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Beobachtungen über Oesterreichs Aufklärung und Litteratur

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Die übrigen kleineren Schriften dieser dritten Periode waren meist ein leidiges Durcheinander. Gegenstände der Religion fiengen wieder mit allerley Von und Ueber abzuwechseln an, und viele Schriften schienen nur der einmal in Gang gebrachten Schreibegewohnheit der Hände ihr Daseyn zu danken. Und da, wie natürlich, der Kopf den Händen nicht immer folgen kann, so paßten einige jede Gelegenheit ab, und suchten ihre Schreibmaterialien auf der Gasse. So bald der Pöbel was zu sprechen hatte, hatten sie was zu schreiben, und wie der Hunger gierig an einer harten Brodkruste nagt, so nagte ihre Schreibsucht heißhungrig an jedem Gassenspektakel. Die öffentliche Arbeit der geschornen Verbrecherinnen war ihnen ein willkommener Stoff. Sogar die Musen mußten sich von ihnen zu diesem Gegenstande brauchen lassen, aber die Lieder, welche sie zur Welt brachten, sahen leider eben so aus, wie die Musen, welche sie zu Gesängen begeistert hatten. Wobey sie noch die lächerliche Irrung begiengen, die Criminalverbrechen mit den Polizeybetretungen zu vermengen, und alle geschorne Verbrecherinnen für Gassenphrynen auszugeben, vermuthlich weil sie von ihren Gegenständen begeistert, es ihnen nicht ansahen, daß so eine Vermuthung die gröbste Satyre auf ihr eigenes männliches Geschlecht sey.

Dem unbefangenen Beobachter, der nun den gegenwärtigen Zustand des Schriftstellerwesens mit dem vorigen zusammenhält, und den Bezug desselben auf Religion, Staat, und Wissenschaften beobachtet, stellen sich von selbst folgende Beobachtungen dar.

Widerspruch war von jeher die Quelle neuer Entdeckungen in dem Reiche der Wissenschaften. Geschwindere Aufklärung, tiefere und gründlichere Kenntnisse, festere Ueberzeugung bey denen, auf deren Seite die Wahrheit ist, waren von jeher die unmittelbaren Folgen desselben. Der menschliche Geist gleicht einem Feuersteine, aus dem nur auf den Gegenschlag des Feuerstahles Licht fährt. Auf die nämliche Art, wie die Wilden in Amerika Feuer machen, erhielten die Europäer Aufklärung und Licht, sie rieben Geist auf Geist, wie jene Holz auf Holz. Widerspruche erzeugt Anstrengung des Geistes, öffnet neue Aussichten, treibt den Geist in unbekannte Gegenden, und verlängert und verstärkt die Kette des menschlichen Wissens. Die Geschichte aller Wissenschaften bestättiget diese Wahrheit. Wo man am meisten widersprach, rückte man am geschwindesten vorwärts, daher der in Vergleichung mit anderen Wissenschaften kaum glaubliche Vorsprung, den schon die Griechen in der Philosophie machten. Wie eine Sekte gegen die andere verlor, gewann die Philosophie. Eben so im Fache der Religion. Die beßten Schriften der Kirchenlehrer haben wir den Einwürfen ihrer Gegner zu danken; und daß in den finstern Zeiten des Christenthums der Widerspruch seine wohlthätige Wirkung verlor, das machten die römischen Censuren und Interdikte, die den menschlichen Verstand in Fesseln legten, und zur Unthätigkeit verdammten.

Wenn man nun diese Beobachtungen auf den Widersprechungsgeist unserer Zeloten, die sich gegen jeden neuen Vorschritt der Aufklärung, gegen jede zum Wohl der Menschheit gemachte Verordnung so sehr ereifern, anwendet, so ergiebt sich der Schluß, daß diese Herren Widersprecher selbst durch die Blössen, die sie in ihren Widersprüchen nothwendig geben müssen, und durch die tiefere Erörterung gewisser Dinge, die sie selbst veranlassen, sich ihren eigenen Fall bereiten, und an ihrer eigenen Grube arbeiten. Nichts ist lichtscheuer, als Aberglaube und Vorurtheil: sie bestanden von jeher nur durch den Schleyer von Ehrerbietung, der sie umgab, und der den Verstand des Layen immer in einer ehrfurchtsvollen Entfernung davon zurückhielt: ihre Vertheidiger selbst halfen den Schleyer wegziehen, und die Art, mit welcher sie für ihre Götzen sprachen, brachte dieselben vollends um das Bischen Ehrwürdigkeit, das ihnen der sonst tolerante Menschenverstand noch gelassen hatte. Indessen hat die Wahrheit Ursache, selbst ihren Gegnern zu danken, daß sie ihr durch ihre Widersprüche Gelegenheit verschaften, mit den Stralen ihres hellen Antlitzes die in heiligen Nebel gehüllten Popanzen, Aberglaube und Vorurtheil näher beleuchten zu dürfen.

Eine zweite Bemerkung, die sich jedem Beobachter des inländischen Schriftstellerwesens von selbst aufdringt, ist diese: daß die Schriftstellerschaft – zumal in Wien – von ihrer eigenthümlichen Würde sehr viel verloren, und zu einem beynahe verächtlichen Handwerk herabgesunken ist. So viel Officia sordida die Römer hatten, und so eine Menge Schrifterlinge auch die Klagen eines Juvenal und Horaz bey ihnen vermuthen lassen, so fiel es ihnen doch nie ein, diese Gattung Beschäftigung unter die Officia sordida zu zählen; bey uns aber ist das Barometer der öffentlichen Hochachtung für die Schriftstellerey bereits auf so einen Grad gefallen, daß dieselbe, wenn man eine Klassifikation aller Beschäftigungen, nach Grundsätzen des römischen Rechts festsetzen wollte, sehr wahrscheinlicher Weise unter die Officia Sordida zu stehen kommen würde. Die Ursache dieses auffallenden Unterschiedes scheint theils in dem Zahlverhältniß der schlechten Schriften gegen die guten, theils in der Beschaffenheit der Personen zu liegen, welche sich mit Schreiben abgeben.

Unstreitig überwiegt bey jeder schreibenden Nation die Anzahl der schlechten und mittelmässigen Schriften weit die Anzahl der guten; steigt aber die erstere so hoch, daß die letztere daneben zu verschwinden anfängt, so muß die Achtung für die kleinere Zahl in eben dem Grade abnehmen, wie das Uebergewicht der grösseren zunimmt. Der Grad des Verhältnisses zwischen beyden, ist immer der Maaßstaab des allgemeinen Urtheils, und das lesende Publikum gleicht einem Fischer, der, wenn er unter zehnmaligen Angelwerfen nicht einmal ein Fischchen fängt, diese Wasserstelle für fischlos hält, und weiter geht. Daß dieß der Fall der Wienerschriften sey, bedarf leider! keines Beweises. Von dem ersten April des vorigen Jahres an bis Ende September des gegenwärtigen, folglich in einer Zeit von 18 Monaten erschienen bloß allein in Wien 1170. Schriften, die Nachdrücke fremder Werke nicht mitgerechnet. Welch eine Zahl! und doch würde das Publikum noch um ein Paar hundert mehr zu sehen gekriegt haben, wenn es bloß auf den guten Willen der Autoren angekommen wäre. Angenommen nun, daß von diesen eilfhundert zwey und siebzig Schriften drey Viertheile – welches doch für jeden Kenner derselben das allerglimpflichste Postulatum seyn muß – mittelmäßiges, oder schlechtes Zeug waren, so entsteht daraus ein Verhältniß von 293 guten, gegen 879 entbehrlichen, oder gar schlechten Produkten. Wenn wir nun weiter annehmen wollen, daß eine Schrift in die andere gerechnet, nicht mehr, als 10 Kreutzer gekostet habe – welches man in Rücksicht so vieler periodischen Schriften, und so vieler größeren Werke leicht annehmen kann, und wenn wir ferner voraussetzen, daß von jeder Schrift im Durchschnitt nur 200 gekauft worden sind, – so geben uns die sämmtlichen bisher erschienenen Schriften eine Summe von baaren 39066 Gulden 40 Kreutzern. Wenn wir nun von dieser Summe drey Viertheile, welche auf Rechnung der entbehrlichen Schriften kommen, abziehen, so ergiebt sich daraus an unnütz verschwendetem Gelde eine Summe von 29299 Gulden 30 Kreutzern. Man rechne hiezu noch den mit Lesung dieser Schriften erlittenen Zeitverlust, und addire damit das Lucrum cessans von Ideen und Kenntnissen, mit welchen man während dieser Zeit den Verstand aus bessern Schriften hätten bereichern können, und urtheile dann, ob man dem Publikum die Verachtung und Geringschätzung so ganz und gar verargen könne, mit welcher dasselbe auf die heutigen Schriftstellerprodukte herabsieht. Indessen würde das Publikum sehr voreilig und ungerecht handeln, wenn es diese ganze unnütze Ausgabe bloß auf Rechnung der Autoren schreiben und glauben wollte, daß diese beträchtliche Summe von 29299 Gulden, nach Abzug der Druckkosten, ein reiner unverdienter Gewinn der Autoren gewesen sey. Nach dem hiesigen Verlegerfuß, der gerade für jene Autoren der schlechteste ist, die des Geldes am meisten bedürfen, fallen von jeder Schrift im Durchschnitt sicher zwey Drittheile reinen Gewinnstes in den Säckel derjenigen, die bey fremden Geistesgeburten Hebammendienste verrichten, das ist, die, um ein Geisteskind in die Welt zu setzen, ihre Hände, Maschinen und Windeln herleihen, oder sich wohl gar für den blossen Aufenthalt fremder Kinder in ihrem Gewölbe einen grössern Zins, als je in Wien für eine Wohnung gezahlt wird, abreichen lassen. Nach diesem Zweydrittelfuß also kömmt von den obenangeführten unnützverwendeten 29299 Gulden ein sicherer Betrag von 19533 Gulden auf Rechnung der Verleger. Eine Summe, die jene große Bereitwilligkeit allerdings begreiflich macht, mit welcher dieselben noch immer fortfahren, jeder unreifen Geburt ohne Rücksicht auf derselben künftiges Schicksal an das Tageslicht zu helfen, und sich der Schuld zu frühe entbundener Autoren theilhaftig zu machen.

Noch mehr als das bloße auffallende Verhältniß der schlechten Schriften gegen die guten schadet der Würde der Schriftstellerey die bekannte Beschaffenheit derjenigen, die sich mit Schreiben abgeben. Lesen und Schreiben können machte sonst die erforderlichen Eigenschaften des gemeinen Mannes aus, der bloß von Handarbeit lebt; itzt scheinen sie hinreichend, den Beruf des Schriftstellers zu machen, und so ist die Schriftstellerey zu einem Handwerk geworden, in dem jeder pfuscht, der gesunde und schreibfähige Hände hat. Pfuscherey veranlaßte von jeher den Verfall der Künste und Handwerke. Die wohlfeile, wiewohl schlechte Waare des Pfuschers, verschlägt die besser gearbeitete Waare des kunstgerechten Meisters, und dieser, weil ihm Niemand den grösseren Aufwand von Zeit und Mühe auf seine Arbeit bezahlen will, muß entweder darben, oder mit zum Pfuscher werden. Geschieht das, so nimmt mit der Güte der Arbeit ihr Werth ab, das Handwerk fällt, und mit selbem die Achtung, die man sonst dafür hatte. Der Einwohner des Landes sieht, daß er bey aller Wohlfeile der Waaren verliert, daß er nun alle Jahr neu anschaffen muß, was ihm sonst vier bis fünf Jahre gedauert hatte; er will wieder gute Waare, findet sie in seinem Lande nicht, kauft auswärts, und trägt das Geld aus dem Lande. Das ist beyläufig das Schicksal unserer inländischen Schriftstellerey. Es waren Zeiten, wo es bey uns wenig oder gar keine Schriftsteller gab, und der Lesebegierige mußte sich auswärts Nahrung seines Geistes suchen. Jetzt haben wir Schriftsteller die Menge, aber der Fall ist noch immer der nämliche, und wird es so lange bleiben, so lange zwey Drittheile der gesammten Schriftstellerzunft blosse Pfuscher sind. Bey den Handwerken hat man um den bösen Folgen der Pfuscherey vorzubeugen, die Zunft- und Innungsrechte eingeführt, welche den kunstgerechten Meister in dem ausschliessenden Besitz seiner Kunst handhabten, und den Pfuschern das Handwerk legten; die Schriftstellerey war in diesem Punkte von Anbeginn vogelfrey und ohne Schutz, und die Kritiker, die sich freylich manchmal des bedrängten Autorwesens annahmen, und sich den Eingriffen der Afterautoren entgegen stellten, waren von jeher eine viel zu schwache Schutzwehre, ein Volk von ihrem Gebiete hindan zu halten, welches nur zu gut wußte, daß die Waffen der Vertheidiger desselben nur Gänsespuhlen sind, und ihre Worte zwar den Ton, aber nicht das Vermögen einer gesetzgebenden Gewalt haben. Und dieser wehrlose Zustand der Schriftsteller ist es, der das Gebiet der Wissenschaften zum Tummelplatz jedes noch so unverschämten Federfechters macht, und der so viele litterarische Kleinhändler veranlaßte, ihre kurze Waare an allen Orten auszukramen. Der Name Schriftsteller hat durch die Leute, die ihn tragen, bereits so viel von seiner ursprünglichen Würde verloren, daß er anfängt entehrend zu werden, und wenns noch länger so fortgeht, Gefahr läuft, in Oesterreich eben so gut ein Schimpfname zu werden, als es der Name: Fur bey den Römern ward. Bald wird ein Autor, dem sein guter Name lieb ist, Anstand nehmen, mit Leuten dieses Gelichters einerley Kleid zu tragen, und in einer Gesellschaft zu erscheinen, die so übel berüchtigt ist. Er wird sich zurückziehen, und dem Pfuschergesindel ein Gebiet überlassen, von dem der gesittete Mann wie von einer Jedermannsschenke spricht. Das Publikum kann diesem Uebel allein zuvorkommen. Es ist der einzige Herr, den das Autorvolk als seinen Richter anerkennt, der einzige, dessen Gesetzen sich Schriftsteller und Pfuscher unterwerfen muß. Es herrschet unumschränkt über alle Werke des Geistes, und entscheidet über des Schriftstellers Leben und Tod. Wenn nun dieses Publikum, das im Schauspielhause seine Rechte so streng und unerbittlich ausübt, so leicht zum Mißfallen gereizt wird, und so geschwind fertig ist, ein langweiliges Stück, oder einen schlechten Schauspieler auf der Bühne auszuzischen; wenn dieses Publikum auf der grösseren Bühne der Litteratur eben so wenig seiner Rechte vergässe, die unberufenen Gauckler auf derselben nicht duldete, ihre Bockssprünge und Balgereyen nicht belachte, und das Possenspiel, das diese Schriftstellerbande wöchentlich zweymal im Wienerdiarium ankündiget, nicht theuer bezahlte, so würde die Pfuscherey von selbst aufhören, und die Schriftsteller würden ihr voriges Ansehen wieder erhalten.