Homo sapiens movere ~ geliebt

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Z serii: geliebt #5
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5

Die Schlagzeilen jedenfalls änderten sich die Woche über kaum. In dieser Woche hörte ich weder etwas von Vine, noch von Roman, noch von Alan. Und dann, als ich schon dachte, ich hätte endlich meinen verdienten Frieden und könnte normal weiterleben, brach alles auf einmal über mich zusammen.

Zuerst meldete sich Vine. Er riet mir dringend, die Finger von dem Buch zu lassen. Das Geld wollte er auf mein Konto zurückschicken. Somit konnte er keinesfalls mit den Recherchen in Verbindung gebracht werden. Obwohl ich mir sicher war, dass er dabei keine Spuren hinterließ. „Sorry, Süße. Aber da solltest du deine Nase nicht reinstecken. Lass sich die Were allein darum kümmern. Das ist es nicht wert.“ Sehr schön. Er wusste etwas; würde es mir aber ums Verrecken nicht mitteilen. Alans Problem, nicht meins. Ich war raus aus der Sache.

Als nächstes tauchte Roman bei mir auf. Was er mir sagte, machte mich leicht panisch. Ach was… leicht? Ich war vollkommen verstört! „Beruhig dich, Sam. Dein größter Vorteil ist, dass sie nicht wissen, dass du Magie absorbierst. Und ich glaube nicht, dass sie einen Ker-Lon dazu zwingen könnten, etwas für sie zu unternehmen. Du bist also relativ sicher.“ Roman küsste mich auf die Stirn, zog mich an sich und drückte mich an seine Brust.

Beinah hätte ich angenommen, dass er mir auf Wiedersehen sagen wollte.

Für immer.

Oder zumindest für eine lange Zeit, in der ich alt und grau werde würde. „Verdammt, Sam. Das Timing ist echt beschissen.“ Er legte seine Stirn an meine. Drückte mich eng an sich. Dann löste er sich kurz von mir und sah mich an, als wollte er sich jeden Zentimeter meines Gesichts einprägen. Mit Daumen und Zeigefinger hob er mein Kinn, neigte langsam seinen Kopf und küsste mich. Intensiv. Verzehrend. Ausgiebig. Kribbelnd. Es machte Lust auf mehr.

Auf viel mehr.

Doch er beendete den Kuss, zwinkerte mir zu und verschwand. Stirnrunzelnd ermahnte ich mich, nicht so viel in das Verhalten eines Vampirs hinein zu interpretieren.

Noch während ich mir Romans Worte durch den Kopf gehen ließ und mich fragte, warum Hexen zu derartigen Mitteln griffen, um als eigenständige Spezies anerkannt zu werden, klingelte es an meiner Tür. Es folgte ein dumpfes, ungeduldiges Pochen gegen dieselbe.

Mit zitternden Händen zog ich meine Pantoffeln aus und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Noch bevor ich durch den Spion schauen konnte, hörte ich Alans drohende Stimme. „Mach verdammt nochmal die Tür auf, Sam. Ich weiß, dass du da bist.“ Grundgütiger, der würde mir wahrhaftig die Tür eintreten! Also riss ich die Tür auf, an der er mich mit erhobenen Fäusten begrüßte. „Wurde auch Zeit.“

Er drängte sich an mir vorbei in den Flur, in die Küche, das Bad, meine Schlafstube und das Wohnzimmer. „Bist du allein?“ Nein, ich habe die anderen nur fix unter den Teppich gekehrt. „Siehst du doch. Was willst du?“ Alan knurrte. Tief und bedrohlich wie ein wildes Tier. Mein Herz hämmerte noch lauter in meiner Brust. „Du und Roman, ihr habt mich ziemlich verarscht, hm?“ Och nö, nicht schon wieder! „Das ist allein deine Schuld.“, antwortete ich schnippisch und verschränkte die Arme. So schnell wie er auf mich zusprang, meine Schultern umfasste und gegen die Wand tackerte, konnte ich überhaupt nicht reagieren.

Verdammt! Nicht schon wieder!

„Das war ein großer Fehler, Sam.“ Was konnte ich denn dafür, wenn er in seinem Gehirn eine Beziehung zwischen mir und seinem Freund zusammen spann? „Bist du bescheuert? Lass mich los!“ Alan knurrte und zeigte dabei beeindruckend große Zähne. „Du hast das Buch. Weil du Angst hattest, dass ich zuerst auf dich tippen würde, hast du Roman gebeten dir zu helfen, und ich war so blöd und bin darauf reingefallen, dass du einen Abend mit deiner Freundin verbracht hast. Ihr habt das echt geschickt eingefädelt!“ Ich riss meine Augen so weit auf, dass sie beinah aus ihren Höhlen sprangen und brachte es gerade so fertig, ein gekrächztes ‚Was?’ herauszuwürgen. Er hatte doch selbst zu mir gesagt, dass ich die Wahrheit sprach. Irgendwas mit Lügen riechen oder so ähnlich hatte er gemurmelt. Zudem sollte das Buch geistige Instabilität hervorrufen. Sah ich wahnsinnig aus?

Ich konnte mich an all das erinnern; er anscheinend nicht.

„Jetzt tu nicht so, Sam. Ich bin nicht blöd! Wir haben die Überwachungsbänder der Kameras von meinem Anwesen angeschaut und weißt du, was man darauf sieht? Nichts. Und was sagt mir das? Dass du sie manipuliert hast. Nachdem du drin warst, hast du, wen auch immer, in meine Bibliothek eingeschleust. Wen, Sam? Für wen arbeitest du?“ Meine Schultern jaulten. Ich hatte echt keinen Bock, mir diesen Schwachsinn anzuhören. Meine Reaktion bestand darin, mein Knie anzuziehen und zwischen seine Beine zu rammen. Er sank ein Stück in sich zusammen und verzog sein Gesicht. Sein Griff um meine Schultern wurde aber nicht lockerer. „Das hättest du nicht tun sollen!“, fauchte er, packte meine Taille und warf mich über seine Schulter. „Verdammt, Alan. Du tickst doch nicht mehr richtig! Lass mich runter, sofort! Ich habe dein scheißblödes Buch nicht. Lass mich runter, du Neandertaler!“ Er ließ mich runter. Nachdem ich ihm einen winzig kleinen Stromstoß verpasste.

Sehr abrupt und ohne mich zu stützen.

Mit einem Ächzen landete ich auf dem Hintern.

Oh… Grundgütiger…, das tat weh. Mir schossen die Tränen in die Augen. Einen Moment lang hatte ich genug damit zu tun mich zu erinnern, wie man atmete.

„Für wen arbeitest du, Sam?“ Verflixt, ich hatte ihn nicht genug gegrillt. Ich blinzelte die Tränen weg. Rappelte mich vorsichtig auf. Wenigstens hatte er meinen neuen Stubentisch verfehlt. Wäre ich auf dem gelandet...

Daran sollte ich nicht mal denken.

„Verschwinde aus meiner Wohnung. Ich habe dein blödes Buch nicht und hatte es auch nie. Außerdem solltest du doch am besten wissen, dass, wenn ich bei dir eingebrochen wäre, die Kameras Unterbrechungen hätten und nicht einfach nichts aufzeichnen. Schon mal daran gedacht, dass jemand aus deinem ach so tollen Rudel damit was zu tun haben könnte? Angeblich kann ich das Buch doch gar nicht anfassen, ohne unweigerlich durchzudrehen! Warum immer ich, Alan? Weil es dir gerade im Kram passt? Weil es so am bequemsten ist? Verschwinde und lass dich hier nie wieder blicken.“ Ich war vollkommen außer mir, aber ich schrie nicht. Ich kämpfte viel zu sehr damit, nicht in Tränen auszubrechen. „Weißt du, dein Ritter ist vorige Woche bei mir aufgetaucht und hat mich ohne Kommentar zu einem kleinen Tänzchen herausgefordert. Nett, oder? Meine Güte, hast du dich bei ihm ausgeheult, weil ich dich ein wenig angekratzt habe?“ Ein Themawechsel. Aha. In meinem Gesicht mussten sich all die Gefühle widerspiegeln, die in mir um die Vorherrschaft kämpften: Wut, Entsetzen, Unglauben und noch ein paar andere. Jedes Mal, wenn ich ihm gegenüberstand, verletzte er mich. Entweder körperlich oder mit Worten.

Das hatte ich nicht verdient.

Noch nicht mal, wenn ich tatsächlich eine Beziehung mit Roman hätte und er wirklich mein Ritter in schimmernder Rüstung wäre. Was Alan – zum Teufel nochmal – überhaupt nichts anging.

„Angekratzt? Du hast mir die Schulter ausgekugelt und die Nase gebrochen. Ich bin kein Gestaltwandler, du Arsch! Meine Knochen gehen kaputt, wenn ich auf den Boden knalle, gegen eine Wand fliege oder Bekanntschaft mit deinen Fäusten mache.“ Vorsichtig rieb ich über meinen Hintern, der pochte und sich anfühlte, als wäre er doppelt so groß. Aber da ich mich noch bewegen konnte und auf beiden Beinen stand, war wohl nichts gebrochen.

Diesmal nicht.

„Ich habe dir die Nase gebrochen?“ Es machte keinen Unterschied, ob er mich bewusst oder unbewusst verletzte. Tatsache war, dass er Dinge lieber mit den Fäusten regelte, statt darüber zu sprechen.

Wie wohl alle Were.

Dass ich keiner war, vergaß er oft genug. Zu oft!

Langsam humpelte ich zur Couch und ließ mich vorsichtig darauf fallen. Ich kam mir vor wie eine sehr, sehr betagte Oma. „Habe ich dir jetzt wehgetan?“ Beschämt wie ein kleiner Schuljunge stand er da und schaute auf den Boden. Unfähig mir in die Augen zu sehen. „Was denkst du denn? Dass es nur ein wenig gekitzelt hat? Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen. Geh!“

Das riss ihn aus seiner Trance.

Langsam schüttelte er den Kopf. „Das ist nicht möglich. Du musst mitkommen. Ich brauche dich. Wenn du das Buch nicht zurückholen kannst, dann niemand.“ Als ob das mein Problem wäre. „Interessiert mich nicht. Das Buch betrifft Rudeldinge und die gehen mich nichts an. Ein schönes Leben noch, Alan. Mach die Tür hinter dir zu.“ Zu meiner Verärgerung bewegte er sich nicht zum Ausgang, sondern präzise auf mich zu.

Vor mir hockte er sich auf den Boden.

Seine Hände neben meinen Beinen auf der Couch abgestützt. „Du verstehst das falsch, Sam. Die Frage ist nicht, ob du willst oder nicht. Du wirst mitkommen. Du musst lediglich entscheiden, ob freiwillig oder ob ich dich über meine Schultern werfen muss.“ Das war doch wohl ein Scherz! „Du kannst mich nicht zwingen. Wenn du nicht sofort gehst, rufe ich die Polizei und lasse dich wegen Hausfriedensbruchs, Körperverletzung und diversen anderen Dingen festnehmen. Außerdem brülle ich das gesamte Haus zusammen.“ Da! Sollte er sich doch entscheiden. Wenn er dachte, dass ich bluffte, war er schief gewickelt. Ich ließ mich keinesfalls von ihm herum schubsen, wie es ihm beliebte. Ich war kein Spielzeug! „Ach, Sam.“ Seufzend schob er seine Hände an meinen Beinen nach hinten und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. „Ich vermisse dich.“, raunte er leise und schloss die Augen. Oh Gott. Was sollte das jetzt werden? Mein Herz trommelte wie die Hufe einer steppenden Gnuherde.

 

Meinte er das ernst?

Ich… Was sollte ich tun?

Er vermisste mich? Er. Mich!

Ein zaghaftes Lächeln stahl sich in mein Gesicht. Angenehme Wärme schloss sich um mein gequältes Herz. Tränen der Freude, der Erleichterung und des Glücks wollten sich aus meinen Augen quetschen.

Ich blinzelte sie weg.

Alan empfand nichts für mich. Er brauchte lediglich die movere. Nicht Sam. Und doch lag sein Kopf in meinem Schoß. Seine Augen geschlossen. Seine warmen Hände an meinen Beinen. Seine Finger, die sacht über meine Schenkel glitten.

Schnurrte er?

Ich war hin- und hergerissen. Meinem Herz konnte ich nicht glauben. Es schlug für Alan. Immer noch. Oder schon wieder. Inzwischen hörte es sich mehr nach dem Stampfen einer Elefantenherde an.

Gleich würde es explodieren.

Ängstlich, dass es nur ein Traum sein könnte, legte ich meine Hände auf seine Schultern, die sich unter meinen Berührungen entspannten. Alan kuschelte sich noch enger an mich. Langsam glitten meine Hände über seinen Rücken. So hielt ich ihn fest; küsste sein Haar. Gott, er roch so gut! Ich sehnte mich nach ihm. Ich wollte mich an ihn kuscheln. In ihn hinein kriechen. Seinen Körper an meinem spüren.

Es war nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, wenn ich mit Roman zusammen war.

Mein Herz klopfte voll vorfreudiger Anspannung und purem Glück. Ich liebte diesen Mistkerl. Selbst wenn er kein bisschen menschlich war und ich ihn schleunigst vergessen sollte. Er tat mir nicht gut.

Trotzdem sehnte ich mich nach ihm. Nach seiner Nähe. Ich war bereit zu vergessen, dass wir unterschiedlichen Spezies angehörten.

Verdammt!

Ich war sogar bereit ihm zu verzeihen, dass er mich verletzt hatte.

Sehr verletzt.

Alles für ein bisschen Liebe seinerseits. Ich musste vollkommen bescheuert sein – aber erkläre das bitte jemand meinem wild klopfenden Herzen.

Er hob seinen Kopf.

Seine Augen – seine wunderschönen Augen – suchten meine. In ihnen lag tiefe Sehnsucht und Reue. Schmerz. Die Bitte um Verständnis. Ich konnte es kaum glauben. Ich sollte es nicht glauben. Aber…verflixt noch eins… ich wollte es glauben!

Langsam strichen seine Hände an meinen Seiten nach oben. Alan glitt zwischen meine Beine, die sich ganz von selbst für ihn öffneten. Seine Hände umfassten mein Gesicht. Und dann… küsste er mich.

Es war fast zu schön, um wahr zu sein.

Wie sehr ich mich danach gesehnt hatte. Zärtlich streichelte er meine Wangen, ließ seine Hände zurück über meinen Rücken wandern. Küsste meine Mundwinkel, meine Nasenspitze, mein Kinn, meine Schulterbeuge, was alles zusammen ein unsägliches Verlangen in mir schürte. Ich schmiegte mich enger an ihn. Genoss seine warmen Lippen. Seinen heißen Atem.

Herrlich!

„Oh Sam, das habe ich vermisst. Dich habe ich vermisst. Du riechst gut und du schmeckst noch viel besser. Du bist wunderbar weich und anschmiegsam und liebebedürftig und so… leichtgläubig.“, murmelte er.

Ehe ich auch nur im Ansatz begriff, was er vorhatte, biss er mir seitlich in den Nacken. Mein Körper erschlaffte. Alles in mir erstarrte.

Alan hatte mich… verarscht!

Er hatte mit meinen Gefühlen gespielt, und ich dumme Kuh war darauf hereingefallen. Wie konnte ich nur dermaßen dämlich sein? „Ich weiß, dass du mich immer noch liebst. Und ich weiß, dass du dich nur auf Roman eingelassen hast, um mir eins auszuwischen. Aber ich sagte dir bereits, das funktioniert nicht. Für mich bist du Mittel zum Zweck. Kapier das endlich. Du findest das Buch und dann bist du mich los. Ein für alle Mal. Denk nicht mal im Traum daran, dass ich dich zurücknehme.“ Er hatte meinen Kopf angehoben, damit er mir in die Augen sehen konnte. Jetzt ließ er meinen Kopf wieder fallen, zog mich an meinen Armen in die Senkrechte, ging in die Knie, umschlang meine Taille und warf mich wie einen Sandsack über seine Schulter. Am liebsten hätte ich mir in den Arsch gebissen. Oder ihm.

Seiner war jedenfalls näher.

Wann war ich zum Trottel mutiert? Gott sei Dank überwog meine Wut. Ansonsten hätte ich angefangen zu heulen. Das Schlimmste war, dass ich – gelähmt durch seinen Biss – weder seine Chakren beeinflussen konnte, noch meine Energie einsetzen.

Dieser elende Drecksack wusste das!

Memo an mich selbst: Nie wieder auf Alan reinfallen. Es ist sein Job Gefühle darzustellen, die gar nicht existieren.

Meine Arme und mein Oberkörper prallten bei seinem schnellen Laufschritt immer wieder gegen seinen Rücken. Er schien das nicht zu bemerken. Falls doch, machte es ihm nichts aus.

Alan würde dafür bezahlen.

Das schwor ich mir.

Mit Desinteresse, was meine Behaglichkeit anging, verfrachtete er mich in sein Auto, schnallte mich an, krachte die Beifahrertür zu und stieg auf der Fahrerseite ein. Auf dem Weg bis zu seinem Anwesen sagte er kein Wort. In mir brodelte es, und ich erwartete jeden Moment die Rückkehr meiner Körperfunktionen. Allerdings ließen die auf sich warten. Toll, also war das genau so ein beschissener Biss wie der, den er vor meinem kleinen, entspannten Ausflug zu den Feen angewandt hatte. Einer, der mich nicht nur unterwarf, wie er mir mal erklärt hatte, sondern einer, der mich zur Puppe degradierte. Er konnte ihn beliebig oft anwenden, so dass ich, wenn es ihm in den Kram passte, wochenlang in dieser Verfassung bliebe. Verfluchte Scheiße!

Sobald ich dazu in der Lage war, würde er seine Urne ordern können. Inklusive all derjenigen, die an dieser Riesenscheiße beteiligt waren.

Er hatte mich das letzte Mal verarscht!

Nachdem er geparkt hatte und ausgestiegen war, schulterte er mich erneut. Während der kurzen Fahrt im Fahrstuhl wünschte ich mir verzweifelt, ihn wenigstens ankotzen zu können. Das würde ihn bestimmt ziemlich sauer machen. Leider, leider passierte es nicht. „Alan?“ Die Stimme einer Frau. „Schatz, Liebes. Tut mir leid, dass du das sehen musst. Sie weigert sich, dem Rudel zu helfen, also muss ich ihr Manieren beibringen. Bist du so lieb und machst die Kellertür für mich auf?“ Die Keller…? Er wollte mich in den Keller stecken? Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich meine Augen weit aufgerissen und ihm in den Hintern getreten.

Er ging auf sie zu, küsste sie vermutlich – was ich nicht sehen konnte, aber erahnen – und folgte ihr nach hinten, wo der Eingang des Kellers lag. „Danke, Schatz. Ich bin gleich wieder oben.“ Alan benutzte das Wort Danke? Das grenzte an ein Wunder!

Naja…. wenn er wollte, konnte er auch.

Er hob mich von seiner Schulter und nahm mich auf die Arme wie ein kleines Kind, so dass ich einen Blick auf die Frau erhaschen konnte. Eine zierliche Frau mit schulterlangen, braunen Locken, strahlte ihn an. Sie war süß. Vielleicht ein wenig naiv, aber diesmal hatte er zumindest Geschmack bewiesen. Wo hatte er sie her? Und seit wann? Vor ein paar Tagen hatte ich sie nicht gesehen. Dafür die zwei anderen Grazien, denen er die… äh… Tüchlein gereicht hatte.

Glücklicherweise war ich zu betäubt, um den Stich in meinem Herzen zu bemerken.

Beim Durchqueren des Kellereingangs schlug ich mir den Kopf an. Interessierte Alan nicht die Bohne. Oh, ich würde ihn verklagen, bis er sein letztes Hemd hergeben musste. Das war Freiheitsberaubung und Körperverletzung und… Nein, ich würde ihn grillen bis er um Gnade winselte und dann zu einem Häufchen Asche zerfiel. Alan hatte alles geplant.

Tja, falls die süße Dame da oben schon naiv war, war ich es noch um einiges mehr.

Unsanft ließ er mich auf eine Metallliege fallen, die schaukelnd unter mir nachgab. „Wir sehen uns in zwei Stunden.“ Damit drehte er sich um, löschte das Licht und schloss hinter sich die Tür. Ich hörte, wie er durch den langen Kellergang zurück zur Treppe lief. Zwei Stunden waren eine verflixt lange Zeit, um sich grausame Foltermethoden auszudenken. Für Alan!

Oder um sich gedanklich zu ohrfeigen.

Nach einer Ewigkeit bemerkte ich, wie das Taubheitsgefühl in meinem Mund verschwand. Lallend formulierte ich ein paar sehr ausgefallene und kreative Flüche, die weder jemand hörte, noch etwas bewirkten. Schön. Ich konnte also wieder sprechen. Wenn auch zu langsam und zu wenig kraftvoll, um Alans Chakren auch nur zu kitzeln. Vielleicht, wenn ich genügend Zeit hätte? Aber die hatte ich nicht.

Leider.

Dieser Wichser wusste sehr genau, wie lange dieser verkackte Biss anhielt. „Da bin ich wieder. Wie geht’s dir? Liegst du bequem?“ Ich schleuderte ihm – sehr langsam und mit sehr undeutlicher Aussprache – ein paar anatomisch unmögliche Obszönitäten entgegen, für die er mich lächelnd tadelte. „Sam, Sam. Du bist nicht in der Position dich zu beschweren. Aber wie du willst.“ Ich konnte nichts tun, als er mich erneut biss. Doch diesmal war der Biss alles andere als harmlos. Er war definitiv noch einen Tick schlimmer als der, den er damals für die Feen angewandt hatte.

Ich spürte ihn kaum.

Doch er knipste mir für ein paar Stunden das Licht aus.

Mich durch das Dunkel meines vernebelten Verstandes kämpfend, hörte ich drei Männer leise diskutieren. „Sie stinkt.“

„Natürlich stinkt sie. Menschen können ihre Darm- und Blasentätigkeit während dieses Zustands nicht unter Kontrolle halten.“

„Sie wird dehydrieren, Alan. Du brauchst sie in einem besseren Zustand.“

„Sie wird schon wieder werden. Sie ist erst zwei Tage hier.“

Der zweite Mann war Josh. Ich war viel zu aufgewühlt, um dem Rest des Gesprächs zu folgen oder mir Sorgen zu machen, wer der dritte war. Ich hatte mir in die Hosen gemacht? Zwei Tage? Bitte lieber Gott, lass das nur einen Alptraum sein. Bitte. Ich gehe auch ab sofort jeden Sonntag in die Kirche. Ehrlich!

Gott war taub.

Wie so oft, wenn es mich betraf.

„Müsste sie nicht schon längst wieder wach sein?“

„Sie ist wach. Sie kann sich nur weder bewegen noch verständlich machen.“

„Verdammt, Alan! Welchen Biss hast du angewandt?“

„Den dringenden.“ Auf diesen Satz hin folgte ein schwer auf mir lastendes Schweigen. Es dröhnte in meinen Ohren. Joshs Stimme durchbrach die Stille. „Herr Gott nochmal, bist du von allen guten Geistern verlassen? Sie ist ein Mensch! Hast du eine Ahnung, welche Folgen das für sie haben kann?“ Was? Folgen? Wovon zum Henker sprach Josh? „Reg dich ab, sie wird schon wieder. Sie ist schließlich eine Saphi.“ Josh schnaubte. „Aber sie ist und bleibt trotzdem ein Mensch. Sie ist keine vollwertige Saphi.“ Jetzt war Alan derjenige, der laut wurde. „Bist du dir sicher? Sie treibt es mit Roman! Saphi, Briam, klingelt da was bei dir?“ Wieder folgte Schweigen, bis der dritte sich räusperte. „Du solltest ihr wenigstens was zu trinken geben.“ Alan sagte nichts. Vielleicht nickte er. Oder schüttelte den Kopf.

Ich wusste es nicht.

Außerdem war ich viel zu sehr damit beschäftigt meinen Körper zu zwingen, sich endlich daran zu erinnern, wem er gehörte. Aber so sehr ich mich auch anstrengte und mir selbst gut zuredete: Es änderte nichts daran, dass ich in meinem eigenen Körper gefangen war. Mein Herz klopfte plötzlich schneller, als es sollte. Ich wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Ich wusste auch nicht, ob Alan eine Antwort gab. Falls ja, hatte ich sie überhört. Ich kämpfte gegen eine aufkommende Übelkeit, von der ich nicht wusste, woher sie kam.

Aber sie zog mich allmählich wieder in die warmen, dunklen, unwillkommenen Arme des Schlafes.

„Es tut mir leid.“, hörte ich ein leises Flüstern von einer Frau. Wollte sie mir helfen? „Bist du fertig?“, hörte ich Alans rumpelnde Stimme. Sie zeugte davon, dass er sehr ungeduldig war. „Ja. Sie ist gewaschen und umgezogen, wie du befohlen hast. Aber Alan, das ist falsch! Du kannst…“ Er unterbrach sie wirsch. Etwas fiel zu Boden. Vielleicht eine Schüssel. Oder ein Becher. Oder Alans Verstand. „Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten.“ Oh, … äh, die Frau hatte mich gewaschen? Ich hatte mir in die Hosen gemacht und sie…

Wie peinlich!

Kann mich bitte jemand in eine Maus verwandeln? Dann wäre ich klein genug, um mich in eine Ecke zu verkriechen und dort für den Rest meines Lebens zu schämen. Warum tat Alan mir das an? Wegen des beschissenen Buches oder steckte noch mehr dahinter? Oder einen Floh? Dann kann ich ihn belästigen und piesacken, wie es mir beliebt.

Ein Auto in die Höhe zu stemmen, war wesentlich einfacher, als meine Augen zu öffnen. Doch irgendwann gelang es mir. Die Frau war längst fort.

 

Alan auch.

Nur Josh lehnte an der Wand und bemerkte die Veränderung. „Hey.“, sagte er beinah zärtlich, was mir die Tränen in die Augen trieb. Ich konnte sie nicht aufhalten. Wie denn auch? Ich konnte weder sprechen noch mich bewegen. Aber die Anteilnahme, die er in seine Stimme legte, rührte mich. Weder er noch die Frau noch der andere Mann schienen davon begeistert, was Alan mit mir machte. Doch sie unterstanden ihrem Alpha und führten seine Befehle aus.

Wie Marionetten. Hirnlose, dumme Ja-Sager.

Wut raste ungehemmt durch meinen Körper, den ich zwar nicht beherrschen konnte, wodurch ich jedoch zitterte, als würde ich frieren. In Wahrheit stand ich ganz kurz vor einer gewaltigen Explosion. Leider konnte ich mir einen fröhlichen, knackigen Wutanfall nicht leisten. Wenn ich in meinem jetzigen Zustand mit Energie um mich warf, könnte irgendwas in diesem Raum Feuer fangen. Dann wäre ich ebenfalls angeschmiert.

Alan schlenderte herein, nickte Josh kurz zu, der daraufhin ging und kam zu mir. „Da bist du ja wieder. Wie fühlst du dich?“ Ich blickte stur an die Decke. Sie war schmutzig und grau. Oder helles Braun, und sie hatte kleine, feine Risse. Seltsamerweise fand ich keine einzige Spinnenwebe.

Putzte Scott auch hier unten?

Als sich sein Kopf in mein Blickfeld schob, schloss ich die Augen. „Ich weiß, dass du mich hörst. Du wirst kooperieren, ansonsten lasse ich dich hier drin verrotten, kapiert? Mir ist das scheißegal. Niemand wird dich hier suchen. Und falls doch, werde ich dafür sorgen, dass niemand dich findet. Du wirst tun, was ich dir sage und wann ich es dir sage. Wenn du das verstanden hast, öffne die Augen und sieh mich an!“ Die Augen zu schließen war einfacher gewesen. Trotzdem schaffte ich es ein zweites Mal, sie zu öffnen und schaute Alan widerwillig an. Sein zufriedenes Grinsen würde ihm noch vergehen. Dachte er wirklich, er könnte mich zwingen?

Oh, diese Grinsebacke würde sich noch wundern!

Er sollte schon mal die Feuerwehr und den Bestattungsdienst anrufen. Denn wenn ich mit ihm fertig war, würde er dazu nicht mehr in der Lage sein. Und sein verfluchtes Rudel auch nicht!

Wie ein Häufchen Elend saß ich ein paar Stunden später auf der Couch in Alans großem Salon. Die Frau, die mich gewaschen hatte – ich hatte sie vorhin an ihrer Stimme erkannt – saß neben mir und tätschelte meine Hand. Wenn ich mich schon wieder hätte bewegen können, hätte ich ihre Hand weggeschlagen. Doch die Reaktionen meines Körpers litten an deprimierender Antriebslosigkeit. Ich hörte Josh und Alan leise reden. Selbst wenn ich meinen Kopf nicht heben konnte, um die beiden zu sehen, war die Anspannung nicht zu überhören. Josh machte Alan schwere Vorwürfe, dass dieser mich nicht in die Sache hätte hineinziehen sollen. Nicht, weil ich nicht mehr zum Rudel gehörte, sondern weil Alan ein zu großes Risiko einging, was meine Gesundheit anbelangte.

Nett, dass es wenigstens einen kümmerte.

Blöd, dass Josh sich nicht mit den anderen verband und Alan eins überzog. Verstehe irgendwer diesen ganzen Rudelschwachsinn.

Alans Frau… Freundin, Geliebte – was auch immer – schob sich dichter zu der Frau neben mir und fragte flüsternd, ob es mir gut ginge. Die bissige Antwort, dass es schon wieder werden würde, gefiel mir. Wenn auch nur, weil es mich an meine Anfangszeiten als Alans Alpha erinnerte. In der hatte mich das Rudel ebenfalls abgelehnt. Nun ja… die meisten taten es immer noch, obwohl ich schon längst nicht mehr dazugehörte. Nur Maya hatte mich von Anfang an gemocht. Aber sie lebte nicht mehr. Und bald würde auch keiner dieses Rudels mehr leben. Oh ja, ich war zu allem bereit!

Oder zumindest wäre ich es, sobald ich mich wieder richtig bewegen konnte.

Allmählich spürte ich meine Beine und Arme wieder. Sogar meinen Kopf hätte ich heben können. Aber noch wollte ich niemandem zeigen, dass die Lähmung im Begriff war sich aufzulösen. Mein Magen gab grollende Geräusche von sich. Mein Mund war staubtrocken. Liebend gern hätte ich eine ganze Badewanne voll Wasser leer geschlürft.

In weniger als fünf Minuten.

Vor mir auf dem Tisch stand ein Glas Wasser. Niemand machte sich die Mühe mir einen Trinkhalm hineinzustecken und das Glas vor mein Gesicht zu halten.

Das machte mich wirklich, wirklich sauer.

Nun ja, es war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wahrscheinlich hatte Alan es den anderen verboten und keiner traute sich, sich ihm zu widersetzen. Warum tat Josh nichts? Er war, neben einer Alpha, der Einzige, der Alans Autorität anzweifeln und seine Anweisungen bis zu einem gewissen Grad umgehen konnte.

Zehn Minuten vergingen, bis ich mit zittrigen Fingern meine Hand nach dem Glas ausstreckte, es umklammerte und ohne es fallen zu lassen an meinen Mund führte. Vor Wonne seufzte ich, als das kühle Nass meine ausgedörrte Kehle benetzte. Gleichzeitig ignorierte ich den Drang sofort aufzuspringen, um Alan zu zeigen, wie gut ich kooperieren konnte. Sollte er sich ruhig noch einen Moment in Sicherheit wiegen.

Meine Mordlust wandelte sich in Bestürzung, als sich die Tür öffnete und Scott die erwarteten Gäste ankündigte. Ich war – kotzschwere Not – völlig ahnungslos gewesen. Kein Wunder, dass hier nichts vorwärtsging. Ich war jedoch nicht darauf gefasst, dass es Trudi, Chris und Claudia waren und schnappte überrascht nach Luft. Natürlich standen sie unter Zwang.

Oder nicht?

Bei Trudi war ich mir da nicht sicher. „Sam, du meine Güte. Geht es dir gut?“ Trudi stürzte zu mir und umarmte mich. „Du siehst furchtbar aus.“, meinte sie mit einem gequälten Lächeln, nachdem sie mich eingehend studiert hatte. „Aber besser als beim letzten Mal.“ Claudia sprach leise mit Alan, trotzdem konnte ich sie deutlich hören. Sie bedankte sich, weil Alan an meiner Seite gewesen war und mich gepflegt hatte, nachdem die Hexen uns angegriffen hatten.

Die Hexen?

Pah, dieser… dieser… widerliche Hurensohn!

Ich wollte seiner Mutter wirklich nichts unterstellen, aber Alans Benehmen ließ arg zu wünschen übrig. Bestand denn alles, was er tat, nur aus Lügen und Berechnung? Ich wollte meine Freunde gerade aufklären und ihnen nicht nur erzählen, sondern auch zeigen, wie wütend ich auf diesen gestaltwandlerischen Hinterwäldler war. Nur sagte mir Trudi in dem Moment, dass Claudias Kinder in der Küche den alten Scott auf Trab hielten. Na prima. Alan hatte vorausschauend gedacht.

Schöne Scheiße!

„Sam hat Glück, dass es ihr schon wieder so gut geht. Die Hexen waren ziemlich grob.“ Ich biss mir so fest auf die Zähne, dass mein Kieferknochen knackte. Er wollte spielen? Bitte, das konnte er haben! „Ach was.“, meine Aussprache war noch etwas schleppend, „Ihr hättet mal sehen sollen, was die Hexen mit Alan gemacht haben.“ Claudia und Trudi wurden hellhörig. Ebenso die anwesenden Were. Nur Alan versteifte sich und sandte mir Blicke zu, die nichts Gutes verhießen. Ich konnte sie lesen. Aber hallo – und wie! Mir egal! Ich hatte diese Blicke ebenso gut drauf wie er. „Sie haben ihn in meinen Teppich eingewickelt, ihn geschminkt, mit Lippenstift und allem Drum und Dran und sogar seine Fußnägel lackiert. Mit Purple Passion.“ Meine Freundinnen lachten leise, während die anderen versuchten ihr Lachen zu verkneifen. Von Alan erwartete ich jeden Moment, dass er Feuer spie.

Nichts dergleichen geschah.

Zu schade. Das wäre echt denkwürdig gewesen.

Alan zog sich zusammen mit den anderen Gestaltwandlern in eine ruhigere Ecke des Salons zurück. Ich blieb mit Claudia, Trudi, einem seltsam abwesenden Chris und der Gestaltwandlerfrau bei der Couch. Wo war denn Alans Freundin? Oh, sie stand allein am Fenster und hielt sich zurück. Wahrscheinlich war ihr die Situation unangenehm. Aber ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, als ernsthaft Mitleid zu haben.

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