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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Herr Richter ist ein höchst rechtlicher und wackerer Mann, auch ein Freund von Literatur u. s. w., und es hängt unendlich viel davon ab, sich mit ihm wieder zu einigen. Ich werde auch alles Mögliche thun, um dies zu bewerkstelligen, und verzweifle ich keineswegs an dem Erfolg davon, da ich die innere Ueberzeugung habe, sein Zutrauen wie das Zutrauen jedes rechtlichen Mannes vollkommen zu verdienen.

Besuchen Sie ihn in einer ruhigen Stunde in seinem Hause, sprechen Sie mit Besonnenheit und Zuversicht. Deuten Sie auf die Stockungen und Verwirrungen, ohne irgend Jemanden anzuklagen. Versichern Sie ihn meiner unbegrenzten Ergebenheit und meines besten Willens, auch meiner vollkommenen Kräfte. Sagen Sie etwas von dem verhängnißvollen Schicksal, das jetzt auf mir ruht und mich zerschmettert hat. Seien Sie in Allem wahr und ernst und bieder. Sprechen Sie zu meinem Besten, aber mit Bescheidenheit.

Die Antworten Richter's auf obige Briefe sind nicht erhalten, aber jedenfalls lautete auch die auf den zweiten befriedigend, da Brockhaus unmittelbar darauf wie auch später geschäftlich und freundschaftlich mit ihm verkehrte.

Der Aufenthalt in Dortmund währte länger, als Brockhaus erwartete, ungefähr einen Monat, bis Anfang Februar 1810. Die Ausgleichung alter verwickelter Familienverhältnisse nahm viel Zeit in Anspruch, und außerdem verfaßte er hier die Appellation gegen das erste Urtel im Hiltrop'schen Processe, obwol sie vom 28. Februar dieses Jahres aus Amsterdam datirt ist.

Noch in Dortmund erhielt er die ersten günstigern Berichte von Bornträger aus Leipzig. Er antwortet ihm am 21. Januar:

Es freut mich, daß Sie durch ein männliches, ruhiges und gesetztes Betragen schon Manches ins Gleiche gebracht haben. Es wird sich alles Weitere geben, wenn nur einmal alle Verhältnisse zwischen dort und Amsterdam ganz ineinander greifen, die Bücher in Ordnung sind und wir uns so bemühen können, unsere ausstehenden Gelder beizutreiben, als man uns, wenn wir schuldig sind, damit auf der Haut sitzt.

Ob ich gleich in diesem Jahre gewiß noch viel zu kämpfen haben werde, so ist von der andern Seite in diesem Jahre auch viel zu hoffen. Es kommt hinzu, daß, so unglücklich ich auch als Mensch durch den unersetzlichen Verlust meiner guten Sophie geworden bin, ich durch die neuen Verhältnisse, worein ich dadurch getreten, von den beinahe unerschwinglichen Kosten, womit mein Etat in Amsterdam verknüpft wurde, befreit worden bin. Ich werde allerdings in meinen Verlagsunternehmungen mich um so mehr auch einschränken können, da ich gegenwärtig nur wenig bedarf und es meine feste Absicht ist, für die Zukunft mir ein ruhigeres Leben zu erringen.

Sie, guter Bornträger, gehören mit in meinen künftigen Lebensplan. Entwickeln Sie die guten Anlagen, die zum Theil nur noch als Keime in Ihnen liegen. Zerstören Sie das Feindselige, was gegen das Gute in Ihnen kämpft, und gewöhnen Sie sich insbesondere an Manches, was besonders in diesem Fache allein den guten Geschäftsmann im Praktischen macht: an Besonnenheit, Ruhe und die pünktlichste Ordnung in den Arbeiten. Krieger ist in diesen drei Punkten wirklich ein Ideal. Auch ist er es in Rücksicht der Thätigkeit, da er keine Arbeitszeit oder Stunde kennt, sondern nur fragt: was ist noch zu thun?

Weiter spricht er darüber, wie er sich seine künftige Einrichtung in Leipzig denke; seine Ansprüche waren sehr bescheiden:

Ein Gewölbe wie jetzt bedürfen wir nicht. Es ist unbequem, feucht, fatal zum Arbeiten; es ist unmöglich, darin ein ordentliches Comptoir zu halten; es ist dazu theuer. Wir bedürfen nur eines geräumigen Zimmers in einer ersten Etage, das man heizen kann allenfalls und welches man mit Regalen versehen läßt. Es muß darin Raum genug sein, um 20 Exemplare von jedem Verlagsartikel zur Hand zu haben, und sonst Platz, um eingehende Artikel ordnen und packen und weggehende einpacken zu können. In diesem Zimmer könnte allenfalls ein Pult gestellt werden, woran zwei Personen ordentlich arbeiten können, wenn es groß genug wäre, daß man Briefrepositorien, Platz für Bücher u. s. w. auf eine ordentliche Weise daran mit anbringen könnte. Besser wäre es aber noch, wenn ein kleines Comptoir als Nebenzimmer dabei wäre.

Außerdem wünschte ich, daß Sie und ich unmittelbar dabei schliefen und wohnten, da dies die Leichtigkeit im Arbeiten so sehr befördert; womöglich also zwei Schlafzimmer für mich und Sie, und außerdem ein Wohn- oder Besuchzimmer. Also zusammen fünf Piècen, von denen zwei was man in Leipzig Kammern nennt wol sein könnten.

Die Frage und Aufgabe wäre also: sollte dazu Gelegenheit zu finden sein und wo? Mir wäre es gleichgültig, ob es in oder außer Leipzig (etwa in Reichel's Garten) sei. Ich fühle die kleinen Inconvenienzen, die entstehen, wenn es außer der Stadt wäre, aber gewonnen würde auch wol wieder durch größere Annehmlichkeit, wahrscheinlich größere Wohlfeilheit; auch könnten manche Inconvenienzen durch Gegeneinrichtungen gehoben werden.

Meine Absicht ist durchaus nicht, ein Haus in Leipzig zu machen. Sie wissen, wie einfach und prunklos ich bin, und wie mich alles das anekelt, was auf Ostentation hinausläuft. Nur eine angenehme Existenz möchte ich mir sichern. Ich werde nicht, was man nennt, in Leipzig immer wohnen. Ich werde viel da sein; aber auch hier bei meinen Kindern, Geschwistern und Jugendfreunden werde ich zu Zeiten sein. Ich muß auch in Amsterdam ein paar Monate zubringen.

Die Abreise von Amsterdam, wohin Brockhaus gegen Mitte Februar zurückgekehrt war, mußte er von Woche zu Woche verschieben und konnte sie erst Mitte Mai ausführen.

Zunächst wurde er durch eine Untersuchung in Anspruch genommen, welche über das Manuscript zu Reichardt's »Vertrauten Briefen auf einer Reise nach Wien« eingeleitet worden war. Schon in Dortmund hatte er die erste Nachricht darüber erhalten und auch deshalb seinen dortigen Aufenthalt verlängert. In dem Briefe vom 21. Januar schreibt er an Bornträger:

Auch habe ich noch einen geheimen Grund, hier zu bleiben. Das Rdt'sche Manuscript über Wien ist von der Censur in Braunschweig nicht zurückgegeben, sondern an das Justizministerium nach Kassel geschickt worden. Ich möchte also auch gern hier abwarten, ob das kasseler Ministerium nach Amsterdam Requisition erlassen wird, den Verfasser zu erforschen, dessen Handschrift indessen in Kassel hinreichend bekannt sein wird. Es möchte doch sehr gut sein, wenn Sie auf irgendeine Weise R. davon prävenirten und Maßregeln beredeten, da ich ihm nicht zu schreiben wage und Vieweg es auch gewiß nicht gethan hat; auch daß er das weitere Manuscript zurückhielte. Ich überlasse es Ihrer Klugheit, da Sie so nahe sind, was Sie darin thun wollen. Für mich kann natürlich nichts Unangenehmes entstehen, da ich es der Censur übergeben, nur die ersten Bogen gesehen, darin selbst Vieles gestrichen und unbedingt verlangt habe, daß nichts gegen Napoleon dürfe gesagt werden. Nur möchte ich den Verfasser auch nicht verrathen.

Am 28. Januar schreibt er nochmals und ausführlicher darüber: Von Amsterdam habe ihm sein Gehülfe Krieger gemeldet, daß man nach ihm geschickt habe, und er könne nun nicht eher nach Amsterdam zurück, bis das beseitigt sei. Bornträger solle deshalb lieber selbst nach Halle zu Reichardt gehen, wenn dieser nicht etwa schon arretirt sei. Er könne schließlich der Gewalt nicht widerstehen, ihn nennen zu müssen, wenn er dazu irgendwo vom Gouvernement angehalten werde. Vielleicht auch sei Reichardt von Halle weggegangen, doch werde Bornträger von dessen Töchtern den Aufenthaltsort wol erfahren. Treffe er ihn, so solle er ihn veranlassen, seine Papiere und Notizen zu retten. Uebrigens möge er doch auch gleich über den beabsichtigten zweiten Theil mit ihm sprechen und ihn auffordern, was er ihm auch schon selbst geschrieben habe, »mehr Geist und Salz hineinzulegen«.

Inzwischen müssen die Nachrichten von Amsterdam doch beruhigender gelautet haben, denn Brockhaus reist dahin zurück und schreibt um 16. Februar von dort an Bornträger:

Wegen Rdt's »Wien« bin ich ganz unangefochten und wahrscheinlich ist das ganze Wesen hier Cabale von N. N. und ähnlichen Schuften gewesen, um mich von hier zu vertreiben. Der westfälische Gesandte weiß von nichts, der Polizeiminister weiß von nichts, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten weiß ebenso wenig von etwas. Und der Hoofdofficier (Oberoffizier), dem ich geschrieben habe, daß ich hier sei, hat mir antworten lassen, er habe mir nichts zu sagen. Dagegen bin ich fortdauernd in anonymen Briefen gewarnt und ist mir gerathen worden, von hier wegzugehen oder nicht zurückzukommen!

Indessen hatte er zu früh gefrohlockt und ebenso war auch sein daran geknüpfter Verdacht unbegründet gewesen. Denn schon am 24. Februar schreibt er an Bornträger:

Heute bin ich doch noch von der geheimen Polizei wegen »Wien« verhört, aber sehr human behandelt worden. Den Namen des Verfassers, den man wissen wollte, habe ich nicht genannt, sondern erklärt: »daß ich dem Verfasser mein Ehrenwort gegeben habe, ihn nicht zu nennen, also auf eine bloße Anfrage des westfälischen Gouvernements dies mein Wort nicht brechen könne und nicht anders mich desselben entschlagen urtheilen könnte als durch einen ausdrücklichen Befehl meines Königs; daß aber, da in casu Verfasser wie Verleger den gesetzmäßigen Weg gegangen, indem sie dem Gouvernement ihre Gedanken — das Manuscript — mitgetheilt und angefragt hätten, ob solche dürften bekannt gemacht werden, der Name des Verfassers hier eine sehr fremdartige Sache sei, die das Gouvernement nicht weiter interessiren könne; wenigstens glaube ich für meine Person nicht, darin dem Gouvernement als rechtlicher Mann an die Hand gehen zu dürfen«. Man ist hiermit einstweilen zufrieden gewesen, und hat man nun das Nähere zu erwarten. Ich denke aber, die Sache wird nun wol todt bluten.

 

Damit scheint die Untersuchung allerdings erledigt gewesen zu sein; sie wird in den fernern Briefen nicht weiter erwähnt, und Reichardt's Buch erschien auch noch in demselben Jahre. Als ein Scherz ist es wol nur anzusehen, wenn Brockhaus in einem Briefe erwähnt, daß er daran gedacht habe, in höchster Noth den kurz vorher (1809) verstorbenen Freiherrn von Groß in Weimar, von dem er auch ein Werk verlegt hatte, als Verfasser anzugeben!

Bornträger hatte sich übrigens entschlossen, der größern Sicherheit wegen zu Fuße von Leipzig nach Halle und Giebichenstein zu gehen, um Reichardt von der Sachlage zu benachrichtigen. Brockhaus trägt ihm auf, bei dieser Gelegenheit Reichardt zu einem neuen Buche aufzufordern. Er schreibt:

Ich möchte ihm den Vorschlag thun, ein Buch zu schreiben wie die vortrefflichen Briefe von Risbeck seiner Zeit waren: »Briefe eines reisenden Franzosen«38, Reichardt wäre ganz der Mann dazu. Man könnte es betiteln: »Kreuz- und Querzüge eines reisenden Franzosen« oder »eines reisenden Deutschen«. Theilen Sie Reichardt auch diese Idee mit, die ich ihm jetzt nicht direct schreiben mag. Ich möchte es erstaunlich gern, daß er darauf entrirte, da er vollkommen dafür berechnet ist. Ein solches Buch, mit sagacité geschrieben, würde erstaunlichen Debit haben.

Diese Anregung hat jedenfalls Reichardt zu seinen Ende 1811 bei Brockhaus (unter der bekannten fingirten Firma »Köln bei Peter Hammer«) anonym erschienenen »Briefen eines reisenden Nordländers. Geschrieben in den Jahren 1807 bis 1809« veranlaßt und zeigt wieder, daß Brockhaus sich nicht darauf beschränkte, ihm angebotene Manuscripte zu verlegen, sondern daß er auch Schriftstellern eigene Ideen zur Ausführung neuer Werke mittheilte. So rührt die Idee zu dem »Handbuch der deutschen Literatur« von Ersch ebenfalls von Brockhaus her; er schreibt darüber einmal an Bornträger: »Sie ist aus meiner Seele allein hervorgegangen.«

Ein in dieser Zeit geschriebener Brief zeigt, daß Brockhaus auch mit dem damals in Leipzig wohnenden Dichter Johann Gottfried Seume, den er wahrscheinlich persönlich dort kennen gelernt, in Beziehungen stand, und dieser ihm einen Verlagsantrag gemacht hatte. Er trägt Bornträger auf, Seume zu sagen, daß er eine Copie seines Manuscripts nach England geschickt habe; »es sei zu gefährlich, es in Holland zu drucken; erzählen Sie ihm den Umstand jetzt mit 'Wien'; ich würde ihm sein Original zu Ostern selbst zurückbringen oder auf Verlangen gleich einschicken.« Seume starb indeß bald darauf (13. Juni 1810); jenes Manuscript war vermuthlich Seume's Selbstbiographie, die nach seinem Tode von Clodius herausgegeben wurde (Leipzig 1813).

Brockhaus sah bald ein, daß er Amsterdam doch noch nicht gleich verlassen könne, besonders weil er das Geschäft seinem neuen Gehülfen Krieger nicht allein anvertrauen mochte. Während er diesen früher gegen Bornträger sehr gelobt, schreibt er letzterm jetzt am 6. März: Krieger sei »zu weiter nichts gut als aus einem vollen Sacke Geld zu nehmen und damit zu zahlen und es sich sonst sehr gut sein zu lassen«! Er fährt fort:

Ich opfere also lieber mich auf als mein Geschäft, und ich werde nach der Ostermesse (aus Leipzig) gleich zurückkehren, dagegen im Sommer eine Reise nach Paris machen. Sie, der Sie alle Verhältnisse kennen, werden dies gut finden. Darum aber gebe ich meinen Plan für die Zukunft nicht auf. Nur dies Jahr geht es noch nicht, und in diesem Jahre muß sich Vieles entwickeln. Ich hoffe, Alles ziemlich gut! Die Messe kann nicht schlecht werden, da durch die Verbindung Oesterreichs mit Frankreich die Ruhe des Continents vorläufig sehr gewinnt und namentlich Oesterreich einer bessern Epoche dadurch entgegengeht. Oesterreich wird kaufen und zahlen, und von keiner Seite her wird man Ursache haben, nicht zur Messe zu kommen. Sehr gut ist es auch, daß die Messe so spät eintritt, weil selbst die Russen u. s. w. jetzt gut eintreffen können.

Die beabsichtigte Reise nach Paris sollte sechs Wochen dauern und besonders wegen der Verlagswerke von Sprengel, Rudolphi, Villers, Fauriel und Massenbach unternommen werden; sie unterblieb aber, ebenso wie ein von ihm für den Herbst, »um einen Monat meinen Kindern zu leben«, gehoffter wiederholter Aufenthalt in Dortmund.

Gegenüber den vermehrten Ausgaben in Leipzig und in der Absicht, sein amsterdamer Geschäft früher oder später aufzulösen, war er unablässig bemüht, seine Außenstände in Holland einzuziehen. Er machte zu diesem Zweck im März und April mehrere Reisen nach Utrecht, Rotterdam und Harderwijk, Schiedam, Delft und dem Haag, leider aber meist mit geringem Erfolge. Die Geldkrisis und die politischen Verhältnisse wirkten lähmend auf Handel und Verkehr, und die Buchhändler wie die Privatkunden vertrösteten ihn mit Versprechungen, während er selbst von Schriftstellern und Buchdruckern in Deutschland gedrängt wurde. Bei der Rückkehr von einem solchen Ausflug schreibt er einmal:

Auf dieser Reise ist es mir unsaglich schlecht mit dem Einkassiren gegangen: circa 2400 Fl. ausstehen, und ich habe kaum 200 Fl. Kassa und circa 250 Fl. Papier mitgebracht. Entweder verreist oder nicht bei Kasse! Das heißt Einen rasend machen!

Er sah jetzt oft recht trüb in die Zukunft, ohne indeß den Muth zu verlieren. So schreibt er am 6. März an Bornträger:

Beruhigen Sie sich insbesondere wegen meiner äußern Lage. Ich bin dies Jahr weniger gedrückt wie vorig Jahr und vor zwei Jahren, ob ich gleich so unendlich schwere Ausgaben gehabt und dadurch so Vieles anticipirt habe ... Demohnerachtet weiß ich vollkommen, daß es mir noch sauer werden wird, aber ich sehe doch Durchkommen und habe mehr Muth wie je, besonders da Sie jetzt dort sind.

Und am 3. April schreibt er:

Ich werde alle meine Kräfte aufbieten, um Sieger zu bleiben. Vieles ist verloren. Aber nicht Alles. Durch Besonnenheit und Muth wird sich Vieles, vielleicht Alles retten lassen.

Aber nicht nur den Muth verlor er nicht, sondern bewahrte sich selbst den Humor, wie folgende Anekdote über einen spaßhaften Handel mit einem amsterdamer Antiquar oder vielmehr mit dessen Frau beweist. Er schreibt an Bornträger unterm 16. März:

Ich habe heut einen Handel gemacht, der Ihnen possirlich vorkommen wird. Gestern gehe ich, wie ich aus dem Wappen von Bern, wo ich oft esse, nach dem Museum gehen will, um die Zeitungen des Tages zu lesen, dem Bücher-Antiquar Ros in Rooseboomsteeg vorbei und bleibe wie gewöhnlich vor seinen ausgestellten Büchern stehen, um die Titel zu beschauen. Ich finde zufällig einen alten Jahrgang des historischen Calenders, der bei Haude herauskam, über Amerika, der jetzt selten ist. Ich möchte den gern haben, denke ich, er wird wol für ein Dübbelchen zu erstehen sein, und gehe hinein. »Wieviel für dat boekje (das Büchelchen)?«, frage ich. — »Vier Sestehalven.« — »Wie, vier Sestehalven? Ist sie klug?«, sage ich zu der Frau, »voor zoo een oud ding, dat al voor 20 jaar verschenen is?« (für so ein altes Ding, das schon vor 20 Jahren erschienen ist?) — Ja, unter 3 Shillings gebe sie es nicht. — Kurz, wollte ich wohl oder übel, nachdem ich wie ein Grasmäher gefeilscht hatte, einmal aus der Boutique schon weggegangen war, und der Versuch, zurückgerufen zu werden, ohne Erfolg war gemacht worden: ich mußte 15 Stüber geben. »Aber«, sage ich, wie das Geld bezahlt war, »meine liebe Frau, ich habe die 15 Stüber für dat boekje gegeben, weil es eine Seltenheit ist. Das weiß Sie nun aber nicht. Anders wäre es mir nichts werth gewesen. Wie kann Sie ein solches Ding so hartnäckig auf einem solchen Preis halten?« — Ja, sagte sie, diese »boekjens met platen« (Büchlein mit Illustrationen), die könnte sie sehr gut verkaufen, und die fänden immer ihre Liebhaber. — Hm, denke ich, dann könntest du ja den Ueberschuß der »Urania« trefflich gebrauchen, welcher deinem Auge sonst doch Verdruß genug sein wird. Ich theile ihr die Idee mit, worauf sie gleich entrirt. »Aber ich habe viel«, sage ich. — »Ja, das macht nichts, en als de Heer ook een paar honderd heeft« (wenn der Herr auch ein paar hundert hat). — Ich bin wie aus den Wolken gefallen. Wo bleibt das Weib damit? Ich renne wie besessen nach Hause, hole ein hübsches in Maroquin, bringe das zur Probe und werde nun Verkäufer statt Käufer. Enfin, einen Shilling bot sie mir noch am Abend, und diesen Morgen haben wir es zu 8 Stüber hinaufgetrieben, wozu ich ihr unsern traurigen Vorrath von 223 Stück — leider sind die 160 Ex., die nach Ostfriesland gegangen sind, alle angekommen und gleich als Makulatur bei Seite gelegt worden — gegen gleich comptante Zahlung von ca. 90 Gulden.

Ich habe mich halb krank über die négociation gelacht, die wir aber unter uns halten müssen, weil, wenn es die deutschen Buchhändler erführen, daß man alte abgelebte Almanache beinahe für einen halben Gulden loswerden könne, bald alle Landstraßen damit bedeckt sein und der Handel de fond à comble verdorben sein würde. Ein Triumph meiner Phantasie würde es sein, wenn ich der Frau auch noch den leipziger Ueberschuß, der eine ganz andere Masse bilden wird, aufhängen könnte. Ich habe darauf angespielt; sie meinte aber, daß an 223 sie einstweilen (!) doch genug habe. Ich denke es auch und fürchte: für immer. Aber es ist wahr: in Amsterdam ist doch auch Alles zu verkaufen! Indessen bin ich noch mit ihr im Handel über unsern hiesigen Rest von ... (folgen einige Titel älterer Verlagswerke), worüber ich bis Dienstag Rapport haben soll. Einzelne Exemplare kauft das Weib nicht; sie macht Alles im Großen, en bloc. Original!

Infolge der geistigen Aufregung und Ueberanstrengung in dieser ganzen Zeit, wozu noch die häufigen rasch zurückgelegten Reisen kamen, wurde Brockhaus bald darauf ernstlich unwohl. Schon am 24. März sagt er, daß er sich seit kurzem gar nicht wohl fühle, keine Eßlust habe und beständig ein kleines Fieber mit sich herumschleppe. Eine Folge dieses Uebelbefindens und seiner Erregung ist es wol, wenn er weiter schreibt, er habe in Erwartung eines Berichts von Bornträger mehrere Tage nicht schlafen können, und in Bezug auf einige unberechtigte Forderungen von Schriftstellern hinzufügt:

Ich bin keineswegs geneigt, diesen Leuten einen Schritt zu weichen. Göschen zeigte mir einmal ein dickes Convolut Papiere: »Dieses enthält Documente zur Schande der Menschheit«, sagte er; »es sind die Verhandlungen mit unsern berühmten Autoren.«

Lange wehrte er sich gegen die Krankheit, ohne sich zu schonen; so fuhr er einmal in einer Nacht nach Leyden und kehrte in der nächsten Nacht nach Amsterdam zurück, um schon einige Tage darauf in ähnlicher Weise nach Rotterdam und zurück zu reisen. Endlich aber mußte er sich doch darein ergeben, seine Thätigkeit zu unterbrechen und sich zu pflegen. Die Krankheit stellte sich als Gelenkrheumatismus und Gicht heraus. Sechs Wochen lang, bis Anfang Mai, wurde er davon geplagt, und mußte also so lange die Abreise nach Leipzig verschieben, obwol seine Anwesenheit dort besonders während der Messe so nothwendig war. Während dieser Zeit erhielt er auch aus Dortmund die Trauerkunde vom Tode seines jüngsten, noch nicht ganz drei Jahre alten Sohnes Max, des Pathen Baggesen's.

Am 10. April schreibt er an Bornträger:

Ich habe von meinem Rheumatism einen solchen fürchterlichen Rückfall bekommen, daß ich seit Sonnabend, wo ich Ihnen schrieb, nicht aus dem Hause gewesen bin und fast immer das Bett gehütet habe. Auch diese Zeilen schreibe ich Ihnen aus dem Bette, und habe ich in diesen Tagen nicht anders als durch Dictiren arbeiten können. Ich habe sehr heftige Schmerzen in den Muskeln des Halses und des Kreuzes, sodaß ich leider weder gut liegen noch irgendeine ruhige Stellung annehmen kann. Es ist mir erstaunlich fatal, wie Sie denken können. Indessen hoffe ich doch, daß durch Ruhe und Wärme sich Alles bald geben wird ... Mich fatiguirt das Schreiben außerordentlich und ich schließe daher in Eile.

 

Wenige Tage darauf, am 14. April, klagt er:

Ich bin noch immer sehr krank, und wenn auch auf der Besserung, so geht's doch langsam. Mein Rheumatismus hat einen heftigen Charakter, der sich gar nicht fügsam beugen will. Indessen schreibe ich Ihnen doch wieder außer dem Bette. Die Stube darf ich aber noch nicht verlassen. Und morgen über vier Wochen soll ich schon in Leipzig sein! Wie mich dies ergreift! Und doch muß und soll es möglich werden! Nur Hygiea verlasse mich nicht, oder komme vielmehr, deine stärkende Hand über mich zu erheben!

In einem Briefe vom 21. April heißt es:

Ich habe Ihnen Dienstag nicht geschrieben, weil ich Ihnen dann hätte melden müssen, daß ich aller Berechnung nach nicht zur Messe kommen könne. Ich war an diesem Tage von meiner vert... Gicht in Nacken, Rücken und Fußgelenken so gelähmt und so gepeinigt, daß ich mich nicht rühren konnte. Es scheint aber das Maximum gewesen zu sein, und ich gehe seit vorgestern an einem Stocke im Zimmer herum. Ich hoffe nur jetzt, daß ich werde kommen können! Ich hoffe es und ich glaube es! Schon wollte ich Ihnen alle Bücher schicken und Sie wie mein Geschäft Gott anbefehlen.

Ich habe hier übrigens Mühe mich durchzuwinden, wie Sie denken können, besonders da ich krank bin; indessen guter Muth und Hoffnung, die menschliche, verläßt mich nicht.

Daß Sie auf sechs gute Groschen reducirt waren, hat mir ein wenig Spaß gemacht, denn bei allem Ungemach und Sorgen verläßt mich mein guter Humor nicht ganz. Vor der Messe unmittelbar ist die Auslieferung immer schlecht. Lassen Sie sich darüber keine grauen Haare wachsen!

Im nächsten Briefe, vom 24. April, schreibt er:

Seit Sonnabend bin ich mit meinem Uebel nichts gefördert. Es ist um gar nichts besser geworden, und ich habe die beiden Ostertage recht traurig zugebracht und die Nächte unter vielen und heftigen Schmerzen, da es des Nachts immer schlimmer ist als am Tage. Aller Gichtstoff hat sich jetzt auf den linken Fuß geworfen, der dadurch sehr angeschwollen, sodaß die Haut außerordentlich gespannt ist ... Da ich indessen, diesen Punkt ausgenommen, vollkommen gesund bin und vielleicht jetzt der höchste Punkt des Uebels erreicht ist, so bleiben meine Aerzte dabei, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach an meiner Reise nicht werde gehindert werden. Ich begreife es selbst, daß zwei bis drei Tage mir hinreichende Genesung geben können, aber Sie können denken, wie angstvoll ich bin. Der Himmel wird mich nicht ganz verlassen!

Die gehoffte Besserung trat endlich ein und die Ausführung der Reise nach Leipzig wurde fest beschlossen. Er schreibt an Bornträger unterm 28. April:

Erst seit gestern Morgen darf ich jetzt wahre Hoffnung haben, die Reise nach Leipzig noch machen zu können. Erst seit gestern ist wahre Besserung da! Erst seit gestern Abend kann ich mich im Zimmer herumbewegen. Noch ist aber nur der Anfang der Besserung da. Es muß kein Rück-, kein Incidenzfall eintreten. Alles muß vortrefflich gehen, wenn es möglich werden soll, daß die Reise geschehe. Wie sehr ich aber auf diese Begünstigung der Glücksgöttin vertraue, sage Ihnen der Umstand, daß ich am Mittwoch unter den heftigsten Zufällen, die ich aber zu verschmerzen noch die Kraft hatte, mit Jemandem Abrede wegen der Zusammenreise nahm und diese beschlossen wurde; wir stehen jetzt selbst noch in Unterhandlung über den Kauf eines Reisewagens, dessen ich besonders sehr bedurfte für diesmal. Auf jeden Fall riskire ich freilich bei dieser Reise mein Leben oder den Verlust meiner Gesundheit für immer. Aber gibt es hierin eine Wahl? Kann ich hier bleiben, darf ich es, wenn nicht die gebieterischste Nothwendigkeit mich ans Krankenbette fesselt? Mein Körper ist sehr schwach. Meine Nerven sind in einem unglaublichen Grade gespannt und angegriffen; mein furchtbarer Seelenzustand ist die Ursache meiner Krankheit; diese fängt eben an, der sorglichsten Behandlung und aller Kunst meiner Aerzte zu weichen, und schon im ersten Genesen soll ich diesen zerrütteten schwachen Körper allen Beschwerlichkeiten und Gefahren einer solchen Reise aussetzen, wo ich auf schlechten Wegen, in rauher, kalter Witterung, und selbst des Nachts in der für mich unangenehmsten Lage des Körpers in elenden offenen Wagen (wenn wir den Reisewagen nicht kaufen) eine Reise von 150 Meilen machen soll! Indessen Pflicht und Ehre rufen mich, und ich werde nicht wanken, wenn nur die Elemente der Kraft dazu da sind.

In den beiden letzten Briefen, die Brockhaus vor seiner Abreise von Amsterdam am 1. und 5. Mai an Bornträger schreibt, spricht er die zuversichtliche Hoffnung aus, daß seine Anwesenheit in Leipzig alles Geschäftliche in Ordnung bringen werde. Er sagt:

Wie Alles werden, sich ordnen und lösen solle, weiß ich nicht, und um es zu wissen, müßte ich ein Halbgott sein ... Ich werde der Gefahr ruhig unter die Augen treten und von der Gegenwart etwas Erträgliches erkämpfen, für die Zukunft Besseres bereiten ... Ich habe hierüber wie über hundert andere Dinge sehr Vieles mit Ihnen zu sprechen. Besonders von der jetzt möglichen ganz neuen Einrichtung unsers Geschäfts habe ich Ihnen sehr wichtige Ideen mitzutheilen. Auf Sie, lieber Bornträger, vertraue ich Alles, und nur durch Ihre Mitwirkung können diese Ideen ausgeführt werden. Ich glaube indessen gewiß zu sein, daß bei ihrer Befolgung wir in ein paar Jahren sehr glücklich leben werden und keine der Sorgen mehr kennen, die uns Beiden jetzt das Leben verbittern. Mündlich von dem Allen ... Dies ist eine jener Maßregeln mit: Oekonomie ist die Basis des Mehrsten. Und die Unmöglichkeit, mich mit Oekonomie einrichten zu können, das Unermeßliche, was meine Haushaltung verschlang, der Kampf zwischen Gewohnheiten und nothwendigen Annehmungen, die fierté meines persönlichen Charakters, der alle die Wege nicht paßten, die im jetzigen Berufe liegen — dies war es, was mich gedrückt und zurückgebracht, mich ausgesogen hat. Aber noch ist für Alles Rettung, denke ich. Ich habe mit Ruhe auf meinem jetzigen Schmerzenslager einen neuen Geschäfts — und Lebensplan entworfen, in den Sie, lieber Bornträger, aber als ein nothwendiges Glied eingreifen. Sonst Niemand!

Auf den 10. Mai setzt er nun seine Abreise von Amsterdam fest. Freilich fügt er hinzu: er werde wol abreisen können, aber ob er bis nach Leipzig komme, wisse der Himmel; er sei am Genesen, aber noch keineswegs wirklich genesen.

Indessen scheint er glücklich und ohne neue Erkrankung in Leipzig angelangt zu sein, da sich kein weiterer Brief aus Amsterdam vorfindet, wohl aber ein von ihm schon am 18. Mai in Leipzig unterzeichnetes Actenstück.

Ueber seinen Abschied von Amsterdam, das er nur noch einmal nach Jahresfrist auf kurze Zeit wiedersah, und über die Reise, auf der er wahrscheinlich Dortmund berührte, um seine Kinder wiederzusehen, ist uns nichts bekannt.

3838 Ein 1783 in Zürich erschienenes, angeblich aus dem Französischen übersetztes Werk »Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland«, von Kaspar Risbeck.