An neuen Orten

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Was heißt Treue, was heißt treue Lebensgemeinschaft in Zeiten notwendig individualisierter Lebensführung? Bietet die Kirche Orte, wo dies, nicht erst im Falle der Krise, sondern im Normalfall besprochen und – wichtiger noch – gelebt und entdeckt werden kann? Gibt es Experimentierorte für neue Lebensformen in der Kirche? Und: Welche Lehre unseres Glaubens hilft dies zu verstehen und zu leben und welche Lehre unseres Glaubens eröffnet Sinn und Bedeutung dieser Erfahrung?

Wo werden die konkreten Zusammenlebensprobleme von Partnern und Familien besprochen? Wo ihnen geholfen, mit Ideen und Vorbildern? Und das jenseits des Idealmodells? Johannes Huinink hat in seinem Referat vor der Deutschen Bischofskonferenz 2008 darauf hingewiesen, dass die Kirche außerordentlich hilfreich wirken könnte, wenn sie mitwirken würde, die Kluft zwischen familialen und nicht-familialen Handlungsräumen170 zu überbrücken. Menschen heute wollen beides und brauchen beides: den familialen Nahraum wie den intermediären Raum darum herum; in früheren Zeiten war beides allemal integraler verbunden.

Und: Gilt die Botschaft der Liebe und der Treue nur innerhalb der Idealform Ehe? Wo ein vermachteter, verrechtlichter Diskurs über all diese Themen in der Kirche dominiert, gibt es zu wenige Orte, wo das Volk Gottes erkunden kann, was die Botschaft Jesu von der Treue und der Kreativität der Ehe und des Zusammenlebens heute bedeutet.

Und dann bleibt ein Letztes: sacramentum. Augustinus meinte damit einerseits das Eheversprechen in Analogie zum Treueversprechen gegenüber Gott in der Taufe und andererseits war ihm die Liebe der Ehegatten zueinander ein Zeichen auf das Mysterium der Liebe Christi zu seiner Kirche inklusive von deren Unkündbarkeit.

Auf der Basis des Ursakraments, das Jesus Christus ist, und des sakramentalen Grundauftrags der Kirche, Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes zu den Menschen zu sein (Gaudium et spes 45), gibt es einen sakramentalen Auftrag der Kirche für alle Menschen und für jene, die sich lieben, allemal; für jene, die in ihrer Liebe gescheitert sind, aber ganz besonders. Denn das Christentum ist eine gute Botschaft besonders für die Leidenden.

Regina Ammicht Quinn hat auf dem Symposium „Sehnsucht, Ohnmacht und Ekstase. Gott und die Lebensformen des 21. Jahrhunderts“ an der theologischen Fakultät Graz171 drei Fragen gestellt, die Kirche an und mit heutigen Lebensformen bearbeiten muss: Wer sind wir Menschen in solch bewegten und beweglichen Zeiten? Wie geht gut(es) Menschsein? Und: Was sind die theologischen „Zeichen der Zeit“ jener Lebensformen, die Menschen in ihrer Sehnsucht nach intimer und kreativer Nähe heute (ver-)suchen?

Pastoral der Lebensformen, das hieße für kirchliches Handeln, Menschen zu helfen, die Liebe an einem ihrer schönsten und ekstatischsten, gefährdetsten und unvermeidlichsten Orte zu leben. Es hieße, ihnen zu helfen, die eigene Lieblosigkeit und jene des Partners auszuhalten, es hieße, ihnen zu helfen, verzeihen zu können und Verzeihung annehmen zu können, es hieße, ihnen zu helfen, sich der eigenen Schuld zu stellen, dem anderen nie das geben zu können, was er verdient und was man sich von ihm paradoxerweise erhofft. Es hieße, endlich aufzuhören mit den unrealistischen Diskursen über Ehe und Familie, unrealistisch in idealistischer Überhöhung wie rechtlicher Normierung.

Und es hieße, das, wofür man steht, Treue, Kreativität und den Glauben an die Unverbrüchlichkeit von Gottes Liebe, in heutigen Zeiten und ihren Lebensformen zu entdecken.

DIE MACHT DER FRAUEN UND DIE OHNMACHT DER KATHOLISCHEN KIRCHE
Zum Ausklingen der patriarchalen Definitionsmacht
1 Die Situation

Bereits 1993 hat eine Untersuchung der Deutschen Bischofskonferenz beunruhigende Entwicklungen festgehalten. 1982 hatten noch 40 Prozent der deutschen Katholikinnen eine enge Beziehung zur Kirche, 1992 waren es nur noch 25 Prozent. Die Mehrzahl der Katholikinnen sieht mittlerweile in der Institution Kirche eine „Männerkirche“, die sich für die Anliegen und Probleme der Frauen weder interessiert, noch Verständnis für sie aufbringt.172

Trotzdem liegt der Anteil der Frauen unter den KirchgängerInnen noch immer über jenem der Männer. Die zentral in den Gemeinden Engagierten sind nach wie vor vorwiegend Frauen: Sie arbeiten haupt-, neben- und ehrenamtlich in den Bereichen religiöser Erziehung und Katechese, engagieren sich pfarrlich in diversen Arbeitskreisen und Aktionen sowie in sozial-diakonischen und liturgischen Zusammenhängen. Eine Untersuchung am Institut für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie in Graz hat dies 2005 auch für die Steiermark belegt.173

Keinen Zugang hingegen haben Frauen aber bekanntlich zur Ordination und deshalb zur umfassenden Leitungsvollmacht. Es bleiben also den engagierten katholischen Frauen ihr gelebtes Christsein, ihr Engagement in der Alltagsseelsorge, ihre Frömmigkeit (und deren Weitergabe), viele untergeordnete und wenige einzelne Leitungsaufgaben, den Männern aber die definitorische und institutionelle Macht.

Dass der Aufbruch aus dieser Rollenaufteilung – „eine von Männern geleitete Frauenkirche“ – nur eine Frage der Zeit sein wird, steht fest:

In dem Maße, wie die Angehörigen der älteren Generation versterben, wird auch der Geschlechterunterschied in der Kirchlichkeit verschwinden, so wie er heute schon in der Nachkriegsgeneration und in den Groß- und Mittelstädten weitgehend verschwunden ist. Damit endet der im letzten Jahrhundert begonnene Prozeß der Feminisierung der Kirchen, ohne jedoch an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren. Denn die Kirchenbänke, die die Frauen vakant in den Kirchen zurücklassen, werden nicht von Männern aufgefüllt. Die Entfeminisierung der Kirchen ist nicht mit einer „Re-Maskulinisierung“ gepaart; sie ist vielmehr generelle Entkirchlichung.174

Wie kam es dazu?

2 Die neue Ordnung der Geschlechter

Die Menschen haben zweitausend Jahre gebraucht, um die Schreckensbotschaft „all men are equal“ in ihren Konsequenzen auch nur zu erahnen. Noch nicht einmal eine historische Sekunde lang, nämlich zwei Jahrzehnte, beginnt ihnen die noch völlig unabsehbare Katastrophe zu dämmern: „and women are equal too“!175

Was Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim hier so schön auf den Begriff bringen, meint schlicht: In unserer Gesellschaft herrscht eine neue Ordnung der Geschlechter, und nichts ist hier mehr so, wie es noch vor kurzem war.

Die neue Lage ist ebenso einfach zu beschreiben wie komplex in ihren Ursachen und völlig unübersehbar, und dies im doppelten Sinn des Wortes: unüberblickbar und (eigentlich) nicht zu übersehen. Festzuhalten ist dabei zuallererst: Männer und Frauen werden gegenwärtig „freigesetzt aus den zur Natur verklärten ständischen Schalen des Geschlechts“176. Das klingt einfach, ist aber schlicht eine Revolution. Diese kulturelle Revolution, in ihren Auswirkungen wohl nur vergleichbar mit der Freisetzung aus den ständischen Gehäusen der vormodernen Gesellschaftsordnung, führt zu nichts weniger als einer völligen „Neuchoreographie der Geschlechter“177. Diese aber betrifft nun einmal so ziemlich jede und, wenn es auch noch nicht alle wahrhaben wollen, jeden.

Die neue Ordnung der Geschlechter ist vor allem nicht (mehr) nur ein intellektuelles und daher marginalisierbares politisches Phänomen, wie es die sogenannte Erste Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts weitgehend war, als es um die politische Forderung nach gleichen Rechten für Frauen, vor allem Wahl- und Bildungsrechten, ging. Sie ist vielmehr ein umfassendes (psycho-)soziales Phänomen geworden.

Die Alltagswirklichkeit und eben nicht nur das Selbstverständnis der halben Menschheit haben sich seit einigen Jahrzehnten dramatisch verändert. Diese dürfte auf lange Sicht die einschneidendste kulturelle Veränderung westlicher Gesellschaften in den letzten fünfzig Jahren darstellen, vergleichbar im 20. Jahrhundert höchstens mit der ungefähr gleichzeitig stattfindenden medialen und ökonomischen Globalisierung. Die Revolution der Geschlechterverhältnisse hat stattgefunden. Ihr entscheidender Durchbruch aber gelang ihr in der Neugestaltung von Frauenbiografien.

Am augenfälligsten ist dieser Durchbruch darstellbar an den Zahlen der Bildungsintegration von Frauen. Bildung stellt in unserer Gesellschaft den zentralen Mechanismus der Statuseinweisung dar. Über Bildungsqualifikationen erreicht man in der Regel aus eigener Kraft gesellschaftlich statushohe Positionen. Frauen waren aber bis vor wenigen Jahrzehnten in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit beinahe völlig von allen Bildungschancen und so ziemlich gänzlich von wissenschaftlichen Qualifizierungschancen abgeschnitten. In der Breite ist der Zugang zu gleichen Bildungschancen in Österreich und auch in Deutschland erst ein Ergebnis der Bildungsreformen der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Es legen in Deutschland wie Österreich mehr Frauen das Abitur bzw die Matura ab als Männer und sie stellen auch bei jenen, die ein Studium beginnen die Mehrheit und in Österreich auch schon unter den Studierenden überhaupt.

Als Frauen rechtlich und zunehmend auch real den gleichberechtigten Zugang zu den Bildungsressourcen der Gesellschaft und damit zu Positionen mit eigenständigen Einkommens- und damit Selbsterhaltungschancen bekamen, erreichten sie, wovon die übergroße Mehrheit ihrer Mütter und Großmütter nur träumen konnte: die Möglichkeit zur Befreiung von der Zwangskopplung an Männerbiographien. Diese Befreiung von der ökonomischen Abhängigkeit vom Mann bildet den ebenso nüchternen wie in seinen Konsequenzen für die konkreten Partnerschaftsverhältnisse ausgesprochen „heißen“ Kern der neuen Geschlechterordnung. Denn damit gelang der entscheidende Durchbruch.

 

Die fundamentale Neuordnung der Geschlechterverhältnisse zieht tiefgreifende kulturell-gesellschaftliche wie politische Veränderungen nach sich. Partnerschafts- und Eltern-Kind-Verhältnisse, Arbeits-, Wohn- und eben auch und vor allem Wahrnehmungsverhältnisse sowie emotionale und soziale Strukturen werden in diesem Wandel völlig neu arrangiert. Und damit auch die religiösen Verhältnisse.

3 Die Reaktionen der Kirche
3.1 Strukturen des Patriarchats

Es scheint, als ob in der neuen Ordnung der Geschlechter die letzte Bastion kirchlicher Pastoralmacht schwindet. Denn natürlich wäre es eine ganz unhaltbare Illusion zu meinen, die fundamentalen gesellschaftlichen Umwälzungen im Geschlechterverhältnis würden sich am religiösen System vorbei vollziehen. Schließlich greift dieses selbst ja ganz definitiv in die Ordnung der Geschlechter ein, nicht zuletzt etwa über die Sexualmoral oder das Eherecht.

Ganz grundsätzlich gilt ja, dass die drei Parameter Religion, Sexualität und Macht in allen Kulturen in einem ausgesprochen engen Kontext stehen und Veränderungen an einem Pol immer auch Veränderungen an den beiden anderen nach sich ziehen. Dieser enge Konnex ergibt sich auch ganz natürlich, denn diese drei Größen stehen schließlich für jene drei Relationen, in denen menschliche Existenz ganz unausweichlich sich vollzieht und zu denen sie also immer ein Verhältnis aufbauen muss: Kosmos, Körper und Gesellschaft. Religion definiert das Verhältnis des und der Einzelnen zu allem was ist, die kulturellen Ordnungen der Sexualität bestimmen das Verhältnis des Menschen zu seinem/anderen Körper(n), die Machtstrukturen aber das Verhältnis zur Gesellschaft.

Das Patriarchat ist nun eine spezifische Konstellation dieser drei Größen. Vor allem: Es gibt Männern die Definitionsmacht über die Struktur dieser Konstellation. Das Patriarchat entsteht,

weil der Mann für sich zwei Positionen beansprucht, die des (überlegenen) Geschlechts und die des geschlechtsneutralen Menschen zugleich. Diese doppelte Position ist es, die die Asymmetrie zwischen den Geschlechtern auf einer theoretischen Ebene extrem stabil und zugleich unsichtbar gemacht hat.178

Der Mann ist der Mann und der Mensch: Er bestimmt als Mensch das Spiel und spielt als Mann mit. Dass er dabei als Mensch sich, dem Mann, die Gewinnposition zuspielt, ist nur menschlich, aber natürlich zutiefst ungerecht.

Die Religionen machen im Wesentlichen bei diesem Spiel mit. Alle großen aktuellen Weltreligionen sind sowohl in ihren Symbolsystemen wie in ihrer sozialen Realität ganz wesentlich patriarchal strukturiert und geprägt. Das wird in Zeiten, da sich dies zu ändern beginnt, für die Religionen ein Problem: ein Gerechtigkeitsproblem wie ein Konstitutionsproblem.

3.2 Die Tradition des Patriarchats

Das Patriarchat hat bekanntlich auch im Christentum von den späten Schriften des Neuen Testaments über Augustinus und Thomas v. Aquin bis zur Gegenwart eine lange und traurige Tradition.179 Zum Patriarchat gehört es zum Beispiel, die Tätigkeitsbereiche der Geschlechter aufzuteilen und dabei die Frauen auf das private Leben zu beschränken und Macht und Öffentlichkeit für die Männer zu reservieren.

„Familienmütter sollen“, so Pius XI. 1931 in der Enzyklika Quadragesimo anno, „in ihrer Häuslichkeit und dem, was dazu gehört, ihr hauptsächliches Arbeitsfeld finden in der Erfüllung ihrer hausfraulichen Obliegenheiten.“ Dass sie, etwa aus finanziellen Gründen, „außerhäuslicher Erwerbsarbeit nachzugehen genötigt sind“, das sei „ein schändlicher Mißbrauch, der, koste es, was es wolle, verschwinden muß“180.

Dass die katholische Kirche in Fragen der Geschlechterordnung eher zu den retardierenden gesellschaftlichen Kräften gehörte und recht eigentlich immer noch gehört, ist weder überraschend noch unbekannt. Dem Zeugnis von der hierarchischen Spitze der Kirche aus dem Jahre 1931 lassen sich unzählige von deren pastoraler Basis hinzufügen.

Etwa jene Anweisung des Bistums Limburg aus dem Jahre 1940, in welcher der priesterliche Examinator angehalten wird, der Braut folgende gewichtige Worte ins Gewissen zu sprechen:

„Wenn nach göttlicher Ordnung der Mann das Haupt der Frau ist (wie Christus das Haupt der Kirche), so hat sie die Pflicht, dem Mann zu gehorchen … Von der Stunde der Trauung ab brauchen Sie den Eltern nicht mehr folgen, wohl aber müssen Sie fortan Ihrem Bräutigam gehorchen. Bei Meinungsverschiedenheiten gibt also er den Ausschlag. Ihm gehört das letzte Wort. Das mag manchmal schwerfallen, wird aber leichter und obendrein verdienstlicher, wenn Sie es Gott aufopfern.“181

Natürlich ist diese patriarchalische Fassung der Geschlechterdifferenz keine kirchliche Spezialität. Vielmehr galt bis vor kurzem und gilt im gewissen Sinne noch heute, dass „natürliche Gleichheit aller Menschen und natürliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern“ den „paradoxen Kanon“ des 19. Jahrhunderts bilden, „der bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts noch selbstverständlich bleibt.“182

3.3 Die Reaktionen der Frauen

Wie reagieren nun aber die Frauen auf die Reaktion der Kirche? Die Lage ist ziemlich eindeutig. Das klassische katholische Frauenbild findet selbst und gerade bei den katholischen Frauen – abgesehen von einer kleinen Minderheit – nur noch Ablehnung, ja Spott.

Die Frau sei dem Mann untertan, sie folge ihm überall hin, sie sei seine Hausfrau, sie gebäre ihm wunderschöne Kinder, die sie ganz glücklich erzieht, sie erziehe die Kinder im Glauben, daß sie in die Kirche gehen. Blablabla. Das ist es aber nicht. (…) Das Frauenbild der katholischen Kirche ist noch so, was von meiner Großmutter erwartet wurde, die sicher dann auch so war. Das ist aber nicht mehr zeitgemäß, deshalb erreicht die katholische Kirche keine Frau mehr. Keine intelligente, wache Frau mit einigermaßen Bildung.183

Dieser Text steht nicht in einem feministischen Lehrbuch, sondern in einer Arbeitshilfe der deutschen Bischofskonferenz. Dort steht auch zu lesen, dass „64% der 30-44-jährigen“ Frauen „bei der katholischen Kirche ein bestimmtes festgefügtes Frauenbild (vermuten), das die eindimensional familienorientierte, aufopfernde, sich dem Mann unterordnende Frau zum Leitbild erklärt.“184

Wenn die zögernde Bereitschaft der katholischen Kirche, die neuen Frauenbiografien und ihre weitreichenden kulturellen und sozialen Konsequenzen kreativ zu begleiten, damit erklärbar sein sollte, dass die verlorene kirchliche Interpretationsmacht über den Kosmos, also die Welt als ganzer, über die Gesellschaft, also ihre Machtstrukturen, nun nicht auch noch beim Körper verloren gehen soll, dann muss schlicht festgehalten werden: Auch dieser Rettungsversuch ist, wie schon jene, bei denen es um die Rettung der kosmologischen oder gesellschaftsstrukturierenden Kompetenz der christlichen Kirche ging, gescheitert. Oder genauer: Er ist gerade dabei zu scheitern.

Denn das alte, patriarchale Mann-Frau-Verhältnis ist klassisch definiert über Körper-Zuschreibungen. Die Macht der Männer war nicht zuletzt (Deutungs-)Macht über die Körper der Frauen, das Schicksal der Frauen aber, sich ihre Alimentation und schiere Existenzberechtigung mit der Ohnmacht über ihren Körper erkaufen zu müssen.

Doch gerade der (Frauen-)Körper entzieht sich gegenwärtig der kirchlichen Pastoralmacht: zumindest deren klassischen Zuschreibungen an ihn als gebärend, dienend, auch „unrein“ oder gefährlich lustvoll. Mit diesen Zuschreibungen aber entziehen sich die Frauen auch den patriarchalen Rollenzuschreibungen überhaupt, denn diese wurden ja von spezifischen Zuschreibungen an den Frauenkörper ideologisch abgeleitet. Frauen lassen sich in den entwickelten Gesellschaften immer weniger die Definitionsmacht über ihren Körper und damit über ihr Leben nehmen.

Wer in dieser Situation die alte Ordnung der Geschlechter propagiert, marginalisiert sich selbst: zuerst bei den Frauen, dann aber, auf längere Sicht, auch bei den Männern. Er gerät ins Abseits der Gesellschaft, ins Abseits der Frauenbiografien und ins Abseits seiner eigenen Inkulturationsfähigkeit. Vor allem aber stellt er sich nicht der Herausforderung, das Evangelium aus neuer Perspektive zu entdecken und neue Wirklichkeiten mit dem Evangelium zu konfrontieren. Das aber ist die Aufgabe der Kirche.

Neuere deutsche Studien185 zeigen, was auch schon die große Untersuchung der Deutschen Bischofskonferenz 1993 aufgewiesen hatte: Es gibt gerade bei den engagierten katholischen Frauen manifeste Wahrnehmungen der Nicht-Beachtung und der Marginalisierung in der Kirche – mittlerweile über Generationen hinweg. Nach wie vor scheint es in den Gemeinden zudem eine ziemlich geschlechterstereotype Aufteilung der Tätigkeitsfelder zu geben und erleben sich etwa auch Theologinnen als nur bedingt gewollt.

Der große Unterschied zwischen den Generationen liegt im Umgang mit diesen Erfahrungen: Die Jüngeren, die Grenze dürfte heute bei ungefähr den 50-Jährigen und damit der ersten Frauengeneration mit selbstverständlichem Bildungszugang liegen, führen einen Möglichkeitsdiskurs, die Älteren einen Erlaubnisdiskurs. Die jüngeren Frauen fragen, was ist mir wo möglich, und gehen dorthin, wo es ihnen möglich ist, aber auch von dort weg, wo es nicht möglich ist, was sie sich wünschen. Die älteren Frauen suchen die Erlaubnis zu dem, was sie wünschen, zu erhalten, erkennen also die Erlaubnisautorität der Hierarchie noch an.

Die älteren Frauen suchen trotz allem ihren Ort in ihrer Kirche und finden ihn, etwa in den Frauenverbänden oder in den Gemeinden, auch. Die jüngeren Frauen hingegen suchen einen Ort für ihre religiösen und sozialen Bedürfnisse und finden ihn bisweilen auch in der Kirche. Anders gesagt: Die jüngeren Frauen kämpfen gar nicht mehr um ihren Ort in der Kirche. Das signalisiert eine elementare Verschiebung, ja einen veritablen Bruch. Er entspricht freilich der generellen Verschiebung des religiösen Vergesellschaftungssystems weg von der normativ regulierten Schicksalsgemeinschaft hin zur markt- und also bedürfnisorientierten situativen Nutzung religiöser Angebote.

Die Dramatik der Vorgänge selbst ist nicht zu leugnen. Sollte die katholische Kirche nicht bald ein glaubhaft nach-patriarchales Konzept ihrer selbst realisieren, spricht einiges dafür, dass es zumindest in den westlichen Ländern zu einem weiteren Marginalisierungs-, ja massiven Exkulturationsprozess der katholischen Kirche kommen wird.

Für die Männer aber gilt: Die neue Ordnung der Geschlechter betrifft auch sie, und zwar ebenso massiv wie durchaus schmerzlich. Denn was für Frauen Emanzipation und also Befreiung ist, bedeutet für die Männer ein ungewohntes Neuarrangement: Sie sind dessen Herausforderung offenkundig zur Zeit nur sehr bedingt gewachsen.186 Das mag nach dem bisher Gesagten nun nicht mehr so arg zu erstaunen. Die Hilflosigkeit vieler Männer und jedenfalls der Männerkirche ist nicht zu übersehen. Bleibt die Frage: Wie weiter?