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Die Mormonen

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Weniger friedsamer Natur waren die Mittel, deren man sich gegen eine aus abgefallenen Mitgliedern der Secte entstandene Partei bediente, und jetzt stehen wir vor dem großen Wendepunkte in der Geschichte des Propheten und seiner Secte. Smith hatte den Gipfel seiner Macht erreicht. Er war von der Stadt Nauvoo zu ihrem Mayor, von der Legion zum General ernannt worden. Alle Klagen, die gegen ihn anhängig gemacht wurden, fielen bei den Geschworenen durch. Er »hielt die Schlüssel zum Himmelreiche in der Hand,« und sein Wort war auch in irdischen Dingen Gesetz. Im Mai 1844 hatte er sogar die Kühnheit, mit Veröffentlichung eines politischen Glaubensbekenntnisses, worin er unter Anderm sich für Errichtung einer Nationalbank, für Verminderung der Beamten und der Congreßmitglieder, für Aufhebung der Strafen wegen Desertion in Heer und Flotte, und für Entlassung aller in den Zuchthäusern verwahrten Verbrecher (die durch Liebe und Weckung ihres Ehrgefühls gebessert werden sollten) aussprach, neben Clay, Calhoun und Benton als Bewerber um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten aufzutreten. Es geschah dies lediglich zur Augenweide der Seinen, wiewohl die Mormonen behaupten, der Prophet würde unzweifelhaft bei der nächsten Wahl gesiegt haben, wenn er sie erlebt hätte.

Die Ereignisse schnitten die Gelegenheit zu einer nochmaligen Bewerbung ab. Unerwartet zogen sich dunkle Wolken über dem Haupte des Himmelsstürmers zusammen. Die Nachbarn in Hancock-County begannen sich zu beschweren, daß die Bewohner von Nauvoo sich an ihrem Vieh vergriffen, und daß gegen die Diebe bei den Behörden der Stadt kein Recht zu erlangen sei. Die Zeitungen von Illinois sprachen von einer Verschwörung, durch welche die Mormonen die Verfassung umzustoßen und an ihre Stelle eine Priesterschaft einzusetzen beabsichtigten. Gerüchte verbreiteten sich, daß Joseph Smith und einige andere von den Leitern der Secte in sogenannter »geistlicher Ehe« ein Leben voll Unzucht und Ausschweifung führten. Die letztere Beschuldigung wurde vorzüglich von der bereits erwähnten Partei in Nauvoo selbst erhoben. Mehrere einflußreiche und talentvolle Mormonen, die sich entweder in der Heiligkeit des Propheten oder – und das war wohl der häufigere Fall – in der Hoffnung, durch ihn zu Macht und Vermögen zu gelangen, getäuscht sahen, verließen seine Fahne und begannen ihn öffentlich als Wollüstling, Trunkenbold und hochmüthigen Tyrannen darzustellen. Eine gewisse Miß Brotherton klagte, er und Brigham Young haben sie unter dem Vorgeben, Gott habe sie Joseph zur zweiten Frau gegeben, verführen wollen. Smith griff diese Gegner in seiner Zeitung »The Wasp« mit dem Stachel bittersten Hasses an. Die Abtrünnigen, geführt von einem gewissen Dr. Foster, auf dessen Frau der Prophet es gleichfalls abgesehen haben sollte, fuhren dagegen in dem »Nauvoo Expositor« eine Gegenbatterie auf. Dieses Blatt bewarf in seiner ersten Nummer das Haupt der Kirche mit einer solchen Masse Schmuz, daß der Stadtrath dagegen einschreiten zu müssen glaubte. Elf Mitglieder von zwölfen erklärten den Expositor für eine Schmach von Nauvoo, und nicht zufrieden damit, begab man sich unverweilt nach der Druckerei des Blattes, zerstörte die Pressen, verstreute die Typen in die Straße und verbrannte die vorgefundenen Exemplare der Auflage. Smith und sein Bruder Hyrum ließen sich von ihrem Verdrusse über die Enthüllungen Fosters verleiten, die von dieser Gewaltthat Zurückkehrenden zu beloben und ihnen sogar Belohnung zu verheißen. Foster und seine Partei dagegen suchten gerichtliche Hilfe nach, und es erging ein Verhaftsbefehl gegen die Tumultuanten. Allein dieselben wurden durch ein sogenanntes Habeascorpus sogleich in Freiheit gesetzt. Der mit Ausführung des Verhaftsbefehls beauftragte Beamte wendete sich nun, von der Stadtbehörde zurückgewiesen, an die Grafschaftsbehörde und erschien im Auftrage dieser mit bewaffneter Macht, um die Verhaftung der Schuldigen zu bewirken, aber das Volk von Nauvoo rottete sich zusammen und verhinderte ihn an seiner Absicht. Als darauf die Miliz zusammenberufen wurde, um das Ansehen der Gesetze gegen die Anmaßung der Mormonen zu vertheidigen, antwortete Smith in seiner Eigenschaft als Mayor und General damit, daß er die Stadt in Belagerungszustand erklärte.

Damit war die Angelegenheit auf einen Punkt gediehen, wo der Trotz der Mormonen biegen oder brechen mußte. Der Gouverneur von Illinois erschien in Carthage, dem Sitze der Grafschaftsbehörden, und forderte Smith, indem er ihm Sicherheit seiner Person verbürgte, auf, vor ihm zu erscheinen, um sich zu verantworten. Der Prophet schickte, statt selbst zu kommen, zwei Gesandte, Taylor und Bernhisel, um mit Ford zu verhandeln. Dieser, damit nicht zufrieden, beorderte drei Compagnien Miliz unter einem Obersten nach Nauvoo, um den Propheten nebst seinem Bruder, dem »Patriarchen« ins Gefängniß zu bringen. Darauf flüchteten die Beiden über den Mississippi nach Iowa, kehrten indeß, da der Stadtrath es für das Beste erklärte, sich zu unterwerfen, und da überdies eine Freisprechung zu hoffen war, zurück und brachen nach Carthage auf. Auf dem Wege dahin begegneten sie Abgesandten des Gouverneurs, welche den Auftrag hatten, die Legion von Nauvoo zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. Sie gingen mit diesen nach der Stadt zurück und bewirkten, daß man dem Befehle nachkam. Hierauf begaben sie sich nach Carthage, wo sie nebst zweien von den Aposteln, Richards und Taylor, ins Gefängniß gebracht wurden, um dort die Entscheidung der gegen sie erhobenen Anklage zu erwarten. Ford glaubte damit vorläufig die Sache beigelegt zu haben. Er entließ die Mehrzahl der zusammengezogenen Truppen, verfügte sich nach Nauvoo, ermahnte hier die Mormonen, sich ruhig zu verhalten, da allen Parteien Gerechtigkeit geschehen sollte, und begab sich dann nach Carthage zurück.

Auf dem Wege begegnete ihm ein Eilbote, der ihm meldete, daß während seiner Abwesenheit der Pöbel das Gefängniß von Carthage gestürmt, die Wache überwältigt, und den Propheten nebst seinem Bruder erschossen habe. Dies war am Nachmittag des 27. Juni geschehen. Ford befürchtete, die Mormonen würden sofort in Masse aufbrechen, um den Mord ihres Propheten zu rächen, und rieth den Bewohnern von Carthage, den Ort zu verlassen, während er selbst sich, um das Weitere zu erwarten, nach Quincy verfügte, und nur ein schwaches Detachement Miliz unter General Denning in Carthage zurückblieb.

So endete die Laufbahn eines Mannes, dessen wahre Biographie noch zu schreiben ist und vielleicht nie geschrieben werden wird. Seinen Verehrern ist er der große Märtyrer des neunzehnten Jahrhunderts, seinen Gegnern ein Schurke der schwärzesten Art, dem nur allzu spät zu Theil ward, was ihm gebührte. Daß er ungewöhnliche Talente besaß, wird Niemand leugnen können. Aus allen seinen Maßregeln leuchtet eine tiefe Kenntniß der Menschen und Verhältnisse hervor. Der Muth und die Ausdauer, die er inmitten unablässiger Verfolgungen entwickelte, waren der besten Sache würdig. Wenige verstanden so gut zu organisiren. Wenige wußten so geschickt wie er mit Geistern umzugehen, die im Genusse der unbeschränktesten Freiheit aufgewachsen waren. Wenige nur möchten sich finden, die der Aufgabe gewachsen wären, ein Gemisch der widersprechendsten, allenthalben mit unreinen Trieben durchdrungenen, in irdischen Dingen von Selbstsucht, in himmlischen von wilder Phantasie bewegten Elemente in dem Grade zu bändigen und zu leiten, daß dieses Chaos Resultate gebäre, wie das Mormonenreich und seine Hauptstadt Nauvoo.

Viele von den Zügen in seinem Charakter sind für ein europäisches Auge nahezu unbegreiflich. Ein Prophet in Frack und weißer Ballweste, der sein Evangelium mit Gassenhauern und Witzen der Straße würzt und Reden in der Sprache der Lastträger mit Citaten aus den Classikern durchflicht, gehört in's Reich der Möglichkeit, wird aber immerhin zu den seltnen Erscheinungen zählen. Ein Mann, der neben den Pflichten, die ihm sein Amt als oberster Priester, als Offenbarer göttlicher Geheimnisse, als Pförtner an der Thür des Himmelreichs auferlegt, auch noch Zeit findet, die Geschäfte eines Bankdirectors, eines Bürgermeisters, eines Generals und eines Hotelwirths zu besorgen, steht unserm Gefühle nach an der Grenze des Wahrscheinlichen und schon eine Strecke jenseit derselben. Wenn aber Mormonen selbst die folgenden Anekdoten von ihrem Propheten erzählen, so weiß man in der That nicht, ob neben dem Geiste Mohamed's nicht auch ein gutes Stück des seligen Eulenspiegel in ihm wiederaufgelebt war. Mehrmals nämlich geschah es, daß Joseph plötzlich die Maske des Gottgesandten fallen ließ, auf öffentlicher Straße einen Neubekehrten zum Ringkampfe herausforderte und den verblüfften Heiligen nicht eher von dannen ließ, bis er ihn seiner ganzen Länge nach auf den Boden hingelegt und dadurch den Beweis geführt hatte, daß der Ruf athletischer Kraft, in dem er stand, nicht gelogen habe. Mehrmals auch kam es vor, daß von Neulingen, die sich bei dem Propheten meldeten, all ihr Geld als Darlehen für den Tempelbau verlangt und dann nicht die mindeste Notiz mehr von ihnen genommen wurde, sodaß der Arme genöthigt war, sich als Tagelöhner mit Schaufel und Axt sein Brot zu verdienen. Hielt er diese Prüfung seiner Treue einige Monate aus, so wurde er eines Tages plötzlich zum Propheten berufen, und dieser verlieh ihm ein entsprechendes Stück Land nebst den Mitteln, es sich darauf bequem zu machen.

Die Mehrzahl der Mormonen war auf die Nachricht von Smith's Ermordung für sofortige Eröffnung des Vertilgungskriegs gegen die »Heiden«. Dumpf rollte die Lärmtrommel durch die Straßen, allenthalben sammelten sich drohende Gesichter, selbst die Weiber riefen zur Rache auf. Die Führer aber wußten das Volk für den ersten Tag zu beschwichtigen, um ihm am nächsten, wo die Hitze sich durch Ueberlegung gemäßigt, zu beweisen, daß man nicht stark genug sei, um das Schwert der Strafe selbst zu schwingen, und so begnügte man sich mit der Hoffnung, daß die Zeit nahe sei, wo Gott den Mord seines Knechtes rächen werde. Als Gouverneur Ford sich versichert hatte, daß die Mormonen keine Ungesetzlichkeit begehen würden, so entließ er die Miliz, die sich rasch gesammelt hatte, und der Kriegszustand wurde aufgehoben.

 

Nauvoo fuhr fort zu blühen, und die Zahl seiner Einwohner stieg bis auf 20,000. Zwar erhoben sich Streitigkeiten über den Nachfolger Smith's, dieselben wurden aber durch die Energie Brigham Youngs, des Vorstehers der zwölf Apostel, sehr bald beigelegt. Rigdon, der die letzten Jahre dem Namen nach mit Joseph und Hyrum die Präsidentschaft über die gesammte »Kirche« getheilt, von dem Propheten aber seit geraumer Zeit schon mit Mistrauen betrachtet und hintangesetzt worden war, kam von Pittsburgh herbei geeilt und berief eine Versammlung, in welcher er seine Ansprüche auf den erledigten ersten Platz geltend machte. Er theilte zugleich eine Offenbarung mit, nach welcher die Heiligen nach Pennsylvanien ausziehen sollten, während er sich nach England zu begeben, dort die Königin zur Bekehrung aufzufordern und wenn sie sich der Taufe weigerte, vom Throne zu stoßen habe. Seine Zeit war indeß vorüber, und es gelang Young, nicht blos seine Pläne zu vereiteln, sondern auch seine Ausstoßung aus der Gemeinde zu bewirken. Getäuscht in seinen Erwartungen und von Young feierlich dem Teufel und seinen Engeln überantwortet, kehrte er nach der Stadt zurück, wo er Spaldings Roman in eine Bibel verwandelt hatte, und dort ist er seitdem verschollen. Ein andrer Schismatiker war der Aelteste Bishop, der ganze Bände von Gesprächen mit himmlischen Geistern aufzuweisen hatte, aber trotz dieser Testimonia seiner Beliebtheit bei Jehova ebenfalls beseitigt wurde. Einem dritten Bewerber um die Stelle des Propheten, William Smith, erging es nicht besser; auch er verschwand spurlos.

Etwas mehr Erfolg fand der Apostel Lyman Wight, welcher in Texas eine Colonie gründete. Die bedeutendste Stelle endlich nimmt unter diesen Abtrünnigen James Strang, ein junger Advocat aus dem Staate Neuyork, ein, welcher, 1843 der Secte beigetreten, kraft einer besiegelten Offenbarung, die Joseph Smith ihm kurz vor seinem Tode mitgetheilt haben sollte, zu Voree, auf den Prairien von Wisconsin die Heiligen als »König« um sich sammeln wollte. Auch ihn traf der Bannstrahl der Zwölfe, er jedoch fuhr fort zu predigen und zu weissagen, und es gelang ihm, eine ziemlich zahlreiche Gemeinde um sich zu bilden, deren Hauptsitz gegenwärtig Beaver-Island, eine Insel des Michigansees nicht weit von Mackinaw ist, wo die Unterthanen dieses geistlichen Zaunkönigs im Jahre 1852 in mehrfache, zum Theil blutig endende Conflicte mit den Nachbarn geriethen.

Die bei Weitem überwiegende Mehrheit der Latterday-Saints aber blieb in Nauvoo, wo sie unter Brigham Young an der orthodoxen Lehre festhielten und fleißig am Tempel fortbauten. Der neue »Prophet, Seher und Offenbarer« war ganz der Mann dazu, das Werk, das Smith begonnen, weiterzuführen. Er hatte durchaus keine Anlage zum Märtyrer, aber er war ein ungemein kluger, weitschauender, durch und durch politischer Kopf, und eines solchen bedurfte die Secte gerade jetzt, wenn sie nicht untergehen sollte. Die Leidenschaften waren ringsum gegen sie aufgeregt, und nur mit der größten Mäßigung und Nachgiebigkeit waren Angriffe der Nachbarn auf Nauvoo fernzuhalten. Auf die Dauer aber wollte auch dies nicht gelingen. Schon im Herbste 1845 fingen Feindseligkeiten an auszubrechen. Dieselben steigerten sich, und endlich verstanden die Führer der Mormonen sich im Namen der Gesammtheit zu dem Versprechen, im Laufe des nächsten Jahres über die Westgrenze des angesiedelten Theils der Union auszuwandern. Im Frühlinge 1846, besagte dieses Uebereinkommen, sollte eine auserwählte Schaar aus der Mitte der Heiligen aufbrechen, um jenseit der Felsengebirge eine neue Heimat für ihre Brüder zu suchen. Dagegen machte der andere contrahirende Theil sich anheischig, die Zurückbleibenden so lange unbehelligt in Nauvoo zu lassen, bis die Vorausgehenden ihre Wahl getroffen und die Uebrigen Gelegenheit gefunden hätten, ihr Eigenthum in Illinois nach seinem wahren Werthe zu veräußern. Der Pöbel von Hancock-County respectirte jedoch den Vertrag nicht. Bald zeigten sich Symptome eines abermaligen Sturmes, und so mußten jene Kundschafter, unter denen sich die Häupter der Secte befanden, schon am letzten Februar sich auf den Weg machen, wiewohl die Kälte noch so groß war, daß den Mississippi eine Eisdecke überzog, über welche sie mit Wagen und Pferden gehen konnten. Die Leiden, die sie in Folge dessen erduldeten, waren unsäglich, ja um so furchtbarer, als sie sich in der Hast nur unvollkommen mit den Bedürfnissen zu einem Marsche durch die winterliche Wüste hatten versehen können, und als es bald an Lebensmitteln und Futter für das Vieh zu mangeln anfing. Nach Nauvoo umzukehren war schlechterdings unmöglich, und so pilgerten sie weiter durch die Schneestürme der Wildniß von Iowa, sehnsüchtig dem Frühling entgegenschauend, Trost in den Verheißungen ihres Glaubens suchend und »die Lieder Zions singend, während ihnen der Athem an die Augenlider gefror.«

Der ersehnte Frühling kam endlich, aber er brachte nur neue Beschwerden. Regengüsse verwandelten den fetten Boden der Prairie in einen unermeßlichen Morast, durch den die Karawane nur langsam vorwärts kam, und die Winde trugen von den schlammigen Ufern des Plattestroms und des obern Missouri Krankheitsstoffe herzu, denen die von Mühen und Entbehrungen erschöpften Wanderer schaarenweise erlagen. Die Lager wurden zu Spitälern, und als man das Gebiet der Sack- und Fuchsindianer erreicht hatte, mußte Halt gemacht werden, um sich für die weitere Reise zu erholen.

Inzwischen hatten die Feinde der Mormonen in Illinois ihre Angriffe auf Nauvoo erneuert. Die Farmen außerhalb der Stadt mußten geräumt werden. Im Innern aber hielt man tapfer Stand; denn noch immer stand der Tempel unvollendet, den Gott zu bauen geboten. Dieses Werk des Glaubens und der Liebe jedes Einzelnen mußte zu Ende geführt werden trotz aller Bedränger und Verfolger, und es ward vollendet. Der Tag der Einweihung war ein hohes Fest. Von allen Seiten, aus der Nähe und aus der Ferne kamen Priester, Aelteste und Bischöfe als bestaubte Wanderer herbei, um sich, in ihre Talare gekleidet, an der Feier zu betheiligen. Vom Hochmittag bis tief in die Nacht hinein war ganz Nauvoo eitel Frohlocken und Lobgesang. Da stand es, das Haus des Herrn, der Stolz des Mississippithales. Hell blinkte auf der Thurmspitze der goldne Engel mit der Posaune. Die innern Räume strahlten von Lampen und Fackeln, der große Altar und die Kanzeln der Priester waren mit Blumengewinden und Laub geschmückt. Gesänge erschallten, Gebete und Segenssprüche stiegen empor. Dann wurden alle Heiligthümer von beweglicher Art weggeschafft, um Tags nachher, wo die letzten der Führer mit einer mehrere tausend Mann starken Heersäule von Gläubigen den vorausgegangenen Brüdern folgten, nach der neuen Heimat abgeführt zu werden.

Der Rest der Mormonen wurde einige Wochen später von dem Pöbel der Nachbarschaft nach hartnäckiger Gegenwehr mit Waffengewalt zum Abzuge gezwungen. Seitdem hat die Stadt der Heiligen halb wüste gelegen. Cabets Icarier, die sich später hier niederließen, haben sie nicht wieder zu der alten Herrlichkeit zu erheben vermocht. Der Tempel wurde, nachdem die Jesuiten von St. Louis in Verhandlungen getreten waren, um ihn zu einem Seminar anzukaufen, 1848 von einem Nichtswürdigen in Brand gesteckt. Ein Tornado warf im nächsten Jahre den größten Theil des stehengebliebenen Gemäuers um, sodaß jetzt von dem stattlichen Baue nur die eine Wand und ein Haufen Ruinen noch übrig ist. Der Engel mit der Posaune aber wird gegenwärtig in Barnums Museum gezeigt, – eine seltsame Fügung des Schicksals, welche die Spitze dieses Triumphs des Mormonenthums in das Raritätencabinet des »Napoleons der Windbeutelei« führte!

Kehren wir zu dem Vortrab der Auswanderer in dem Indianerlande zurück, so treffen wir sie am obern Missouri bei Council Bluffs, wo sie in der ersten Hälfte des Juni angelangt waren, und wo sich zwei Monate später die Tausende des Hauptheeres allmälig mit ihnen vereinigten. Da der Herbst sich näherte, so mußte die Weiterreise bis zum nächsten Frühjahre aufgeschoben werden. Um diese Zeit brach der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko aus, und General Kearney erhielt den Auftrag, unter den Mormonen ein Bataillon von 520 Mann zur Theilnahme am Kampfe zu werben. Die Regierung wußte von ihrer Absicht, nach Californien zu ziehen und glaubte (wie die Vertheidiger der Maßregel sagen) ihnen einen Gefallen zu thun, wenn sie auf diese Art einen Theil der Kosten ihres Abzuges übernähme und ihnen nebenbei Gelegenheit gäbe, sich als gute Patrioten zu zeigen. Die Mormonen aber sahen die Sache anders an und meinten, man wolle die waffentüchtigsten Leute von ihnen nehmen, um den Rest den Angriffen der Indianer erliegen zu lassen. Es wäre eben nicht zu verwundern gewesen, wenn man dem General eines Staates, der ihnen gegen ihre Feinde niemals Recht verschafft hatte, eine abschlägige Antwort ertheilt hätte. Aber die Vaterlandsliebe trug den Sieg über die erlittene Unbill und über die Sorge um die Zukunft davon. Die Aeltesten beriefen eine Versammlung, in welcher zunächst die Unverheiratheten zu Rekruten ausgeschieden, und dann die jüngeren Familienväter hinzugefügt wurden. Innerhalb drei Tagen war das Bataillon vollzählig, bewaffnet, eingesegnet, und nachdem zum Abschiede ein fröhlicher Ball stattgefunden, marschirten die Truppen »im Namen des Herrn« aus dem Lager.

Die Zurückbleibenden rüsteten sich nun für den Winter und verwandelten ihre Zeltlager in hölzerne Städtchen, von denen das größte, auf den Ländereien der Pottowattamies gelegen, nach dem Freunde und Begleiter der Mormonen während ihres Auszugs, Oberst Kane von Philadelphia, Kanesville genannt wurde. Der Winter kam, um die Wanderer in der Wüste von den Plagen des Sommers, Wechselfiebern und scorbutartigen Krankheiten zu erlösen, brachte ihnen aber andere Leiden und Beschwerden in Menge. Er war die schwerste ihrer Prüfungen und zugleich der Wendepunkt ihres Geschicks.

Ganz früh im Jahre 1847, ehe die Prairie zu grünen begann, brach eine Vorhut von 143 Mann mit 70 Wagen, geführt von Brigham Young und mehreren Gliedern des hohen Rathes von den Winterquartieren im Lande der Omaha-Indianer auf, um weiter nach Westen vorzudringen. Sie beeilten sich so sehr, als es das schwierige Terrain gestattete, setzten über den Loup-, den Horn-, den Platte-, den Bären- und den Weberfluß und stiegen endlich, sehr erschöpft zwar, aber ohne einen Mann verloren zu haben, über die wildzerklüfteten Felsenberge des Utahlandes in das Becken des großen Salzsees hinab. Der Vortrab traf hier am 21., die Präsidentschaft der Kirche am 24. Juli ein, und der letztere Tag sah das Haupt der Mormonen den Boden segnen, wo nun der Grund zu einem dritten »Neujerusalem im Westen« gelegt wurde. Er ist in der Folge zum größten Festtage der Secte geworden, und einer der Apostel erklärte ihn bei Gelegenheit der dritten Jahresfeier sogar »für den wichtigsten Tag in der Geschichte der Menschheit, mit alleiniger Ausnahme der Tage, da Adam geschaffen und Jesus Christus geboren worden.«

Die Kundschafter waren zeitig genug in der neuen Heimat angelangt, um für eine den nächsten Herbst zu haltende Ernte ihr Wälschkorn pflanzen zu können. Ihnen folgte aus dem Hauptlager am Missouri einen Monat später ein Heer von ziemlich 4000 Mann mit 566 Wagen, auf welchen sie große Massen von Mais und Weizen mit sich führten, die sie, gleichfalls glücklich im Thale des Salzsees eingetroffen, noch im Stande waren, auszusäen, ehe der Winterfrost eintrat. Im Herbste stießen zu ihnen ein Theil des Mormonenbataillons und andere Kirchenglieder, die aus Californien und von den Sandwichsinseln kamen, und im Frühling und Sommer von 1848 zogen beinahe alle noch auf den Prairien verweilenden Heiligen in einer Aufeinanderfolge bald kleinerer, bald größerer Karawanen ihren Brüdern nach, sodaß zu Ende dieses Jahres bereits 8000 Ladderday-Saints in den verschiedenen Niederlassungen der Thäler am Großen Salzsee angesiedelt waren.