein, als sich tief zur Erde zu verneigen, in die das Blut der Ermordeten geflossen ist, und gleichzeitig den Kontakt zum Himmel zu suchen?

Gosia ist inzwischen heimgegangen. Auf diesem Weg möchte ich ihr noch einmal danken.

Viele wunderbare Menschen habe ich getroffen. Allen möchte ich danken, besonders den Gründungseltern und denen, die seit Jahren das Rückgrat dieser Retreats bilden, Bernie und seiner „Familie“. Das Retreat ist nicht nur Bearing Witness, also Zeugnis ablegen. Es ist auch Building a Civilisation of Love – eine Zivilisation der Liebe bauen.

Deutschland/Polen


Blessed Are the Peacemakers …

I live in Oświęcim since 1990, in the Catholic Community Mariae Himmelfahrt, and since 1995 I work as a minister for the Centre for Dialogue and Prayer (CDiM). From the start I was aware of the Peacemakers-Retreats, from a big distance at first. In the nineties, I heard from priest Piotr Wrona, director of the CDiM at that time, that an American international Buddhist interreligious group with Jewish roots (or something like that, I don’t remember exactly) was planning and conducting contemplative days in Auschwitz. I had no idea what that meant. Then coincidental meetings happened, conversations in between, invitations and then, eventually, at some point the request to take over the role of a Christian Spirit Holder.

Later I often said that for me, the Peacemakers-Retreats belong to the most important events in Auschwitz and Birkenau. Why?

There are only few groups that listen so intensively to “the voice of this ground.” Sightseeing – yes, of course. Encounters with contemporary witnesses also take place every now and then. But sitting in silence on the tracks, from time to time chanting the names of those who were murdered … feeling the space while meditating, becoming aware of the many different dimensions in different spots of the camp site … this is such an intense offering to take this place and its victims (and even its offenders) seriously that even former inmates came back to participate.

I also learned a lot from the method, the style of Sharing. Mornings in small groups, evenings in bigger groups. It’s not the lectures that account for the atmosphere, it’s the respectful listening to the inner wealth everyone brings in.

“Auschwitz” – that was the annihilation of others. Nearly none of all the groups coming to Auschwitz these days brings together different nations, biographies, faiths and religions so intentionally. The healing of broken identities and broken relationships belongs together, there is no other way, I’m convinced of that. New trust grows from listening to each other honestly. For that, it needs a safe space, allowing for trust. That is what this retreat offers.

I’m a Catholic priest, not a Jew, not a Buddhist. This means, I am under no obligation to engage in liturgies that I don’t understand or can’t relate to. And that goes for other people too. That’s why for me the respect towards the Other-ness of the others was always very important. It was expressed, for example, in the separate prayers for the different religious groups that were part of the retreat program, even when almost everything else is offered collectively. Anyone could visit “the others,” but also find a group with a familiar prayer-language. Sometimes, collective prayers or prayer-paths would form, in which we would express ourselves in our traditions successively.

 

I will never forget the first time I attended such a collective prayer in front of the Death Wall at Block 11 in Auschwitz I. It was my task to say a Christian prayer. The rabbi blew the schofar. Gosia Braunek knelt in front of the wall, bowed with her forehead touching the ground and turned her hands upwards to the sky. I had never seen this Buddhist gesture before. It impressed me: What can be more appropriate here then bowing deeply to the earth, into which the blood of the murdered sank, while simultaneously seeking contact with Heaven?

Gosia has passed away in the meantime. Herewith, I would like to thank her again.

I have encountered so many beautiful people. My gratitude reaches out to all of them, especially to the founding parents and the pillars that make up the spine of these retreats from the very beginning, Bernie and his “family.” The retreat is not only Bearing Witness – it’s also Building a Civilization of Love …

Germany/Poland

KADDISH

Yit-ga-dal ve-yit-ka-dash sh-mei ra-ba be-al-ma di-ve-ra chir-u-tei,

ve-yam-lich mal-chu-tei be-cha-ye-chon

uv-yo-mei-chon uv-cha-yei de-chol beit Yis-ra-eil,

ba-a-ga-la u-viz-man ka-riv, v’im-ru: a-mein.

Ye-hei she-mei ra-ba me-va-rach le-a-lam ul-al-mei

al-may-ya.

Yit-ba-rach ve-yit-ta-bach, ve-yit-pa-ar ve-yit-ro-mam

ve-yit-na-sei, ve-yit-ha-dar ve-yit-a-leh ve-yit-ha-lal

she-mei de-ku-de-sha, be-rich hu, le-ei-la min kol

bi-re-cha-ta ve-shi-ra-ta, tush-be-cha-ta ve-ne-che-ma-ta,

da-a-mi-ran be-al-ma, v’im-ru: a-mein.

Ye-hei she-la-ma ra-ba min she-ma-ya ve-cha-yim

a-lei-nu ve-al kol Yis-ra-eil, v’im-ru: a-mein.

O-seh sha-lom bim-ro-mav, hu ya-a-seh sha-lom a-lei-nu

ve-al kol Yis-ra-eil, v’im-ru: a-mein.


May the Great Name whose Desire gave birth

to the universe Resound through the Creation

Now.

May this Great Presence rule your life and

your day and all lives of our World.

And say, Yes. Amen.

Throughout all Space, Bless, Bless this Great Name,

Throughout all Time.

Though we bless, we praise, we beautify,

we offer up your name,

Name That Is Holy, Blessed One,

still you remain beyond the reach of our praise, our song,

beyond the reach of all consolation. Beyond! Beyond!

And say, Yes. Amen.

Let God’s Name give birth to Great Peace and Life

for us and all people.

And say, Yes. Amen.

The One who has given a universe of Peace

gives peace to us, to All that is Israel.

And say, Yes. Amen.

(Translated by Rabbi Don Singer and Peter Levitt)


Möge der Große Name, dessen Begehren das Universum gebar,

in der Schöpfung Widerhallen.

Jetzt.

Möge diese Große Gegenwart

euer Leben und euren Tag lenken und alles Leben unserer Welt.

Und sagt: Ja. Amen.

Alle Räume hindurch, Segen, Segen diesem Großen Namen.

Alle Zeiten hindurch.

Wenngleich wir Deinen Namen segnen und preisen,

ihn verklären und erheben,

Deinen Namen, der da ist Heiliger, Gesegneter,

gehst Du weit über unser Lob, unser Lied hinaus,

weit hinaus über alles Trostverheißende. Weit, weit hinaus!

Und sagt: Ja. Amen.

Lasst Gottes Namen Großen Frieden und Großes Leben gebären.

Für uns und alle.

Und sagt: Ja. Amen.

Der Eine, der ein Universum des Friedens geschenkt hat,

schenke uns Frieden, uns und Allem, was Israel ist.

Und sagt: Ja. Amen.

(In Anlehnung an die Übersetzung von Heinz-Jürgen Metzger bearbeitet von Heike Drinkuth)

Peter Levitt

A Midrash on Translating Kaddish

In Jewish tradition, it is said that when a word is articulated, the inherent attributes and meaning carried by the word are released into the world. In Judaic-Christian teachings, the most well-known example of this is found in Genesis, where we are told that when God said, “Let there be light!,” there was light. As spoken by the Creator, the word gave birth to the fact and reality of what it held within.

This teaching was very close to my heart when my dear friend Rabbi Don Singer and I sat down in my studio in Topanga, California to make our translation of Kaddish, knowing that it would be used at the first Zen Peacemaker Order Auschwitz Retreat in November 1996, the very month and year my son would be born. After all, as a poet and translator, I too feel the yearning most writers experience in their effort to find some way for their word to become the thing itself in the hearts and minds of those who hear or read what they have written. I was comforted to know that Don was beside me. A true companion on such a mysterious journey is a good thing to have.

What follows, then, are some notions that Don and I traded across the table as we sought to embed into our translation – almost like secrets told in the dark – some of the mystical meanings of the original Kaddish.

Needless to say, every error and mistaken intention belongs entirely to us. We embrace them with joy.


May the Great Name whose Desire gave birth

I remember how shocked I was to hear Don tell me that the original word could be translated as desire. “Does God have desire?” I asked. Don smiled. “Sure,” he said. “Why not?” “Well,” I said, thinking of my pregnant wife, “I suppose you’re right. After all, desire is often what comes before something or someone is born.” Don laughed, and I laughed with him. But, then something occurred to me. “Is God’s desire the same as ours?” Don got serious. “Now, that’s a serious question,” he said. “That could take some time. But, why wouldn’t it be? Aren’t we made in his image?” “Yes,” I said. “That’s what they tell us.” “So?” Don asked. “So?” I said. We were quiet for a moment. “Don,” I said, “What was God’s desire?” What, indeed?


… Resound through the Creation

Now.

God is called The Great Name in the first line of our version, and it could be asked whether or not the sound of this Great Name had a beginning, or has an end, or if it ever ceases to sound? Each articulation, each sounding of the Great Name, the Origin and Source of all things, carries the dual meaning of the word “original”: that which existed at the beginning, and that which has never existed before. To sound, then, is to resound. And, to resound, is to sound.

And, the only moment in which anything can make its sound, is the only moment there is or ever has been. It is the moment we call Now. We tried to indicate the singularity of what a moment is by giving the word its own line.


And say, Yes. Amen.

One day, Don and I were talking about the fact that though there are many names of God, in Jewish tradition it is said we cannot know them, and so we refer to God in different ways. I asked Don, “Are none of God’s names known?” and he said, “Sure they are, but not by so many people. Although,” he continued, “actually, everyone knows them.” “What are some of them?” I asked. “Well,” Don said. “Now, that’s a question! But, I’ll tell you,” and he leaned toward me in the posture of someone about to reveal a gem. “One of God’s names is Yes!” And then he shouted it a second time, to make sure I knew what “Yes” could really mean. “And another one,” he told me, and this one he really shouted, “is Now!”


Throughout all Space, Bless, Bless this Great Name,

Throughout all Time.

We repeated the word “throughout,” and we strung out the length of the line here to give the sense of what “throughout” could mean. It means all the way through, one hundred percent, and beyond even that. If we think of the nature of undifferentiated space and time before the Creation, that is “throughout,” “space,” and “time.”


Name That Is Holy, Blessed One,

“Name that is Holy” is another way of referring to God. It is like “Great Name” in the first line. But, “Blessed One” is not just like saying to someone, “You are blessed to me, you are my blessed one.” No. For the “Name that is Holy,” the name that is blessed, is One, is Oneness itself. And since it is Oneness, it is beyond all naming. Beyond even saying it is “beyond.” No word can say what Oneness truly is. And so we say “Beyond! Beyond!”


The One who has given a universe of Peace

gives peace to us, to All that is Israel.

As long as we live in a dualistic way, based on dualistic thinking, the peace of living as oneness, as One, evades us. Every tradition speaks about this. Only when human beings return to one, to oneness, can our world repair itself and return to the original peace that is its birthright, its nature, its origin, its source. After all, the source of peace is Peace itself. The source of oneness is One. One and Peace are not two things.

We capitalized the A of All as a way of inserting into the Kaddish the sound of Aleph, the first letter of the Hebrew alphabet. Why? Because the sound of Aleph is silence. It is the Great Silence from which all possible articulation derives. Out of this silence comes laughter, come sounds of the pain of living, come blessings and prayer, come questions and confusion, comes praise. And out of the silence of Aleph comes our own silence, a silence of oneness shared, at the heart, by All. Is this not the sound of the Great Peace we seek?

The original Kaddish contains the word Israel, and so it is in our translation as well. But, what is Israel? Is it a geopolitical entity? A particular people? One of the mystical Judaic definitions of the word Israel that I love is “one who struggles with God, or with their relationship with God.” I knew there would be controversy when our translation seemed to ask for peace for Israel. It could seem so divisive. And, when I was at the Auschwitz retreat a few years ago, I saw that my expectation was correct; someone heatedly told me that Don and I were “wrong to do it.”

But, that is why we said to All that is Israel, which places the Aleph of “All” in close proximity to “Israel.” After all, we knew this was a Kaddish to be said at Auschwitz. What better place to remind us of the pain in our hearts, the pain of the struggle all human beings suffer to understand the rigors and nature of reality just as it is. And, what better place to remind us, right there in the midst of that pain, of the ever-present potential for discovering the very oneness that defines the path of peace.


And say, Yes. Amen.

 

Canada (2012)


Ein Midrasch zum Übersetzen des Kaddisch

Wenn ein Wort klar ausgesprochen wird, so heißt es in der jüdischen Tradition, werden die ihm innewohnenden Eigenschaften und die Bedeutung, die es in sich trägt, in die Welt entbunden. In den jüdisch-christlichen Lehren findet sich das bekannteste Beispiel dafür in der Genesis, die uns berichtet, dass Gott sprach: „Es werde Licht!“, und es wurde Licht.

Vom Schöpfer ausgesprochen, brachte das Wort die Gegebenheiten und die Wirklichkeit hervor, die es in sich barg.

Diese Lehre lag mir sehr am Herzen, als mein lieber Freund Rabbi Don Singer und ich in meinem Atelier im kalifornischen Topanga begannen, gemeinsam das Kaddisch zu übersetzen. Unsere Übersetzung würde beim ersten Retreat des ZenPeacemaker-Ordens in Auschwitz im November 1996 verwendet werden, in eben jenem Monat und Jahr der Geburt meines Sohnes.

Letzten Endes verspüre ich als Dichter und Übersetzer die gleiche Sehnsucht wie die meisten Schriftsteller, die sich bemühen, ihre Worte in irgendeiner Weise die Sache selbst werden zu lassen in den Herzen und im Geist derer, die das Geschriebene hören oder lesen. Es war beruhigend für mich, Don an meiner Seite zu wissen. Einen wahren Gefährten auf einer so mysteriösen Reise zu haben ist etwas sehr Schönes.

Was nun folgt sind einige Auffassungen, die Don und ich über den Tisch hinweg austauschten, als wir versuchten, einige der mystischen Bedeutungen des ursprünglichen Kaddisch – beinahe wie im Dunkeln geflüsterte Geheimnisse – in unsere Übersetzung einfließen zu lassen.

Etwaige Fehler und jede falsche Ausrichtung liegen selbstredend bei uns. Wir umarmen sie freudig.


Möge der Große Name, dessen Begehren das Universum gebar

Ich weiß noch, wie schockiert ich war, als Don mir sagte, das Wort im Original könne als Begehren übersetzt werden. „Gott fühlt Begehren?“, fragte ich. Don lächelte. „Gewiss“, meinte er, „warum nicht?“ „Na ja“, sagte ich und dachte an meine schwangere Frau, „vermutlich hast du recht. Schließlich geht der Geburt von etwas oder jemandem ja häufig Begehren voraus.“ Don lachte und ich mit ihm. Dann kam mir etwas in den Sinn. „Ist Gottes Begehren dem unsrigen gleich?“ Don wurde ernst. „Also, das ist eine schwerwiegende Frage“, meinte er. „Sie erfordert ein wenig Zeit. Aber warum sollte es nicht so sein? Sind wir nicht nach seinem Bilde geschaffen?“ „Ja“, sagte ich, „so heißt es.“ „Und?“, kam von Don. „Und?“, kam von mir. Wir waren für einen Moment still. „Don“, fragte ich, „was war Gottes Begehren?“ Ja, was?



… in der Schöpfung Widerhallen.

Jetzt.

Gott wird in der ersten Zeile unserer Fassung Der Große Name genannt und man könnte sich fragen, ob der Klang dieses Großen Namens jemals einen Beginn hatte oder ein Ende haben oder ob er jemals verklingen wird. Jedes klare Aussprechen, jedes Erklingen des Großen Namens, Ursprung und Quelle aller Dinge, transportiert die doppelte Bedeutung des Wortes „ursprünglich“: das, was am Anfang existierte, und das, was niemals zuvor existiert hat. Erklingen heißt also widerhallen. Und widerhallen heißt erklingen.

Und der Moment, in dem wir den Klang von etwas hören, ist der einzige Moment, den es gibt oder jemals gegeben hat. Es ist der Moment, den wir Jetzt nennen. Wir wollten auf die Einmaligkeit dessen, was ein Moment ist, hindeuten, indem wir diesem Wort eine eigene Zeile schenkten.


Und sagt: Ja. Amen.

Einmal unterhielten Don und ich uns über den Umstand, dass Gott viele Namen hat, wir diese jedoch laut jüdischer Tradition nicht wissen können und deshalb in unterschiedlicher Weise von Gott sprechen. Ich fragte Don: „Ist keiner der Namen Gottes bekannt?“, und er sagte: „Doch, sicher, aber nicht vielen Menschen.“ Er fügte hinzu: „Obwohl sie eigentlich jeder kennt.“ „Wie lauten denn einige von ihnen?“, wollte ich wissen. „Tja“, sagte Don, „also, du stellst Fragen! Aber ich sage es dir“, und er beugte sich vor, als wolle er mir einen kostbaren Edelstein zeigen. „Einer der Namen Gottes ist Ja!“ Dann rief er es laut ein zweites Mal, um sicherzustellen, dass ich begreifen würde, was „Ja“ wirklich bedeutet. „Und ein anderer Name“, sagte er mir, und diesmal schrie er geradezu, „ist Jetzt!“


Alle Räume hindurch, Segen, Segen diesem Großen Namen.

Alle Zeiten hindurch.

Wir wiederholten das Wort „hindurch“ und verlängerten hier die Zeile um den möglichen Sinn von „hindurch“ zu vermitteln. Es bedeutet durchgängig, zu hundert Prozent und noch darüber hinaus. Wenn wir uns die Nichtunterschiedenheit der Natur von Raum und Zeit vor der Schöpfung vorstellen, so ist das „alle Räume“, „alle Zeiten“ „… hindurch“.


Deinen Namen, der da ist Heiliger, Gesegneter

„Deinen Namen, der da ist Heiliger“ ist eine weitere Möglichkeit, Gott anzusprechen. Sie gleicht dem „Großen Namen“ in der ersten Zeile. „Gesegneter“ aber ist etwas anderes, als jemandem zu sagen: „Für mich bist du gesegnet, du bist mein Gesegneter.“ Nein. Denn der mit dem Namen „Heiliger“, mit dem gesegneten Namen, ist das Eine, ist Einssein selbst. Und da er Einssein ist, geht er über alle Namen hinaus, geht selbst darüber hinaus zu sagen, er gehe „darüber hinaus“. Kein Wort kann aussagen, was Einssein wirklich ist. Und so sagen wir: „Du gehst weit darüber hinaus.“


Der Eine, der ein Universum des Friedens geschenkt hat,

schenke uns Frieden, uns und Allem, was Israel ist.

Solange wir in einer dualistischen Weise leben, die sich auf dualistisches Denken gründet, wird sich uns der Friede des Einsseins, das Leben als Eines, entziehen. Alle Traditionen sprechen davon. Nur wenn die Menschen zum Einen zurückkehren, zum Einssein, kann unsere Welt sich regenerieren und zum ursprünglichen Frieden zurückfinden, der ihr Geburtsrecht ist, ihre Natur, ihr Anfang, ihr Ursprung. Schließlich ist der Ursprung des Friedens der Friede selbst. Der Ursprung des Einsseins ist das Eine; das Eine und der Friede sind nicht zweierlei.

Wir haben das A von Allem großgeschrieben, um in das Kaddisch den Laut Aleph einzufügen, den ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets. Weshalb? Weil der Klang des Aleph Stille ist. Es ist die Große Stille, aus der alle erdenkliche Lautbildung stammt. Aus dieser Stille kommt das Lachen, kommen die Schmerzenslaute des Lebens, kommen Segnungen und Gebete, kommen Fragen und Verwirrung, kommt Lobpreis. Und aus der Stille des Aleph kommt unsere eigene Stille, die Stille gemeinsamen Einsseins, im Innersten von uns allen. Ist dies nicht der Klang des Großen Friedens, den wir suchen?

Das ursprüngliche Kaddisch enthält das Wort Israel, und so findet es sich auch in unserer Übersetzung. Aber was ist Israel? Eine geopolitische Einheit? Ein bestimmtes Volk? Eine der mystischen jüdischen Definitionen des Wortes Israel, die ich sehr mag, besagt: „Einer, der mit Gott kämpft oder mit seiner Beziehung zu Gott.“ Ich wusste, es würde zu Kontroversen führen, wenn es so schiene, als würde unsere Übersetzung um Frieden für Israel bitten. Sie könnte Uneinigkeit schaffen. Und als ich im Jahr 2012 am Auschwitz-Retreat teilnahm, fand ich meine Vermutung bestätigt; jemand sagte mir hitzig, es sei „unrecht“ von Don und mir gewesen, „das zu tun“.

Doch deshalb heißt es ja in unserer Fassung: „Allem, was Israel ist“, womit das Aleph von „Allem“ in unmittelbarer Nähe zu „Israel“ steht. Immerhin wussten wir, dass dieses Kaddisch in Auschwitz gesprochen werden würde. Es könnte keinen besseren Ort geben, uns an den Schmerz in unseren Herzen zu erinnern, den Schmerz, den alle Menschen erleiden in ihrem Bemühen, die Härte und Natur der Wirklichkeit, so wie sie ist, zu verstehen. Und keinen besseren Ort, uns hier mitten in diesem Schmerz an die immer gegenwärtige Möglichkeit zu erinnern, das wirkliche Einssein zu finden, das den Pfad des Friedens bestimmt.


Und sagt: Ja. Amen.

Kanada (2012)