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Die Mormonen

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Von unglaublichem Eifer beseelt, folgen diese Straßenprediger dem Worte »Schreie laut und schone nicht« buchstäblich und taufen zu Dutzenden alle, die ihre Bereitwilligkeit bezeigen, »in diesem Namen ihre Knie zu beugen.« Viele kommen mit erschöpften Lungen und gebrochener Gesundheit von solchen Anstrengungen heim; dann aber entschädigt sie der Ruhm besonderer Frömmigkeit und die Ehre, die ihnen wird, wenn die Brüder auf sie hinweisend sagen: »Siehe, das ist der heilige Mann, der durch unermüdliche Predigt in den Straßen Londons dem Herrn so viele Seelen gewonnen hat.«

Ihre Erfolge sind verschieden gewesen. In Großbritannien hatte die Kirche der Heiligen vom jüngsten Tage im Jahre 1851 nicht weniger als 30,747 Mitglieder, und binnen vierzehn Jahren hatten die Priester derselben über 50,000 Personen auf das Neue Evangelium getauft und davon beinahe 17,000 nach Amerika gesendet – Zahlen, die erstaunlich klingen würden, wenn man nicht wüßte, daß die niedern Schichten der Bevölkerung von England und Wales in einer wahrhaft ungeheuerlichen Unwissenheit hinvegetiren, und wenn andererseits nicht auch materielle Vortheile als Magnete nach dem Thale des Salzsees hinzögen. Ein zweiter Hauptstützpunkt des Mormonenthums sind, wie bereits bemerkt, die Sandwichs- und die Freundschaftsinseln, und zwar sollen hier sich bereits 5000 Eingeborne zu dem Glauben der Latterday-Saints bekennen. Endlich haben Dänemark und Norwegen im Jahre 1853 einige Hunderte ihrer Bewohner, meist Landleute, als Beitrag zur Bevölkerung Deserets abgehen lassen. In Frankreich befinden sich unsres Wissens bis jetzt nur zwei schwache Gemeinden, in Havre und Paris, welche sich durch Verbreitung des von dem Apostel Taylor ins Französische übertragenen Buchs Mormon und durch die Zeitung »Etoile du Deseret« zu vergrößern bestrebt sind. In der Schweiz und in Rußland scheint kein Erfolg erreicht worden zu sein. Dagegen dürfte in der Uebersetzung des genannten Buchs ins Italienische vielleicht ein Beweis liegen, daß man dort Hoffnung hat, zu reussiren.

In Deutschland endlich ließen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Mormonenemissaire von sich hören. Ihre Hoffnungen wurden indeß sehr bald durch das Einschreiten der Polizei vereitelt. 1851 kam Taylor nach Hamburg, um dort eine Zeitung zu gründen, welche den Namen »Zions Panier« führte, aber nachdem vier Nummern erschienen waren, aus Mangel an Theilnahme einging. Ihm folgte 1852 ein anderer Sendling vom Salzsee, Daniel Cairn, aber nur, um beim ersten Versuche zu öffentlichem Auftreten aus der Stadt gewiesen zu werden. Keine bessern Resultate wurden von den im Süden und Westen Deutschlands sich zeigenden Mormonen erreicht, und mit der inzwischen übersetzten Indianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten kommen. Endlich ist noch ein Vorfall aus der neuesten Zeit zu erwähnen, welcher zeigt, bis in welche Regionen die Erwartungen der Führer sich versteigen. Die Präsidentschaft in England hatte erfahren, daß der König von Preußen sich für die Mormonen interessire und sich von seinem Gesandten in Washington Aufklärung über sie erbeten habe. Sie deuteten sich dieses Interesse als Neigung, und so erschien im Herbste 1854 eine förmliche Gesandtschaft aus der Mitte der Secte, um dem Könige eine Adresse zu überreichen. Die Herren waren aber nicht sobald im Bahnhofe ausgestiegen, als die Polizei sich einstellte und sie zu sofortiger Umkehr nöthigte.

Wir beschließen dieses Kapitel und die Geschichte des Mormonenthums überhaupt mit einem Rückblicke auf das Thal des Salzsees und die dort emporblühenden Ansiedelungen. Von einem vergleichsweise kleinen Flecken Landes haben dieselben sich allmälig über eine Strecke von mehr als fünfzig deutsche Meilen Länge, vom Box Elder Creek im Norden bis an den kleinen Salzsee im Süden und von dort bis San Diego ausgebreitet. Wo die Sierra Nevada nach Südwesten einbiegt, ist ein Rancho angekauft und in eine Station verwandelt worden, von wo aus eine Kette von Posten bis ans Ufer des Stillen Meeres eingerichtet werden soll. Neun Meilen nördlich von der Hauptstadt liegt Ogden City, auch Brownsville genannt, in einer ungemein anmuthigen Gegend in der Nähe des Zusammenflusses zweier schönen Bäche, und vierzehn Meilen nach Süden hat sich am Fuße der Timpanoga-Berge ein anderes schmuckes Städtchen erhoben. Dreißig Meilen weiter südlich steht die rasch wachsende Stadt Manti. Dabei befinden sich im Thale von San Pete zahlreiche einzelne Farmen. Paroan oder die Eisenstadt, so benannt nach den großen Lagern von Eisenstein, die hier aufgefunden worden sind, liegt im Thale des kleinen Salzsees, wo eine sehr beträchtliche Strecke fruchtbaren oder doch fruchtbar zu machenden Landes entdeckt wurde. Endlich ist noch die Niederlassung im Tuillathale zu erwähnen, welche, etwa sieben Meilen von der Metropole des Territoriums entfernt, in mehreren Farmen, zehn Sägemühlen und acht Mahlmühlen besteht.

Die gegenwärtige Haupt- und Centralstadt2, von den Mormonen Neujerusalem, von den Profanen schlechthin Saltlake-City, d. i. die Salzseestadt genannt, liegt, wie erwähnt, auf derselben Stelle, wo die Vorhut der Auswanderer von Nauvoo am 24. Juli 1847 von den Bergen in das Thal herabsteigend, zuerst Halt gemacht hatte. Der untere Theil bedeckt einen kaum bemerkbaren sanften Abhang, der nördliche dagegen streckt sich über eine Art Terrasse hin, welche im Winkel der von Süd nach Nord sich hinziehenden Hauptkette der Wasatch-Berge und einem mächtigen Ausläufer derselben liegt, der gerade nach Westen hinstrebt und eine halbe englische Meile vom Jordan endigt. Der Raum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadratmeilen (englisch), eine Ausdehnung, die sich im Vergleich mit der Einwohnerschaft nur dadurch erklärt, daß jedem Bürger bei der Anlage eine Baustelle von drei Viertel Acre Land zugetheilt wurde, daß in Folge dessen die einzelnen Häuser durch beträchtliche Zwischenräume getrennt sind, und daß die schnurgeraden, sich in rechten Winkeln durchschneidenden und hundertzweiunddreißig Fuß breiten Straßen sich in kurzen Entfernungen folgen. Die Häuser, meist einstöckig und von Adobes, an der Sonne getrockneten Ziegeln von bläulichem Lehm erbaut, haben ein gefälliges Aeußere, welches dadurch noch gehoben wird, daß sie von Gärten umgeben sind. An den zwanzig Fuß breiten Fußwegen zu beiden Seiten der Straßen laufen in Canälen die klaren Fluthen eines Gebirgsbaches, welche neugepflanzte Alleen bewässern und auch in die Gärten geleitet werden können. Im Westen berührt die Stadt das Flußufer. Oeffentliche Gebäude von Bedeutung hat das neue Jerusalem begreiflicherweise noch nicht. Das Staatshaus, wo die Regierung des Territoriums ihren Sitz hat, das Bethaus und die zur Aufnahme der Naturalsteuern bestimmten Speicher sind geräumige Bauten, die indeß keinen Anspruch auf Schönheit machen. Aber für die Zukunft tragen sich die Leiter der Gemeinde mit den großartigsten Plänen, auch in Betreff der Verschönerung ihrer Stadt. Die jetzige Universität, für welche der Staat jährlich 5000 Dollars aussetzte, ist nur ein schwacher Anfang zu dem, was die Anstalt einst sein wird. Sobald man dazu Zeit gewinnt, wird man ein großartiges Gebäude für Lehrer und Lernende errichten. Dasselbe wird auf der ersten breiten Terrasse stehen, welche sich im nördlichen Theile der Stadt erhebt. Der Stadtbach hat durch dieses Tafelland einen tiefen Canal gewühlt, und seine Wasser sollen an der geeigneten Stelle gefaßt und nach dem Platze vor der Universität geleitet werden, um denselben durch Springbrunnen zu verschönern, die Haine, Blumenbeete und botanischen Gärten zu bewässern und die Bassins ausgedehnter Bade- und Schwimmanstalten zu speisen. Ein großes Viereck ferner soll zu einem Turn- und Fechtplatze sowie zur Reitschule eingerichtet werden. Sodann wird man eine Sternwarte, zu der bereits die nöthigen Instrumente beisammen sind, eine Anstalt zur Ausbildung von Ingenieuren und Landvermessern und eine Bergschule mit dieser Universität verbinden, und schließlich werden an ihr auch Landwirthe ausgebildet werden.

Man wird aber nicht allein vielerlei, sondern auch viel lernen an dieser Hochschule. Die Mormonenphilosophen werden eine Unzahl von Geheimnissen aufthun und eine Menge von Räthseln lösen, wie sie die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Sie werden »das Reich der Wissenschaften vollständig revolutioniren und die größten Gelehrten namentlich in der Mathematik und in den physikalischen Wissenschaften des Irrthums überführen. Der Geolog und der Chemiker wird von ihnen die tiefsten und merkwürdigsten Aufschlüsse über die Wunder der Tiefe erhalten, der Botaniker und Zoolog bei ihnen Belehrung über die Principien des Lebens in Thier und Pflanze empfangen.« Denn nachdem sie zuerst nach dem Reiche Gottes getrachtet haben, erwarten sie jetzt Erfüllung der Verheißung, daß ihnen alles andere Wissen von selbst zufallen solle; doch fügen sie sehr verständig hinzu, daß der Herr denen hilft, die sich selbst helfen, und daß der Geist nur durch eisernen Fleiß fähig gemacht werde, die Weisheit aus der Höhe aufzunehmen.

Die größte Umwälzung wird auf dem Gebiete der Astronomie hervorgerufen werden. Hier wird das ganze bisherige Weltsystem durch Aufschlüsse über die Zahl, die Ordnung und das Verhältniß der Planeten, Fixsterne und Kometen durchaus modificirt werden. Was für Belehrung wir in diesem Kreise zu erwarten haben, findet der Wahrheitsfreund in dem Buche Abraham angedeutet, welches einst nebst einigen ägyptischen Mumien nach Nauvoo gebracht wurde, wo der Prophet Joseph einen Theil der Schrift (die von dem glaubensreichen Erzvater während seines Aufenthalts am Nil verfaßt worden) übersetzte. Eine andere Probe dessen, was der Wissenschaft von den Gelehrten Deserets bevorsteht, haben wir in dem Aufsatz eines ihrer Mathematiker, in welchem derselbe während seines Aufenthalts in England allen Ernstes den Versuch machte, die Newton'schen Theorien von der Schwerkraft, der Attraction und Repulsion umzustoßen und an ihre Stelle eine »Intelligenz des Grundstoffes« oder eine »Eingießung und Gegenwart des heiligen Geistes in der Atomenmasse« zu setzen. Wir haben nicht Raum, die Gründe dafür anzuführen, und können nur bemerken, daß man aus ihnen gewahr werden würde, wie außerordentlich viel wir noch aus der Bibel lernen können.

 

Ein wunderlicher Gedanke ist es, wenn man vorhat, an der zukünftigen Hochschule den »altsächsischen und celtischen Classikern« eine Stelle unmittelbar neben den griechischen und römischen anzuweisen. Die altsächsischen hätten vielleicht ein Recht dazu, aber woher man altceltische Classiker bekommen wird, läßt sich vorläufig nicht absehen; man müßte den Macphersons Ossian meinen, der bekanntlich so echt ist wie das Buch Mormon.

Was die Häupter der Kirche von dieser Universität denken, spricht sich sehr deutlich in der Rede aus, mit welcher einer der Regenten, der Apostel Phelps bei der Feier des 24. Juli im Jahre 1851 dieses Instituts gedachte. Die Stelle ist so charakteristisch, daß wir sie im Auszuge mittheilen müssen. Der Redner sagte unter Anderm mit der ihm eignen Salbung: »Wir bitten die ganze Kirche, zum Herrn unserm himmlischen Vater zu flehen, daß er uns einige der Vorsteher der großen Universität im Himmel droben herabsende, gleichwie er sie zu Noah, Moses und Andern sendete, um seinen Knechten die innersten Gründe und Anfänge der Weisheit und Wissenschaft zu eröffnen. Was werden alle die Herrlichkeiten der Zeit, die Erfindungen des Menschen, die geschichtlichen Urkunden von Japhet in der Arche bis auf Jonathan im Congresse, was werden der gesammte Witz und Geist, die gesammten Errungenschaften des Verstandes mit aller ihrer Methode dem Heiligen des jüngsten Tages werth sein, wenn unser Vater im Himmel seine Regenten herabsendet, seine Engel aus der großen Bibliothek des himmlischen Zion, wenn er sie herniederschickt mit einer Abschrift der Geschichte des ewigen Lebens, den Urkunden der Welten, dem Stammbaum der Götter, der Philosophie der Wahrheit, dem Verzeichnisse unserer Namen aus dem Buche des Lebens auf dem Schooße des Lamms, und den Gesängen der seligen Geister?«

Möglich, daß die hier angedeuteten Manuscripte aus der Bibliothek des Mormonengottes wirklich noch einmal in Deseret zum Vorschein kommen. Jetzt hält man sich an menschliche Bücher, und so nahm man es mit großem Danke an, als im Jahre 1851 die Freigebigkeit des Congresses den Delegaten von Utah, Dr. Bernhisel mit den Mitteln versah, für die neue Colonie eine gute Bibliothek auszuwählen. Trotz jenes vornehmen Herabsehens auf die Resultate der Wissenschaft und trotz der abgeschmackten Einfälle, womit man sie corrigiren zu wollen sich den Anschein giebt, weiß man sie sehr wohl zu schätzen. Dies beweist schon die Errichtung der Universität an sich, es wird aber auch durch verschiedene andere Maßnahmen und Kundgebungen dargethan.

Ein eigenthümlicher Zug in dem Erziehungswesen der Mormonen ist die Errichtung einer Schule zur Bildung von Familienhäuptern. Brigham Young, der Präsident und Seher, achtete es nicht für seiner unwürdig, diese Schule selbst als Zögling zu besuchen, und war dies auch nur eine Demonstration, bestimmt, die Vorurtheile des Volks gegen Schulanstalten für Erwachsene zu zerstreuen, so zeugte es nichtsdestoweniger von einem richtigen Verständnisse der Dinge und von einer gewissen Achtung vor der Bildung. Wenn man anderwärts eine herrschsüchtige Priesterkaste bestrebt sieht, die ihr Unterworfenen in Dunkelheit und Unwissenheit zu erhalten, so befolgt man hier allenthalben eine andere Politik.

Daß man freilich die Wissenschaft um ihrer selbst willen liebe, ist von Leuten dieses Schlags nicht zu verlangen. Man will Bildung, weil Bildung Macht ist und Ruhm giebt. Daß man sich mit ihr einen Feind erzieht, der das ganze Kartenhaus über kurz oder lang umstürzen wird, scheint man im Vertrauen auf die bisherigen Erfolge und schon aus dem Grunde nicht zu ahnen, weil (nach ihren Schriften zu urtheilen) auch die kenntnißreichsten und klügsten unter den Häuptern der Secte lediglich dilettantisirende Autodidacten sind, keiner von ihnen im eigentlichen Sinne des Wortes ein Mann von Bildung ist. Man will die Wissenschaften ins Land ziehen, wie man sich um tüchtige Töpfer, Schlosser und Uhrmacher bemüht. So ist es zu verstehen, wenn es in der vorletzten »Proclamation der Präsidentschaft an die Gläubigen in aller Welt« heißt:

»Es ist höchst wünschenswerth, daß die Brüder, die uns zuziehen, jede Gelegenheit benutzen, wenigstens ein Exemplar von jeder werthvollen Abhandlung über Erziehung und jedes Buch, welches nützliche oder anziehende Gegenstände enthält, mitzubringen, um den Kindern Lust und Liebe zum Lernen einzuflößen. Wir haben eine Druckerpresse, und Alle, die gutes Druck- und Schreibepapier nach dem Thale mitnehmen wollen, werden sich und der Kirche einen Dienst leisten. Desgleichen wünschen wir allerlei mechanische und mathematische Instrumente, sowie Alles, was von Kunstwerken und Naturseltenheiten herbeigeschafft werden kann, und wenn die Heiligen in dieser Angelegenheit Eifer zeigen, so werden wir hier bald das beste, nützlichste und anregendste Museum auf Erden haben.«

Auf einem freigelassenen Platze im Centrum der Stadt wird ein Tempel errichtet werden, schöner und größer als bisher irgend einer auf Erden stand und nur dem nachstehend, den das Volk Gottes am Ende der Tage erbauen wird, wenn der Herr es heimgeführt hat nach Missouri, dem Lande der Verheißung. Schon ist eine vier englische Meilen lange Holzbahn oder Riegelstraße nach den Steinbrüchen am Red Butte vollendet, um von dort das Material zu jenem mächtigen Baue, einen schönen rothen Sandstein, herbeizuschaffen, und schon sammeln, von Young beauftragt, die Missionaire der Secte in Europa, Asien und Polynesien seltene Bäume, Blumen und Samenkerne für den Garten, der den Riesentempel umgeben soll. Im Norden des Tempelplatzes aber erhebt sich über der Stadt der »Hügel des Paniers.« Mit ihm endigt der vorhin erwähnte Ausläufer der Wasatch-Berge, und er ist auf weite Strecken hin in der ganzen Nachbarschaft sichtbar. Auf diesem Berggipfel nun wird demnächst »die prächtigste Fahne entfaltet werden, die je in den Lüften flatterte, eine Fahne, gemacht aus den Nationalfarben aller Völker, zum Zeichen der einst sich vollendenden Einheit der Menschheit in Glauben und Liebe.« Wenn dann dieses Symbol der Verbrüderung aller Nationen über dem heiligen Tempel flattern wird, dann ist die Erfüllung des Prophetenwortes, Jesaia 18, 25. gekommen, und die Zeit ist da, von der es dort heißt: »Alle, die ihr auf Erden wohnt, und die im Lande sitzen, werdet sehen, wie man das Panier auf den Bergen aufwerfen wird und hören, wie man die Trompete blasen wird, und es wird sich begeben in den letzten Tagen, daß der Berg des Hauses des Herrn auf den Gipfeln der Gebirge aufgerichtet und über die Hügel erhoben werden wird, und alle Völker sollen hineinströmen.«

Sehen wir ab von dieser phantastisch ausgemalten Zukunft, so findet sich schon in der Gegenwart ein Umstand, der als sehr erfreulicher Schluß der Geschichte dieses seltsamen Volkes, wie wir sie in diesem und den vorhergehenden Kapiteln verfolgten, dienen kann. Im Jahre 1852 sendeten die Häupter der Gemeinde durch alle Zweigcolonien im Gebirge Boten, um sich zu erkundigen, wie viele von den Heiligen etwa geneigt sein würden, sich zur Aufnahme in ein etwa zu erbauendes Armenhaus zu melden, und siehe da, man fand deren unter mehr als dreißigtausend Menschen, welche zum bei Weitem größten Theile erst vor wenigen Monaten und meist arm in das Thal eingewandert waren, nur zwei, und so konnte sich die Präsidentschaft begnügen, ein Armenfeld von vierzig Aeckern für eine zukünftige Aenderung der Zustände zu reserviren.

Fünftes Kapitel.
Der Glaube der Mormonen. – Die Quellen und das Princip. – Die Metaphysik der Secte. – Der große Hauptgott und Göttervater im Centrum des Universums. – Die Schöpfung und der Sündenfall. – Krieg im Himmel. – Die Existenz der Menschengeister vor dem Leben auf Erden

Wie die äußeren Verhältnisse der Secte sich im Verlaufe der vierundzwanzig Jahre seit ihrem Entstehen völlig geändert haben, so auch und noch mehr die Glaubenslehren derselben. Von Jahr zu Jahr wurden neue Ingredienzien in den Teig hineingewirkt, aus dem die Präsidentschaft ihren Gläubigen das Brot des Lebens buck. Alle christlichen Secten der Gegenwart, die Neuplatoniker und die Gnostiker, der Islam und der Parsismus, das Bramanenthum sogar mußten Beiträge liefern, die Phantasie der Propheten und Offenbarer that von dem Ihrigen hinzu, und so ist ein Pudding entstanden, der an Unverdaulichkeit Alles überbietet, was bis heute dem Magen der Menschheit auf religiösem Gebiete geboten worden ist. Wir bedauern, durch den Zweck dieser Schrift und den uns zugemessenen Raum verhindert zu sein, auf eine gründliche Analyse der wunderlichen Mixtur einzugehen, und geben im Folgenden nur einige Hauptzüge, wobei wir bemerken, daß die allmälige Umbildung der Grundlehren des Mormonenthums – welche von den Gläubigen dem heiligen Geiste zugeschrieben wird, der ihnen fortwährend neue Wahrheiten offenbare – in der Hauptsache von Orson Pratt herrührt, der in seinem Eklekticismus es nicht verschmäht, selbst Ergebnisse der neuern Philosophie in seinen Topf zu werfen. Smith scheint dazu nur den Namen hergegeben zu haben, und das Tollste und Kühnste ist erst lange nach seinem Tode ans Licht gefördert worden.

Als Hauptquellen ihres Glaubens sind folgende anzusehen: das Buch Mormon, das Buch der Lehre und der Bündnisse, die Warnungsstimme (von Peter Parley Pratt), der Spiegel des Evangeliums, das Buch Abraham (soll von Smith auf Grund göttlicher Offenbarung verfaßt worden sein, ist jedoch, da es erst in den neuesten Schriften der Secte erwähnt wird, wahrscheinlich spätern Ursprungs), Spencers Briefe, die Zeitungen »Times and Seasons« (von Taylor während der Jahre 1839 bis 1844 in Nauvoo herausgegeben), »Millennial Star« (in England erschienen), »The Seer« (seit 1853 von Orson Pratt in Washington veröffentlicht), endlich die Generalepisteln der Präsidentschaft in Deseret. Die folgenden Mittheilungen sind eine Blumenlese aus diesem Garten der Willkür und des Unsinns.

Das Glaubensbekenntniß der Mormonen, wie es der Frontier Guardian, eine von dem Apostel Orson Hyde in Kanesville herausgegebene Zeitung, mittheilt, weicht nicht sehr erheblich von den Bestimmungen unserer Dogmatik ab. Es lautet:

»Wir glauben an Gott, den ewigen Vater, und seinen Sohn Jesus Christus und an den heiligen Geist. Wir glauben, daß die Menschen für ihre eigenen Sünden und nicht für Adams Uebertretung Strafe empfangen werden. Wir glauben, daß vermöge des Sühnopfers Christi durch Gehorsam gegen die Gebote und Verordnungen des Evangeliums alle Menschen selig werden können. Wir glauben, daß diese Verordnungen folgende sind: 1. Glaube an den Herrn Jesum Christum, 2. Buße, 3. Taufe durch Untertauchen in Wasser zur Vergebung der Sünden, 4. Handauflegung durch die Gabe des heiligen Geistes, 5. das Mahl des Herrn. Wir glauben, daß die Berufung der Menschen zum Heile durch Inspiration und durch Handauflegung derer erfolgen muß, welche in rechter Weise Auftrag erhalten haben, das Evangelium zu predigen und seine Gnadengaben auszuspenden. Wir glauben, daß die Organisation der Urkirche in Apostel, Propheten, Pastoren, Lehrer und Evangelisten wiederhergestellt werden muß. Wir glauben an die Kräfte und Gaben des ewigen Evangeliums, als die Gaben des Glaubens, des Erkennens von guten und bösen Geistern, der Weissagung, der Offenbarung, der Gesichte, der Heilungen, des Redens in Zungen und des Verständnisses der Zungen, der Weisheit, Barmherzigkeit und Bruderliebe. Wir glauben, daß das Wort Gottes in der Bibel aufgezeichnet ist, glauben aber, daß es auch im Buche Mormon und allen andern guten Büchern sich findet. Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und jetzt offenbart, und wir glauben, daß er in Betreff des göttlichen Reichs und der Wiederkunft des Messias noch viele und große Dinge offenbaren wird. Wir glauben, daß Israel buchstäblich gesammelt werden wird, wir glauben an die Wiederbringung der verlorenen zehn Stämme, an die Aufrichtung Zions auf dem westlichen Festlande, an die tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden und an die Verneuerung der Erde zu paradiesischer Herrlichkeit. Wir glauben an die Auferstehung des Leibes und daß Gott die Todten nach Verlauf der tausend Jahre wieder ins Leben rufen wird. Wir nehmen das Recht in Anspruch, Gott nach den Eingebungen unsers Gewissens anzubeten und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu. Wir glauben, den Königen, Fürsten, Herrschern und Obrigkeiten Gehorsam und Ehrerbietung, den Gesetzen Folgeleistung schuldig zu sein. Wir folgen der Ermahnung Pauli, wir glauben Alles, wir hoffen Alles, wir haben sehr Vieles erduldet und hoffen Alles erdulden zu können. Alles was lieblich ist, was wohllautet, dem streben wir nach, indem wir unsern Blick auf den Tag der Vergeltung richten. Aber ein Träger oder Fauler – schließt das curiose Symbolum plötzlich – kann kein Christ sein und selig werden. Er ist eine Drohne und bestimmt todtgestochen und aus dem Bienenkorbe geworfen zu werden.« –

 

Das sind nun die Umrisse der Mormonenlehre. Die Hauptsache kommt erst zu Tage, wenn man die Interpretation derselben hört. Leute von schwachem Verstande und geringem Glauben erfahren nur diese im Ganzen wenig anstößigen Sätze. Die Starken im Glauben aber entfernen sich vom Christenthume beinahe vollständig. Diesen wird in Bezug auf die Bibel gelehrt, daß die englische Uebersetzung, welche durch König Jacob beschafft worden »im Allgemeinen« den richtigen Sinn der vom heiligen Geiste dictirten Urschrift getroffen habe, aber mehrere Verfälschungen und Misverständnisse enthalte. Diese sind nach den Mormonen von Joseph dem Seher, dem »der Schlüssel zu allen Sprachen« verliehen war, berichtigt worden, und wir haben in Kurzem eine Ausgabe der auf diesem Wege emendirten und vermehrten Bibel zu erwarten. Eine Probe davon giebt Orson Hyde in jener Zeitung. Sie betrifft gleich das erste Kapitel der Genesis, wo es (an die Kabbalah anklingend) zu Anfang der Schöpfungsgeschichte heißen muß: »der Obergott brachte die Götter hervor. Er berief sie dann zu einem Rathe zusammen, der im Himmel gehalten wurde und wo sie sich über die Erschaffung der Welt besprachen.«

Die Bibel gilt demnach als Grundbuch, nur muß sie einige wesentliche Aenderungen erleiden. Niemand aber darf sie im bildlichen Sinne auffassen. Der Inhalt ist allenthalben buchstäblich zu nehmen; denn »Gott ist ehrlich, wenn er mit den Menschen redet und fern von aller Wortspielerei und Doppelsinnigkeit.« Allein das Wort Gottes findet sich nach der Meinung der Mormonen nicht blos in der Bibel, sondern unter andern heiligen Schriften vornehmlich auch im Buche Mormon und dem Buche der Lehre und der Bündnisse, welches letztere aus einer Abhandlung über den Begriff Glauben von Sidney Rigdon und einer Anzahl sogenannter Offenbarungen Gottes an Joseph Smith besteht. Diese Bücher bilden mit der Bibel eine »dreifache Schnur« der Kundgebungen Gottes auf Erden, eine Schnur, die noch fortgesponnen wird, indem Smiths Nachfolger im Mittleramte noch von Tage zu Tage je nach dem Bedürfnisse der Kirche Belehrungen und Gebote vom Himmel empfängt. Dies ist nach der Behauptung der Mormonen die Ursache, daß sie der »heidnischen« Welt so weit an Kenntniß und Verständniß der göttlichen Dinge voraus sind. Eure Professoren und Doctoren, sagen sie, können Euch nichts Neues von Bedeutung mehr lehren, uns dagegen leitet der Herr durch seinen Offenbarer unaufhörlich zu höherer Erkenntniß. So kann man als unterscheidendes Merkmal ihrer Kirche das setzen, daß ihre Dogmatik stets eine nur provisorische, daß ihr Princip, wenn das Wort hier überhaupt eine Stelle hat, ein stetes Imaginiren ins Blaue hinein, und daß der »Fels, auf den Joseph Smith seine Kirche gebaut,« jene angebliche Offenbarungsthätigkeit Gottes ist, die unaufhörlich neue Sinnlosigkeit an die Stelle der alten schiebt. Daß dabei von einem Felsen nicht die Rede sein kann, und daß die Offenbarungen sich häufig widersprechen, ficht sie nicht an, indem es sich ihnen aus den verschiedenen Umständen erklärt, unter welchen der Herr zu den Seinen redet.

Einem solchen Proteus läßt sich nun schwer die rechte Gestalt ablauschen, und daraus mag es sich der Leser erklären, wenn im Folgenden Manches schwankt und in verschiedenen Farben schillert.

Wir betrachten zuvörderst die Lehre der Mormonen von Gott. Die Gottheit ist nach den uns vorliegenden Quellen eine Dreieinigkeit oder richtiger eine Einheit von zwei Personen. »Gott Vater ist ein vollkommener Mensch, aber in den Attributen seiner Natur, seinem Glauben, seinem Wissen und seiner Kraft in Vergleich mit uns so erhaben, daß man ihn den Unendlichen nennen kann.« Die Philosophen unter den Mormonen wissen aber noch mehr. Sie kennen seinen Anfang, und zwar nennen sie diesen Urgrund alles Seins »das ewige Evangelium.« Die Art ihres Speculirens klingt hier bald an die Schelling'sche Identitätsphilosophie, bald an die Aeonenlehre der Gnostiker an. Vor dem Anfang aller Dinge, sagen sie, gab es zwei durch sich selbst existirende Principien: Verstand und Grundstoff, Intelligenz und Leiblichkeit. Das Zusammenwirken derselben war »das Gesetz«, durch welches die Urgötter entstanden. Wie der Obergott wurde, läßt der Prophet selbst dahingestellt. Er sagt darüber blos, daß er sich nicht selbst habe schaffen können. Seine Nachfolger drücken sich über diesen schwierigen Punkt dahin aus, daß in der fernen Ewigkeit »zwei Grundtheilchen der Materie ihre Intelligenz mit einander verglichen und dann ein drittes Atom zur Berathung riefen, worauf sie zu Einem Willen zusammengingen, der die erste Kraft war. Als solche vereinigten sie mehr und mehr Atome mit einander, und daraus erwuchs eine Fülle von Kraft, die alle andern Atome in ihr Gesetz zwang. Aus dieser Intelligenz (wir übersetzen die betreffende Stelle wörtlich) wurde nach dem Gesetze ein Gott erzeugt, nicht gemacht, und die übrigen Götter gingen aus ihm als Kinder hervor. Durch das Gesetz der allgemeinen Ordnung wurde die Geschlechtlichkeit als gleich ewig mit allem sittlichen Dasein und Leben gesetzt, und so entstanden nicht nur Könige des Himmels, sondern auch Königinnen. Letztere wurden, mit den ersteren vermählt, die Mütter anderer Götter und Geister, von denen jeder seine bestimmte Sphäre im Universum hat.« Ein solcher Gott ist nun auch der, den wir zunächst verehren. Die zweite Person der Gottheit ist der Sohn, Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria. »Der ewige Vater stieg auf die Erde herab, freiete sie durch seinen Heroldsengel Gabriel, Bräutigam und Braut trafen sich auf den Gefilden von Palästina, und das heilige Kind, welches geboren wurde, war der Leibestempel (tabernacle) für den geistigen Sohn, und daraus wurde ein Gott.« Der heilige Geist ist »der einig gehende Wille von Vater und Sohn, welcher allgemeine Harmonie des Gedankens, Wissens und Seins durch ihr ganzes Reich wirkt. Er unterscheidet sich von Gott dem Vater und Gott dem Sohne dadurch, daß er nur eine geistige Existenz hat, nie leiblich geworden ist wie die anderen Götter.«

Wir könnten dieses Thema hiermit erledigt zu haben glauben, wenn das Weitere nicht in genauem Zusammenhange mit den übrigen Lehren der Secte stünde, und wenn diese Lehren nicht dadurch an Wichtigkeit gewännen, daß sich bereits Hunderttausende zu ihnen bekennen. So fahren wir denn in der peinlichen Aufgabe möglichster Sichtung dieses Wustes von Hirngespinnsten fort.

Wir haben gesehen, daß es mehrere Götter giebt, und daß jeder derselben vermählt ist und Kinder ebenfalls göttlicher Art besitzt. Wir haben ebenfalls gesehen, daß jedem Gotte eine bestimmte Sphäre im Universum angewiesen ist. Hat derselbe nun diese Sphäre, oder um deutlicher zu sprechen, diesen Weltkörper mit seinen Kindern in dem Grade bevölkert, daß sein himmlisches Erbtheil zu klein wird, um sie alle zu bewegen und zu nähren, so schafft er, um den Ueberschuß unterzubringen, einen neuen Stern, nach welchem die Geister der jungen Götter als Bewohner gesendet werden. Diese verehren dann ihren Vater als Gott, gerade sowie dieser mit seinen Brüdern im Universum seinen Vater als Gott ehrt, und so fort zurück bis zum Ur- und Hauptgotte, der im Centrum der Welt auf seinem Sterne Kolob thront. So ist der Gott, den wir zunächst verehren, der Vater unserer Geister.

2Es ist im Werke, im Paroanthale eine zweite Hauptstadt zu bauen, welche Fillmore heißen und der Sitz der weltlichen Behörden sein soll.