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Die Liebesbriefe der Marquise

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Seien Sie gewärtig, schönste Marquise, Ihre Gäste diesen Zeilen auf dem Fuße folgen zu sehen.

Marquis Montjoie an Delphine
Paris, den 5. August 1773.

Meine liebe Delphine! Wie konnten Sie meinen wohlgemeinten Brief nur so mißverstehen?! Nichts liegt mir ferner, als Ihren Augen Tränen erpressen zu wollen. Seien Sie versichert, ich will weder Ihre »Freiheit beschränken«, noch »statt eines Gemahls ein Schulmeister sein«. Ich will Sie nur leiten – so unmerklich wie möglich – und auch meine Mutter hat gewiß keine andere Absicht. Hätten Sie ein wenig mehr Vertrauen gehabt, ein wenig mehr kindliche Liebe, statt Hochmut und Heftigkeit gezeigt, so wäre es zu der peinlichen Auseinandersetzung mit ihr nicht gekommen. Daß meine Mutter den Besuch des Grafen Chevreuse ablehnte, ist vielleicht etwas rigoros, aber in Anbetracht Ihrer Familientrauer und meiner Abwesenheit gewiß verständlich. Es hat mich fast amüsiert, daß Sie sich daraufhin plötzlich Ihrer Stellung als Herrin des Hauses erinnerten und den Befehl gaben, die Zimmer für die Gäste bereitzuhalten. Meine Mutter schreibt sehr verletzt, aber ich denke, mein heutiger Brief, in dem ich ihr auseinandersetzte, daß meine Gemahlin eine gewisse Selbständigkeit auch ihr gegenüber zu beanspruchen das Recht hat, wird sie beruhigen.

Ihren Zorn aber, meine Teure, hoffe ich durch den Inhalt des kleinen Koffers ein wenig zu besänftigen, den mein Kurier Ihnen übergeben wird.

Ich war selbst bei Madame Bertin, die in ihrem Schneideratelier empfängt wie eine Herzogin. Die hübschesten Mädchen mußten mir die neuesten Kleider vorführen. Merkwürdig, wie auch hier die Mode das Leichte, Weiche dem Schweren und Steifen mehr und mehr vorzieht. Man trägt sich auf der Straße wie unsere Großmütter sich geschämt haben würden, im Hause zu erscheinen. Ich wäre fast versucht gewesen, diese Mode nicht zu akzeptieren, wenn ich mir nicht vorgestellt hätte, wie entzückend diese schmiegsamen Negligée-Gewänder die zarte Gestalt meiner Delphine zur Geltung bringen, wie verlockend diese Mullfichus, diese Seidenschals sich um ihren weißen Nacken schmiegen werden. Auch bei Monsieur Bourbon, dem Schuhmacher der Dauphine, war ich und übergab ihm Ihren Probeschuh. Sie hätten seine Begeisterung, nicht über den Schuh, den er für mesquin erklärte, sondern über das Füßchen, für das er bestimmt war, sehen sollen. »Noch kleiner als das der Prinzessin Guéménée, und der Spann noch höher als der der Marschallin Mirefoix!« sagte er einmal über das andere, »wir werden dies Füßchen mit Juwelen bedecken müssen,« fügte er hinzu, und ich habe mich von ihm bestimmen lassen, auf seine zarten Kunstwerke all die bunten Steine zu streuen. Von Madame Martin habe ich ein Sèvrestöpfchen Rouge des Indes besorgt, von Beaulard, dessen Coiffüren die des alten Beloux an Geschmak und Grazie bei weitem übertreffen, den neuen Puder d'or.

Werde ich immer noch der gefürchtete Hofmeister sein, oder darf ich auf ein gnädiges Lächeln hoffen?!

Leider werde ich mir die Antwort auf diese Frage erst in einigen Wochen holen können. Meine Geschäfte sind noch nicht erledigt.

Ich sprach Ihnen seinerzeit von Monsieur Beaujon, dem Bankier des Hofs. Männer, wie der Prinz Rohan schenken ihm unbegrenztes Vertrauen, sodaß ich meine wohl etwas altmodische Auffassung, daß Edelleute keine Geldgeschäfte machen sollten, überwunden und mit ihm wiederholt konferiert habe. Sein Benehmen war ein tadelloses, und ich wäre wahrscheinlich schon zu einem gewissen Abschluß mit ihm gekommen, wenn ich nicht gestern seiner Einladung in sein luxuriöses Haus in den Champs-Élysées gefolgt wäre, wo der Eindruck, den ich empfing, ein äußerst peinlicher war. Kein königlicher Prinz hat ein Palais, wie dieser Emporkömmling; alle Künstler scheinen sich in seinen Dienst gestellt zu haben; die Gesellschaft, die er empfängt, ist in bezug auf Vornehmheit und geistige Bedeutung die erste von Paris, und die Art, mit der jeder einzelne in ihr dem Hausherrn begegnet, hat einen Anstrich von Devotion, der mir das Blut sieden machte. Um die jungen Damen seiner Familie bemühen sich Offiziere und Kammerherrn mit den ältesten Namen; sie brauchen sichtlich nur die Hände auszustrecken, um irgendeine Grafen- oder Herzogskrone in Empfang zu nehmen. Wir sind also bereits soweit, diese Finanziers nicht nur zu ertragen, sie gesellschaftlich uns gleich zu setzen, sondern wir sind in unserer aristokratischen Gesinnung heruntergekommen genug, um ihren Hofstaat abzugeben. Und das Traurige ist, daß Versailles für eine streng aristokratische Auffassung, wie ich sie noch vertrete, keinen Rückhalt bietet.

Am Tage nach dem Souper bei Beaujon habe ich die Verhandlungen mit ihm abgebrochen und eine Verbindung mit seinem Rivalen Herrn von Saint-James angeknüpft, der den Finanzier mit dem Edelmann verbindet, mir daher mehr zusagt. Er steht überdies der Regierung sehr nahe und machte mir Konfidenzen, die meine pessimistische Auffassung über unsere innere Lage nur bestätigten.

Ich war daher in keiner rosigen Stimmung, als ich am gleichen Tage nach Compiègne befohlen wurde, wo der Hof sich im Augenblick aufhält. Nebenbei bemerkt: Diese unaufhörlichen Reisen des Königs, die mit seinem Alter, mit seiner wachsenden Unruhe und der krankhaften Jagd nach Abwechslung an Zahl zunehmen, sind der Schrecken des Generalauditeurs der königlichen Finanzen. Das Gefolge ist stets enorm, die Gastfreundschaft, die den persönlichen Gästen Seiner Majestät gewährt wird, ist unbegrenzt; die großen Finanziers, die, bei den häufigen Verlegenheiten des Hofs, ihm Gelder bereitwilligst vorstrecken, sind oft die gefeiertesten unter ihnen.

Im Augenblick meiner Ankunft in Compiègne erfuhr ich erst, daß die unter dem Einfluß der Dauphine wiederholt hinausgeschobene Vorstellung der jungen Vikomtesse Dubarry durch die Gräfin Dubarry heute erwartet würde. Ich hätte eine Entschuldigung gefunden, wenn ich früher davon gewußt hätte, denn dem neuen Sieg dieser Aventurière zu assistieren widerstand mir aufs äußerste. Jetzt mußte ich bleiben und tat es nicht ohne starke Selbstüberwindung. Der Schloßhof und die Gallerien waren überfüllt, und ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich behaupte, daß heute niemand eine von Neid und Bewunderung getragene Neugierde mehr reizt als die Kurtisanen. Ein Beweis dafür ist die Eile, mit der die Damen des Hofs jede neue Bizarrerie ihrer Toilette und ihres Benehmens nachahmen.

Nun kann ich nicht leugnen: die Gräfin überraschte mich, und zwar weniger durch ihre Schönheit, als durch die Tadellosigkeit ihres Auftretens, durch die vollendete Form, mit der sie selbst der abweisenden Kühle des Dauphins und der Dauphine begegnete. Sie verriet auch dem König gegenüber mit keiner Miene die nahen Beziehungen, die zwischen ihnen bestehen. Manche Damen von Rang, die heute etwas darin suchen, sich über gute Formen hinwegzusetzen, könnten sich an ihr ein Beispiel nehmen.

Abends war große Soirée im Schloß. Ich hatte die Freude, den Marschall Morangiès zu treffen, der seiner eben erfolgten Freisprechung wegen ein Gegenstand allgemeiner Beglückwünschung war. Seine Geschichte stand im Mittelpunkt der Diskussion, und man war sich einig über die ausschlaggebende Rolle, die Monsieur Linguet und Herr von Voltaire dabei gespielt haben. Linguet scheint ein Advokat und Schriftsteller ersten Ranges, dabei freilich ein skrupelloser Mensch zu sein. Er hat die Marotte, sich stets dem allgemeinen Urteil des Volks entgegenzusetzen und ist auf diese Weise aus einem Republikaner und Freigeist der Verteidiger aristokratischer und klerikaler Interessen geworden. Daß Herr von Voltaire ihn im Fall Morangiès unterstützte, hat jeden, der seine Vergangenheit kennt, überrascht. Es wirkt eigentümlich, diesen berühmten Mann obskurer Herkunft in seiner Verteidigungsschrift plötzlich als Wortführer des französischen Adels auftreten zu sehen, und zu erfahren, wie er mit der nirgends zu überhörenden Stimme eines Herolds für den Schutz unserer gefährdeten Ehre zu den Waffen rief. Er hat es tatsächlich erreicht, daß alle ehrgeizigen Krämer glaubten, es genüge, sich öffentlich zur Partei Morangiès zu erklären, um für einen Edelmann gehalten zu werden. Was mich betrifft, so hat die Stellungnahme der beiden Schriftsteller, obwohl ich sie billigen muß, meine Mißachtung für diese Art Leute nur verstärkt. Ich bin überzeugt: hätte man sämtliche Philosophen und »Volksfreunde« Frankreichs in die Intimität der Hofgesellschaft gezogen, statt ihre Bücher zu verbrennen, wir brauchten sie heute nicht mehr zu fürchten.

Wie sehr das Volk von Paris durch die Hetzereien dieser skrupellosen Vielschreiber schon beeinflußt wird, ging mir aus einer turbulenten Szene hervor, die ich wenige Tage nach der Prozeßentscheidung in der Comédie française erlebte. Man gab »La Réconciliation normande« und bei der Stelle: »Dans une cause obscure des juges bien payés verraient plus clair que nous« hallte der Saal von einem so ohrenbetäubenden Lärm wieder, daß man glaubte, das Spiel abbrechen zu müssen. Man tobte, trampelte und pfiff, dazwischen fielen die beleidigendsten Ausdrücke gegen Morangiès, gegen das Parlament, gegen Linguet und Voltaire. Ich verstand nur das eine nicht: warum die Polizei nicht einschritt.

Freuen wir uns, teure Delphine, unserer ruhigen Elsässer Bauern, bei denen die Autorität von Staat und Kirche noch nicht erschüttert ist. Hier ist das feste Bollwerk gegen den Ansturm des verdorbenen Pöbels der Großstadt.

Ich werde glücklich sein, den Frieden von Froberg wieder genießen und seine schöne Herrin an mein Herz drücken zu dürfen…

P. S. In Compiègne sah ich den Prinzen Friedrich-Eugen. Er ging mir jedoch so sichtlich aus dem Wege, und seine Erwiderung meines Grußes war so steif und förmlich, daß ich nicht in der Lage war, mit ihm zu sprechen. Ich bedauerte es sehr. Hätte ich doch die Freude genossen, mich mit Ihrem einstigen Spielgefährten über Sie, teure Delphine, unterhalten zu können.

 
Graf Guy Chevreuse an Delphine
Abtei Rémiremont, im September 1773.

Schönste Frau Marquise. Selbst das unangenehmste Abenteuer würde ich freudig begrüßen wenn es mir die Gelegenheit verschaffte, Ihnen früher schreiben zu dürfen, als es sonst geschehen wäre. Um wieviel mehr ein so reizendes. Kurz vor Rémiremont brach die Achse unseres Wagens. Wir schickten einen unserer Diener bis zur Abtei und wurden in kürzester Frist von einem Vierspänner der Prinzessin Christine aus unserer unangenehmen Lage befreit und in den eleganten Räumen dieses im weitesten Sinne des Worts weltlichen Damenstifts von einem Flor reizender Frauen willkommen geheißen. Über ihre bunten Quesacos trugen sie das breite blaue Band des Ordens vom heiligen Romaric und den schwarzen hermelinverbrämten Mantel. Sie waren alle sehr erhitzt, und da ich mir leider nicht schmeicheln durfte, die roten Wangen und glänzenden Augen auf meine Ankunft zurückführen zu können, so vermutete ich in ihnen die Wirkung einer allzu üppigen Tafel, die ich beschloß durch Witz und Galanterie zu steigern und auszunützen. Aber schon bei Tisch wurde ich eines Besseren belehrt: meine Nachbarin, eine süße kleine Blondine, erzählte mir, daß die jungen Stiftsfräuleins schon seit Wochen um eine Umänderung der Satzungen kämpften, die ihnen das – Wahlrecht im Stiftskonzil vorenthielten. Je scherzhafter ich die Sache nahm, desto mehr überschlug sich ihr Vogelstimmchen. Clarisse, die mir gegenübersaß, wurde von einer anderen streitbaren jungen Dame in demselben Sinne aufgeklärt, und als wir uns am Abend im Garten ergingen, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, daß die Prinzessin, trotz ihres Alters und ihres Ranges als Äbtissin, auf der Seite der Jugend steht.

»Wir sehen es lieber«, sagte sie, »die Fräuleins würden das Recht haben, innerhalb des Sitzungssaals zu streiten, als daß sie sich das Recht nehmen, vor geschlossener Türe zu intriguieren. Das erzieht zu jener Hintertreppenpolitik der Frauen, die das Verhängnis Frankreichs ist.«

Und nun entspann sich hinter den Klostermauern von Rémiremont eine politische Debatte, wie in den Gärten des Palais-Royal in Paris, nur daß sich hier Damen des ältesten Adels über Fragen echauffierten, die dort nur zwischen Advokaten, Bummlern und Philosophen Rededuelle hervorrufen. Ich wäre mir mehr als überflüssig vorgekommen, wenn es mich nicht gereizt hätte, die jungen Amazonen mit allen Zaubermitteln der Galanterie der Waffen zu entkleiden und ihnen Rosen in die Hände zu spielen. Meine Bescheidenheit verbietet mir, das Resultat zu schildern. Ihnen, reizende Delphine, überlasse ich, es sich auszumalen. Kämpft doch auch in Ihnen die streitbare Kriegerin mit der hingebenden Nymphe.

Wie haben Sie mich mißhandelt! Und wie wenig haben Sie die Wunden, die Sie schlugen, zu heilen gewußt! In den hohen Räumen ihres schrecklichen alten Schlosses, zwischen seinen steifen Stühlen und dunklen Schränken erschienen Sie unnahbar, feierlich. Ihre Lippen waren bleich, Ihre Blicke abweisend, Ihre Hände eiskalt. Schloß sich die eisenbeschlagene Pforte hinter Ihnen und Clarisse und mir und waren wir erst weit draußen im sonnendurchglühten Park, – unerreichbar für das Auge der alten Marquise, für die Stimme des Herrn Marquis! –, dann kehrte wohl das Leben in Ihre Marmorglieder zurück, – aber nicht ich durfte mich einen Prometheus preisen, der es einhauchte –, dann lachte Ihr Auge wieder, aber es lachte nicht mir! Trotzdem ist mir jeder Augenblick unvergeßlich, den ich mit dieser Delphine zusammen war, aber am unvergeßlichsten die, ach so seltenen, die ich allein mit Ihnen verleben durfte!

Warum haben Sie meine Bitte nicht erfüllt, den Herrn von Motteville einzuladen? Warum, vor allem, haben Sie sie nicht verstanden?! Die Lektüre von Boufflers, von Prévost, von Marivaux wäre dann nicht nötig gewesen, um Clarisse zu verscheuchen!

All meine Ritterdienste haben nicht erreicht, was die Leidenschaft, was das beklagenswerte Schicksal der Romanheldinnen erreicht hat: Ihnen wenigstens die Liebe Ihres Anbeters verständlich zu machen. O, Aline, Manon und Marianne, auf eure Gräber würde ich, wenn ich sie finden könnte, Floras schönste Kinder streuen! Euch verdanke ich, daß Delphines rosige Ohren sich nicht abwandten, als ich ihr von meiner Liebe sprach, daß sie nach langem, langem Flehen die einzige Gunst gewährte und meinen heißen Lippen den schneeigen Arm nicht entriß!

Zürnen Sie mir nicht, weil die Erinnerung mich fortreißt. Die schönen Pariserinnen werden Mühe haben, ihre schmerzhaften Spuren zu verwischen, aber ihre Süßigkeit und – die Hoffnung, die sie erwecken, werden sie nicht verscheuchen können. Sollte der heiße Atem von Paris das Eis um das Herz der reizenden Marquise nicht zu schmelzen vermögen?!

Darf ich erwarten, daß Sie mich mit einer Zeile von Ihrer schönen Hand beglücken werden, damit der Faden zwischen uns, der heute noch so spinnwebfeine, nicht ganz zerreißt? Als ein Bittender küsse ich diese Hand und hoffe, sie bald als ein Dankbarer küssen zu dürfen.

Graf Guy Chevreuse an Delphine
Paris, am 21. Februar 1774.

Endlich, schönste Marquise, ein Brief von Ihnen! Ich hatte schon aufgehört, darauf zu hoffen; ich kämpfte mit mir, ob ich Sie noch einmal an mich erinnern dürfe, ich fürchtete, als ein Zudringlicher von Ihnen abgewiesen zu werden. Nun ist es zwar nicht gerade schmeichelhaft, daß Sie mir »nur aus Langerweile« schreiben und ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, diese Langeweile zu verscheuchen, um so mehr, als sie jetzt in Paris ein allgemeines Leiden ist.

Die Krankheit des Königs liegt wie ein Alp auf dem Hof von Versailles. Priester, wie der Abbé Beauvais, Nonnen wie Madame Louise gewinnen wechselnden Einfluß; allerlei dunkle Gestalten werden durch Hinterpforten eingelassen, denn Seine Majestät ist abergläubisch geworden und läßt sich weissagen. Nur auf Stunden, höchstens Tage, vermag die schöne Bacchantin Dubarry ihn seiner Melancholie zu entreissen. Alles um ihn zittert –, teils aus Angst, teils aus Hoffnung –, und bei manchen Leuten habe ich immer den Eindruck, als hätten sie schon heimlich ihre Koffer gepackt. Nur in den inneren Gemächern der Dauphine und im kleinsten Kreise wird noch gelacht, gespielt, getanzt. Sonst hat sich die Fröhlichkeit in die kleinen Hotels der Duthé, der Guimard, der Raucourt geflüchtet und mit ihr manche lebenslustige Dame der Gesellschaft, – nicht zu ihrem Schaden, denn erst hier lernt sie, was Vergnügen und was – Liebe ist.

Ich erinnere mich noch Ihres Erstaunens darüber, daß die Romanheldinnen, die ich Sie kennen lehrte, lauter Kurtisanen sind. Wenn Sie nicht wie eine Eingekerkerte in Ihrem alten Schlosse lebten, – die Vollendung des neuen Palais wird doch wohl noch lange auf sich warten lassen und die des Pavillons, den ich Ihnen riet für sich allein errichten zu lassen, gewiß noch länger! – so würden Sie rascher als viele andere die Ursachen begreifen lernen. Diese Mädchen sind frei; keine Scheere der Rücksichten und der Etikette beschneidet ihre Gefühle, damit sie hübsch artig in Reih und Glied stehen wie die Kugelakazien; kein Ehemann macht sie zu seinem Privatbesitz, ähnlich seinem Hunde, den er darauf dressiert, selbst wenn ihn hungert, von einem anderen kein Stück Brot zu nehmen.

In den Hotels der Raucourt, – einer unvergleichlichen Schauspielerin, die der Herzog von Argenson lanciert hat, und der im Augenblick halb Paris zu Füßen liegt, – und der Guimard, die infolge der gefährlichen Rivalin alle ihre Künste spielen läßt, all ihren Liebreiz entfaltet, traf ich wiederholt unseren gemeinsamen Freund, Friedrich-Eugen. Erfüllt wie ich von Ihnen, schönste Marquise, bin, wurde ich nicht müde, von Ihnen zu sprechen; die wortkarge Ruhe, um nicht zu sagen Gleichgültigkeit, mit der er mir zuhörte, hätte mich fast auf eine ernstere Differenz zwischen Ihnen und dem Prinzen schließen lassen, wenn er nicht mit einer mir in diesem Maße freilich auch unverständlichen Gereiztheit eine harmlose Bemerkung meinerseits, – daß die reizende Marquise das alte deutsche grämliche Froberg demnächst in einen blühenden französischen Mont de joie verwandeln würde –, als eine Beleidigung Ihrer Person betrachtet hätte. Er warf sich dabei zu Ihrem Verteidiger auf, und spielte die Rolle eines alten, einzig dazu berechtigten Freundes so täuschend, daß ich nicht wußte, was ich davon halten sollte und die kleine Guimard vielsagend lächelte.

Nur ein paar Tage lang wünschte ich Ihnen übrigens den Verkehr mit der himmlischen Tänzerin. Sie erinnert mich oft an Sie in der Art, wie sie langsam die schweren Lider von den dunklen Augen hebt und in den weichen Bewegungen ihres zarten Körpers. Nur daß er fessellos ist, der neuesten Mode Englands entsprechend, – fessellos wie ihre Hingabe, ihre Zärtlichkeit.

»Wer in der Liebe nicht verschwenden kann, ist selbst ein Bettler,« sagte sie mir neulich, und einer kleinen Gräfin, die ihr klagend von der Wankelmütigkeit ihres Liebhabers erzählte, rief sie höhnend zu: »Füttern sie ihn nur weiter mit den Almosen heimlicher Blicke und Händedrücke, dann wird er ihr ärgster Feind, ein Revolutionär, wie das frierende und hungernde Volk von Paris angesichts der brennenden Holzstöße, die die großen Herren ihnen zuliebe vor ihren Palais entzünden, und der Brosamen, die sie ihnen zuwerfen.«

Mein Brief wird Sie enttäuschen, denn ich fürchte, daß er Sie nicht einmal für eine Stunde von Ihrer Schwermut befreit, ja, daß er sie vielleicht noch vertieft. Ich bin so grausam, schönste Frau, diese Folge sogar zu wünschen, denn Sie sind so starrköpfig, – oder so sanftmütig?! – daß Sie sich erst sehr unglücklich fühlen müssen, um sich vom Unglück zu befreien.

Lucien Gaillard an Delphine
Paris, März 1774.

Hochzuverehrende Frau Marquise. Zwei Pferde ritt ich zu Schanden. Ob infolge der Schwere meines Buckels oder der Schärfe meiner Sporen will ich dahingestellt sein lassen. Ich habe mich weder vom Staub gereinigt, noch gegessen und getrunken. Ich bin mit der Tür ins Haus gefallen. Der Kammerdiener des Prinzen Friedrich-Eugen hat erst durch ein paar Louisd'or an meine Ehrlichkeit geglaubt.

Euer Gnaden können ohne Sorgen sein. Die Schreiberseele des Mercure de France hat natürlich die Provinz schaudern machen wollen. Es bestand keinerlei Lebensgefahr. Der Degen des Grafen Guy Chevreuse hat nur die Wange Seiner Erlaucht ein wenig zerschlitzt und ihm einige Unzen Blut abgezogen. Das dürfte nicht ungünstig sein, sondern die allzu große Hitze des Prinzen kühlen.

Über die Ursachen des Duells weiß selbst der Kammerdiener, dessen hingebendste Freundschaft ich mit einigen weiteren Louisd'or gewann, nichts Bestimmtes. Das eine nur scheint gewiß: Der Streit entstand im Hotel der Demoiselle Guimard, derselben schönen Dame, die der Prinz gestern empfing. Es scheint darnach in Paris Mode geworden zu sein, daß auch der männliche Teil der vornehmen Welt im Bett Audienz erteilt.

Ich selbst bin, da Euer Gnaden mir nicht gestatteten, den Namen derjenigen, die mich sandte, einem anderen als dem Prinzen selbst zu nennen, natürlich nicht empfangen worden. Es war nur die Folge meiner eigenen Dummheit. Morgen werde ich den simplen Gaillard mit irgendeinem sieben- oder neunzackig gekrönten Namen vertauschen und man wird nicht die Hinterpforte, sondern die Flügeltüren weit vor mir aufreißen.

Ich lasse dann sofort einen zweiten Kurier dem heutigen folgen.

Gestatten mir Euer Gnaden, meiner unvergänglichen Dankbarkeit und Ergebenheit Ausdruck zu verleihen. Ich bedaure, der Frau Marquise nicht mehr opfern zu können, als ein paar Pferdebeine.

Lucien Gaillard an Delphine
Am 22. März 1774.

Hochzuverehrende Frau Marquise. Soeben verlasse ich den Prinzen. Meine Eröffnung ließ ihn vom Bett emporschnellen. Ich konnte mich von der gesunden Menge von Blut überzeugen, das seine Adern noch füllt, denn es ließ sein Gesicht wie ein Feuer glühen, als ich zuerst Ihren Namen nannte.

»Schreiben Sie Ihrer Gebieterin«, sagte er, »daß ich jetzt nichts sehnlicher wünschte, als wirklich todkrank zu sein, um von ihr und ihrer rührenden Sorge um mich dem Leben zurückgewonnen zu werden.«

Fast drei Stunden hielt er mich fest. Er hörte nicht auf, mich auszufragen, mir zuzuhören. Ich durfte mich glücklich schätzen, daß Euer Gnaden Erscheinung sich mir so unauslöschlich eingeprägt hat, und ich imstande war, jeden Blick, jedes Lächeln, jede Bewegung zu schildern, so daß Seine Erlaucht mir versicherte, die Farben Bouchers könnten nicht lebensvoller malen, als meine Worte. Eine Demoiselle Raucourt, die sich während meines Besuchs melden ließ, hat er mit einem so verächtlichen Stirnrunzeln abweisen lassen, daß sie nicht wiederkommen würde, wenn sie es gesehen hätte.

 

Meine »kranke« Mutter habe ich heute besucht. Ich brauche dem Herrn Marquis sonach kein Märchen aufzubinden. Ihre »Sehnsucht« war übrigens so groß wie die meine. Erst als sie sich überzeugte, daß ich nichts zu fordern kam, erwachte ihre mütterliche Zärtlichkeit gegenüber ihrer Mißgeburt. Es geht ihr übrigens vortrefflich. Von dem Gelde ihres Liebhabers, dem ich infolge eines unglücklichen Zufalls mein Leben verdanke, – daß ich ihm wirklich dafür Dank schuldig bin, weiß ich erst, seit ich Euer Gnaden dienen darf –, hat sie im Garten des Palais-Royal ein Café-Restaurant gepachtet. Die größten Räsonneure von Paris verkehren bei ihr. Ich habe in einer Stunde mehr gehört, als ich in meinem ganzen Leben gedacht habe, obwohl, wie Euer Gnaden wissen, das nicht wenig ist, da man mir ja reichlich Zeit dazu gelassen hat. War ich doch ein Bastard, also gemieden von den Herren wie von den Dienern. Aber wessen ich mich schämte, dessen werde ich mich auf Grund meiner neuen Einsicht noch rühmen können. Als »Bastarde im Geist«, bezeichnete einer der Gäste Madame Gaillards, in dem ich den einstigen Hofmeister des Prinzen Friedrich-Eugen, den Herrn von Altenau, wieder erkannte, all jene Aufklärer, Schriftsteller und Philosophen, die zwischen dem Volk und dem Adel stehen, nicht etwa als ein verbindendes, sondern als ein zersetzendes Element. Was die großen Denker, die Herren Voltaire, Rousseau, Diderot und wie sie alle heißen, – ich hörte die Namen zum erstenmal –, in ihren Werken niedergelegt haben, das verbreiten jene anderen durch die Zeitungen, durch Flugschriften und Reden jetzt im Volk. In jeder kleinen Wirtschaft, zwischen Krämern und Handwerkern, hört man infolgedessen politisieren und philosophieren. Vom König redet man, als wenn er schon tot wäre. Man erörtert eifrig das Für und Wider der Männer, die der Dauphin berufen wird. Es gibt Hoffnungsvolle, die eine glorreiche Zeit und ein Ende aller Not erwarten. Die meisten lächeln zweifelnd dazu, oder zucken nur stumm die Achseln. Für einen, der, wie ich, aus lebenslanger Einsamkeit hierher verschlagen wurde, ist das alles wie ein Fiebertraum. Wenn ich im Frühling durch die Froberger Gärten ging, hatte ich zuweilen solch ein Gefühl in den Gliedern, als stünde etwas Ungeheures bevor. Aber dann fiel mir stets rechtzeitig ein, daß das nur die Gradegewachsenen erwarten dürfte. Hier habe ich die unbestimmte Empfindung, als bedürfe es nur eines graden Geistes, um das Große, das wird, mit zu empfangen.

Euer Gnaden haben mich, den immer Schweigsamen, zuerst sprechen gelehrt, und müssen mir daher gütigst verzeihen, wenn ich nun schwatzhaft werde.

Ich erwarte, der Verabredung gemäß, Euer Gnaden weitere Befehle.

Johann von Altenau an Delphine
Paris, am 30. März 1774.

Verehrte Frau Marquise! Als die kleine Gräfin Laval sich in eine Marquise Montjoie verwandelte, war sie mir, offen gestanden, entschwunden, wie ein schöner Traum. Einmal, so dachte ich, würde ich wohl der Frau Marquise begegnen, aber sie wäre dann eine Fremde für mich, eine der vielen schönen Frauen, mit demselben Rouge auf den Wangen, das alle Spuren von Leid und Liebe verwischt, demselben Lächeln um die Lippen, das Freund und Feind gleichmäßig grüßt, demselben Geist, dem Himmel und Erde nichts anderes bedeutet, als einen Gegenstand der Konversation.

Und nun ließ mich ein Zufall, der sich in der dicken Wirtin des Café de la Regence verkörpert hatte, einen buckligen Menschen kennen lernen, von dem ich noch nicht weiß, ist er Ihr Hofnarr oder Ihr Kavalier, und dieser seltsame Kauz machte mich mit der Marquise Montjoie bekannt. Die Gräfin Laval ist sie nicht, – darin ging mein Vorgefühl nicht fehl –, aber sie ist auch nicht eine von den Vielen. Ich glaube fast, sie ist ein Mensch, denn sie fühlt die Qualen des Lebens.

Zürnen Sie mir darum nicht, wenn ich Ihnen mitteile, daß sich in Paris ein Mann befindet, der sich Ihnen ganz zur Verfügung stellt. Vielleicht findet er, wenn Sie nur gütigst eine Verbindung mit ihm herstellen wollen, irgend ein Mittel, das Ihre Schmerzen, wenn nicht in Freuden verwandelt, so doch betäubt.

Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine
Paris, den 3. April 1774.

Teuerste Delphine, unvergeßliche Freundin! Meinen heißen Dank für die Wohltat, die Sie mir erwiesen haben, muß ich Ihnen persönlich, nicht nur durch Ihren treuen Boten, auszudrücken versuchen. Sie können in Ihrer Reinheit nicht ermessen, was Sie für mich getan haben; Sie retteten mir vielleicht mehr als das Leben, nachdem Sie mich in einen schlimmeren Abgrund als den des Todes gestürzt hatten. Ich war auf dem Wege, mich selbst zu verlieren –, ach, ich möchte Ihnen das Alles beichten dürfen, und von Ihnen eine Absolution empfangen, die mich sicherer von allen meinen Sünden freisprechen würde, als wenn der Papst in eigener heiliger Person es täte!

Mir ist Paris verleidet; ich kann seine schwere stickige Luft nicht mehr atmen; mich verlangt nach dem kräftigen Vorfrühlingsbrodem, den die heimatliche Erde ausstrahlt. Sobald meine Verwundung die Reise möglich macht, will ich nach Montbéliard zurückkehren, und dort bleiben, bis die tiefere Verwundung meines Herzens es mir erlaubt, nach Etupes – unserem schönen Etupes! – überzusiedeln. Noch weiß ich nicht, wie sie zu heilen ist: die Vergnügungen von Paris haben sich nur als der Verband eines ungeschickten Chirurgen erwiesen, denn die Trennung von Ihnen war wie fressendes Pfeilgift, das die Vernarbung verhindert. Wird ein Wiedersehen sie schließen machen?! Einerlei! Und wenn ich im Voraus wüßte, daß ich daran verblute, ich würde keine Minute zögern, es herbeizuführen. Nur Ihre Ablehnung, meine Freundin, würde wirken, wie Königsbann. Aber ich weiß, Sie vermögen nicht, sie auszusprechen. Monsieur Gaillard wußte nicht, was höher zu preisen sei: Ihre Schönheit oder Ihre Güte! Der arme Kerl, der sich wie ein Nachtfalter am Licht Ihrer Augen die grauen Flügel verbrannte!

Ich werde Sie wiedersehen, und werde versuchen, zu vergessen, daß es die Marquise Montjoie ist, die ich begrüße.

Verzeihen Sie die zitternde Greisenschrift dieses Briefes. Sie dürfen sich darum nicht sorgen, liebste Delphine, – so sehr mich auch diese Sorge beglückt –, denn es ist weniger die Schwäche, die sie verursacht, als die Erregung. Ich weiß jetzt, wie einem Wüstenwanderer zu Mute ist, der mit ausgedörrter Kehle und zerrissener Haut, dem Tode nahe, die schattende Kühle hoher Palmen, die klaren Wellen sprudelnden Quells vor sich sieht.

Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine
Montbéliard, 30. April 1774.

Delphine, liebste Delphine, warum antworten Sie mir nicht?! Ich wartete in Paris vergebens darauf und hoffte, hier ein Lebenszeichen von Ihnen vorzufinden. Vergebens! War ich zu vorschnell, als ich aus Ihrer Sorge um mich auf einen Rest alter Neigung schloß? Als der Graf Chevreuse vor Dirnen und Roués von dem Mont de joie erzählte, auf dem er den Palast der Venus gefunden hat, glaubte ich die ganze Frechheit seines Wortspiels zu verstehen. Daß ich es tat, war eine Beleidigung gegen Sie, – und Sie hätten ein Recht, mich deshalb keines Wortes mehr zu würdigen.

Aber um unserer Kindheit willen, Delphine, die mir hier aus jedem Busch, jedem Wasserspiegel entgegenlacht, verzeihen Sie mir! Und um meiner Liebe willen schenken Sie mir ein einziges gutes Wort. Nur Ihr Mitleid und Ihr Zorn sind mir unerträglich.

Sollte aber Krankheit die Ursache Ihres Schweigens sein, – ich wage es nicht zu denken, daß Sie leiden –, so beauftragen Sie Gaillard mit Ihrer Antwort. Ich klammere mich zu sehr an jeden Strohhalm der Hoffnung, ich fürchte mich zu sehr, daß Sie selbst ihn mir entreißen könnten, als daß ich es wagte, ein Begegnen mit Ihnen zu erzwingen.