Homo sapiens movere ~ geliebt

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Z serii: geliebt #5
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„Richtig. Wie kann ich es dir erklären, dass du es verstehst? Ich…“ Roman dachte angestrengt nach. Ich konnte es an den Runzeln auf seiner Stirn sehen. Etwas, was sonst nie geschah. „Sobald etwas eintritt, was dich und Alan oder dich und das Rudel betrifft, existierst du in dem Moment nicht für uns. Als gäbe es dich nicht. Verstehst du, was ich damit sagen will?“ Äh… nicht wirklich. Meinte er, dass er sich dann nicht an mich erinnerte?

Sein vorsichtiges Nicken entsetzte mich.

„Echt? Warum? Ich meine, du kannst mich doch nicht einfach vergessen? Was, wenn ich in dem Moment direkt neben dir sitze?“ Roman zuckte mit den Achseln. „Es wäre, als ob eine Fremde neben mir sitzt. Obendrein könnte ich nicht eingreifen. Selbst wenn ich wollte. Nur… Vampire helfen keinen Fremden. Ich könnte dich allerdings auch nicht verletzten, wenn du zum Beispiel zu dem Zeitpunkt in meiner Nähe wärst. Wegen der Bindung. Alles unbewusst. Nicht beeinflussbar.“ Ich nickte vorsichtig. Ganz entfaltete sich mir der Sinn nicht. „Was ist mit Zwang? Ist doch auch ein Rudelding. Dennoch funktioniert er bei mir nicht mehr.“

„Ich verstehe es selbst nur ansatzweise und weiß nicht, wie ich es dir begreiflich machen kann.“ Konnte ich nachvollziehen. Ich verstand schon das Erzählte nur ansatzweise. Wohl, weil ich es nicht verstand.

Paradox.

„Damit ich das richtig verstehe: Sollte Alan mich angreifen, könntest du nichts dagegen unternehmen, weil dich irgendeine Art – sagen wir Kodex – mit Augenbinde und Ohrenstöpsel versorgt?“ Roman nickte. Lächelte schwach. „So in etwa. Ja.“ Na das klang doch einfach fantastisch. „Aber du könntest mich rächen. Danach.“

„Das, meine liebe Sam, könnte ich.“ Puh! Immerhin etwas. „Aber ich darf ihn nicht töten. Nicht wegen dir. Nicht einmal dann, wenn er dich ernsthaft verletzt oder gar umbringt.“ Was? Gut, tot wäre ich dann sowieso.

Aber hallo?

„Warum nicht?“ Roman sah mich an. Sehr intensiv. Mit einem Blick, der besagte, dass mir seine Antwort nicht gefallen würde. „Als seine Gefährtin bist du Alans Besitz. Sein Eigentum. Du gehörst ihm.“ Ich schluckte. Hart. Empörung war zu wenig für das, was ich empfand. „Allerdings gilt das Gleiche für Alan. Er ist dein Besitz.“ Na bitte – das klang schon viel besser. Obwohl ich der Ansicht war, dass niemand irgendwem gehören sollte. Andererseits: Hieß das, ich konnte ihm ein Halsband anlegen und ihn Gassi führen?

Würde er sich niemals gefallen lassen.

Zu schade.

Roman lachte leise. „Es geht dir anscheinend gut. Sehr schön.“ Es ging mir nie besser. „Im Moment.“, korrigierte Roman meine Gedanken. Er hatte Recht. Niemand konnte vorhersagen, wann es mir das nächste Mal die Lichter ausknipste. Was, wenn das während eines Jobs passierte? Unverantwortlich!

Ich musste wohl oder übel ein wenig kürzer treten.

Zumindest bis sich diese leidliche Sache aufklärte.

War ich jemandem auf die Füße getreten? Hm… Kein wütender Briam. Keine aufgebrachte Exgeliebte von Alan. Kein Wandler. Die Feen schloss ich von vornherein aus. Vielleicht eine Frau, die Ansprüche auf Roman erhob? Nein. Dazu passte mein Unfall nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit Roman… ich hatte bereits mit ihm zu tun. Wenn auch in anderer Hinsicht als jetzt.

Kackmistscheißblöder!

Wenn doch alles so einfach wäre wie der Unterschied zwischen schwarz und weiß. Dann könnte ich mit dem Finger auf jemanden zeigen und sagen: Der war’s. Nö – so einfach war das Leben nicht. Besonders meins nicht. Und zwar, seit ich den dämlichen Alan Kotzbrocken Garu persönlich kannte.

Roman legte seinen Arm um mich. Zog mich an sich. „Mach dir nicht so viele Gedanken, Sam. Wir finden die Ursache.“ Ich kuschelte mich an ihn und legte meine Arme um seine Taille. „Das wäre schön.“ Roman legte sein Kinn auf meinen Kopf. „Weißt du, ich habe viele, viele unanständige Dinge mit dir vor. Aber du musst dich schonen.“

Ehe ich widersprechen konnte, trug Roman mich ins Schlafzimmer. Ich zappelte, versuchte ihn auszukitzeln – umsonst. „Keine Widerworte, Sam. Ruh dich aus. Wir sehen uns morgen.“ Er steckte mich ins Bett wie ein minderjähriges, ungehorsames Kind. Noch nicht einmal eine gemeinsame Dusche zog er in Betracht.

„Sam, Sam.“, tadelte er mich, streifte flüchtig meine Lippen und schon schlief ich ein.

Vermutlich hatte er dabei ein wenig nachgeholfen. Ach was… vermutlich?

Mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit!

4

Am frühen Nachmittag wachte ich auf. Schlaftrunken taumelte ich aus dem Bett, direkt ins Bad und dort unter die Dusche. Ganz bestimmt hatte ich diesen langen, tiefen Schlaf Romans Trickkiste zu verdanken. Allein schlief ich niemals so lang. Es sei denn, ich ging spät ins Bett.

Von Roman weit und breit keine Spur. Auf meine gedanklichen Rufe reagierte er sofort. Wie geht es dir, Sam? Ich konnte nicht klagen. Es ging mir fantastisch. Sehr schön. Wir reden später. Er klang, als sei er mit Wichtigerem beschäftigt. Gut. Ich war nicht auf ihn angewiesen. Reden konnten wir auch später. Jetzt hatte ich erst mal einen Bärenhunger.

Ein Blick in meinen Kühlschrank ließ mich die Augen rollen und den Mund verziehen. Das war so was von typisch! Das Ding war randvoll – mit Nichts zu essen.

Zum Kochen hatte ich keine Lust und so entschied ich mich, Chris anzurufen und ihn zu fragen, ob er mit mir Essen ging. Zur Not könnte ich auch allein gehen, aber in Gesellschaft war es allemal schöner. Falls er verhindert war, konnte ich Trudi anrufen. Oder Claudia. Aber die war sicher mit ihren Kindern vollauf beschäftigt. Und der unschönen Aufgabe einer Scheidung. Außerdem war es mitten am Tag. Meine Freundinnen würden noch auf Arbeit sein.

Während ich mir das Telefon schnappte und Chris’ Nummer wählte, loggte ich mich ins Internet ein und schaute nach Aufträgen. Zu meinem Glück lagen keine vor. Meine Güte, wenn ich bedachte, dass ich bei einem meiner Streifzüge in Ohnmacht fiele, das wäre… ähm… blöd, saudämlich, beschissen, volldeppert, unschön.

Ene, mene Muh…

Bloß… welche Ursache gab es dafür? Laut den Ärzten – und Stépan – war ich kerngesund. Eine Schwangerschaft war ausgeschlossen, und durch Romans Blut war ich quasi in einen allheilenden Jungbrunnen geplumpst. Die Ohnmachtsanfälle hatten nichts mit meinen Fähigkeiten als movere zu tun. Dessen war ich mir absolut sicher.

Mein Anteil als Saphi vielleicht?

War ich überlastet?

Zu viel Energie?

Zu wenig?

War das möglich?

Hatte es doch was mit Alan zu tun?

Es war zum Haare raufen. Niemand konnte mir eine Antwort geben; ich mir selbst am Allerwenigsten.

Mit einem Blick auf meine gut gefüllten Bankkonten und einem in die Website, auf dem meine letzten ‚Fundstücke’ versteigert wurden, legte ich mir einen selbst auferlegten Zwangsurlaub zu. Meine Anfrageoption wurde gesperrt. Solange, bis ich wusste, wie ich diese blöden Umfallattacken aufhielt. Beziehungsweise welche Ursache sie hatten und wie ich diese bekämpfte.

Chris, den ich inzwischen am Telefon hatte, sagte mir direkt zu. Er schien eben erst aufgestanden zu sein. Hoffentlich musste er nicht erst eine seiner vielen Frauen heimschicken. Oder noch schlimmer: Brachte sie mit!

„Soll ich dich abholen?“

„Ja, bitte.“ So gern ich auch selbst gefahren wäre, das Risiko einen weiteren Unfall zu bauen, weil sich unangemeldet sämtliche Körperfunktionen einstellten, konnte und wollte ich nicht eingehen.

In der Zwischenzeit machte ich mich ein bisschen zurecht. Im Schlabberlook brächten mich keine zehn Pferde in die Stadt. Dann schnappte ich meinen Rucksack, den ich im letzten Moment gegen eine Handtasche eintauschte und wartete auf Chris. Nach gut einer viertel Stunde hielt er vor dem Haus. Natürlich zog Chris mich wegen der Handtasche auf, aber ich grinste und bat ihn, mich daran zu erinnern, sie nirgends liegen zu lassen.

Während des Essens in einem schicken Lokal, plauderten wir über alltägliche Dinge, und ich heulte mich bei Chris aus, dass ich viel zu jung sei, um Abend für Abend allein vor der Glotze zu hängen. Dabei war ich oft genug mit Trudi und Claudia unterwegs gewesen. Sogar in einem Club, indem man sich vergnügte, tanzte und neue Leute kennen lernte. Aber hatte ich einen neuen Mann kennengelernt?

Nein.

Naja, ich war mit Roman… äh… intim geworden. Hieß das jetzt, wir hatten eine Beziehung? Ich glaubte nicht so recht daran. Wusste auch nicht, ob ich das wirklich wollte.

Umso erfreuter war ich über Chris’ Vorschlag, dass wir am Abend unbedingt einen draufmachen sollten. „Treffen wir uns um neun?“ Ich nickte. „Und wo?“ Chris ließ seine Augenbrauen hüpfen und senkte seine Stimme eine Oktave tiefer. „Im Reißzahn.“ Was? Kein Wunder, dass ich ihn nie im Cluchant entdeckt hatte. „Meinst du den neuen Club im Dom? Wirklich?“ Er nickte ernst, aber mit freudig glühenden Augen. „Super Stimmung. Nette Leute. Ein bisschen verrückt, aber da passen wir wunderbar rein.“ Dieser Club wäre nicht meine erste Wahl gewesen.

Vermutlich auch nicht die zweite.

Um ehrlich zu sein, hatte ich den gar nicht in Erwägung gezogen. Ich konnte nur hoffen, dass sich dort nicht nur Andersweltler herum trieben. „Vertrau mir Sam, es wird lustig.“ Sein Wort in Gottes Gehörgang! Aber da ich mit meinem Schicksal haderte – beziehungsweise dieses mit mir – war ich mir ziemlich sicher, dass irgendetwas schief gehen würde.

Die Stunden bis zum Abend rasten förmlich dahin. Von Roman hörte ich nichts. Also hatte ich auch kein schlechtes Gewissen. Warum auch?

 

Punkt Neun betrat ich den Club. Und, uh… ich sah heiß aus. Richtig heiß! Wenn sogar Chris bei meinem Anblick nach Luft schnappte, hatte ich erreicht, was ich wollte. Ich trug ein nagelneues Outfit, was geradezu nach Sünde schrie. Sündhaft teuer zum Beispiel. Aber das war es allemal wert. Eine sehr knappe, wie auf die Haut gemalte, dunkelrote Lederhose, dazu passende Highheels und ein weißes, bauchfreies Top, das einen großzügigen Blick auf mein Dekolleté gewährte. Meine Haare waren zwar seit dem letzten Friseurbesuch etwas gewachsen, trotzdem hatte ich sie mit Gel in eine fetzige Stachelfrisur verwandeln können. Mein Make-up passte, und ich hatte sogar eins der Parfums aufgelegt, die keinem Gestaltwandler in der Nase juckten oder zu einem Amoklauf trieben.

Chris, der eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd trug, strahlte wie ein Grand-Prix-Gewinner, als er mich erspähte. Er pfiff sogar anerkennend durch die Zähne. „Oh lala, meine Süße, wen willst du denn aufreißen?“ Meine Augenbrauen hüpften belustigt. „Schauen wir mal. Der Abend ist noch jung.“ Chris lachte, schnappte meine Hand und zog mich hinter sich her zur Bar. Dort bestellte er uns ein Bier.

In der Zwischenzeit schaute ich mich um. Hier im Reißzahn war wirklich alles vertreten: Vom Möchtegernrocker, der von den Weren beachtet werden wollte. Über den Gothikanhänger, der um die Gunst der Vampire warb. Zur Lolita, die wahrscheinlich viel älter war, als sie aussah. Bis hin zu absoluten Normalos und diversen Spezies der Anderswelt, die nicht unbedingt durch ihren Kleidungsstil ins Auge fielen.

Mit dem Bier schoben wir uns an einen Tisch. An diesem hatten wir einen Großteil des Clubs im Auge. Wir unterhielten uns prächtig. Eigentlich schrien wir mehr, als das wir sprachen, denn der Geräuschpegel war extrem hoch.

Natürlich wollte Chris wissen, was ich die letzte Zeit so getrieben hatte. Wie es mir ging. Ich erzählte ihm vieles, aber nicht alles. Die brisanten Details ließ ich aus. Bei Chris hatte sich nicht viel getan. Noch immer hüpfte er von Frau zu Frau. Und noch immer lebte er in den Tag hinein. Um ehrlich zu sein, konnte ich ihn mir auch gar nicht anders vorstellen. Chris und verantwortungsbewusst?

Eher fror die Hölle zu.

Samt aller Insassen.

Im Sommer.

„Los. Wir amüsieren uns. Ich schnapp mir die Süße da drüben und du dir den Kerl gleich daneben.“ Chris lief los, ehe ich kapierte, wovon er sprach. Ah. Die Brünette fiel genau in sein Beuteschema. Der Kerl – nicht unbedingt – in meines. Was tat man nicht alles für gute Freunde.

Eine halbe Stunde später standen wir wieder am Tisch. Chris mit der Hübschen im Arm; ich allein. Den Typ war ich Gott sei Dank wieder losgeworden. Da sah ich ihn.

Verdammt!

So viel Pech konnte doch nur ich haben, oder?

Was – zum dreifaltigen, bunt getupften Kuckuck – machte Alan hier?

Hoffentlich sah er mich nicht. Meine Hoffnung wurde zerstört. Es schien beinah so, als suche er gezielt nach mir. Denn so wie er mich sah, kam er mit schnellen Schritten auf mich zu. Ihm musste jemand gezwitschert haben, dass ich hier war. Chris und seine neue Flamme waren beschäftigt. Neben denen könnte jetzt eine Bombe einschlagen. Also keine Deckung von dieser Seite.

„Sam.“

„Alan.“

„Komm mit.“ Ich schüttelte den Kopf. „Mit dir gehe ich nirgendwo hin.“ Meine Worte ignorierend hob er mich schwungvoll hoch und warf mich über seine Schulter. Dass ich mich wehrte und wie eine Irre auf seinen Rücken einprügelte, interessierte ihn kein bisschen. Meine Schreie, dass er mich sofort abzusetzen hatte, wurden übertönt von der grölenden Masse, die Alan lauthals anfeuerte.

Vermutlich gingen die davon aus, dass er mit mir gleich eine flotte Nummer schob.

Ich hatte die viel grauenvollere Vorahnung, dass er mir, sobald wir allein wären, den Kopf abriss.

Weswegen auch immer. Leider hielt mich mein Gewissen davon ab, ihn inmitten der Massen vor aller Augen zu frittieren.

Er trug mich durch eine massive Stahltür, so dass der Lärm abrupt verstummte, als diese hinter uns zufiel. Jetzt könnte ich ihn brutzeln. Aber hinterher wäre er vermutlich noch angepisster. Es sei denn, ich fackelte ihn komplett ab. Hm… zu viele Zeugen, die mich mit ihm gesehen haben…

Alan lief weiter. Einen langen, spärlich beleuchteten Flur entlang. Dort stieß er eine weitere Tür auf, die in einen separaten Bereich des Clubs führte. Ich war mir sicher, dass hier kein Mensch freiwillig seinen Fuß herein setzte. Viel sah ich nicht, aber das mulmige Gefühl, was sich in meinem Nacken ausbreitete, das rote Licht, die schwarze Auslegeware und der Geruch nach Vampiren, verhieß nicht unbedingt eine Kuschellounge.

Zügig durchquerte Alan den Raum.

Nichts und niemand hielt ihn auf. Schon gar nicht mein Gezeter. Er öffnete eine weitere Tür, hinter der setzte er mich ab.

Die Tür verriegelte er, bevor er sich bedrohlich vor mir aufbaute.

Da die Wände allesamt mit erstaunlich echt aussehenden Folterwerkzeugen, Handschellen und Ketten dekoriert waren – Oh Scheiße, ist das Blut? – traute ich mich nicht, zurückzuweichen. Mein Arsch ging auf Glatteis. Genau das musste Alan bezweckt haben. „Hier sind wir ungestört. Allzu unwohl kannst du dich hier nicht fühlen, stimmt’s?“ Äh… wie bitte? Mir war vollkommen neu, dass ich auf Folterspielchen stand. Keine Ahnung, woher Alan diese Vermutung nahm. Er lag mit seiner Anspielung falsch.

Wartete er auf eine Antwort?

Da konnte er lange warten.

Ich war stinksauer auf ihn. Was bildete er sich eigentlich ein? Wütend verschränkte ich die Arme. Dabei ließ ich mir nicht anmerken, wie unwohl ich mich fühlte. „Machen wir es kurz. Wo warst du gestern Abend?“ Bitte? Was ging denn ihn das an? „Du kannst mich mal, Alan. Es geht dich einen Dreck an, wo ich mich wann aufhalte.“ Der hatte wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Verächtlich schnalzte er mit der Zunge. „Das hättest du wohl gern, hm?“ Au backe, er war wütend. Richtig wütend! So wütend, dass sich seine Augenfarbe änderte und seine Hände…

Oh Mist, das sah überhaupt nicht gut aus.

„Ähm… Alan? Beruhige dich, ja?“ Verdammt, ich wollte ihm nicht sagen, dass ich daheim gewesen und umgekippt war. Sein Mund verzog sich zu einem verhassten Grinsen, wobei er ein eindrucksvolles Raubtiergebiss entblößte. Dass ich mich rückwärts von ihm weg bewegte, merkte ich erst, als die Wand mich aufhielt. Doch blöderweise war der Abstand zu ihm dadurch nicht geringer geworden. Mit einem Krachen schlug seine Faust unmittelbar neben meinem Kopf gegen die Wand, aus der jetzt feiner Putz rieselte. „Sag mir, verflucht nochmal, wo du warst!“

Ich brauchte eine Weile, um meine Stimme zu finden, die mit meinem in meinem Hals pochenden Herzen einen unfairen Kampf ausfocht. „Zu Hause.“ Alan kniff seine Augen zusammen. „Mit Roman?“ Ähm… so könnte man es unter Umständen sagen. Ich schüttelte den Kopf und schluckte, während ich ihm leise mitteilte, dass ich mit Trudi zusammen gewesen war. Naja, und anschließend mit Roman, der Trudis Erinnerung ein wenig umsortiert hatte – was ich ihm nicht sagte. „Äußerst praktisch für ein Alibi, meinst du nicht?“

Ok… So nicht! Für was sollte ich jetzt schon wieder der Sündenbock sein?

„Ich kapiere nicht, was es daran auszusetzen gibt. Es ist die Wahrheit. Und wenn du deswegen alle Wände einschlagen willst oder auf mich, bitte, nur zu!“, fauchte ich in einem kurzen Wutausbruch, der meine Angst um Kilometer überragte. Ich hoffte allerdings, dass er meine Worte nicht ernst nahm.

Immerhin war ich mir nur allzu bewusst, dass es ihm egal war, ob er mich verletzte. Das hatte er mir oft genug eindrucksvoll bewiesen. Tja, sollte es so weit kommen, würde ich mich verteidigen. Solange er jedoch nur mit Worten um sich schlug, konnte er mich mal kreuzweise.

Alan hatte sich immer noch nicht beruhigt. Aber er dachte nach. Das konnte ich an seiner gerunzelten Stirn erkennen. „Bist du den ganzen Abend daheim gewesen?“ Vorsichtig nickte ich. „Ab wann war deine Freundin da?“ Es war ein Verhör. Worauf er hinauswollte, ahnte ich nicht mal ansatzweise. „Und anschließend bist du direkt ins Bett?“ Langsam nickte ich. „Allein?“ Darauf antwortete ich nicht.

Alan zuckte mit keiner Wimper, gab sein Raubtierimage allerdings trotzdem noch nicht auf. Nach wie vor hatte ich meine Arme verschränkt. Es kostete mich einige Anstrengung, diese Haltung beizubehalten, als er mir sehr nah kam und an meinem Hals schnupperte. Dabei streifte sein Brustkorb meine Arme, was ähnliche Auswirkungen auf meinen Körper hatte wie ein Stromschlag. „Du scheinst die Wahrheit zu sagen. Ich rieche keine Lüge.“ So was konnte er? War ja abgefahren! „Bist du fertig? Dann kann ich mich wieder amüsieren.“ Alan schenkte mir einen Blick, der meine Beine weich werden ließ, wobei mir die Gründe schleierhaft waren. „Du meinst, wieder flirten.“ Tief Luft holend hob ich meine Schultern. „Ist das nicht dasselbe?“ Alan lachte leise. „Du scheinst die Gefahr zu lieben. Oder macht es dich an, wenn Roman dich bestraft?“ Aus welchem Grund sollte der das tun?

Ach ja, Alan hatte ja seine eigene Vorstellung… von mir und Roman.

Zeugte es nicht von einem gewissen Grad an Eifersucht, wenn er ständig darauf zu sprechen kam? Nein, Sam. Tu dir das nicht an. Es ist Alan egal! Du bist ihm unwichtig! Das sollte mein Verstand lieber meinem Körper sagen, der erwartungsvoll summte, als Alan meine Handgelenke umfasste, sie an die Wand tackerte, seinen Körper an meinem rieb und meinen Hals küsste. Ich hörte ein Klicken und meine Hände hingen in Handschellen. Alans Hände strichen an meinen Seiten nach unten. Fuhren unter mein Shirt und schoben dieses nach oben.

Moooo-ment mal; ohne mich!

So viel Verstand besaß ich noch.

Ohne Mühe öffnete ich die Schlösser, befreite meine Hände und stieß Alan heftig von mir. Einen kurzen Augenblick schien er irritiert zu sein. Doch schon in der nächsten Sekunde hatte er sich wieder gefangen. Vielleicht hatte ich mich auch getäuscht. „Keine Lust? Ein Quickie mit dem Ex soll ziemlich berauschend sein.“ Hm, da müsste er eine andere Ex fragen. „Werde ich mir merken. Und jetzt bring mich zurück.“

Schnaubend packte er mich am Handgelenk und zog mich im Laufschritt hinter sich her, bis wir den Raum mit den Vampiren durchquert hatten. Dann ließ er mich augenblicklich los. Als hätte er sich an mir verbrannt.

Ich war stolz darauf, dass ich nicht weich geworden war. Und noch stolzer, dass ich keinen Drang verspürte in Tränen auszubrechen.

„Viel Spaß noch.“, raunte er, als wir endlich wieder den richtigen Teil des Clubs betraten. „Werde ich haben.“ Weder dankte ich ihm noch wünschte ich ihm dasselbe. So viel Nettigkeit hatte er von mir nicht verdient.

Chris war nach wie vor mit der Brünetten beschäftigt – ähm… sehr beschäftigt – und ich zwängte mich an die Bar, an der ich mir ein weiteres Bier bestellte.

Und einen Whiskey.

Und noch einen.

An Flirten war nicht mehr zu denken. Ich war angepisst. Aber sowas von! Dass ich den Club nicht vor lauter Wut abfackelte, machte mich stolz. Ich könnte es tun. Stattdessen trank ich weiter.

Als ich endlich daheim war, war es draußen schon hell. Notdürftig schminkte ich mich ab, wusch mich und fiel ins Bett.

Nur wenige Minuten später klingelte es. Warum um alles in der Welt klingelte mein Kopfkissen? Oder war es der Wecker?

Hatte ich den gestellt?

Nur langsam hob ich meine schweren Augenlider und warf einen Blick auf den Wecker, der mir zeigte, dass ich nur zwei Stunden Schlaf abbekommen hatte. Erst jetzt registrierte ich, dass das Klingeln von meiner Wohnungstür kam. Welcher Volltrottel schmiss mich an einem Samstagmorgen um sieben aus dem Bett? Ich wollte es ignorieren, aber wer immer seinen Finger auf den Knopf drückte, schien entschlossen zu sein, notfalls den ganzen Tag zu klingeln. Fluchend quälte ich mich aus dem Bett. Mit halb geschlossenen Augen trottete ich zur Gegensprechanlage und fauchte dort hinein, welcher Blödmann mich um meinen Schönheitsschlaf brachte.

Natürlich.

Alan.

Wer sonst sollte so unverschämt sein?

„Verpiss dich! Du bist hier unerwünscht.“

„Mach die Tür auf, Sam oder ich schwöre dir, ich trete sie ein!“ Oh bitte, für wen hielt er sich? „Versuch es und ich rufe die Polizei.“ Alan lachte leise. „Du weißt, dass die sich nicht in Rudelangelegenheiten einmischen.“ Selbst mit meinem halbkomatösen Hirn musste ich lachen. „Klar. Aber ich gehöre zu keinem Rudel. Und jetzt lass mich in Ruhe.“

 

Sein Fauchen war sehr, sehr eindrucksvoll.

„Mach. Die Tür auf. Sam! Es sei denn, du möchtest, dass ich den menschlichen Ordnungshütern einen gewissen Tipp gebe?“ Oh bitte! Wenn er noch lauter brüllte, würde die gesamte Nachbarschaft hellhörig werden.

Nur widerwillig drückte ich auf den Summer, ließ meine Wohnungstür angelehnt und taperte mit immer noch halb geschlossenen Augen in meine Schlafstube, schlüpfte in einen Jogginganzug, schmiss mir im Bad kaltes Wasser ins Gesicht und prallte auf dem Weg in die Küche gegen Alan. Erschrocken keuchte ich auf.

Das ‚Guten Morgen‘ sparte ich mir – es wäre ohnehin eine Lüge.

Ich zwängte mich an ihm vorbei in die Küche und setzte mir einen Kaffee an. Mir! Eine Tasse. Sollte er doch den Geruch inhalieren. „Ist Roman bei dir?“ Gedanklich schnappte ich nach Luft. Sonst noch was? Ich kochte vor Wut. „Jepp, ist er. In meinem Schlafzimmer. Im Wandschrank. Weitere Fragen?“ Seine Mundwinkel zuckten. Offenbar hatte er meinen Sarkasmus bemerkt.

Ich schenkte mir meinen Kaffee ein und lehnte mich – provozierend an diesem schlürfend – an die Anrichte. „Was willst du?“ Er war doch nicht hier, um Roman zu finden. „Das Rudel braucht deine Hilfe.“ Gut, dass ich nur an meinem Kaffee nippte. Sonst hätte ich mich daran verschluckt und ihn in Tröpfchenform in meiner Küche und über Alan verteilt. „Abgelehnt. Das hätte ich dir auch am Telefon sagen können.“ Alan schüttelte den Kopf. „Du verstehst mich nicht. Wir beanspruchen deine Dienste. Wir bezahlen dich dafür.“ Vorsichtig setzte ich die Tasse ab und verschränkte meine Arme. „Meine Dienste sind für dich und das Rudel nicht verfügbar. Das ist das schöne an meinem Job: Ich kann ablehnen. Zudem nehme ich im Moment aus gesundheitlichen Gründen gar keine Jobs an. Nimm es also nicht persönlich.“ Ich könnte mein Gesicht zu einem Grinsen verziehen, nur um ihn zu ärgern. Doch mir war nicht nach Lachen zumute. Noch nicht. „Wir bezahlen dich.“, fauchte Alan, der ein Nein nicht akzeptierte. Meine Problemchen überging er kurzerhand. „Das habe ich durchaus verstanden. Es ändert aber nichts an meiner Entscheidung. Such dir jemand anderen. Ich kann nicht.“

Ein Glucksen bildete sich in meiner Kehle, als er mir erklärte, er bräuchte jemanden, dem er und das Rudel vertrauten.

Es brach vollends aus mir heraus, als er erwähnte, dass ich nicht nur für, sondern mit ihm zusammen arbeiten sollte.

Ich bemerkte zu spät, dass Alan das nicht ebenso amüsant fand wie ich.

Doch da lag ich schon auf dem harten Boden meiner Küche. Alan hockte auf mir und fletschte seine Zähne. Trotzdem konnte ich das blöde Lachen partout nicht abstellen. Sobald ich sein todernstes Gesicht sah, brach ich erneut in wieherndes Gelächter aus. Vor lauter Lachen kamen mir die Tränen. „Reiß dich zusammen, Sam. Das ist nicht witzig!“ Jahaaa, für ihn vielleicht nicht. Ich hingegen fand es zum Brüllen komisch.

Mein Lachen erstarb durch einen gequälten Laut aus meinem Mund, weil Alan meine Handgelenke so fest auf den Boden drückte, dass sie knirschten. „Meinst du, ich werde dich anbetteln? Du wirst für das Rudel arbeiten, Sam. Entweder freiwillig oder ich zwinge dich dazu. Deine Entscheidung.“ Meine Entscheidung, hm? Entweder brach er mir alle Knochen oder ich gehorchte? Oh man, ich hasste ihn. Inbrünstig! War das wirklich der Mann, in den ich mich verliebt hatte? Der mir im ungünstigsten Moment immer noch das Herz brach?

Also, wenn ich die Wahl hatte zwischen gebrochenen Knochen und ein paar Tagen, die ich mit ihm aushalten musste und die mir auch noch bezahlt würden – haha, was waren schon ein paar gebrochene Knochen?

Wollte er mich mit etwas anderem zu einer Kooperation zwingen?

Das Risiko musste ich eingehen.

Mit geballten Fäusten und zusammen gebissenen Zähnen schüttelte ich den Kopf. „Nein. Ich werde nicht für dich arbeiten. Und jetzt geh von mir runter und verschwinde aus meiner Wohnung.“ Alan grinste eisig. „Sonst was?“ Oh, wie wäre es mit geröstetem Alpha? „Willst du mir drohen, Sam? Vergiss nicht, wer ich bin.“ Ok, sein grausiges Grinsen bekam ich ebenso gut hin. Wie könnte ich vergessen, dass er der größte, lebende Kotzbrocken war? Wo war Roman, wenn ich ihn brauchte? Oder Stépan?

Ah ja, Rudelangelegenheiten – wie ich das Wort hasste!

Ich gehört nach wie vor dazu, auch wenn ich das Alan nie im Leben auf die Nase binden würde. „So blöd bin ich nicht. Und jetzt verpiss dich endlich!“ Sein Glück, dass er mich losließ und aufstand.

Geräucherten Gestaltwandler brauchte ich nun wirklich nicht in meiner Küche. Den Gestank würde ich wochenlang nicht loswerden.

„Du wirst für mich arbeiten, Sam. Ich erwarte dich heute Abend um sieben auf meinem Anwesen. Sei pünktlich!“ Oh bitte! Diese Stimme funktionierte bei mir nicht. „Zwang hat auf mich keine Wirkung, schon vergessen?“ Er grinste, wobei er seine makellosen Zähne zeigte und sich zu meinem Ohr neigte. „Ich wollte dir nur in Erinnerung rufen, was ich kann. Denn selbst, wenn es bei dir nicht funktioniert, bei deinen Freunden tut es das sehr wohl.“ Vor Entsetzen schnappte ich nach Luft. „Lass meine Freunde da raus!“ Nonchalant zuckte er mit den Schultern. „Dann solltest du dich lieber schnell entscheiden. Arbeite für mich oder lebe mit den Konsequenzen.“ Das konnte nicht sein Ernst sein, oder? „Das würdest du nicht tun. Ich kann wirklich nicht für dich arbeiten. Ich habe im Moment ein paar… Probleme.“, flüsterte ich mit flatterndem Herzen und abgehacktem Atem. „Sam, Sam.“, tadelte mich Alan, „Dir sollte klar sein, dass das Rudel für mich immer an erster Stelle steht. Deine Freunde sind unwichtig. Deine Probleme sind unwichtig. Du bist unwichtig. Aber ich brauche dich für diese Aufgabe. Ein anderer kommt nicht in Frage.“ Er wusste, dass er mich damit in den Händen hatte.

So ein Arschloch!

Mit zusammengebissenen Zähnen und zu Fäusten geballten Händen nickte ich. „Also gut. Normaler Tarif und Gefahrenzulage.“ Alan schnaubte belustigt. „Falsch, Sam. Nachdem du nicht sofort zugesagt hast, wirst du natürlich mit Freuden deine Hilfe umsonst anbieten. Um sieben bei mir. Sei pünktlich!“ Damit drehte er sich um und marschierte aus meiner Wohnung. „Du dämlicher Lackaffe, du selten blöder. Du …“ Verflucht! Was bildete sich dieses Arschloch ein? Ich ließ ihn ungeschoren davon kommen und fügte mich meinem Schicksal, ohne ihn auch nur ein winziges bisschen anzubrutzeln. Arrrgh!

Tja… welche Wahl blieb mir? Wenn meinen Freunden etwas passierte… Claudia, Trudi, Chris… das konnte ich nicht auf mich nehmen.

Noch einen Verlust würde ich nicht verkraften.

Ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich mich darauf einließ.

Darauf einlassen musste, weil er meine einzige Schwäche ausnutzte. War ich nicht erbärmlich?

Ich heulte.

Schon wieder. Wirklich, das war doch das Letzte.

Das Allerletzte!

Viel zu wütend, um wieder ins Bett zu gehen, begann ich wie ein Taifun durch meine Wohnung zu sausen und diese gründlich zu putzen. Obwohl das überhaupt nicht notwendig war. Für ihn arbeiten, hm? Und was, wenn ich umfiel? In Alans Gegenwart? Würde er sich in Fäustchen lachen? Ich versuchte, es zu verdrängen. Der Versuch, Roman zu kontaktieren, schlug fehl. Den gesamten Tag über. Also musste ich ohne Rückendeckung los.

Gefiel mir nicht.

Meine Lady stand noch immer in der Werkstatt. Ich könnte das Auto nehmen. Ich war mir jedoch sicher, dass ich nach meinem Aufenthalt bei Alan dermaßen wütend wäre, dass ich als aktiver Autofahrer eine Gefahr für die Menschheit darstellte. Sofern ich das nicht schon tat, weil die Möglichkeit eines weiteren Aussetzers bestand. Darum rief ich mir ein Taxi.

Punkt sieben stand ich in der Lobby von Alans Anwesen und wartete auf den werten Herrn am-liebsten-würde-ich-ihm-die-Visage-umgestalten-Garu, der durch Abwesenheit glänzte. „Ein wichtiges Gespräch wird ihn noch ein Weilchen aufhalten.“, gab Scott mir räuspernd zu Verstehen. Gleichzeitig bat er mich, im kleinen Salon Platz zu nehmen.