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Die Mormonen

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»Um zehn Uhr Morgens verkündete Kanonendonner der Stadt, daß die Zeit gekommen sei, sich nach der Bowery, wo einst ihr Tempel stehen wird, zu verfügen. Die Würdenträger der Kirche und die Beamten der von den Vereinigten Staaten abgesendeten Vermessungs-Commission fanden sich in dem neuen Wohnhause des Präsidenten ein, wo sie mit der Zuvorkommenheit und Artigkeit empfangen wurden, die den Gouverneur von Utah auszeichnet. Um elf Uhr marschirte vor dem Hause ein starker, gutausgerüsteter Trupp Militair auf, geführt vom General Wells und begleitet von einem Musikchore, sowie von vierundzwanzig Bischöfen in Amtstracht, welche Fahnen trugen. Die Gäste, die Würdenträger und die Präsidentschaft ordneten sich dann zum Zuge und setzten sich hierauf unter dem Commando des Generals, seiner Adjutanten und des »Marshal of the Day«, während die Musik spielte und die Kanonen donnerten, mit wehenden Bannern nach dem großen Platze in Bewegung, wo die Hauptfeierlichleit stattfinden sollte.

Hier waren in der musterhaftesten Ordnung und Ruhe gegen sechstausend Personen versammelt, alle in sauberen Sonntagskleidern und mit freudestrahlenden Gesichtern. Als der Redner, die Präsidentschaft, die Väter oder »betagten Männer« sowie die vornehmsten Gäste auf den zahlreichen Bänken der Erhöhung Platz genommen hatten, wo die Rednerbühne stand, rief einer der zwölf Apostel betend den Segen des Himmels auf die Versammlung herab. Dann las der Marshal das Programm der Festfeier vor, und hierauf folgte ein Vortrag des Redners, in welchem er sich mit beredten Worten an den Stolz, die Vaterlandsliebe und das Gerechtigkeitsgefühl seiner aufmerksamen Zuhörer wendete. Er zählte ihre vielfältigen Prüfungen und deren glorreiche Endergebnisse auf, forderte sie auf, ihre Ehre und ihre Rechte gegen jede Beeinträchtigung aufrecht zu erhalten und erklärte in ihrem Namen, daß jeder Angriff, der aus diesem Grunde auf sie gemacht würde, auf kräftigen Widerstand stoßen solle. Dann wurden Reden vom Präsidenten und von Anderen gehalten, die alle den Zweck verfolgten, die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit der Feier zu lenken und den Hörern klarer zum Bewußtsein zu bringen, warum und aus welchen Ursachen dieser Tag ein denkwürdiger sei.

Hiernach kam die Hauptsache. Es war die Ueberreichung der Verfassung der Vereinigten Staaten, sowie der von Deseret an den Gouverneur, damit er und seine Nachfolger sie als getreue Wächter hüteten. Die Urkunden wurden durch vierundzwanzig »Betagte«, silberhaarige Männer, Söhne und Nachkommen der Freiheitshelden von 1776 übergeben. In wohlgesetzter, kurzer Ansprache ermahnte ihr Sprecher den Gouverneur zur Treue gegen die Constitution. Er sagte ihm, daß diese Väter vor ihm bald von der Schaubühne dieses vielbewegten Lebens abtreten würden, und daß sie, bevor sie gingen, um nicht wiederzukehren, so lange das gegenwärtige weltliche Regiment währe, das Erbtheil, das sie von dem vergangenen Geschlechte empfangen, in sichere Hände zu legen wünschten, damit es ungeschmälert bewahrt werde bis zu der Zeiten Erfüllung. Es wäre die glorreiche, die göttliche Verfassung, die der Herr den Staatsmännern von ehedem eingegeben habe, und sie bäten, daß dieselbe in die Archive ihres aufblühenden Staates niedergelegt würde, als ein heiliges Kleinod, als das Palladium der Freiheit, als die oberste Herrschermacht unter Gott, der über die Geschicke der Vereinigten Staaten wache, als eine körperlose Gewalt, die lediglich in der Liebe und Treue ihrer Unterthanen, freigeborener Männer, existire. Sie müsse heilig gehalten werden, Jedermann in den Bergen müsse durch Eidschwur zu ihrer Vertheidigung verpflichtet werden. Denn drohende Wolken wälzen sich am östlichen Himmel empor, und die ursprünglichen Wahrer und Unterstützer würden bald von ihrer Treue gegen die stumme und doch so beredte Constitution lassen und, nach dem Willen des Himmels von Sinnen gekommen, heranstürzen, um ihre Hände mit Bruderblut zu beflecken, während droben in den Bergen die auserwählten Hüter sich des heiligen Kleinods erfreuen und endlich wie der Adler von seinem Horste herniederfliegen würden, um dem bereuenden Ueberreste jenen Frieden wiederzugeben, durch den dieses hochbegnadigte Land allein gedeihen könne; zugleich mit der weltlichen Urkunde aber würden sie Jenen die Wahrheit bringen, die allein freimachen könne.

Die Festlichkeit wurde durch ein glänzendes Bankett beschlossen, welches in der Wohnung des Präsidenten für diejenigen veranstaltet wurde, die von dem Militair und den Bischöfen nach der Bowery geleitet worden waren. Trinksprüche, Reden, Musik und Gesang wechselten mit einander bis zum Abend, wo die freudeberauschte Menge, ohne daß ein Zwischenfall den Einklang der Feier gestört hätte, auseinanderging und unzweifelhaft den Glauben mit heimnahm, daß die Mormonen das größte Volk der Erde und ihre Regenten die weisesten Männer unter der Sonne seien. Ihr Seher hatte ihnen gesagt, daß sie keine irdische Macht zu fürchten hätten, und daß man entschlossen sei, sich als Staat zu behaupten, was auch Congreß oder Präsident in Washington reden oder thun möge, und das Volk hatte wie mit einem Munde darauf geantwortet: Amen, so soll es sein, es ist der Wille der himmlischen Gerechtigkeit.«

Ein Blick auf diese Reden zeigt, daß die Mormonen die Verfassung für eine heilige, ja von Gott eingegebene Urkunde halten und daß sie Bürger der Vereinigten Staaten sein, daß sie es aber auf ihre eigene Weise sein wollen. Dagegen wird sich, sobald das Territorium zum Staate geworden ist, nichts Triftiges einwenden lassen. Die Constitution verbürgt die unbeschränkteste Gewissensfreiheit, indem sie durch einen Zusatzartikel von 1794 bestimmt: der Congreß soll kein Gesetz erlassen, welches sich auf die Einführung irgend einer Religion bezieht oder die freie Ausübung einer solchen verbietet. Sie schreibt den einzelnen Gliedern der Union in Bezug auf ihre Verfassung nichts vor, was in dem Mormonenstaate nicht erfüllt wäre. Sie verleiht endlich der Centralgewalt nicht das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der von ihr zu einem Ganzen verknüpften »souverainen« Republiken zu mischen.

Etwas Anderes ist es aber, so lange Utah noch Territorium ist. In dieser Eigenschaft ist es als unmündig zu betrachten. Sein gesetzlicher Vormund ist der Präsident in Washington, in dessen Belieben es gestellt ist, wie viel Freiheit er – natürlich mit steter Rücksicht auf die Constitution – dem Mündel gestatten, wie viel Rücksicht er auf seine eigenthümlichen Verhältnisse nehmen will. So möchte es den Mormonen, wenn der Präsident ihnen Beamte gegen ihren Willen geben wollte, schwer fallen, darin einen verfassungswidrigen Act nachzuweisen. Eine Unbilligkeit aber würden in solchem Verfahren selbst die Gegner der Secte erkennen müssen.

Die Ansiedler von Deseret vergleichen ihre Stellung nicht unpassend mit der Lage, in welcher sich die amerikanischen Colonien vor Ausbruch des Unabhängigkeitskriegs befanden. Sie sehen den einzigen Unterschied darin, daß letztere sich darüber zu beschweren hatten, daß man ihnen Steuern zumuthete, ohne ihren Interessen Vertretung im Parlamente des Mutterlandes zu gewähren, während sie, die Mormonen, eine Ungerechtigkeit darin finden, wenn von auswärts gekommene Regierungsbeamte, die ihren Glauben und ihre eigenthümlichen Gewohnheiten nicht kennen, ihnen Gesetze aufnöthigen sollten. Bei allem Widerwillen, den uns ihr Aberglaube und die Verkehrtheit mancher ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen einflößt, können wir diese Klage und das damit zusammenhängende Verlangen, sie nach ihrer Façon selig und auf Erden glücklich werden zu lassen, nur billigen. Einige amerikanische Zeitungen haben andere Ansichten ausgesprochen. Der Präsident Fillmore ist auf jenen Wunsch nur theilweise eingegangen, indem er dem Territorium wenigstens drei nicht zu den Latterday-Saints gehörende Beamte gab. Pierce, sein demokratischer Nachfolger, hat eine richtigere Politik eingeschlagen und dem Territorium in Bezug auf die Wahl seiner Beamten nichts Unliebsames zugemuthet, ein Verfahren, wodurch der bedrohte Friede bis auf Weiteres gesichert scheint.

Die Frage, ob die Mormonen sich von Washington Leiter ihrer Angelegenheiten und Richter in streitigen Dingen schicken lassen, oder sich – vorausgesetzt, daß damit die Verfassung der Union nicht verletzt wird – selbst regieren und richten sollen, ist im Grunde nur eine Frage der politischen Etiquette, und es würde nicht blos unbillig, sondern auch unklug sein, wollte man aus ihrer Weigerung, dieselbe zu Gunsten der Centralregierung zu bejahen, einen Hochverrathsproceß herleiten und irgend welche Zwangsmittel anwenden. Die Folge würde ein Aufstand der Colonie in den Felsengebirgen sein, zu dessen Dämpfung man zunächst vielleicht »etliche Dragonerregimenter«, wie dies von den Heißsporns unter den Zeitungsschreibern in den Staaten bereits angekündigt worden ist, absenden würde. Diese Truppen würden nun entweder vor den befestigten Pässen in den Rocky Mountains umkehren müssen, oder man würde in Deseret sich fügen, und sie würden, um fernere Auflehnungen zu verhüten, als Besatzung im Lande zurückbleiben. Dabei könnte es aber nicht fehlen, daß die Strenge der Befehlshaber wie einst in Missouri als Anmaßung und grausame Härte ausgelegt werden würde. Die ohnedies in ganz Amerika verbreitete Geringschätzung des Soldaten ferner würde bei dem nun näher gerückten Vergleiche ihrer Trägheit mit dem eigenen Bienenfleiße zur Entrüstung sich steigern, die sprichwörtliche Galanterie der Epaulettenträger gegen das schöne Geschlecht endlich bei den Haremsbesitzern unter den Latterday-Saints die Dämonen der Eifersucht wecken. Die Erinnerung an das Gesetz, das auf den Ehebruch Todesstrafe setzt, läge dann nahe, der Haß gegen die »Heiden« würde auch die Ueberlegsamern leicht über den rechten Weg verblenden, und wer kann dafür bürgen, ob dann nicht eines Tags die Timpanogaberge ein Seitenstück zur sicilianischen Vesper sähen? Möchten also die Mormonen sich den Dragonern Uncle Sams unterwerfen oder nicht, in beiden Fällen würde man einen großen Krieg führen müssen. Dieser Krieg würde in seinem Ausgange zwar nicht zweifelhaft sein; er würde aber bei der Entfernung Deserets von den Grenzen der Civilisation, bei der Schwierigkeit des Transports von Geschütz und Proviant durch Wüsten ohne Straßen und schiffbare Flüsse, die das Mormonenland von allen Seiten umgeben, bei der Umwallung desselben mit schroffen Bergketten und bei der kriegerischen Tüchtigkeit der dann zum glühendsten Fanatismus erhitzten Heiligen außerordentliche Opfer an Geld und Menschen erfordern und vielleicht Jahre hindurch dauern; ganz abgesehen davon, daß er das erste Beispiel eines Bürgerkriegs wäre – ein Beispiel, welches die Vereinigten Staaten bei dem Zwiespalte zwischen dem Norden und dem Süden mehr wie irgend ein anderer Staat zu fürchten haben.

 

Und was wäre selbst mit dem raschesten und vollständigsten Siege über die Empörer erreicht? Unser Jahrhundert gestattet keine Albigenserkriege, und so könnte die Strenge des Gesetzes nur einige von den Schuldigen treffen. Die große Masse abermals von Haus und Hof zu vertreiben, dürfte man sich ebenso wenig erlauben. Man müßte sie darum in ihrem Besitze lassen und sie durch eine Truppenmacht, welche bei der Ausdehnung der Ansiedelungen in Deseret die reichliche Hälfte der Armee der Vereinigten Staaten in Anspruch nehmen würde, im Zaume zu halten suchen. Dadurch würde die Colonie verarmen. Das Bewußtsein erlittenen Unrechts würde sich ferner von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzen, und man hätte sich mitten auf dem Wege vom Mississippi nach Californien, mitten unter den Rothhäuten, den dereinstigen Glaubensgenossen der Heiligen vom jüngsten Tage, einen heimlichen, nur auf Gelegenheit zur Rache harrenden Feind geschaffen, statt daß man an dem Gebirgsstaate Deseret jetzt eine Herberge der Wanderer nach dem Goldlande am Stillen Meere und eine Veste gegen die Wilden besitzt, die mit der Zeit bessere Dienste zur Abwehr und zur Zähmung ihrer Horden leisten wird, als alle die Forts an der westlichen Grenze zusammengenommen. Endlich aber hätte man die Besiedelung dieser wüsten Strecken, die von dem fleißigen Volke der Mormonen mit so überraschendem Erfolge begonnen und fortgesetzt worden ist, auf Jahre und Jahrzehente hin gehemmt, ja vielleicht für immer gestört, da schwerlich Andere, als religiös Verfolgte und durch religiöse Bande Zusammengehaltene diese Einöden ohne schiffbaren Fluß zum Wohnplatze wählen und sich dort behaupten dürften.

Aus diesen und anderen, hier nicht anzuführenden Gründen ist es wahrscheinlich, daß man die Mormonen gewähren und ihren Staat zur Mündigkeit heranreifen lassen wird. Young und die übrigen Leiter der Secte werden sich vor extremen Ansprüchen hüten und wenigstens den Schein der Gesetzlichkeit bewahren. In Washington aber wird man über geringfügige Abweichungen von der Regel hinwegzusehen wissen. Deseret wird in weniger als zehn Jahren hunderttausend und vielleicht mehr Einwohner haben, und die Welt wird das seltsame Schauspiel einer Priesterrepublik, die Glied eines aus Demokratien bestehenden Staatenbundes ist, erleben.

Dennoch ist dem Mormonenthume in Deseret kein günstiges Horoskop zu stellen. Möglich, daß diese Pseudoreligion sich Jahrhunderte erhält. Möglich auch, daß der Staat Deseret eine Zeit lang als Theodemokratie Bestand hat – in seiner jetzigen Gestalt wird keines von beiden Dauer haben, und nicht unwahrscheinlich ist es, daß schon die nächsten Jahre einen großen Riß durch das von Joseph Smith gegründete Gebäude gehen und eine völlige Umgestaltung desselben sich vollziehen sehen. Nicht von Außen, wohl aber von Innen, wird der Sturm sich erheben, der es erschüttern wird. Aus der Mitte der Secte selbst wird der Zerfall sich entwickeln, und zwar werden die Ursachen des Zwiespalts um so eher wirken, je bereitwilliger man den Mormonen gewährt, was sie verlangen, je mehr man sie als nicht vorhanden betrachtet und sich selbst überläßt. Der Kitt, der sie bisher zusammenhielt, hatte zu seinem Hauptbestandtheile das Märtyrerthum, das sie durchmachten. Bedrohungen von Außen ließen sie nach Außen blicken, und so übersah man, daß im Innern die böse Saat böse Früchte reifte. Dazu kam der Kampf mit der Wüste, die Sorge für die materielle Existenz. Sich nicht mehr gefährdet wissend und sich einer gesicherten Existenz erfreuend, wird man in Kurzem zum Gefühle und durch dieses zur Erkenntniß wenigstens der schreiendsten Misbräuche und Irrthümer kommen, und der Erkenntniß wird der Abfall von dem Bisherigen auf dem Fuße folgen.

Das Mormonenthum könnte sich dieser Erkenntniß, die seine ärgste Feindin ist, möglicherweise länger erwehren, wenn es sich vollständig von der übrigen Welt abzuschließen vermöchte. Aber einerseits beruht sein Wachsthum auf der Einwanderung, und anderntheils erlaubt der Geist unserer Zeit überhaupt keine derartige Isolirung. Keine zwanzig Jahre wird es dauern, so wird die Rieseneisenbahn, welche den Atlantischen mit dem Stillen Ocean verbinden soll, vollendet sein, und diese Schienenstraße muß das Gebiet der Mormonen wo nicht durchschneiden, doch berühren. Sie wird den Werth des Landes steigern, indem sie die Preise der Producte erhöhen wird. Sie wird aber auch die Ader sein, durch welche das Lebensblut des neunzehnten Jahrhunderts, die Aufklärung und die Bildung desselben wieder in dieses abgebundene Glied der geschichtlichen Menschheit dringt.

Höchst wahrscheinlich wird die Reaction des gesunden Menschenverstandes sich schon früher durch den Wahn und die Bethörung Bahn brechen, die jetzt die Massen gefangen halten. Die erste Störung der jetzigen Harmonie wird vermuthlich von der Vielweiberei ausgehen. Man kehrt damit zu asiatischer Barbarei zurück, während man auf der andern Seite doch durch eifrige Sorge für Unterrichtsanstalten die Bildung zu fördern bemüht ist. Man giebt den Mädchen eine gleich gute Erziehung wie den Knaben, und doch läßt man ihnen in der Praxis fühlen, daß sie tief unter dem Manne stehen. Die Rücksichten und Aufmerksamkeiten, welche die Sitte civilisirter Nationen dem weiblichen Geschlechte zu erweisen gebietet, sind dem Mormonen eine unsinnige »heidnische Mode«, und sein Weib hat keinen andern Werth als den einer »Mutter in Israel,« d. i. aus der Sprache frommer Phrasen in die gewöhnliche Rede übersetzt: sie hat nur Werth als Maschine zur Füllung des Landes mit den sechzigtausend Einwohnern, die zur Verwandlung des Territoriums in einen Staat erforderlich sind. Das ist eine Philosophie für Feldmäuse und Kaninchen, nicht für Menschen. Selbst der Türke sieht die Sache nicht von diesem Standpunkte an. Ueberdies aber werden die Harems Asiens mit Mädchen gefüllt, die man nicht um ihre Einwilligung gefragt hat. Das Mormonengesetz dagegen erlaubt den jungen Damen, die zur Versiegelung begehrt werden, Einspruch zu thun, wenn es sie auch mit dem Zorne des Herrn bedroht, wofern sie seiner Anordnung sich nicht unterwerfen. Denke man sich nun, daß einem jungen Mädchen von einigem Zartgefühl die Frage vorgelegt würde, ob sie wohl Neigung spüre, Frau Y. Nummer 20 zu werden, oder ob sie sich einem Manne vermählen lassen wolle, der nach einigen Jahren sie, die dann Verblühte, vernachlässigen, auf Wochen unsichtbar werden und endlich eines schönen Morgens in ihr Zimmer treten könne, um ihr zu sagen: »Freue mich von Herzen, Dich einmal zu sehen, Liebste; würde entzückt sein, ein Stündchen mit Dir zu verplaudern, aber – hm, beiläufig – hast Du wohl schon meine neueste Braut Nummer 10 gesehen? – ein recht nettes Kind!« Denke man sich diese Frage einer jungen Dame von Erziehung vorgelegt, so wird man über die Antwort nicht in Zweifel sein, und in der That sind schon jetzt die Fälle nicht selten, daß Bürgerinnen von Deseret, die, von hochstrebenden oder bigotten Müttern genöthigt, auf Versiegelungen mit dem einen oder dem andern Pascha der Secte eingegangen waren, ihrem Besitzer entflohen, um sich mit den Mischlingen der Grenze oder Indianern zu verheirathen, indem sie das rauhe Leben in den Lederzelten der Wüste der unwürdigen und langweiligen Stellung im Harem jenes Nachfolgers der Erzväter vorzogen. Wenn das aber am grünen Holze geschieht, was soll's mit dem dürren geben?

Ein zweiter Grund zu Zwistigkeiten wird die vom Propheten Joseph herrührende emendirte Bibel sein, die dem Vernehmen nach in Kurzem erscheinen wird. Bis jetzt war für Angriffe auf die Lehre und für Prüfung derselben kein fester Halt vorhanden. Alles war fortwährende Verwandlung, unaufhörliche Vervollständigung. Mit jener Bibel wird der Abschluß dieser Entwickelung gegeben sein, und nicht lange wird es dauern, ehe sich aus der Interpretation des Grundbuchs Secten in der Secte bilden.

Eine fernere Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der Einwanderung von Elementen, welche nicht aus Fanatismus, sondern um ihre Verhältnisse zu verbessern kommen. Schon jetzt beklagen sich die Führer der Secte häufig über die Selbstsucht, die unter dem Volke herrsche, während die Ausführung der Pläne Joseph Smiths und Brigham Youngs eine Selbstverläugnung des eigenen Interesses fordert, wie sie bisher nur die Mitglieder der Gesellschaft Jesu an den Tag legten. Ganze Familien wandern aus den englischen Manufacturdistricten nach dem Mormonenlande aus, weil ein Sohn oder der Vater von den Emissären der Latterday-Saints bekehrt worden ist, und weil man ihnen, die hier Noth leiden, dort eine Fülle des Besitzes in Aussicht stellt. Viele dieser Emigranten gehörten in der Heimat den Chartisten, diesen rothen Republikanern Englands, an. Sie kommen in Deseret an und müssen sich hier ganz gegen ihre Meinung von Dem, was der ideale Staat ist, verhalten, müssen sich Gesetzen, die sie nicht gemacht haben, unterwerfen, müssen Maßregeln, die sie im Stillen als Tyrannei verwünschen, wie göttlichen Geboten gehorchen. Andere werden durch ihren Aberglauben über diese Misstände verblendet und getröstet. Den Ungläubigen versüßt sich die bittere Pille nicht, und diese »Mormonischen« werden daher die erste Gelegenheit ergreifen, die sich darbietet, um das mit Widerwillen getragene Joch abzuschütteln.

Eine vierte Mine, die über kurz oder lang explodiren muß, haben die Lenker der Angelegenheiten in Deseret sich selbst in der Besteuerung durch den Zehnten gegraben. Durch dieses System werden ungeheure Summen aufgehäuft und der Präsidentschaft zur Verfügung gestellt, ohne daß diese über ihre Verwendung Rechenschaft zu geben hätte. Die Bestimmung des Zehnten ist die, daß er zum Unterhalt der Priester und für Anstalten der öffentlichen Wohlfahrt verwendet werden soll. Wie aber, wenn er zu Privatzwecken des Sehers und seiner Vertrauten verwendet würde? Niemand weiß es, mancher Verständige wird es bei der Versuchung, die in der unverantwortlichen Verwaltung liegt, für möglich, mancher Mistrauische es für sehr wahrscheinlich und vielleicht für ausgemacht halten. Es kann nicht lange dauern, so werden diese Gedanken sich in Stimmen verwandeln. Man wird es unerträglich finden, daß die Hirten der Heerde sie wirklich als Heerde behandeln, die nichts hineinzureden hat, wenn der Schäfer ihre Wolle verwerthet. Man wird die Klügeren und Kühneren mit der Vermuthung, daß Alles im Grunde auf eine religiöse Speculation hinauslaufe, nicht mehr hinter dem Berge halten sehen. Der Arbeiter, der auf staubigem Felde sich mit Hacke oder Grabscheit quält, wird die unmuthige Frage aufwerfen, ob die Lasten und die Rechte nicht allzu ungleich vertheilt seien, wenn dort in prächtiger Karosse, Musik vorauf, ein glänzendes Gefolge hinterher, der Präsident der Kirche mit seinen zwei Dutzend Weibern über das Gefilde fliegt, während hier der Arme im Schweiße seines Antlitzes den Hafer für die sechs Pferde vor dem Wagen, den Unterhalt des Harems und die Kosten für den gesammten Prunk des heiligen Mannes verdienen hilft.

Endlich ist das gute Einvernehmen zwischen der Präsidentschaft und den übrigen talentvollen Persönlichkeiten unter den Latterday-Saints keineswegs so fest gegründet, daß es über alle Störung erhaben wäre. Was dem ersten Triumvirate mit dem Propheten Joseph an der Spitze geschehen konnte, kann – wenn auch nicht so leicht wie damals – auch jetzt wieder eintreten.

»Es bedarf keines übergroßen Scharfblicks,« sagt Gunnison, »um die wachsende Neigung zu anderen Persönlichkeiten als denen, die jetzt die Regierung bilden, zu bemerken, und wenn Parteien entstehen, so wird die Bewunderung Young's bald keine allgemeine mehr sein. Noch haben sich deren keine zu Gunsten dessen gebildet, welcher jetzt den zweiten Rang im Staate einnimmt, und welcher als der beste Geschäftsmann im Thale gilt. Aber es würde nur wenig tyrannisches Gebahren, nur wenig Neuerung in der Lehre auf Seiten des Sehers bedürfen, um die Anklage auf Ehrgeiz und Ketzerei hervorzurufen. Wie Lucifer im Himmel und Rigdon in Nauvoo würde er von zahlreichen Stimmen seiner hohen Stellung verlustig erklärt werden, und ein Votum der Gemeindevorsteher oder der Wille der Mehrheit des Volkes würde ihn absetzen.«

 

Brigham Young ist sich dessen wohl bewußt. Er weiß, daß hinter der Theokratie fortwährend die Demokratie lauert, und er hütet sich vor ihr mit aller der Schlauheit, die ihm eigen ist. Er nimmt sich in Acht vor unüberlegten Offenbarungen, läßt lieber merken, daß sehr bald Dinge von höchster Wichtigkeit ans Licht treten werden, und versichert, daß Joseph der Seher mehr Schöpfungen zu vollenden gelassen habe, als man in fünf Jahren fleißigsten Arbeitens zu Stande bringen könne. Wenn man erfüllt habe, was er im Auftrage Gottes aufgegeben, so könne man sich von den Engeln mehr Licht erbitten.

Alle diese Samenkörner des Ehrgeizes, des Mistrauens und des Misvergnügens sind in einen fruchtbaren Boden gesäet, und läßt man sie sich ruhig bestocken und aufsprossen, so werden sie in Kurzem die Einigkeit zerstören, welche die Gemeinschaft der Mormonen so achtunggebietend und so furchtbar für Jeden macht, der sie nach seinem Willen zu zwingen sich versucht fühlen möchte. Man kann dieses Volk recht füglich mit den Puritanern von Neuengland in den ersten Jahrzehenten nach ihrer Niederlassung in Amerika vergleichen. Sie haben ganz denselben Muth, ganz dieselbe Thatkraft und Ausdauer, ganz dieselbe bigotte Ausschließlichkeit bewiesen, haben noch furchtbarere Verfolgungen überlebt, haben noch öfter als jene im Besiegtwerden gesiegt und eine noch ödere Wüste in's Joch der Cultur gezwungen, so daß »jetzt zwei Grashalme wachsen, wo vorher nur einer wurzelte.« Sie haben alle diese Resultate erreicht, obwohl ihr Charakter bei Weitem nicht so rein und edel und ihre Sache um Vieles weniger gerecht ist, als die des Häufleins der Pilgerväter des siebzehnten Jahrhunderts.

Auf dem einen Schauplatze hat das theodemokratische Regiment herrliche Früchte gebracht, und ist in diesen Früchten untergegangen. Möge es auf dem andern Schauplatze ebenso sein. Die Hoffnung dazu ist vorhanden.