Za darmo

Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

Tekst
Autor:
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

In dem am 11. Juni 1816 zwischen Pierer und Brockhaus abgeschlossenen Vertrage über den Verkauf des »Literarischen Comptoir« verpflichtete sich Letzterer zugleich, »die bisher bestandenen Druckereigeschäfte« mit Ersterm fortzusetzen und nicht nur die von ihm übernommenen Verlagswerke und »die noch rückständigen Bände des 'Conversations-Lexikon'« (zweite Auflage) in Pierer's Druckerei anfertigen zu lassen, »sondern auch dessen Pressen, deren Zahl um deswillen erhöht und mit dem nöthigen Druckereipersonale versehen worden sind, auf längere Zeit hinaus hinreichend und soviel es nur die Verhältnisse verstatten wollen zu beschäftigen«.

Verschiedenen Gebieten gehören endlich die folgenden drei von Brockhaus im Jahre 1817 verlegten Werke an: »Reise nach Dalmatien und in das Gebiet von Ragusa«, von Ernst Friedrich Germar, Professor der Mineralogie zu Halle (geb. 1786, gest. 1853), ein Werk von zugleich wissenschaftlichem Werthe, mit Kupfern und Karten; zweitens eine zwar kleine Schrift, aber die erste bedeutendere Arbeit des später berühmt gewordenen Geschichtschreibers der Philosophie Heinrich Ritter (geb. 1791, gest. 1869, erst Docent in Berlin und Kiel, seit 1837 eine Zierde der Universität Göttingen) unter dem Titel: »Welchen Einfluß hat die Philosophie des Cartesius auf die Ausbildung der des Spinoza gehabt, und welche Berührungspunkte haben beide Philosophien mit einander gemein? Nebst einer Zugabe: Ueber die Bildung des Philosophen durch die Geschichte der Philosophie«; drittens: »Die Elemente der reinen Mathematik« von dem königlich sächsischen Oberlandfeldmesser Wilhelm Ernst August von Schlieben (geb. 1781, gest. 1829), wovon indeß nur die erste Abtheilung: »Die Rechenkunst und Algebra«, in zwei Theilen erschien.

Eine gleichzeitig von Brockhaus mit dem Verfasser des letztern Werks begonnene kriegsgeschichtliche Zeitschrift gehört in das Gebiet der Publicistik, Geschichte und encyklopädischen Literatur, das einen Hauptbestandtheil seiner Verlagsthätigkeit in den Jahren 1812-1817 bildete und deshalb eine besondere Schilderung beansprucht.

Vorher ist indeß noch ein einzelnes Verlagsunternehmen zu charakterisiren, das Brockhaus vor allen andern in dieser Zeit beschäftigte: die von ihm begründeten und herausgegebenen »Deutschen Blätter«.

3.
Die »Deutschen Blätter«

Wie Brockhaus seine Verlegerlaufbahn mit einer politisch-literarischen Zeitung begonnen hatte (im Jahre 1806 mit dem holländischen Blatte »De Ster«), so beschäftigte er sich auch gleich nach seiner Festsetzung in Altenburg mit dem Gedanken, ein ähnliches in die Zeitverhältnisse eingreifendes Unternehmen zu begründen. Ueberhaupt erkannte er stets in vollem Maße die Bedeutung des Journalismus für ein Verlagsgeschäft, das zu einer einflußreichen Stellung in der Literatur gelangen oder diese behaupten will. In der mannichfachsten Weise hat er es in den verschiedenen Perioden seiner Verlegerlaufbahn versucht, durch Zeitschriften auf die öffentliche Meinung einzuwirken, bald auf rein politischem, bald auf literarischem Gebiete, meist aber auf beiden gleichzeitig, was der Zeitströmung und seiner eigenen Neigung am meisten zusagte.

Freilich waren die Zeitumstände in den Jahren 1811 und 1812 einer solchen Absicht wenig günstig, ganz abgesehen davon, daß Altenburg ein wenig geeigneter Ort für die Verwirklichung derselben schien und seine pecuniären Mittel beschränkte waren.

Das erste Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts bildet eine der traurigsten Epochen in der deutschen Geschichte: das Deutsche Reich bricht nach tausendjährigem Bestande in sich selbst zusammen; Frankreich verübt ungestraft Gewaltthaten gegen deutsche Länder; Oesterreichs erste Erhebung gegen Napoleon (1805) mislingt und führt zur Errichtung des Rheinbundes schmachvollen Andenkens, welcher ein Drittheil des deutschen Landes in ein Vasallenverhältniß zu Frankreich bringt; Preußens verspätete Erhebung gegen Napoleon (1806) scheitert gleichfalls und kostet ihm die Hälfte seines Landes; Oesterreichs neuer Versuch, die Napoleonische Herrschaft zu brechen (1809), mislingt abermals; die ganze Nordseeküste Deutschlands wird (1810) mit Frankreich vereinigt.

In solch trüber Zeit ein politisches Blatt in Deutschland zu gründen, wäre Vermessenheit gewesen, zumal die deutschen Fürsten nach und nach eine Censur einführten, wie man sie bisher in Deutschland nicht gekannt hatte; Napoleon hatte sie für den Verlust ihrer Unabhängigkeit dadurch entschädigt, daß er ihnen einen neuen Begriff von der Souveränetät, die er ihnen garantirte, beibrachte und sie zu unumschränkten Herren ihrer Unterthanen machte.

Die Besten des deutschen Volks fühlten von Anfang an die Schmach dieser Zustände: die Namen eines Hofer, eines Schill, eines Dörnberg sind die besten Zeugen dafür. Ihre kühnen Unternehmungen verunglückten, weil sie von den Regierungen im Stich gelassen wurden und das deutsche Volk zu allen Zeiten sich nur langsam zur That aufgerafft hat. Die Reformen des Grafen Stadion in Oesterreich, Stein's und Scharnhorst's in Preußen waren ein Zeichen der bald heranbrechenden Morgenröthe. Aber erst das Scheitern des Zugs Napoleon's gegen Rußland (1812) gab das Signal zu einer allgemeinen Erhebung in Deutschland. Alles athmete auf: der Usurpator war nicht unbezwinglich. Stein's Verdienst ist es, Rußland zur Verfolgung des fliehenden Feindes bis auf deutschen Boden vermocht zu haben; Preußen wurde durch York's Capitulation mit fortgerissen zum Kampfe gegen Napoleon auf Leben und Tod. Am 3. Februar 1813 erließ der König von Preußen den Aufruf »An mein Volk«; die großartige Erhebung des preußischen und bald auch des ganzen deutschen Volks war die Antwort. Am 27. Februar schloß Preußen mit Rußland ein Bündniß und erklärte am 16. März Frankreich den Krieg. Das französische Heer hatte sich hinter die Elbe zurückgezogen, behauptete aber diese Linie. Im Sommer traten Schweden, England und Oesterreich dem preußisch-russischen Bündniß bei. Von allen Seiten rückten die Heere nach Mitteldeutschland vor: hier sollte die Entscheidung fallen.

Der Stadt Altenburg wurde in dieser denkwürdigen Zeit die Ehre zutheil, mehrere Tage das Hauptquartier der verbündeten Armeen zu bilden. Im Sommer 1813 oft von den Franzosen und den leider noch mit ihnen verbündeten Baiern besetzt, wurde die Stadt zuerst am 24. August von diesen verlassen, weil die Oesterreicher im Anmarsche waren. Am nächsten Morgen rückten die ersten Oesterreicher und einige Kosacken ein. Am 2. September erschienen die Franzosen wieder, flohen aber schon drei Tage darauf, und am 8. September besetzte der österreichische Graf Mensdorff mit einem österreichisch-russischen Corps die Stadt. Am 24. September fand ein Gefecht bei Altenburg statt, General Thielmann zog sich vor Oberst Lefèvre zurück, die Franzosen besetzten die Stadt wieder, bis Thielmann, von dem Kosackenhetman Platow unterstützt, sie am 28. September aufs neue daraus verjagte. Am 3. October rückten Polen unter Fürst Poniatowski ein, zogen aber nach einigen Tagen wieder fort. Jetzt begannen zahlreiche Durchmärsche der Verbündeten. Fürst Wittgenstein und General Kleist kamen am 9. October mit ihren Corps an. Am folgenden Tage verlegte Fürst Schwarzenberg, der Generalissimus der verbündeten Armeen, sein Hauptquartier von Penig nach Altenburg, wo es bis zum 15. October blieb. Der Kaiser Alexander von Rußland war kurz nach Schwarzenberg, am Abend des 10. October, in Altenburg angekommen und ihm zu Ehren die Stadt beleuchtet worden. Mit ihm kamen Großfürst Konstantin, Barclay de Tolly und etwa vierzig russische, österreichische und preußische Generale. In den Vormittagsstunden des 15. October brach alles, was zum Hauptquartier gehörte, auf, nach Leipzig zu. Der Kaiser von Oesterreich traf kurz darauf in Altenburg ein, ebenso der König von Preußen.

In diesen für Altenburg und seine Bewohner so ereignißreichen Tagen reifte in Brockhaus der lange gehegte Entschluß, ein politisches Blatt zu gründen, um auch an seinem Theile mitzuhelfen zur Befreiung des Vaterlandes. In einem solchen Augenblicke konnte ein derartiges Blatt ja nur Kriegsberichte bringen, und er beschloß, die günstige Gelegenheit, die sich ihm durch die Anwesenheit des Hauptquartiers in Altenburg bot, rasch zur Förderung seiner Absichten zu benutzen. Er erbat und erhielt Audienzen beim Kaiser von Rußland und bei dem Fürsten Schwarzenberg. Das Ergebniß derselben, über deren sonstigen Verlauf uns leider nichts weiter bekannt ist, war ein »Befehl« zur Herausgabe eines »periodischen Blattes« — ein in der Geschichte der Journalistik gewiß seltener Vorgang.

Das geschichtlich denkwürdige Actenstück lautet:

Befehl

Dem Buchhändler, Herrn Brockhaus, von hier wird hiermit befohlen, alle von Seiten der Hohen Alliirten theils schon erschienene, theils in der Zukunft noch zu erscheinende Nachrichten und officielle Schriften durch den Druck bekannt zu machen und sie mittelst eines periodischen Blattes, welches jedoch der Censur des jedesmaligen Herrn Platz-Commandanten unterliegt, dem Publico mitzutheilen.

Hauptquartier Altenburg, den 13. October 1813.

Auf Befehl Sr. Durchlaucht des k. k. en chef
commandirenden Herrn Feldmarschalls Fürsten
von Schwarzenberg.
(Gez.) Langenau.

Auf Grund dessen richtete Brockhaus sofort eine Eingabe an die einheimische Behörde und erhielt darauf nachstehende Resolution:

Dem Buchhändler Friedrich Arnold Brockhaus wird auf seine Eingabe vom 14. d. M., die Herausgabe eines die von Seiten der Hohen Alliirten theils schon erschienenen, theils noch erscheinenden Armee-Nachrichten und officiellen Schriften liefernden periodischen Blattes und dessen Censur betreffend, zur Resolution hiermit vermeldet: daß er dem diesfalls von des en chef commandirenden Herrn Feldmarschalls, Fürsten von Schwarzenberg, Durchlaucht erhaltenen Befehle lediglich nachzukommen und die Censur von dem jedesmaligen Herrn Platz-Commandanten zu erwarten habe, daher bei diesen Blättern eine Durchsicht der dießortigen Censur-Behörde nicht eintrete.

 

Altenburg, am 18. October 1813.

Herzogl. Sächs. verordnete Canzler u. Räthe das.
(Gez.) F. C. A. von Trützschler.

Brockhaus verlor keine Stunde mit der Ausführung des »Befehls«. Er ließ sofort sein neues Blatt ins Leben treten, nannte es »Deutsche Blätter« und stellte jenen Befehl an die Spitze der ersten Nummer, die schon vom folgenden Tage, 14. October, datirt und wol noch an diesem oder dem folgenden Tage erschienen ist. Unter den »Befehl« setzte er folgende Benachrichtigung:

In Beziehung auf obigen ehrenvollen Auftrag werden von den »Deutschen Blättern« an unbestimmten Tagen, in Nummern von halben und ganzen Bogen, wöchentlich mehrere erscheinen und durch alle Buchhandlungen, Postämter u. s. w. zu erhalten sein. Vierzig ganze Bogen bilden einen Band und erhalten Haupttitel und Inhaltsverzeichniß. Bei Veranlassung werden Karten und Pläne beigefügt werden. Der Pränumerationspreis für einen Band oder vierzig ganze Bogen beträgt 1 Thlr. 8 Gr. sächsisch. Einzelne Nummern von einem ganzen Bogen kosten 1 Gr. 6 Pf. und von einem halben Bogen 1 Gr.

Bestellungen sowie dem Zweck der Blätter entsprechende Beiträge werden adressirt: an die Expedition der »Deutschen Blätter« in Altenburg.

F. A. Brockhaus.

Dies ist die Entstehungsgeschichte der »Deutschen Blätter«, die vom Herbst 1813 bis zum Frühjahr 1816 bestanden und anerkanntermaßen zu den besten der durch die Freiheitskriege hervorgerufenen und die Erhebung des deutschen Volks auf das kräftigste fördernden Erzeugnissen der deutschen politischen Presse gehörten. Sie sind nach Idee, Titel, Form und Inhalt als eine Schöpfung von Brockhaus anzusehen, der auch fortwährend die Seele des Blattes blieb, während Dr. Hain und Dr. Sievers die Geschäfte der Redaction besorgten. Auf dem Blatte selbst war übrigens nach damaliger Sitte zunächst weder der Redacteur noch der Herausgeber, Verleger oder Drucker genannt; erst vom zweiten Bande an nannte sich Brockhaus als Herausgeber.

Daß Brockhaus sich einen »Befehl« zur Herausgabe des Blattes erwirkte, geschah gewiß nicht aus Vorsicht, um etwa den französischen Militär- und Civilbehörden gegenüber bei ungünstigem Verlaufe der Kriegsoperationen durch diesen gedeckt zu sein. Denn wären die Franzosen nach dem am 15. October, also einen Tag nach dem Datum der ersten Nummer, erfolgten Wegzuge des Hauptquartiers aus Altenburg wieder einmal, wie in den Wochen vorher öfters geschehen war, in die Stadt eingerückt, so hätte jener »Befehl« den Herausgeber der »Deutschen Blätter« schwerlich vor dem Schicksale Palm's oder wenigstens Becker's bewahrt, zumal er sofort (in der dritten Nummer vom 17. October) einen über seine patriotische Gesinnung keinen Zweifel lassenden Aufsatz: »Was ist (war) der rheinische Bund?« brachte. Er erbat sich jenen »Befehl« vielmehr nur, um die offiziellen Berichte über die Kriegsoperationen aus erster Hand zu erhalten und dadurch seinem Blatte einen um so größern Leserkreis zu sichern.

Das Glück begünstigte ihn dabei insofern, als wenige Tage darauf die Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen wurde und die »Deutschen Blätter« bei ihren Beziehungen zu dem Hauptquartiere das erste Blatt sein konnten, welches dem deutschen Volke die Kunde seiner Befreiung und authentische Berichte über diese ewig denkwürdigen Tage brachte. Die Geburt der »Deutschen Blätter« fiel so zusammen mit der Geburt der deutschen Unabhängigkeit: ein günstiger Umstand, den der Herausgeber trefflich zu benutzen verstand.

Das Hauptquartier der verbündeten Armeen war am 15. October von Altenburg nach Pegau verlegt worden, und am Morgen des folgenden Tags begann die leipziger Schlacht. Der Kaiser von Oesterreich hatte Altenburg am 16. October früh 7 Uhr verlassen, der König von Preußen erst einige Stunden später, Beide, um den Kaiser von Rußland und das Hauptquartier in Pegau zu treffen. Schon auf der Fahrt dahin hörten sie die heftige Kanonade dieses ersten Schlachttags: es war die Schlacht bei Wachau, die gleichzeitig mit der von Blücher bei Möckern geschlagenen Schlacht siegreich für die Verbündeten ausfiel und den 16. October zu dem ersten Siegestage bei Leipzig machte. Die drei verbündeten Monarchen hatten der Schlacht vom Wachberge aus beigewohnt; auch Napoleon war auf dem Schlachtfelde und hatte bei der ersten für ihn günstigen Wendung der Schlacht bereits den Befehl gegeben, in Leipzig zur Feier seines Siegs die Glocken zu läuten.

Der folgende Tag, der 17. October, ein Sonntag, verging ruhiger: Napoleon unterhandelte und versäumte darüber den rechtzeitigen Rückzug.

Am 18. October erfolgte der Hauptangriff der Verbündeten in drei Colonnen auf die Stellung der Franzosen in und um Leipzig: überall, wenn auch unter mörderischem Kampfe siegreich vordringend, hatten sie am Abende dieses Hauptschlachttags die Franzosen von drei Seiten so fest eingeschlossen, daß diesen nur der eine Rückzugsweg nach Westen übrigblieb und Napoleon den Rückzug bereits um 11 Uhr vormittags beginnen ließ.

Am 19. October wurden die Vorstädte Leipzigs erstürmt; die drei verbündeten Monarchen hielten um 1 Uhr mittags ihren Einzug in die Stadt, die Napoleon um 10 Uhr erst verlassen hatte.

Napoleon's Macht hatte den Todesstoß erhalten, Deutschland war frei: der Einzug des Kaisers von Rußland und des Königs von Preußen in Paris am 31. März, Napoleon's Abdankung am 11. April, der Erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814 waren Folgen der Völkerschlacht bei Leipzig.

Die »Deutschen Blätter« brachten wol die ersten Nachrichten über die große Entscheidungsschlacht. Sie vermochten dies aber nicht nur deshalb, weil sie das officielle Organ des Hauptquartiers waren, sondern ihr Herausgeber hatte, mit gewohnter Energie den rechten Augenblick erfassend, sich sofort nach schnell nachgesuchter und erhaltener Erlaubniß dem Hauptquartier angeschlossen, und konnte so seinem neu gegründeten Blatte zugleich als erster Berichterstatter über die wichtigste Schlacht des ganzen Kriegs dienen. Brockhaus war Augenzeuge der Schlacht bei Wachau gewesen und sofort nach der Einnahme Leipzigs von Rötha aus in die Stadt geeilt.

Schon am Nachmittag des 18. October sandte er zwei kurze Berichte an Dr. Hain in Altenburg, die dieser am nächsten Morgen sofort durch ein »Extrablatt« (also nicht erst eine Erfindung der neuern Zeit!) dem Publikum mittheilte und in Nr. 5 der »Deutschen Blätter« vom 19. October nochmals abdruckte. Diese Briefe waren in Borna geschrieben, wo auch der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen übernachtet hatten; beide Fürsten begaben sich von hier nach Rötha zum Kaiser von Rußland, um mit diesem zusammen am folgenden Mittag in Leipzig einzuziehen. Brockhaus folgte ihnen mit dem Hauptquartier.

Von Leipzig aus schrieb er gleich am Morgen des 20. October einen längern Bericht über seine Erlebnisse für die »Deutschen Blätter«, der mit der Ueberschrift »Brief an J.« (unter J. ist jedenfalls Jeannette, seine Frau, gemeint) in Nr. 11 vom 21. October veröffentlicht wurde.

Wir theilen daraus unter Weglassung der bekannten Einzelheiten der Schlachttage folgende theils für den Schreiber charakteristische, theils auch sonst interessante Stellen hier mit:

Ich bin auf den Flügeln des Windes hierher geeilt, sobald ich in Rötha die Nachricht von der Einnahme Leipzigs erhielt. Es sind zwei göttliche Tage für mich gewesen. Am ersten die Ahnung und späterhin am Abend schon die Nachricht von der Hermanns-Schlacht; der zweite die vollendete Besiegung des stolzen Feindes, der nun seit zehn Jahren mit ehrnem Fuß uns auf den Nacken trat und alle schönen Lebenskeime zerstörte. Es ist der vollständigste Sieg, den die neuere Geschichte kennt, erfochten worden, und die Folgen werden noch unermeßlicher sein. Ich hoffe, auch kein Franzose werde über den Rhein zurückkehren, um die Kunde ihrer Niederlagen in ihre Heimat zu bringen. So geht das in Erfüllung, was ich oft sagte, wenn sie in nicht aufhörenden Zügen an unsern friedlichen Wohnungen vorbeieilten ...

Der Einzug in Leipzig ist ebenso rührend als verherrlichend gewesen. Mit lautem Jubel bewillkommneten die Einwohner die Sieger und sahen sie für ihre Befreier an. Aus allen Fenstern wurde ihnen mit weißen Tüchern entgegengeflaggt. »Seid willkommen, seid willkommen!« — »Es lebe Franz, Alexander, Friedrich Wilhelm und der Kronprinz von Schweden!« ist von tausend und wieder tausend Stimmen gerufen und von den Siegern mit unaufhörlichem Hurrah beantwortet worden. Freunde, Bekannte, Fremde umarmen sich auf öffentlicher Straße, und Thränen der Freude und der Wehmuth stürzen ihnen aus den Augen. Auch haben sich die Sieger wie wackere Männer in ihrem Triumphe gezeigt. Leipzig war mit Sturm genommen und noch in den Straßen der Stadt lebhaft gefochten worden. Das Los jeder so eroberten Stadt ist gewöhnlich die Plünderung. Hier aber ist nicht im geringsten geplündert, sondern die strengste Mannszucht gehalten worden. Wer erinnert sich hier nicht an Lübeck, das 1806 drei Tage lang von den Marschällen Soult und Murat allen Greueln der Verwüstung preisgegeben wurde! Auch damals schon zeigte sich der Sinn des Kronprinzen von Schweden als edler Mann, indem er bei seinem Corps die strengste Ordnung zu erhalten wußte. Man ziehe hier Parallele zwischen diesen »Barbaren des Nordens« und jenen »cultivirten Männern des Südens«! So auch nach der Schlacht bei Lützen, die wir unter unsern Augen liefern sahen: die »Barbaren« zogen sich in musterhafter Ordnung zurück und ihr Betragen war ebenfalls musterhaft. Wie sich aber die »Sieger« benahmen, darüber frage man an allen den Orten, wo ihr verheerender Zug sie hinführte.

Selbst die Wohnungen, die Napoleon bezog, waren nicht vor Plünderung sicher, wie wir in unserer Nähe ein empörendes Beispiel vernommen haben, worüber ich jetzt aufs neue die Bestätigung erhielt.

Meine Reise gestern von Rötha hierher war ohne die geringste Unannehmlichkeit und Störung, was beinahe unbegreiflich scheint, wenn man bedenkt, daß wir durch 100000 Mann Truppen fuhren, die in mehrern Colonnen und in unabsehbaren Zügen nach Pegau defilirten. Man hatte selbst die Gutmüthigkeit, uns, wo es sich thun ließ, Platz zu machen oder sogar innezuhalten, damit wir nur um so rascher fahren könnten. Keine Erkundigung nach Pässen fand statt. Man sah es uns wol an den Gesichtern an, daß wir wackere Deutsche seien, die es mit der großen Sache, für die sie Blut und Leben opfern, gut meinen. Wir brachten jeder Truppenart auch immer ein freundliches: »Vivat Franz, Alexander und Friedrich Wilhelm!« zu. Auch Sachsen begegneten uns; wir riefen ihnen zu: »Es leben die braven Sachsen!« Auf der ganzen Straße von Rötha bis Leipzig sieht man eine ungeheuere Verwüstung. Fast alle Dörfer sind ganz oder theilweise beinahe stets von den Franzosen abgebrannt, alle Gärten sind verwüstet, alle Landhäuser niedergerissen oder doch spoliirt; man sieht keine Hecke, alle noch stehenden Scheunen sind geleert, das Vieh ist weggeführt, und die Einwohner halten sich, von Allem entblößt, in den Wäldern auf; keine Spur mehr von alle dem, was in einer langen Reihe glücklicher Jahre in frühern Zeiten für Bequemlichkeit und Schönheit gebildet und geschaffen worden war.

Mit welchen Gefühlen muß Napoleon aus Sachsen geschieden sein, mit welchen muß er aus Aegypten, aus Rußland, aus Spanien, aus Schlesien, aus Preußen, aus Oesterreich geschieden sein! Sollte er nicht endlich einmal fühlen, daß Millionen Flüche ihn immer verfolgen und kein einziger Segensruf ihn je begleitet?

Eine Stunde von Rötha fängt das Schlachtfeld vom 16. October an; eine Stunde weiterhin das vom 18., dem Tage der eigentlichen Hermanns-Schlacht. Man sieht sowol auf dem Wege selbst als auf den nahe gelegenen Feldern unzählige todte menschliche Leichname und todte Pferde. Das Ganze erweckt die grausigsten Gefühle, die nur die Glorreichheit des Tages mildern kann.

 

In der Nähe von Leipzig mag es noch schlimmer aussehen. Die Dunkelheit des Abends verhinderte mich, dies genau zu erkennen. Es soll dies heute mein Geschäft sein.

Gestern sind die Kaiser Franz und Alexander, der König von Preußen und der Kronprinz hier gewesen und mit außerordentlichem Jubel empfangen worden. Am Abend sind sie wieder zurückgegangen. Alle besuchten sogleich, wie man mir sagte, was ich aber sehr bezweifle, bei ihrer Ankunft den König von Sachsen, bei dem Napoleon früh von 9 bis 10 Uhr gewesen war, der sich standhaft geweigert hatte, ihn auf seiner Flucht zu begleiten. Kaiser Franz begegnete uns mit dem Minister Metternich, den Generalen Meerfeld, Duka, Kutschera. Wir wurden freundlich von allen gegrüßt ...

Napoleon ist gegen 10 Uhr von hier weggeritten. Murat hat ihn begleitet. Man hat vom Markt her beobachten können, wie er sich mit der königlichen Familie unterhalten hat ...

Am Tage der ersten Schlacht hat man zuerst Siegesnachrichten verbreitet. Es sind Kuriere hereingesprengt gekommen, die auf allen Straßen ausgerufen haben: »Victoire! Vive l'Empereur!« Allein es hat dies nicht lange gedauert, weil im Augenblicke der Siegesverkündigung sowol die Oesterreicher vorrückten, als auch der Kronprinz von Schweden gar zu gewaltige Fortschritte machte und bis auf eine halbe Stunde von der Stadt kam. Alle französischen Colonnen wurden geworfen, und der Sieg der Alliirten lag den Tausenden der Zuschauer, die sich auf allen Thürmen und hohen Häusern befanden, gar zu deutlich vor Augen.

Der Anblick des sonst so freundlichen Leipzig und seiner herrlichen Umgebungen ist schauder- und ekelerregend. Viele der schönen Alleen sind ganz umgehauen, alle Promenaden, alle Gärten sind zerstört und verwüstet, die Landhäuser demolirt oder der Dächer und Fenster beraubt. Auf jedem Schritte in den äußern Straßen und nahen Feldern sieht man Leichname oder todte Pferde. Die Franzosen haben am 19. viele Tausende hier verloren.

Folgende Stelle eines spätern Briefs von Brockhaus, am 24. December desselben Jahres aus Altenburg an Villers in Göttingen gerichtet51, sei gleich hier angefügt:

O mein Gott, wer hätte es ahnen oder hoffen dürfen, daß man diese Wiedergeburt der Welt selbst noch erleben würde! Und wie erleben würde! Ich bin sehr glücklich darin gewesen und habe in den Tagen der Hermanns-Schlacht wahrhaft göttliche Tage gelebt, da Alles sich selbst unter meinen Augen ereignete und ich immer die von des Feindes Blute getränkten Felder nur wenige Minuten später betrat, als sein fliehender Fuß sie verlassen hatte. Ich war vom General en chef aller verbündeten Armeen mit dem Auftrag beehrt worden, ein periodisches Blatt herauszugeben, woraus unsere »Deutschen Blätter« entstanden, und so folgte ich nicht blos dem Hauptquartier, als es am 14. (15.) October von hier aufbrach, sondern war auch — »vif et étourdi, que je suis«, der Schlacht möglichst nahe und oft nicht geringen Gefahren ausgesetzt. Die Nächte vom 17. -18. und vom 18. -19. brachte ich mitten in den österreichischen Bivuaks zu, und am 19. war ich wenige Stunden nach der Einnahme von Leipzig schon in dieser Stadt! Doch von dem Allen darf ich nicht anfangen zu erzählen. Wo da das Ende finden?

Die Nummer der »Deutschen Blätter«, in der Brockhaus' Brief vom 20. October veröffentlicht wurde (Nr. 11 vom 21. October) war, wie es scheint, gleich in Leipzig gedruckt und ausgegeben worden, nicht in Altenburg, wie die frühern. Die Expedition des Blattes blieb von jetzt an in Leipzig, und zwar bei Brockhaus' Commissionär W. Engelmann (in der Ritterstraße), während der Druck abwechselnd hier und in Altenburg erfolgte; in späterer Zeit ließ Brockhaus alle Nummern, in denen irgendwie bedenkliche patriotische Artikel enthalten waren, in Altenburg drucken, weil dort die Censur viel milder als in Leipzig gehandhabt wurde.

Aus jener Verlegung des Drucks und der Expedition nach Leipzig erklärt es sich, daß die (in Altenburg gedruckten) Nummern 7-10 dieselben Daten: 21. -24. October, tragen wie die (in Leipzig gedruckten) Nummern 10-14. Nr. 7 vom 21. October enthält am Schlusse die erste vorläufige Nachricht von der wirklich erfolgten Entscheidung in folgender Fassung:

Altenburg, den 20. October 1813.

Leipzig ist infolge des vollständigsten und glänzendsten Sieges am 19. von den Alliirten besetzt worden. Die officiellen und ausführlichen Berichte von den Ereignissen der letzten Tage, welche das Schicksal der französischen Armee und die Befreiung Deutschlands entschieden haben, werden unverzüglich folgen.

Die erste Nachricht über den Beginn der Schlacht vom 16. October findet sich schon in Nr. 3 vom 17. October, freilich erst nur von einer »äußerst heftigen Kanonade« berichtend, die man den ganzen Tag über in Altenburg gehört habe. In Nr. 4 und 5 vom 18. und 19. October wurden dann die ersten kurzen Mittheilungen von Brockhaus aus Borna und einige andere vorläufige Notizen gebracht. Der erste officielle Bericht über die Schlacht ist in Nr. 12 vom 22. October enthalten, noch aus dem Hauptquartier Rötha, 19. October, datirt. Nr. 13 vom 23. October bringt einen weitern kurzen Armeebericht aus Leipzig vom 22., ein vorläufiges Bulletin des Kronprinzen von Schweden vom 20. und den Brief eines Augenzeugen (der aber Brockhaus nicht gewesen sein kann) über die Erstürmung von Leipzig; Nr. 14 vom 24. October enthält endlich den ersten ausführlichen officiellen Bericht über die Schlacht in dem »Dreiundzwanzigsten Armeebericht Sr. königl. Hoheit des Kronprinzen von Schweden«, datirt: »Hauptquartier Leipzig, den 21. October 1813«, und wahrscheinlich von August Wilhelm von Schlegel, damals Geh. Cabinetssecretär des Kronprinzen, verfaßt. Die betreffende Nummer der »Deutschen Blätter« wurde, wie in der vorhergehenden angezeigt wird, »im großen Fürsten-Collegio auf der Ritterstraße« ausgegeben, da die Expedition der »Deutschen Blätter« in der Engelmann'schen Buchhandlung Sonntags geschlossen sei.

In dem (in der folgenden Nummer mitgetheilten) Schlusse dieses officiellen Berichts heißt es unter anderm:

Die Resultate der Schlachten von Leipzig sind unermeßlich und entscheidend. Schon am 18. hatte der Kaiser Napoleon angefangen, seine Armee auf den Straßen nach Lützen und Weißenfels den Rückzug antreten zu lassen ... Die deutschen und polnischen Truppen verlassen seine Fahnen in Scharen, und Alles zeigt an, daß die Freiheit Deutschlands zu Leipzig erobert worden ist.

Man begreift nicht, wie ein Mann, der in dreißig förmlichen Schlachten befehligt und sich durch großen Kriegsruhm emporgeschwungen hat, indem er sich jenen aller ehemaligen französischen Generale zueignete, seine Armee in einer so ungünstigen Stellung hat zusammendrängen können, wie diejenige ist, wo er sich aufgestellt hatte. Die Elster und Pleiße im Rücken, eine morastige Gegend und blos eine einzige Brücke, um 100000 Mann und 3000 Bagagewagen darüberziehen zu lassen. Man fragt sich: ist dies der große Heerführer, vor dem bisjetzt ganz Europa zitterte?

Als Seitenstück und als Beweis, daß die Franzosen es zu allen Zeiten verstanden haben, ihre Niederlagen als Siege auszurufen, eine Kunst, in der Napoleon I. allerdings der anerkannte Meister war, seien auch einige Stellen aus dem in spätern Nummern der »Deutschen Blätter« (vom 8. und 9. November) veröffentlichten und mit Anmerkungen begleiteten amtlichen französischen Berichte über die Schlachten bei Leipzig mitgetheilt.

Nachdem schon die beiden Schlachten des 16. October, bei Wachau und Möckern, als Siege der Franzosen bezeichnet worden sind, heißt es über den 18. October:

5151 Das Original dieses Briefs wie mehrerer anderer von Brockhaus an Villers gerichteter Briefe, die wir später mittheilen, befindet sich unter dem früher (S. 91) erwähnten literarischen Nachlasse des Letztern auf der hamburger Stadtbibliothek; durch gütige Vermittelung des Syndikus Dr. Geffken wurde dem Verfasser Abschrift und Benutzung dieser Briefe gestattet.