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Die Liebesbriefe der Marquise

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Werden Sie mir die Gunst gewähren, Sie morgen nach dem Besuch bei Fräulein von Lespinasse in die Comédie française zu geleiten? Ich nehme das Stück meines Rivalen gern in den Kauf, wenn es mir zum Vorwand dient, einige Stunden länger dieselbe Luft mit Ihnen zu atmen.

Johann von Altenau an Delphine
Paris, am 1. April 1776.

Verehrte Frau Marquise! Ich kann nicht anders, als meinem Erstaunen, meiner Überraschung, Worte zu verleihen. Nie hätte ich mir träumen lassen, eine verwöhnte femme du monde, wie Sie, in dem schlichten Salon unsrer guten Julie wiederzusehen! Alles, was man mir von Ihnen erzählt hatte, – Ihrer Stellung in Versailles, der Schar Ihrer Verehrer, mit denen man Sie spielen sieht wie mit Billardkugeln, – ließ mich, offen gestanden, fürchten, daß das Leben der großen Welt Sie die Existenz anderer Welten, die sich früher um Ihre Seele stritten, völlig vergessen ließ. Als Sie eintraten, – die schmale Tür schien viel zu eng für die starrende Seide Ihrer Polonaise, viel zu niedrig für die nickenden Federn auf Ihrem hochfrisierten Haupt –, und Fräulein von Lespinasse Ihnen entgegenkam, diese überschlanke Leidensgestalt in dem nonnenhaften Gewand, – und Ihnen die bleiche, blaugeäderte Hand entgegenstreckte, ein gütiges Lächeln um die blutleeren Lippen, richteten sich die Blicke Aller fast erschrocken auf Sie, so fremd wirkte Ihre Erscheinung in diesem Kreise. Sie fühlten es selbst, Sie saßen, der einzige weibliche Gast, in all Ihrer Pracht neben der zusammengesunkenen Julie, eine stumme Zuhörerin! Sie lauschten staunend, als Bernardin de St. Pierre, der jüngste Dichter unter den Protégés dieses Salons, die schwärmerische Ode zum ewigen Frieden vorlas und d'Alembert über die Verbrüderung der Menschheit sprach. In Ihren Augen sah ich eine Flamme leuchten, – deren plötzliches Aufglühen mir an der kleinen Delphine Laval so vertraut war –, als der Chevalier von Chastellux Voltaires Eloge de la raison vorlas, jene herrlichen Sätze, durch die der Patriarch wieder einmal alles vergessen läßt, was er Falsches getan hat. Säße auf Frankreichs Thron ein Friedrich von Preußen, des großen Weisen Hoffnungen auf seine Regierung würden erfüllt, seine Ratschläge befolgt werden. Aber es gibt nur einen Friedrich. Ludwig XVI. tafelt, jagt und zeichnet dazwischen Allegorien; Marie-Antoinette spielt die Harfe. O du glückseliges Frankreich, wo es für die Könige nichts weiter zu tun gibt!

Sie vernahmen dann verwundert das ungeteilte Lob Rétif de la Bretonne's, dessen Paysan perverti natürlich vom Hof, – dessen Sittenstrenge ja über allen Zweifel erhaben ist! – als unmoralisch verurteilt wird. Ich schicke Ihnen, wie ich versprach, das Buch, urteilen Sie selbst! Man reißt sich bei den Händlern darum, aber weniger weil man hinter seiner Schlüpfrigkeit das Medusenhaupt der Wahrheit sucht, als weil man auch die Wahrheit für Schlüpfrigkeit hält. Lassen Sie sich von all dem Unrat, den der Dichter aufrührt, nicht abschrecken. Die Schäferspiele der guten Gesellschaft, die den Schmutz unter Blumen verstecken, sind lasterhafter.

Rousseau schilderte die Tugend und Glückseligkeit einer kommenden Welt; – seine Predigt von der Rückkehr zur Natur wurde nur zum Vorwand neuer Moden. Es müssen andere kommen, um dem von grausen Gebrechen entstellten Gesicht der Gesellschaft einen mitleidslosen Spiegel vorzuhalten, damit das Entsetzen sie an den Arzt erinnert –, sagte Fräulein von Lespinasse.

Nicht wahr, hier spricht man anders, als in Versailles, das von dem geistigen Leben der Gegenwart weiter entfernt ist, als der Mond von der Erde, oder gar in Trianon, wo man zwischen Ställen mit Marmorkrippen und Hütten mit Damastmöbeln vom »natürlichen« Leben schwärmt.

Erst als Sie gingen, waren Sie wieder die Marquise Montjoie, so sehr hatte ich inzwischen die holde Gräfin Laval wiedergefunden. Graf Guibert, dessen schönheitsdurstiger Blick keinen Augenblick von Ihnen gewichen war, folgte Ihnen. Sie sahen nicht mehr, wie Julies bleiches Gesicht sich dunkel rötete, wie ihre Augen fiebrigen Glanz bekamen. Wir alle verabschiedeten uns rasch. Nur der treue d'Alembert wird den Tränenstrom der Unglücklichen noch gesehen haben. Guibert ist Julies letzte, große Leidenschaft. Und obwohl er ihr fast alles verdankt, – sie bahnte ihm den Weg zum Ohre des verstorbenen Kriegsministers, sie interessierte den Grafen St. Germain so sehr für ihn, daß er ihn zu seinem Adjutanten ernannte, sie korrigierte seinen »Connetable von Bourbon«, so daß er auf der Bühne aufführbar wurde, – vernachlässigt er die Arme und gönnt ihr nicht einmal den frommen Betrug seiner Liebe.

Sie waren so gütig, mich zu Ihren Empfangstagen einzuladen; werden Sie auch so gütig sein, meine Ablehnung zu entschuldigen? Ich möchte Delphine Laval wiederfinden; die Sehnsucht danach ist nie erloschen. Unter den vielen Gästen der Marquise Montjoie, wo ein Abenteurer wie Beaumarchais zu den geehrtesten gehören soll, fürchte ich, Sie nur noch mehr zu verlieren.

Aber vielleicht gestatten Sie mir, Sie an einem der nächsten Tage zu Madame Geoffrin zu geleiten. In der Atmosphäre dieses Salons müssen all die verborgenen Knospen Ihres Wesens aufspringen, die weder die Treibhaushitze noch die Schneeluft Ihrer Welt zum Blühen zu bringen vermag. Meine alte Gönnerin wird Sie, wie ich Ihnen schon einmal schrieb, gern empfangen, obwohl Sie nur selten Frauen bei sich sieht. Alles, was sie in ihrem langen Leben an Bitternissen erfahren, ist nämlich, wie sie sagt, von weiblichem Neid und weiblicher Eifersucht ausgegangen.

Prinz Louis Rohan an Delphine
Straßburg, am 20. April 1776.

Eine Antwort, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, Frau Marquise:

»Ich bin weder eine Puppe, die Sie dirigieren, noch Ihre Dienerin, der Sie befehlen können.« Teuerste, warum so heftig? Habe ich je etwas anderes gewollt, als daß Sie im Einverständnis mit mir handeln möchten? Bin ich Ihnen nicht dankbar ergeben für die Klugheit, mit der Sie vorgehen, und wenn Ihre Handlungsweise, wie Sie so scharf betonen, nur von Ihrem Willen geleitet wird, muß ich Ihnen dann nicht für diesen Willen doppelt dankbar sein?

»Einen Hofmeister brauche ich nicht,« schreiben Sie weiter. Wann hätte ich mir angemaßt, es zu sein? Aber einen Freund werden Sie doch hier und da brauchen, holde Delphine, wenn Sie den Priester auch glauben entbehren zu können!

»Ihre Drohungen fürchte ich nicht –«. Drohungen?! Ein Rohan gegenüber einer Frau?! Wenn ich nicht wüßte, daß Sie scherzen, würde ich glauben, daß Sie – ein schlechtes Gewissen haben! Sie müßten wissen, daß ich in dieser Zeit sanfter Sitten trotz meiner religiösen Strenge aufgeklärt genug bin, um einer reizenden Frau jedes Vergnügen zu gönnen, wenigstens insoweit, als mein Neid es zuläßt.

Aber selbst für meine vermeintlichen Sünden will ich, weil Sie mich ihrer zeihen, Buße tun: Graf Guibert sei Ihnen verziehen. Sie reiten mit ihm, wie ich höre. Hoffentlich stört Sie die Erinnerung an den Marschall Contades nicht in Ihrem Vergnügen!

Von Straßburg wird Ihnen der Marquis erzählt haben. Es ist zum Sterben langweilig; reichten die Fluten der Erregung nicht von Paris hierher, wir würden nicht wissen, daß wir leben. Ach, die Pariser Freuden, die Frauen, die Nächte! Können Sie sich vorstellen, daß wir hier nicht nur bei Tage schlafen?!

Johann von Altenau an Delphine
Paris, 10. Mai 1776.

Teuerste Marquise! Noch klingt jedes Wort in mir nach, das wir auf dem Heimweg von Madame Geoffrin miteinander wechselten. Einen tiefen Blick ließen Sie mich in Ihre Seele tun. Werden Sie mir je verzeihen, daß ich Sie so sehr verkannte, daß ich die Maske, mit der Sie selbst die bezaubernde Schönheit Ihres Innern deckten, nicht durchschaut habe? Ich war tagelang verzweifelt, weil ich Delphine nicht wiederfand. Oder konnte Delphine es sein, die die Liebe lästerte? »Daß eine Julie Lespinasse ihr Herz ebenso wegwerfen kann, wie andere Frauen!« riefen Sie aus. Delphine hätte gewußt, daß ein Herz nur hat, wer es wegwirft, dachte ich!

Und nun hat die milde Hand einer alten Frau die Maske von Ihrem Antlitz genommen. Fast klang es brutal, als sie Ihnen, kaum daß Sie neben ihr saßen, die Frage stellte: »Womit beschäftigen Sie sich?« Und rasch griff ich ein, um Ihnen aus der Verlegenheit zu helfen, und erzählte von den armen Pariser Kindern, denen Sie helfen konnten. Madame Geoffrin streichelte Ihnen freundlich die Hand. »Das ist hübsch, sehr hübsch, Frau Marquise,« sagte sie lobend, um Ihnen gleich darauf mit der neuen Frage: »Haben Sie selbst kein Kind?« das Blut abermals siedendheiß in die Wangen zu treiben.

Sie waren tief erschüttert von dem, was Ihnen begegnete, und es ist doch nichts gewesen als eine alte Frau im Kreise ernster Männer. Sie fühlten plötzlich: Ihre Welt hat alles, was schimmert und funkelt – Reichtum, Schönheit, Esprit – aber nur Kurzsichtigen täuscht dieser Glanz Feuer vor, kein Frierender kann sich daran wärmen; die Flamme der Begeisterung, die leuchtet und glüht, brennt auf unseren Altären. Fräulein von Lespinasse ist eine Sterbende, Madame Geoffrin eine alte, einfache Frau, Madame Dudeffant eine blinde Greisin, Frau von Epinay eine Schwerkranke –, und doch strömen bei ihnen all die Männer zusammen, die die Könige Himmels und der Erde entthronten, so daß, wer jetzt vor ihnen kniet, nur zu Phantomen noch betet.

Woher kommt das? fragen Sie. Weil diese Frauen zuerst bei sich die Tyrannei des Herkommens, der Gesellschaft, der Küche und – der Ehe zertrümmert haben. Weil sie in diesem Kampf ihre Menschlichkeit zurückeroberten, und nun erst Freundinnen, Beraterinnen, Trösterinnen sein konnten.

Herr von Condorcet hat Ihnen seine Ideen über die Befreiung der Frauen von einem Jahrtausende alten Joch entwickelt. Innerhalb der ungeheuren Umwälzung, die sich vorbereitet, wird dieser Kampf eine maßgebende Rolle spielen. Sie dürfen damit nicht verwechseln, was man Ihnen von dem Frauenklub, den Fräulein Raucourt gegründet hat, erzählte. Der Loge von Lesbos gehören Weiber an, die, entweder von Liebe übersättigt, neue Reizmittel suchen, oder an unbefriedigter Liebessehnsucht kranken. Sie bemänteln ihre Wünsche nur mit den tönenden Phrasen von der Gleichstellung der Geschlechter und glauben ihre Freiheit dadurch zu dokumentieren, daß sie Männerkleider tragen und in den Kaffeehäusern mit den Männern faullenzend umhersitzen, alle Probleme der Welt beschwatzend.

 

Herrn von Condorcets Bestrebungen haben damit nichts zu tun; er wünscht nicht die Freiheit von der Sitte, sondern die sittliche Freiheit. Ist es nicht eine innere Notwendigkeit, daß Sie zu uns gehören?

Ich schicke Ihnen Rousseaus »Emil«, den Madame Geoffrin Ihnen so dringend zu lesen empfahl. Ob seine Probleme Ihnen nicht noch allzu fern liegen?

Johann von Altenau an Delphine
Paris, am 30. Mai 1776.

Die Nachricht vom Tode unserer teuren Julie, der für sie eine Erlösung ist, für all ihre Freunde aber ein unersetzlicher Verlust, ging mir zugleich mit Ihrem inhaltsreichen Briefe zu.

»Sie mißverstehen mich;« schreiben Sie. »Wenn mich die stille Größe all dieser Menschen so sehr ergriff, so vielleicht gerade darum, weil ich nur der Zuschauer dieses Schauspiels sein kann. Ich habe eingesehen, daß ich viel zu klein bin, um mich neben sie stellen zu dürfen. Madame Geoffrins Fragen fühle ich wie ein Brandmal. Ich möchte nicht eher zu ihr gehen, als bis ich ihr antworten und ohne Schamröte ins Auge sehen kann. Rousseaus wundervolles Buch ist eine Offenbarung für mich.«

Mir ist, als finge ich an, Sie zu verstehen. Sie erzählten mir von Ihrem Sohn, und klagten sich an, ein Gefühl der Mutterliebe niemals empfunden zu haben. Hier sprach die Natur deutlich genug: in einem Ueberschwang der Empfindung sollten Sie nicht daran denken, sie bekämpfen zu wollen. Ihrem eigenen Kinde nur dürfen Sie leben, dem Kinde, das ein Pfand freier Liebeshingabe ist. O, daß Sie dieses Augenblickes noch warten wollten!

Graf Guibert an Delphine
Paris, am 3. Juni 1776.

Sie haben warme Worte der Teilnahme an mich gerichtet, teuerste Frau; Sie fühlten die ganze Zerrissenheit meines Herzens angesichts dieses Todes: Ich habe meiner wunderbaren Freundin nicht sein können, was sie mir sein wollte; ihre blasse Leidensgestalt ergriff mein Herz, ihr Verstand entzückte meinen Geist, aber für meine Sinne blieb sie nur meine Schwester. Als ich Ihnen begegnete, schönste Zauberin, war alles was in mir lebte, hingerissen, entflammt, und ich Unglückseliger besaß nicht genug Stärke, um vor der armen Julie heucheln zu können. Das ist meine Schuld, von der kein Beichtiger mich freizusprechen vermöchte, auch wenn ich an die Macht der Sündenvergebung zu glauben imstande wäre. Daß aber Sie sich mit Vorwürfen quälen, Sie, die Sie grausam genug sind, meine Anbetung nur zu empfangen, wie ein Götze die Opfer – kühl, unnahbar –, das schmerzt mich tief. Muß sich die Sonne schämen, weil sie leuchtet und arme Sterbliche ihre Strahlen suchen?!

An einen warmen Blick Ihrer Augen, an einen leisen Druck Ihrer Hand hoffte ich oft mehr glauben zu dürfen, als an die Zurückhaltung Ihres Wesens. O Delphine, war sie vielleicht nur der Ausfluß Ihrer Güte, Ihres Mitleids für Julie?! Ich muß aussprechen, was meine größte Sünde ist: am Sarge der Unglücklichen schlägt meine selig-unselige Hoffnung die sehnsuchtsgroßen Augen auf. Werde ich Vergebung finden?

Herr von Beaumarchais an Delphine
Paris, den 12. Juni 1776.

Meine verehrte Frau Marquise, Ihnen zuerst, der ich so viel verdanke, sei die Nachricht mitgeteilt: das Unternehmen ist gesichert. Herr von Vergennes hat mir vorgestern die Summe angewiesen, die es mir ermöglicht zusammen mit den Geldern, die in Ihrem Salon gesammelt wurden, die ersten Schiffe anszurüsten! Ist es auch nur ein schüchterner Anfang, so fühle ich mich doch der Sache sicher, denn die Regierung, die den ersten Schritt getan hat, wird weiter gehen müssen, wenn sie sich nicht selbst desavouieren will.

Der Herr Kriegsminister hat mich, wohl infolge der Empfehlung durch den Grafen Guibert, – deren Wärme nur eine Frau entzünden konnte! – auf das liebeswürdigste empfangen. Glauben Sie mir nun, daß Venus eine Kriegsgöttin ist?

Ich habe jetzt die Arbeit von hundert Köpfen zu verrichten, was mein Herz nicht hindert, immer für Sie frei zu sein. Wenn Rodrigue Hortalez –, Sie erinnern sich, daß der Deckname unsrer Reederei schon feststand, als wir noch keinen Sou im Vermögen hatten! –, in Bordeaux und Marseille Waren kauft und Schiffe verfrachtet, wird Beaumarchais am Hofe von Versailles, dessen Tore die schönsten Hände der Welt ihm geöffnet haben, den Schöngeist spielen. Wenn Hortalez den jungen Helden Frankreichs, – Lafayette und der Prinz Montbéliard werden unter den ersten sein –, die Wege über den Ozean bahnt, wird Beaumarchais der Königin von Frankreich die Rolle der Rosine einstudieren, und während gekrönte Häupter nach Figaros Pfeife tanzen, wird er selbst als gefesselter Sklave seiner Herzenskönigin dienen.

Ich sehe Sie schelmisch lächeln, wie damals, als Sie mich schwarz auf weiß lesen ließen, daß »Herr von Beaumarchais ein Verschwender und ein Geldschneider ist, daß er – fi donc! – Mädchen aushält.«

Wer täte dergleichen sonst in diesem tugendhaften Lande?! Etwa der Graf Artois, der Herzog von Bouillon, der Graf von Chartres, der Prinz Rohan – Ihr Freund!! –, der für seine Verdienste Erzbischof von Straßburg geworden ist und demnächst Herrn von Malesherbes ersetzen dürfte, um die französische Literatur seiner sittlichen Empfindung anzupassen?! Verleumdung – nichts als Verleumdung, nicht wahr, schöne Frau? Werft den Beaumarchais in die Bastille!

Zur Strafe für Ihr Mißtrauen verrate ich Ihnen die bösen Dinge, die ich von Ihnen weiß.

Sie waren bei Madame Geoffrin. »Mais, voilâ ce qui est bon!« Mit diesen sechs Worten regiert sie, so sagt man, alle Philosophen. Ich würde dem König von Frankreich diesen Zauberspruch verraten, aber ich fürchte, er wirkt nicht. Im Salon der Rue St. – Honoré werden nämlich den Schreihälsen heimlich die Mäuler gestopft, ehe der Spruch ihnen den Mund verbietet. In Versailles fehlt es zu diesem Zweck an überflüssigem Kuchen. Sie sehen, Baron Holbach hat recht: nur das Materielle existiert!

Sie waren auch in der Kirche, aber nicht um den lieben Gott zu suchen, dem man es übrigens nicht verdenken könnte, wenn er vor den Herrn Philosophen in die dunkelste Kapelle flüchten würde. Sie hörten unsere modernsten Priester, die nur noch à la grecque von Moral und Tugend reden, weil das Wort »Religion« sie gar zu lächerlich machen würde.

Und man munkelt sogar, Sie hätten im Café de la Regence Linguets Journal gelesen, jenes Chamäleons, der nur Eins in der Welt fürchtet: man könne ihn in irgendeine Sekte oder Partei einreihen. Darum wechselt er rasch die Farben, sobald er merkt, daß ein anderer dieselben trägt. Vor zehn Jahren erklärte er emphatisch: »Der Arbeiter hat keinen Anteil an dem Überfluß, dessen einzige Quelle seine Arbeit ist und von der Aufhebung der Sklaverei hat er nichts gewonnen, als die Freiheit, zu verhungern,« und heute beschimpft er Philosophen und Minister, so daß sein Blatt zum Leibblatt des Adels geworden ist; denken und regieren kann seiner Ansicht nach in Frankreich nur Einer: Monsieur Linguet selbst.

Ich muß Atem holen. Das war ein zu langer Satz für mich. Nur der Haß konnte mich dieser Anstrengung fähig machen. Herr Linguet war nämlich mein bester Freund.

Mein Vorzimmer steht voll Wartender. Weiß Gott, fast vergesse ich über der reizenden Marquise die Befreiung Amerikas!

Graf Guibert an Delphine
Paris, den 21. Juni 1776.

Sie empfangen mich nicht, teuerste Frau? Verletzte Sie mein Geständnis? Nur um ein Wort, meinetwegen einen Gruß durch Ihre Zofe, bitte ich Sie!

Herr von Beaumarchais an Delphine
Paris, den 30. Juni 1776.

Verehrte Frau Marquise. Der Diener wies mich ab, weil Sie krank seien, und doch sah ich Sie gestern erst in Ihrem Wagen. Was bedeutet das? Unsere gemeinsame Arbeit ist noch nicht zu Ende. Wir bedürfen grade jetzt Ihres ganzen Einflusses, schöne Frau.

Graf Guy Chevreuse an Delphine
Versailles, den 6. Juli 1776.

Turgot ist gestürzt, Malesherbes geht, hinter ihnen blüht wieder die Lust, der Leichtsinn, das Leben. Ich zürnte Ihnen, holde Delphine, weil die Amazonen-Rüstung, in der Sie Sich gefielen, auch Ihr Herz grausam umhüllte. Nun sehe ich erst: die reizende Streiterin im Kampfe der Männer war nur die Windsbraut, die den Winter vertreiben half.

Jetzt schüttet Flora wieder ihr ganzes Füllhorn über unsere Gärten und in einem Regen von Rosen kehrt Delphine uns zurück. Sie warfen den Panzer von sich; endlich sah ich wieder, daß der Atem den schönsten Busen leise bewegt; Sie legten das Schwert aus der weißen Hand; endlich war sie wieder frei für meine Küsse.

Warum zögerten Sie, als die Königin Sie bat, in dem neuen Singspiel unseres Hofdichters mitzuwirken? Weil Herr von Laharpe nicht Herr von Beaumarchais ist, oder der Graf Chevreuse nicht – der Graf Guibert? Ich würde trostlos sein, wenn Sie nicht verraten hätten, daß der Rivale von Ihrem Herzen noch nicht vollständig Besitz ergriff.

»War es amüsant in den Bädern am Barrêge?« frugen Sie mich; »Sie waren, wie ich höre, in lustiger Gesellschaft!« Dabei zuckte es um Ihren Mund, und der Ton Ihrer Stimme war ein Dolch, der mich armen Sünder durchbohren sollte. Sie versuchten sogar mir Ihre Hand zu entziehen, die ich in überströmender Dankbarkeit für dies Zeichen Ihrer Eifersucht, an meine Lippen preßte.

Ja, süße Delphine, es war sehr amüsant, und Mademoiselle Duthé eine reizende Trösterin für Ihre Untreue!

Meinen Sie, Guy Chevreuse könne ehrerbietig wartend im Vorsimmer stehen, bis seine Gebieterin die Gnade hat, ihn wieder zu empfangen? Jeder vertreibt sich die Zeit nach seinem Geschmack: Die Marquise, indem sie mit dem Grafen Guibert – philosophiert, und mit Herrn von Beaumarchais intriguiert, der Graf, indem er in den Bergen mit einer kleinen Freundin – die Natur bewundert.

Müssen wir einander nun mit Vorwürfen quälen? Die Liebe, schönste Frau, hat weder Vergangenheit, noch Zukunft, nur Gegenwart. Sie ist wie der farbenleuchtende Schmetterling, den wir gestern über den Oleanderblüten gaukeln sahen: wer denkt daran, daß er eine häßliche Raupe war, wer wüßte nicht, daß man ihn spießen muß, um ihn zu erhalten?..

Wollen mir morgen unsere Rollen zusammen lesen, verehrte Marquise? In Ihrem blauen Boudoir, dessen Blumenteppich die Wiese vorstellen kann, auf der wir tanzen, dessen Nische mit den schwellenden Kissen auf dem Diwan und den goldenen Amoretten, die darüber die Vorhänge lächelnd heben, die Laube sein soll, in der wir uns finden?

Marquis Montjoie an Delphine
Froberg, am 8. Juli 1776.

Meine Liebe! Ihr rascher Entschluß, nach Froberg zurückzukehren, ist ein erfreuliches Zeichen Ihrer Einsicht. Ich ersehe daraus, daß wir uns die peinlichen Auseinandersetzungen über Ihre Unterstützung der Kriegspartei hätten ersparen können. Es war, wie ich von vornherein annahm, eine Laune, die nur ein wenig zu weit ging. Sie haben den Sturz des Ministeriums beschleunigen helfen, und erwarben sich dadurch nicht nur meine Anerkennung, sondern auch ein Recht auf meine Nachsicht für Ihre übrigen Eskapaden.

Zu ihrer Ankunft ist alles bereit. Ich werde auch Ihren Wunsch, unseren Sohn zu Ihrem Empfang kommen zu lassen, gern erfüllen, obwohl ich diese überraschende Anwandlung von Sentimentalität nicht verstehe.

Graf Guy Chevreuse an Delphine
Versailles, am 12. Juli 1776.

Seltsam: auf einmal ist mir, als wäre meine Liebe eine Blume mit tiefen, starken Wurzeln. Hätte ich Sie bisher nicht geliebt, ich müßte Sie um des Abschieds willen lieben, den Sie mir geben.

 

Meine Zunge und meine Feder sind um Worte nie verlegen gewesen, heute versagen sie den Dienst. Ich kann nur ein Echo Ihrer Stimme sein, und antworte Ihnen darum mit Ihren eigenen Worten:

»Noch sah ich überall: auch das süßeste Liebesglück hinterläßt schließlich nichts als Wunden. Ich aber möchte mich seiner erinnern können, wie man im Winter an einen sonnigen Sommertag denkt. Ich möchte nicht, daß Eitelkeit, Mitleid, Respekt vor der Tugend der Treue die Existenz eines Gefühls vorzutäuschen versuchen, das schon entschwand. Wir wollen darum den Schmetterling, statt ihn zu spießen, in der blauen Luft davonflattern lassen.«

Folgen Sie ihm nicht mit den Blicken, holde Delphine; mir gingen im Nachschauen die Augen über, denn der helle Himmel blendet so sehr. Ich möchte Ihnen auch diesen Schmerz ersparen.