Za darmo

Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

Tekst
Autor:
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

2.
Vier Monate in Leipzig

Noch während der Buchhändlermesse in Leipzig eingetroffen, gelang es Brockhaus im Verein mit Bornträger alle geschäftlichen Verhältnisse rasch in Ordnung zu bringen und dadurch das vielfach gegen ihn entstandene Mistrauen zu beseitigen. Näheres darüber vermögen wir nicht zu berichten, da unsere Hauptquelle für diesen Zeitabschnitt, die Correspondenz mit Bornträger, während ihres Zusammenseins aufhört und Brockhaus keinen andern Vertrauten für seine geschäftlichen Mittheilungen hatte.

Dagegen ist wenigstens ein von ihm unterzeichnetes Schriftstück aus dieser Zeit erhalten. Dasselbe trägt das Datum: Leipzig, 18. Mai 1810, und zeigt also, daß er, wie vorher erwähnt, an diesem Tage bereits in Leipzig anwesend war. Der Inhalt dieses Actenstücks ist in vieler Hinsicht interessant.

Die von uns schon mehrfach erwähnten Werke des Obersten von Massenbach, die Brockhaus verlegte, hatten in hohem Grade das Misfallen der preußischen Regierung erregt, besonders die »Memoiren zur Geschichte des preußischen Staats unter den Regierungen Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III.«, wovon 1809 die ersten drei Bände erschienen waren und lebhaften Absatz gefunden hatten. Es sollten noch drei weitere Bände folgen und der Verleger hatte dies bereits öffentlich angekündigt. Der vierte Band war auch bereits in der Druckerei von Mauke & Söhne in Jena bis auf die beiden letzten Bogen im Druck vollendet, als die herzoglich weimarische Regierung, wahrscheinlich auf Requisition der preußischen, die ganze Auflage in Jena mit Beschlag belegen ließ. Gleichzeitig kam der preußische Oberstlieutenant Gustav von Rauch nach Leipzig, um im Auftrage seiner Regierung den Verleger des Werks zur Verzichtleistung auf die fernere Veröffentlichung desselben zu bestimmen. Welche Gründe er dafür anführte, ist uns nicht bekannt, doch waren es jedenfalls solche, die keine Ablehnung zuließen, denn Brockhaus schloß mit ihm als dem Bevollmächtigen der preußischen Regierung einen diese Verzichtleistung aussprechenden Vertrag ab. Dieses ist das Actenstück vom 18. Mai 1810.

In dem Vertrage wurde zunächst ausgesprochen: Brockhaus bewillige, daß der zwischen ihm und dem Obersten von Massenbach über jenes Werk abgeschlossene Vertrag aufgehoben und der Verfasser seiner contractmäßigen Verpflichtung, dasselbe complet zu liefern, entbunden werde; ferner, daß der vierte Band nicht erscheine oder im Publikum ausgegeben werde, vielmehr, daß alle davon gedruckten Exemplare mit Einschluß der an Brockhaus gesandten (in Amsterdam befindlichen) sogenannten Aushängebogen, ohne Ausschluß eines einzigen, an Herrn von Rauch abgeliefert würden. Sodann gab Brockhaus sein Ehrenwort, daß er nie und in irgendeinem Falle den Versuch machen werde, diese Memoiren fortzusetzen, und daß er die ihm darüber gemachten oder noch zu machenden Anerbietungen gänzlich abweisen werde. Dagegen übernahm Herr von Rauch die Bezahlung der Druckrechnung für den vierten Band sowie die Regelung des Honorarverhältnisses zwischen Brockhaus und dem Obersten von Massenbach, da letzterer von ersterm bereits das gesammte Honorar auch für die letzten drei Bände (in drei Wechseln, jeder zu 500 Thlr.) erhalten hatte. Brockhaus glaubte außerdem, und gewiß mit vollem Rechte, wie es in dem Vertrage heißt, »daß für die Unterbrechung der Herausgabe dieses Werks gerade in der Periode, wo es für den Haufen des Publikums ein höheres Interesse erhalten mußte, daß ferner für die Nichtvollendung des Werks, worauf er ansehnliche Kosten verwandt hat, die sich noch nicht rentirt haben können, weil das Werk noch nicht vollständig war, ihm eine Entschädigung gebühre«. Die Höhe dieser Entschädigung hatte er »als Kaufmann und als Hausvater nach dem billigsten Maßstabe festgesetzt«, doch stellte er dieselbe auf Wunsch des Herrn von Rauch, »im Fall Se. Majestät von Preußen diese Entschädigungssumme unbillig finden sollten, unbedingt der allerhöchsten Entscheidung Sr. Majestät anheim, womit er in jedem Falle zufrieden zu sein hiermit förmlich erklärt und also seine ad 1, 2, 3 und 4 gegebenen Versprechen durchaus zu erfüllen bereit ist«. Nur die Berichtigung einer Summe von 500 Thlrn., die Massenbach von Brockhaus noch zu fordern hatte, versprach Herr von Rauch jedenfalls zu übernehmen.

Weiter wurde festgesetzt, es solle »zur Sicherung der mercantilischen Ehre des Herrn Brockhaus« in den öffentlichen Blättern eine Anzeige erlassen werden: »daß auf Intercession eines hohen Gouvernements die Verlagshandlung sich veranlaßt gefunden habe, die bereits im Werke begriffen gewesene Herausgabe des vierten Bandes der Massenbach'schen Memoiren zu unterdrücken, wie auch auf die Herausgabe des fünften und sechsten Bandes Verzicht zu thun«.

Freiwillig hatte Brockhaus Herrn von Rauch noch mitgetheilt, daß er eine Anzahl Originalbriefe des verstorbenen regierenden Herzogs von Braunschweig von dem Obersten von Massenbach erhalten habe, welche in vieler Hinsicht höchst interessant wären und besonders den preußischen Staat beträfen; er erklärte sich zur Auslieferung derselben bereit, wenn dies verlangt würde.

Schließlich verpflichtete sich Herr von Rauch, sobald als möglich, spätestens aber in Zeit von drei Wochen, über die mit Brockhaus gepflogenen Unterhandlungen bestimmte Auskunft zu ertheilen, während beide Theile sich verbindlich machten, »der Schicklichkeit und anderer verschiedener Rücksichten wegen« den Vertrag unter sich geheimzuhalten und solchen zu keiner weitern Kenntniß zu bringen.

Ein zweites Actenstück über diese Angelegenheit liegt uns nicht vor, auch keine briefliche Aeußerung, und wir wissen also nicht, ob die vom Oberstlieutenant von Rauch versprochene weitere »Auskunft« und die Genehmigung des Vertrags durch den König von Preußen erfolgte, doch ist beides wol nicht zu bezweifeln. Jedenfalls aber hat Brockhaus das von ihm in loyaler Weise gegebene Versprechen auf das gewissenhafteste gehalten. Selbst als ihm in späterer Zeit ein Exemplar des vierten Bandes, so weit er gedruckt worden, zum Kauf angeboten wurde, wies er diesen Antrag, seines Wortes eingedenk, zurück. In den vierziger Jahren wurde von Berlin aus an die Firma das Ansuchen gestellt, die an dem vierten Bande eines Exemplars fehlenden Bogen zu ergänzen, was zu thun sie natürlich außer Stande war. Das Werk ist somit ein Torso geblieben (die ersten drei Bände sind noch jetzt im Buchhandel, da ihre Vernichtung, die ohnedem kaum ausführbar gewesen wäre, von der preußischen Regierung gar nicht verlangt wurde), und es liegt hier der seltene Fall vor, daß es gelungen ist, die theilweise bereits gedruckte Fortsetzung eines Werks vollständig der Oeffentlichkeit zu entziehen. Höchstens dürfte sich ein Exemplar an unzugänglicher Stelle in Berlin befinden.

Wir lassen gleich hier einen mehrere Monate nach der Verhandlung mit Herrn von Rauch geschriebenen und mit derselben nicht zusammenhängenden Brief des preußischen Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg an Brockhaus folgen, weil er eine ähnliche Angelegenheit betrifft. Der auch für Hardenberg's Charakterisirung wichtige Brief, aus Berlin vom 15. October 1810 datirt, also kurz nach der am 6. Juni erfolgten Erhebung Hardenberg's zum Staatskanzler nach Stein's Rücktritt geschrieben, lautet:

Wohlgeborener, hochgeehrter Herr!

Durch ein anonymes Schreiben bin ich benachrichtigt worden, daß in einem unter der Presse befindlichen Buche ein Artikel mit Privat-Anekdoten über mich abzudrucken beabsichtigt werde, und daß ich, wenn ich solches verhindern wolle, mich an Ew. Wohlgeboren unter Couvert des Herrn Buchhändler Rein in Leipzig wenden müsse. Ich erkenne zwar die gute Absicht, welche dem anonymen Schreiben zu Grunde liegt, sehr dankbar; aber warum wählte der Herr Schreiber dieses Briefs die Anonymität? Ich liebe sie nicht. Was die Anekdoten anbetrifft, womit man das Publikum über mich unterhalten will, so wünsche ich, mehr um des Verfassers als um meinetwillen, daß sie ungedruckt bleiben mögen, weil das wenige Wahre, was ihnen zum Grunde liegt, dergestalt mit ganz falschen Umständen und irrigen Folgerungen durchwebt und dadurch entstellt ist, daß dadurch das Ganze nothwendig gleich in dem verdächtigsten Lichte erscheinen muß. Ich scheue die Publicität gar nicht. Der rechtliche Theil des Publikums unterscheidet bald das Wahre und Glaubwürdige von dem Falschen und absichtlich oder leichtsinnig Verdrehten und Ausstaffirten. Mein Bewußtsein genügt mir als Mensch; es muß mir als Staatsmann genügen, da ich mich als solcher nicht vertheidigen darf. Um desto unedler ist aber der Angriff auf ganz unrichtige oder halbwahre Thatsachen und auf Grundsätze, die man nicht kennen und würdigen kann. So habe ich ganz falsche Darstellungen meiner politischen Handlungen und Ansichten betrachtet und werde sie forthin so betrachten.

Hiernach überlasse ich es Ew. Wohlgeboren eigenem Gefühl, was Sie wegen Verhinderung des Drucks des gedachten Artikels oder dessen Einrückung in das erwähnte Buch veranlassen wollen, und beharre mit vollkommenster Hochachtung

Ew. Wohlgeboren ganz ergebenster
Hardenberg.

Das Buch, um welches es sich handelte, war jedenfalls die erst ein Jahr darauf, Ende 1811 (mit der Jahreszahl 1812), in Brockhaus' Verlage anonym und, wie es scheint, ohne Verlagsort oder unter der Firma »Peter Hammer in Köln« erschienene Schrift, die ihm auch andere Unannehmlichkeiten zuzog: »Handzeichnungen aus dem Kreise des höhern politischen und gesellschaftlichen Lebens. Zur Charakteristik der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts«, in welcher ein Abschnitt »Minister Hardenberg« enthalten ist. Weshalb Brockhaus den Wunsch des Staatskanzlers nicht erfüllte, ist uns nicht bekannt, da weder seine Antwort auf obigen Brief noch irgendeine weitere Notiz darüber vorliegt. Jedenfalls war es die erste Berührung, die Brockhaus mit dem lange Jahre allmächtigen Staatskanzler Preußens hatte, und wenn sich daran auch zunächst keine weitern Folgen knüpften, während er später mit demselben in für ihn sehr verhängnißvolle Conflicte gerieth, so ist in ihr doch vielleicht die erste Ursache zu letztern zu suchen.

 

Nachdem Brockhaus die mit der Ostermesse zusammenhängenden Arbeiten erledigt und seine Beziehungen mit den Buchhändlern, Buchdruckern und Schriftstellern in Leipzig und dessen Nähe geordnet hatte, ging er mit Eifer an die Regelung seines Geschäfts in Amsterdam. Es war ein eigenthümliches Verhältniß: er selbst nebst seinem vertrautesten Commis in Leipzig, mit der Absicht, hier zu bleiben und seine Verlagsunternehmungen von diesem dazu so viel geeignetern Mittelpunkte des deutschen Buchhandels aus zu leiten; sein eigentliches buchhändlerisches Geschäft, wenigstens der den Sortimentsbuchhandel betreffende Theil desselben, unter der Firma Kunst- und Industrie-Comptoir fortwährend noch in Amsterdam, unter der Leitung eines zweiten Gehülfen, Krieger, der durchaus nicht sein volles Vertrauen besaß. Er blieb zwar bei seinem Entschlusse, das amsterdamer Geschäft aufzulösen, und sah auch bald ein, daß es für ihn am besten sei, den Sortimentsbuchhandel ganz aufzugeben und nur das Verlagsgeschäft ganz nach Leipzig zu verlegen. Aber mit welchen Schwierigkeiten war das verbunden, mit welchen unvermeidlichen Verlusten! Er selbst mochte nicht wieder nach Amsterdam zurückkehren, das ihm seit dem Tode seiner Frau und nach seiner letzten Krankheit ganz verleidet worden war und wo ihm außerdem wegen des Hiltrop'schen Processes und der früher von uns kurz erwähnten Geldgeschäfte mit zwei französischen Emigranten persönliche Unannehmlichkeiten drohten. Es blieb kein anderer Ausweg übrig: Bornträger mußte sich entschließen, wieder nach Amsterdam zu gehen, um dort zu retten, was noch zu retten war, die ausstehenden Forderungen einzutreiben und das Sortimentsgeschäft bestmöglich zu verkaufen.

Aber auch dies hatte seine besondern Schwierigkeiten. Bornträger erkannte in dem Antrage, den ihm Brockhaus machte, einen großen Beweis von Vertrauen seitens seines Principals, die beste Anerkennung seiner bisherigen Leistungen. Die Annahme schloß aber, ganz abgesehen von der großen Verantwortlichkeit, eine persönliche Gefahr für ihn ein. Unter seinem wirklichen Namen Bornträger in Amsterdam vielfach gekannt, sollte er nun unter dem von ihm angenommenen Namen Friedrich Schmidt dort auftreten, mit denselben Leuten in Berührung kommen, die sich seiner aus der Zeit seines frühern dortigen Aufenthalts noch erinnern mußten, und selbst die Vermittelung der Behörden in Anspruch nehmen. Wie leicht konnte er von den Franzosen denuncirt werden und der ihm dann drohenden harten Strafe als conscrit réfractaire verfallen. Doch jugendlicher Muth sowie Anhänglichkeit an seinen Principal, dem er sich vielfach zu Dank verpflichtet fühlte und dessen verstorbener Frau er als seiner mütterlichen Freundin das treueste Andenken bewahrte, bewogen ihn, jenem Wunsche nachzugeben. Er verließ Leipzig und langte am 15. August glücklich in Amsterdam an.

Schon am 7. August schreibt Brockhaus wieder an ihn, wenn auch, wie er sagt, der Brief wol früher als der Empfänger in Amsterdam sein werde. Er verspricht ihm, mit nächster Post eine provisorische Cessionsacte zu schicken, wahrscheinlich damit Bornträger formell als Eigenthümer des Geschäfts erscheine, und wünscht ihm Muth und Kraft.

Am 11. August schreibt er:

Es bedarf wol keiner Erinnerung von mir, daß da, wo sich Gelegenheit findet, von meinen hiesigen jetzigen und künftigen Verhältnissen, wenn auch gewiß nicht ruhmredig, doch mit einer gewissen assurance und Bedeutung muß gesprochen werden.

Am folgenden Tage bittet er ihn, in Amsterdam Niemand zu sagen, daß er in Leipzig sei, sondern etwa, er wohne in Weimar oder Dresden. Damit stimmt überein, wenn er ihn kurze Zeit darauf veranlaßt, in die amsterdamer Blätter folgende Anzeige zu setzen:

Die jetzigen Zeitumstände und meine bekanntlich veränderten häuslichen Verhältnisse bewegen mich, vor der Hand nicht persönlich nach Amsterdam zurückzukehren. Indem ich meinen Freunden und Bekannten hiervon Nachricht gebe, ersuche ich Diejenigen, welche noch etwa Forderungen an mich haben möchten, solche Herrn N. N. aufzugeben, durch welchen sie, wenn solche richtig, auch baldigst ihre Bezahlung erhalten werden.

Weimar.

Friedrich Arnold Brockhaus.

Als Bevollmächtigter soll ein amsterdamer Advocat, den Bornträger unter mehrern ihm vorgeschlagenen auszuwählen hat, genannt werden; gleichzeitig soll Bornträger an alle Correspondenten des Geschäfts, damit diese und das Publikum nicht glauben, als ob das Geschäft ganz aufhören werde, ein Circular etwa folgenden Inhalts richten:

Amsterdam, ...

Herr Brockhaus, der seither unser hiesiges Sortimentsgeschäft dirigirt hat, wird sich in Zukunft unserm Verlagsgeschäfte in Deutschland widmen. Um Misverständnissen hierüber vorzubeugen, zeigen wir hiermit an, daß hierdurch nicht die geringste Veränderung in unserm hiesigen Geschäfte entstehen, sondern dasselbe mit der nämlichen Thätigkeit wie seithero unter der Direction von dem Mitunterzeichneten, Friedrich Bornträger genannt Schmidt, wird fortgesetzt werden.

Friedrich Bornträger genannt

Schmidt wird unterzeichnen: Kunst- und Industrie-Comptoir.

Kunst- und Industrie-Comptoir.

Friedrich Schmidt.

Auffallend ist in diesen Veröffentlichungen, daß Bornträger's früher so streng gehütete Pseudonymität auf einmal aufgegeben wird, und ferner, daß Brockhaus Weimar statt Leipzig als seinen Aufenthaltsort angibt. Letzteres hatte wol darin seinen Grund, daß er sich vor persönlichen Behelligungen infolge der vorher erwähnten Processe schützen wollte. Uebrigens war er auch noch nicht fest entschlossen, in Leipzig zu bleiben; er schwankte zwischen mehrern Orten und schreibt in dieser Zeit einmal an Bornträger: er wolle nächstens nach Berlin reisen, und es sei auch gar nicht unwahrscheinlich, daß er sich vielleicht dort ganz fixiren werde.

Brockhaus war seit Bornträger's Abreise aus Leipzig unablässig bemüht, Klarheit in seine Verhältnisse zu bringen und vor allem über den Stand des amsterdamer Geschäfts klar zu werden. Bornträger widmete sich zwar der ihm übertragenen schweren Aufgabe mit vollem Eifer, vermochte sie aber doch nicht vollständig zu lösen. Die ihm von Brockhaus übersandte Cessionsurkunde trug er Bedenken zu unterzeichnen, obwol ihm sein Principal wiederholt versicherte, daß dies ungefährlich sei und Niemand dadurch benachtheiligt werde. Auch war der bisherige zweite Gehülfe in Amsterdam, Krieger, von Bornträger bald nach seiner Rückkehr in Brockhaus' Auftrage entlassen worden, da er seit des Letztern Abreise von Amsterdam die dortigen Geschäfte durchaus nicht zu dessen Zufriedenheit besorgt hatte, und Bornträger mochte Mühe haben, allein fertig zu werden.

Unter diesen Umständen verwickelten sich die Verhältnisse immer mehr, statt sich zu klären, und es entsprangen daraus auch für Brockhaus persönliche Unannehmlichkeiten der gefährlichsten Art. Er hatte an die Gleditsch'sche Buchhandlung in Leipzig einen auf sein amsterdamer Haus ausgestellten Wechsel gegeben, der noch vor Bornträger's Ankunft in Amsterdam präsentirt und von dem zweiten Gehülfen Krieger zurückgewiesen wurde, obwol die Deckung dafür von Brockhaus eingesandt worden war. Daraus entstanden die ärgerlichsten Verhandlungen, die schließlich Brockhaus veranlaßten, am 17. September Leipzig zu verlassen und sich nach Altenburg zu wenden.

So wurde nicht Leipzig, wie er gehofft hatte, sondern Altenburg der Rettungshafen, in dem er Schutz suchte vor den auf ihn anstürmenden Wogen, die sein kühn aufgebautes und mit Beharrlichkeit gegen mancherlei Stürme glücklich vertheidigtes Lebensschiff plötzlich, als er schon ganz nahe am Ziele zu sein glaubte, völlig zu Grunde zu richten drohten. Und hier endlich, wo er mit kurzen Unterbrechungen die Zeit vom September 1810 bis Ostern 1817 zubrachte, sollte er, wenn auch nicht die ersehnte Ruhe, die ihm überhaupt eigentlich nie im Leben beschieden war, doch den festen Grund finden, auf dem er das Gebäude seines Geschäfts endlich dauerhaft begründen konnte.

Zunächst freilich schlugen die Wogen fast über ihm zusammen, und diese Zeit, wol die allertrübste seines schweren Lebens, haben wir noch vor der Schilderung seiner Niederlassung in Altenburg vorzuführen. Sie knüpft sich an den Namen einer Frau, die in verhängnißvoller Weise in sein Leben eingriff.

3.
Beziehungen zur Hofräthin Spazier

Als Brockhaus am 18. September 1810 Altenburg zum ersten male betrat, geschah dies in Begleitung einer Freundin, an die er sich seit dem Tode seiner Frau mehr und mehr angeschlossen, die während der letzten vier Monate in Leipzig seine treue Beratherin gewesen war und ihn auch in der Stunde der Gefahr nicht verließ. Es war dies die Hofräthin Spazier, die bald seine erklärte Braut werden sollte.

Minna Spazier, mit ihrem vollen Vornamen Johanne Karoline Wilhelmine und nach ihrem zweiten Manne gewöhnlich Uthe-Spazier genannt, von der wir bisher meist nur als Herausgeberin des Taschenbuchs »Urania« zu sprechen hatten, lebte seit dem Tode ihres Mannes, des am 19. Januar 1805 in Leipzig verstorbenen Hofraths Dr. Karl Spazier, Herausgebers der »Zeitung für die elegante Welt«, zuerst in Neustrelitz, dann wieder in Leipzig. Sie war die zweite Tochter des Geh. Tribunalraths Mayer in Berlin und daselbst am 10. Mai 1779 (oder 1777) geboren. Ihre ältere Schwester, Karoline, war an Jean Paul Friedrich Richter in Baireuth verheirathet, die jüngere, Ernestine, die aber schon 1805 starb, an den Hofrath August Mahlmann in Leipzig, der nach dem Tode seines Schwagers Spazier die »Zeitung für die elegante Welt«, später (1810-18) zugleich die »Leipziger Zeitung« redigirte und sich auch als Dichter einen Namen gemacht hat. Mit ihren beiden Schwägern stand sie in guten Beziehungen, und wurde von ihnen auch in ihrer literarischen Thätigkeit unterstützt. Sie war Mitarbeiterin an verschiedenen Zeitschriften, gab seit 1801 das »Taschenbuch der Liebe und Freundschaft« heraus, redigirte die ersten beiden Jahrgänge (1810 und 1812) des von Brockhaus begründeten Taschenbuchs »Urania«, übersetzte die von Frau von Staël französisch herausgegebenen »Briefe, Charaktere und Gedanken des Prinzen Carl von Ligne« (Leipzig 1812) und die »Briefe der Lespinasse« (2 Bände, Elberfeld 1810), die von Jean Paul günstig recensirt wurden, und gab später auch eine Sammlung von Erzählungen unter dem Titel: »Sinngrün, eine Folge romantischer Erzählungen, mit Theilnahme Jean Paul Richter's und einiger deutscher Frauen Unterstützung« (Berlin 1819) heraus. In Leipzig bewegte sie sich in den literarischen Kreisen und war namentlich mit dem als Uebersetzer bekannten Adolf Wagner (dem Onkel Richard Wagner's) und dem Dichter August Apel befreundet.

Auch mit Varnhagen von Ense und dessen Gattin Rahel war sie näher bekannt. Ersterer39 schildert sie (1807) als »eine schriftstellernde, lebhafte, liebenswürdige, nicht gleichgültig lassende Frau« und fügt hinzu:

Sie bekannte mir ihre ganze Lage, wie ihr Witwenstand sie dazu dränge, sich irgendwo wieder anzuschließen, wie sie einige Bande leichter Neigung festzuhalten gesucht, aber noch unentschieden zwischen mehrern schwanke, die einstweilen gleicherweise von ihr begünstigt wurden; auch ich sollte diese Begünstigung erfahren und an solchem Band oder Bändchen mich gehalten fühlen, allein ich war durch so viele scharfe Geschichten abgehärtet genug, um diesmal ohne Zagen die noch schwachen Fäden gleich wieder abzureißen, obgleich mehr gebunden war und zerrissen wurde, als ich damals ahndete und nachher glauben wollte.

 

Außer durch reichen Geist und Liebenswürdigkeit war sie auch durch hervorragende Schönheit ausgezeichnet.

Brockhaus hatte sie schon im Herbste 1808, als er Leipzig zum ersten male als Buchhändler besuchte, kennen gelernt und, wie es scheint, schon damals mit ihr wegen Herausgabe der »Urania« verhandelt. In einem von ihm an Bornträger in Leipzig gerichteten Briefe aus Amsterdam vom 27. Februar 1809 finden wir sie zum ersten male erwähnt. Während der Ostermesse 1809 verkehrte er viel mit ihr in Leipzig wegen der »Urania«. Als Bornträger im Spätherbst 1809 wieder nach Leipzig reist, schickt Brockhaus wichtige Geschäftsbriefe statt an seinen bisherigen dortigen Commissionär Weigel an seine »Freundin«, die Hofräthin Spazier, und weist Bornträger an, die Briefe bei ihr in Empfang zu nehmen. Der betreffende Brief an Bornträger ist am 30. November 1809, also kurz vor dem (am 8. December) erfolgten Tode seiner Frau geschrieben, und bald nach diesem, in den früher von uns erwähnten Briefen vom 19. und 23. December, nennt er sie seine »wahre Freundin«, der Bornträger ganz vertrauen könne, und fordert ihn auf, in Leipzig zunächst Niemand als sie zu besuchen.

Bornträger scheint ihr indeß doch nicht so vollständig wie Brockhaus vertraut und diesen selbst vor ihr gewarnt zu haben, namentlich wol unter Hinweisung auf ihren, auch von Varnhagen erwähnten vertrauten Verkehr mit Andern. Darauf bezieht sich folgende Antwort von Brockhaus in einem Briefe vom 21. Januar 1810:

Ich habe noch ein Wort im Vertrauen mit Ihnen zu sprechen über mein Verhältniß zur Hofräthin. Es kann Ihnen nicht entgangen sein, daß dies Verhältniß sehr innig sein müsse. Dies ist es. Ich glaube an ihr eine treue und edle Freundin zu haben im ganzen Umfange des Worts. Ich bin von Weibern und Männern in der Welt oft getäuscht worden, ich glaube nicht, daß sie mich täuschen wird. Ich weiß es, daß ihr, wie fast Jedem widerfährt, der sich von der Landstraße des Gemeinen entfernt, vom geschwätzigen Publikum vieles Ueble nachgesagt wird oder ist nachgesagt worden, und ich glaube selbst, daß Manches davon nicht ungegründet sein mag. Mich kümmert das aber nicht. Ich werfe darum keinen Stein auf sie, sondern frage nur: ist sie dir als treue und biedere Freundin getreu? Ist und bleibt sie das, so kümmert mich nichts weiter.

Ihre Sorge, guter Bornträger, sei nur, dieses zu beobachten. Finden Sie dies nach Ihrem unbefangenen Sinne bestätigt, so vertrauen Sie ihr, wie ich ihr vertraut habe und noch vertraue. Finden Sie es aber nur nach Ihrer Ansicht anders, so überlasse ich Ihnen, wie Sie handeln wollen, und mache Ihnen nur das zur Pflicht, mich nicht eher von Ihren Gegenideen zu unterhalten, bis Sie eine wenigstens relative Art von Gewißheit über diese Ansichten möchten erworben haben.

Noch füge ich hinzu, daß mein Verhältniß zur Hofräthin in Zukunft nie einen andern Charakter erhalten kann, als den es jetzt hat.

Nach diesem Briefe dachte Brockhaus damals gewiß noch nicht daran, Frau Spazier zu heirathen. Noch deutlicher geht dies aus einem folgenden Briefe vom 16. März hervor, in dem es heißt: Er beabsichtige in Leipzig wieder eine kleine Haushaltung anzufangen und zwei seiner (eben in Dortmund untergebrachten) Kinder abwechselnd um sich zu haben, wozu er eine Haushälterin suche, die gebildet genug sei, auch das häusliche Leben etwas erheitern zu können; heirathen werde er nicht wieder, aus Gemüths- und aus Verstandesgründen.

In einem der nächsten Briefe freut er sich, Bornträger melden zu können, daß die Hofräthin auch ihn, der mit ihr so viel zu verkehren hatte, liebgewonnen habe. Freilich findet sich auch einmal ein Zeichen von Mistrauen gegen sie, indem er unterm 1. Mai 1810 schreibt:

Die Entschuldigung der Hofräthin gegen Varnhagen war nicht edel, und nur eigene drückende Verlegenheit kann sie dafür entschuldigen in etwas. Ich vertraue auf die Hofräthin viel, ob zu viel, wird die Zeit würdigen.

Seit seiner bald nach diesem Briefe in den ersten Tagen des Mai erfolgten Ankunft in Leipzig trat er allerdings in ein näheres Verhältniß zu ihr; aus dieser Zeit, bis zu der Anfang August erfolgten Abreise Bornträger's nach Amsterdam, fehlt indeß jede intimere Correspondenz, die darüber Aufschluß geben könnte. Jedenfalls war er bald darauf fest entschlossen, sie zu heirathen. Schon in dem ersten an Bornträger nach Amsterdam gerichteten Briefe vom 7. August heißt es: »Minna und ich werden Ihnen ewig danken, wenn Sie dort mit Mannessinn handeln«; am 11. August schreibt er: »Sobald wir hier einigermaßen rangirt sind, reisen wir bestimmt nach Berlin« (wo ihr Vater wohnte), und trägt Bornträger auf, aus den Musikvorräthen des amsterdamer Sortimentsgeschäfts zu schicken »was für Minna's Studien paßt«, besonders Guitarrenmusik; am 25. August endlich sagt er: »Von Berlin haben wir von Minna's Vater sehr angenehme Nachrichten jetzt, und wir wünschten nun bald hinreisen zu können.«

Bornträger machte den Versuch, ihn von der Heirath, der er von Anfang an entgegen war, abzuhalten, und wählte dazu ein Mittel, das er bei dem ihm wohlbekannten edeln Charakter seines Principals für das wirksamste halten mochte.

Er schrieb ihm in einem Briefe (dessen Concept uns jedoch nur vorliegt):

Nun noch eine Bitte, die nicht mich betrifft, die ich aber auf die Gefahr, Sie zu erzürnen, wage, die Sie aber lesen müssen.

Niemand kann den Werth der Frau, die Sie an Ihr Leben und Ihr Schicksal fesseln wollen, besser erkennen als Sie, und Niemand kann den Stand Ihrer eigenen Geschäfte wieder besser kennen als Sie. Seien Sie einmal ehrlich gegen sich selbst und thun Sie nicht eher einen Schritt, von dem das Glück eben dieser Frau ganz abhängt, als bis Sie sicher sind, daß Ihnen Beiden kein Unglück mehr droht. Sie wissen, wie Vieles noch unentschieden ist. Sie wissen, wie viel auf dem Spiele steht. Warten Sie den Erfolg erst ab, ehe Sie handeln — wie edel und wie uneigennützig die Frau denkt, wissen Sie; sollte sie es wol verdienen, dieses Alles büßen zu müssen?

Brockhaus antwortete auf diese wohlgemeinte und verständige Warnung zwar nicht erzürnt, aber doch ausweichend unterm 28. August:

In dem, was Sie mir über Minna sagen, erkenne ich Ihr gefühlvolles theilnehmendes Freundesgemüth. Ich danke Ihnen dafür. Ich vertraue und glaube, Alles wird wohl werden. Nur Muth, Thätigkeit und festes Wollen, moralisch gut zu handeln! Ich und Minna vertrauen für dort auf Sie. Vertrauen Sie auf uns!

Am 1. September meldet er: »Minna ist diese Woche recht krank gewesen, seit heute aber wieder wohler«, und einige Tage darauf fügt er hinzu: »Mit unserer Heirath eilt es und eilen wir nicht.«

So standen die Sachen, als sich Brockhaus am 17. September 1810 entschloß, Leipzig zu verlassen und nach Altenburg überzusiedeln. Wir knüpfen hier den früher unterbrochenen Faden der Erzählung seiner nächsten Lebensschicksale wieder an.

Brockhaus schreibt an Bornträger noch an jenem Tage aus Leipzig in einer Nachschrift zu einem längern Briefe:

Unsere Schicksalsstunde hat geschlagen ... Wir reisen diese Nacht ab. Nach Altenburg. Gott erhalte uns und die edle Minna, die wie eine Römerin jetzt begeistert ihr Schicksal zu dem meinigen machen will. Nur als meine Gattin kann Minna mein Schicksal theilen. Wir werden thun, was denkbar ist, aber das Schicksal ist schwer.

In Altenburg kannte Brockhaus den Kammerverwalter Ludwig (mit dem er 1808 in Leipzig zusammengetroffen war), den Buchhändler Dr. Pierer und den Kriegsrath von Cölln, der jetzt hier lebte und den er erst kurz vorher in Leipzig persönlich kennen gelernt hatte, obwol er an dem Verlage seiner »Vertrauten Briefe über den preußischen Hof« mit betheiligt war. Er schreibt über ihn:

Dieser ist ein tüchtiger Mensch und voller liaisons und Ideen. Auf seine Verlagsanerbietungen sind wir nicht entrirt und sind darum um so freier. Er hat sich aber sonst sehr an uns attachirt, und seine genaue Freundschaft mit Schnorr40 ist uns auch Bürge mit, daß er ein in sich rechtlicher Mensch ist.

Mit diesen Männern, die ihn sehr freundlich aufnahmen, und mit dem Hofgerichtsadvocaten Ferdinand Hempel, den ihm Pierer zuführte und der bald sein vertrautester Freund und Rathgeber wurde, besprach Brockhaus seine Lage, und ihrem Rathe folgend entschloß er sich zu dem verzweifelten, aber den Umständen nach gerechtfertigten und praktischen Ausweg: sein Geschäft an seine zukünftige Braut zu verkaufen. Er glaubte sich dann mit seinen Creditoren leichter arrangiren zu können, ohne befürchten zu müssen, durch sofortiges Einschreiten einzelner derselben der Möglichkeit, alle zu befriedigen, beraubt zu werden. Der Kaufvertrag wurde am 5. resp. 6. October abgeschlossen, Kammerverwalter Ludwig zum Curator der neuen Besitzerin, Hempel zu Brockhaus' Vertreter ernannt. Die Betheiligten reisten nach Leipzig, um die Uebergabe des Geschäfts an die neue Besitzerin zu vollziehen, zuerst Ludwig mit Frau Spazier, am nächsten Tage Hempel, einen Tag später Brockhaus selbst. Die Uebergabe ging ohne besondere Schwierigkeiten von statten.

3939 Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, elfter Abschnitt (dritte Auflage, Th. 2, S. 38 fg., Leipzig 1871).
4040 Veit Hans Schnorr von Karolsfeld, der damals in Leipzig lebte und mit Brockhaus wie mit der Hofräthin Spazier befreundet war, der Vater von Julius Schnorr von Karolsfeld, seit 1816 Director der leipziger Zeichenakademie, als welcher er 1841 starb.