Die Sphinx des digitalen Zeitalters

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Die Universalmaschine unserer Zeit

Auf diese Weise hat sich im Computer zum Schein eine Intelligenz materialisiert, die in den Jahrhunderten zuvor noch zur gedanklichen Klärung von Naturphänomenen verwendet wurde, jetzt aber jeglichen Bezug zur Sinneswirklichkeit abgestreift hat. Es sind rein formale, maschinell ausgeführte logische Strukturen, mit denen eingegebene Daten in ungeheurer Geschwindigkeit bearbeitet werden. Mit der radikalen Ablösung vom menschlichen Denken und seiner Wahrnehmungswelt wurde die einst von der Sphinx geforderte Abstraktion ins Extrem getrieben. Man mag das bedauern oder sogar erschreckend finden, muss aber gleichwohl zur Kenntnis nehmen, dass genau darin die Stärke der Digitaltechnik liegt: Ihre Prozesse sind nicht mehr auf mathematische Aufgaben beschränkt oder an die Sinneswirklichkeit gebunden, sondern stehen zur Verfügung für Daten jeglicher Art. (Technische Einzelheiten dazu in einem späteren Kapitel.) Der Computer ist zur Universalmaschine unserer Zeit geworden, mit der «prinzipiell jedes Problem des Alltags, das sich auf kausale Abfolgen und algorithmisierbare Zusammenhänge reduzieren lässt, durch Schaltungen darstellbar ist».6

Technikbegeisterte Forscher veranlasste das zu der Erwartung, schlechterdings alles in der Welt müsse «computerisierbar» sein; Grenzen könnten sich höchstens aus mangelnder Leistungsstärke der Rechner ergeben, und da sei es lediglich eine Frage der Zeit, bis sie überwunden sind. Tatsächlich gelang es der Technik in einem bis heute anhaltenden Wettlauf, die Spitzenleistungen der Computer in immer gewaltigere Dimensionen hochzuschrauben.

Möglich wurden die rasanten Fortschritte durch die Tatsache, dass die auf Mikrochips aufgetragenen elektronischen Schaltungen im Laufe der technischen Entwicklung immer kleiner und kleiner wurden. Dadurch konnten einerseits Supercomputer mit gigantischen Rechenleistungen für wissenschaftliche Forschung in vertretbaren räumlichen Ausmaßen gebaut werden. Vor allem aber ermöglichte die fortschreitende Miniaturisierung die Massenproduktion der Personal Computer (PC), der Laptops, der Tablets und der Smartphones, von denen heute alle Welt Gebrauch macht.

Seitdem der Markt auf diesem Gebiet nahezu gesättigt ist, sieht sich die Industrie gegenwärtig nach neuen Anwendungen der Digitaltechnik um und richtet ihren Blick dabei vor allem auf den weiteren Ausbau des Internets, damit die sogenannte smarte Technologie zum Zuge kommen kann. Sie produziert elektronische Automaten aller Art, wie z.B. Ampelsteuerungen, die im Verbund mit benachbarten Ampeln und Messstationen die Ampelphasen ohne menschliches Zutun flexibel der aktuellen Situation anpassen. Auf einem zweiten Gebiet, dem Smart Home, soll alles mit allem vernetzt, automatisiert und von außen steuerbar werden: Beleuchtung und Heizung, Herd und Waschmaschine, Jalousien und Blumenbewässerung, Energiespareinrichtungen und die Überwachung der Vorräte im Kühlschrank.

Für zahlreiche öffentliche und private Bereiche sind solche Dinge geplant oder schon im Gange – mit dem erklärten Ziel, nach und nach jedes algorithmisch fassbare Geschehen zuhause und in unserer Umwelt «intelligent» zu steuern, also nicht durch menschliche Aktivität, sondern durch die (vermeintliche) Intelligenz von Maschinen. Es zeichnet sich ab, dass wir bald auf Schritt und Tritt von solcher Technik umgeben sein werden, die mit immer höheren Funkfrequenzen bis in den letzten Winkel unseres Privatlebens dringt. Schon ist geplant, Zehntausende kleine Satelliten in den Orbit zu schießen, um das digitale Netz lückenlos über die ganze Erde auszubreiten7 und die Maschen immer enger zu ziehen. Ob wir es wollen oder nicht, wir gehen der Technik «ins Netz».

Eine Leere, die nicht leer bleibt

Was bedeutet diese Entwicklung für uns Menschen? Können und sollen wir tatenlos zusehen, wie die Allgegenwart digitaler Technik unser Leben verändert? Wird sie wirklich nur zu unserem Nutzen sein, wie die Verfechter beteuern, oder bezahlen wir den Nutzen schleichend mit dem Verlust eigener Fähigkeiten und Freiheiten? Erliegen wir der Illusion, die digitale Revolution werde uns weder gesundheitlich noch psychisch noch geistig unberührt lassen? In den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte hat sich immer wieder gezeigt, dass eine neu eingeführte Technik nicht nur die Welt veränderte, sondern stets auch die Menschen selbst in ihrem Denken, Fühlen und Handeln.

Das wird jetzt nicht anders sein. Die Frage ist nur: Welcher Art werden dieses Mal die Veränderungen sein? Gehen wir womöglich einem menschheitlichen Massenexperiment mit ungewissem Ausgang entgegen?

Um zu einer realistischen Einschätzung zu kommen, scheint es mir notwendig, auf eine wenig beachtete Tatsache zu blicken, die zu den Fundamenten der Digitaltechnik gehört. Der binäre Rechner arbeitet mit einer «Intelligenz», die gar keine ist, sondern ein inhaltsleerer Maschinenprozess, der zwar logische Denkstrukturen imitiert, aber nicht die geringste Verbindung hat zu der Lebenswirklichkeit, aus der die Daten stammen. Weder hat er sie zu den Objekten, die er abbildet, noch zu den Menschen, die sich in der Welt betätigen. Zu jedem Gemälde gehört ein Maler, zu jedem Buch ein Autor, zu jedem Musikstück ein Komponist, zu jeder Aufführung ein Interpret, und auch zum Aufsetzen des Computerprogramms gehört ein Mensch mit individuellen Zügen und persönlicher Prägung. Nichts von alledem findet Eingang in die Abfolge der Bits und Bytes. Daher ist es berechtigt zu sagen: Die Abläufe des digitalen Rechners sind im wörtlichen Sinne «ent-menschlicht».

Das ist nicht als moralischer Vorwurf zu verstehen, sondern als ein feststehendes Faktum von großer Tragweite. Denn aus der absoluten Leere gegenüber Welt und Mensch resultiert, wie ausgeführt, die universelle Einsetzbarkeit des Computers, resultiert aber auch die häufig vorgetragene Behauptung, die digitalen Medien seien weder gut noch schlecht, sondern ein ganz neutrales Instrument wie jedes andere technische Gerät; man müsse nur vernünftig mit ihnen umgehen. Mit dieser These wird bewusst oder unbewusst ein gravierender Trugschluss verbreitet, denn die Wirklichkeit zeigt ein anderes Bild:

Vergleichbar einem physikalischen Vakuum übt auch die perfekte menschliche Leere des Rechners einen gewaltigen Sog aus. Sie kann zwar als Plattform für sinnvolle und nützliche Anwendungen dienen; doch weil sie völlig ohne den Menschen agiert, saugt sie in erschreckendem Umfang auch unmenschliche Neigungen an: Sie wird immer häufiger genutzt, um unerkannt Machtgelüste auszuleben, krassesten Egoismus und niederste Instinkte zu befriedigen. Man kann gefahrlos Betrug, Manipulationen und sogar kriminelle Handlungen organisieren, weil sich die Herkunft solcher Angriffe im Internet technisch verschleiern lässt, sodass die Täter anonym bleiben. Von einem «vernünftigen Umgang» kann da keine Rede sein; vielmehr meldet sich das Pferd von Troja zurück. Spezialisten setzen aus dem Hinterhalt sogar sogenannte Bots ein, automatische Computerprogramme, die im weltweiten Netz massenhaft bestimmte Aufgaben selbstständig und vor allem unbemerkt durchführen. Der Entleerung von allem Menschlichen ist also nicht nur technisch, sondern auch moralisch Tür und Tor geöffnet.

Die Neigung der Intelligenz zum Bösen

Auf rätselhafte Weise ist in der Digitaltechnik das Gute engstens verknüpft mit dem Schlechten, obwohl das niemand beabsichtigt hat. Wie konnte es dazu kommen?

Wir stoßen hier auf ein menschheitsgeschichtliches Phänomen, das Rudolf Steiner schon 1919 zum Thema eines Vortrages gemacht hat.8 In der Kulturepoche, die der griechisch-römischen vorausgegangen ist, so schildert er, war Intelligenz etwas ganz anderes als das, was wir heute darunter verstehen. Wenn Ägypter oder Chaldäer9 «dachten, wenn sie ihre Intelligenz in Fluss brachten, dann lebte in dieser Intelligenz ihr Zusammenhang mit dem Kosmos». Die Verwandtschaft «der eigenen Wesenheit mit dem ganzen Kosmos» war der bestimmende Inhalt ihres Denkens. In der griechischen Epoche ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. wusste man noch von diesem Zusammenhang, doch richtete sich der Blick von jetzt an vor allem auf das eigene Wesen und seinen Zusammenhang mit allem Irdischen, Vergänglichen. Der Grieche «begriff alles dasjenige von der irdischen Welt durch diese Intelligenz, was dem Tode unterliegt».

Zu der nach dem Ende des Mittelalters beginnenden Neuzeit bemerkt Steiner:

«Heute sind wir noch sehr stark in einer solchen Entwickelung der Intelligenz darinnen, wie sie die Griechen hatten. Wir begreifen durch unsere Intelligenz dasjenige, was dem Tode unterliegt. Aber auch diese Art von Intelligenz, die das Tote begreift, verwandelt sich. Und in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird diese Intelligenz etwas anderes, etwas weit weit anderes werden. Sie hat heute schon eine gewisse Anlage, unsere Intelligenz. Wir werden als Menschheit einlaufen in eine Entwickelung der Intelligenz so, dass die Intelligenz wird die Neigung haben, nur das Falsche, den Irrtum, die Täuschung zu begreifen, und auszudenken nur das Böse.»

Blicken wir vor diesem Hintergrund auf unsere gegenwärtige Situation, dann scheint es, dass wir dem Bösewerden der Intelligenz in den letzten hundert Jahren seit Steiners Äußerung schon ein Stück näher gekommen sind. Die täglichen Nachrichten sind heute voll von Berichten über übelste Machenschaften mithilfe des Internets. Die geronnene, tote «Intelligenz» des Computers wird zum Instrument, um böse Absichten zu verwirklichen, Betrug, Lügen und Verleumdungen in die Welt zu setzen, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu verwischen und auf diese Weise nicht nur materiellen Schaden anzurichten, sondern auch seelische und geistige Verwüstungen zu schaffen, die zu heilen gewaltige und lang anhaltende Bemühungen erfordern würden.

 

Dennoch – es wäre nicht in Steiners Sinne, seine Aussagen als Glaubenssätze zu behandeln. Sie sind als Hinweise zu verstehen, die anhand der Wirklichkeit geprüft werden sollten. Dazu bieten die folgenden Kapitel Gelegenheit.

2. Schöne neue Welt der Medien

Die angedeutete Zwiespältigkeit der digitalen Technik stellt unser Zeitalter vor ein großes Problem. Dennoch scheint es mir nicht sachgemäß, von Anfang an nur auf die negativen Seiten zu blicken. Wir müssen auch verstehen, warum die Menschen von den neuen Errungenschaften derartig fasziniert waren, dass sie zuerst nur das Gute und Vorteilhafte im Auge hatten und kritische Einwände lange Zeit in den Wind schlugen. Ich möchte dazu eine kleine historische Skizze entwerfen, die uns bis zu dem Punkt führt, an dem es schließlich zu einem bösen Erwachen kam.

Ein großes Thema des 19. Jahrhunderts war das Bemühen, sowohl optische als auch akustische Sinneseindrücke in technische Vorgänge zu überführen. Den Beginn machte die Erfindung der Fotografie. Aufgetragen auf Zelluloidfilme wurde sie universell einsetzbar, besonders auch in Form von «bewegten Bildern», die durch die schnelle Abfolge von 24 Aufnahmen pro Sekunde die Illusion echter Bewegungen erzeugten. Daraus entstand die Gattung der Spielfilme, die ab 1895 einem staunenden Publikum vorgeführt wurden – zunächst als Stummfilm. Den Ton konnte man erst nach der Erfindung von Mikrofon und Lautsprecher hinzufügen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trat neben den Kino-Spielfilm ein mächtiger Konkurrent: das Fernsehen. Hier wurde das bewegte Bild auf dem Schirm einer Kathodenstrahlröhre elektronisch erzeugt. Die Geräte, die zu dieser Zeit in die Läden kamen, steckten noch in den Kinderschuhen: Anders als viele längst in Farbe produzierte Kinofilme war das Fernsehbild schwarz-weiß, und vor allem flimmerte und flackerte es ständig, sodass das Zusehen wenig angenehm war. Außerdem gab es lange Zeit nur ein einziges Programm zu sehen (1963 begann das ZDF, erst 1984 folgten die privaten Sender).

Umso mehr überrascht es im Rückblick, wie schnell sich die Öffentlichkeit trotz aller Mängel mit dem neuen Medium anfreundete. Allerdings waren dabei zwei Publikumsmagnete im Spiel, die das Interesse anstachelten. Ähnlich wie Adolf Hitler 1936 durch die erstmalige Fernsehübertragung der Olympischen Spiele die Öffentlichkeit beeindruckte, waren es auch nach dem 2. Weltkrieg zwei Großereignisse, die wie geschaffen waren, um die Massen für das Fernsehen zu begeistern: 1953 die Krönung der englischen Königin Elisabeth II. und 1954 die Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz. Obwohl es zu beiden Ereignissen in den Kinos farbige und technisch viel bessere Präsentationen gab, erregte das Fernsehen weit mehr Aufsehen.

Die Fernsehproduzenten wie auch die Gerätehersteller hätten sich keine bessere Werbung wünschen können als diese erregenden «Events», die vom Publikum als welthistorisch empfunden wurden. Denn mit ihnen eröffnete sich den Menschen eine neue Dimension: War man bisher auf Berichte in der Zeitung oder im Radio angewiesen, um zu erfahren, was in der Welt vorgeht, konnte man jetzt, so meinte man, alles «mit eigenen Augen» sehen. Etwas wie Magie schien dem Fernseher anzuhaften: Ohne dass der Zuschauer sich von der Stelle rührte, entrückte ihn das Gerät an den Ort des Geschehens, wo er unmittelbar «am Ball» war und bei jedem Tortreffer gemeinsam mit den fernen Stadionbesuchern jubeln konnte. An diesen prickelnden Effekt des Dabeiseins reichten selbst gute Dokumentarfilme nicht heran, weil sie immer erst nachträglich erschienen.

Damit war der Weg bereitet für die rasante Ausbreitung des Fernsehens im ganzen Land, und bald schon gehörte die «Glotze», wie man sie spöttisch nannte, zur festen Einrichtung jedes Wohnzimmers und wurde extensiv genutzt. Die berechtigten Warnungen vor einem allzu ausgiebigen Fernsehkonsum, besonders bei Kindern, stießen auf taube Ohren, und so zeigten sich mit der Zeit immer gravierendere Folgen, die hier aber nicht thematisiert werden sollen.10

Fernsehen als Fenster zur Welt

Es verdient festgehalten zu werden, dass die Begeisterung des Publikums für das Fernsehen nicht allein der Sensationsgier entsprang. Was dabei von Anfang an mitschwang, war die freudige Entdeckung, plötzlich angeschlossen zu sein an das Weltgeschehen und aktuelle Ereignisse quasi hautnah miterleben zu können, ohne vor Ort zu sein. «Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe», lautete der kesse Werbespruch von ARD und ZDF, und so wurde es auch empfunden, denn die Fernsehkamera holte alles Ferne auf Greifweite heran. Ein für den Menschen der Neuzeit charakteristischer Drang machte sich hier geltend, der bereits mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen und Spanier begonnen hatte, nämlich die große ferne Welt kennenzulernen und über die Enge des eigenen Horizonts hinauszublicken. In der anbrechenden Neuzeit wurde das Interesse des Publikums durch unzählige Flugschriften aus der soeben erfundenen Druckerpresse befriedigt, jetzt aber wurde dem Sehsinn selbst das «Fenster zur Welt» geöffnet.

In diesem Bedürfnis lag und liegt der Keim für eine Fähigkeit, die in unserem Jahrhundert unverzichtbar wird für den Erhalt unseres Planeten, der durch die Klimakrise und viele andere Nöte in höchste Bedrängnis geraten ist. Der Allgemeinheit ist endlich bewusst geworden, dass die Menschheit nur dann überleben kann, wenn sie ihren Blick auf den gesamten Lebensraum Erde richtet und sich verantwortlich für dessen Erhaltung und Pflege einsetzt.

Den globalen Blick zu fördern und ein erdumspannendes Bewusstsein zu wecken, dazu könnte das Fernsehen – sinnvoll genutzt – einen wichtigen Beitrag leisten, indem es das notwendige Okular für die erweiterte Weltwahrnehmung zur Verfügung stellt. Ob es allerdings in seiner heutigen Form dem gerecht wird, ist fraglich. Die Sehzeiten im Schnitt der bundesdeutschen Bevölkerung sind (ähnlich wie in den USA) im Laufe der Jahrzehnte exorbitant angestiegen,11 und nur ein geringer Teil davon dient der Information über aktuelle Geschehnisse; der weitaus größte Teil wird mit Unterhaltungssendungen aller Art gefüllt. Nur bei besonders erregenden Zeitereignissen wie beispielsweise Natur- und Kriegskatastrophen kommt das «Fenster zur Welt» wieder zu seinem Recht, abzulesen an dem oft beeindruckenden Spendenaufkommen, das ohne die schockierenden Bilder aus fremden Ländern niemals in dieser Höhe und in dieser Geschwindigkeit zusammengekommen wäre.

Wir dürfen also feststellen: Das Medium Fernsehen könnte ein bedeutsames Wahrnehmungsinstrument sein, das den Sinn für die Weltprobleme schärft. Wohlgemerkt: es könnte. Bleibt nur die Frage: Wie kommt es, dass diese mögliche Funktion immer wieder überdeckt und erstickt wird durch belanglose Zerstreuung, die den Willen der Menschen zu tatkräftiger Gestaltung der Welt eher lähmt als fördert? Wer sind diejenigen, die ein Interesse haben an dieser ständigen Ablenkung vom Wesentlichen?

Computergestützte Medien

In denselben Jahrzehnten, in denen das Fernsehen sich über alle Kontinente verbreitete (von mir exemplarisch am deutschen Beispiel demonstriert), erlebte auch die kurz vor Kriegsende begonnene Entwicklung des elektronischen Computers einen rasanten Aufschwung. Die zunächst noch tonnenschweren Geräte wurden in staunenswertem Tempo immer kleiner, und die Rechenleistung wurde gleichzeitig immer größer. Je weiter die Wissenschaft Hand in Hand mit den Ingenieuren vorankam, desto vielfältiger wurden die technischen Anwendungsmöglichkeiten. Die Forschung verschlang zwar gewaltige Summen, doch wusste man einen großen Teil davon wieder hereinzuholen durch die Eröffnung eines neuen Wirtschaftszweigs: Den jeweils erreichten Stand der Technik nutzte man auf der Stelle zur Entwicklung von Videospielen, Spielautomaten, Spielekonsolen und Computerspielen, die durch ihren millionenfachen Verkauf «zu einer der einflussreichsten Freizeitgestaltungsformen des 21. Jahrhunderts» geworden sind, wie Wikipedia euphemistisch vermerkt. Immer mehr junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren machen heute reichen Gebrauch von diesen Angeboten, freilich mit häufig unangenehmen Folgen, über die noch zu berichten sein wird.

Nicht weniger bedeutsam war der in den 1970er-Jahren einsetzende Übergang von den Großcomputern alter Art, mit denen nur Spezialisten, Techniker oder Wissenschaftler arbeiteten, zu kleineren, für individuelle Bedürfnisse nutzbaren Mehrzweckcomputern, die als Personal Computer (PC) bezeichnet wurden. Sie eroberten sich ihren Platz nicht nur in unzähligen Privathaushalten, sondern revolutionierten auch weltumspannend die gesamte Arbeitswelt. Kein Büro ist heute mehr denkbar ohne einen PC mit Internetanschluss.