Homo sapiens movere ~ geliebt

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Z serii: geliebt #5
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„Hmhm.“

„Bist du dir sicher?“ Ich nickte abwesend. Mein Blick gebannt auf die knisternde Szene gerichtet. „Im Allgemeinen nennt man das wohl Partnertausch.“ Zu schade, dass das nicht funktionierte. Obwohl ich gehört hatte, dass Wissenschaftler daran arbeiteten, das Fernsehen als zweite Realität zu schaffen. Über einen Helm würde man sich in das Geschehen einloggen und an die Stelle der gewünschten Person treten. Hmm. Jammerschade, dass dies noch eine Weile dauerte. „Gott, Sam. Du machst mich verrückt!“ Irritiert sah ich Roman an. „Entschuldige. Beachte mich einfach gar nicht.“ Sein leises Zischen, begleitet vom sanften Streicheln seiner Hände, erregte mich. Schlagartig richtete sich meine Konzentration auf ihn. Der Film verblasste zu einem Hintergrundgeräusch. Romans Augen waren geschlossen. Sein Kiefer voll Anspannung zusammengepresst. „Das ist verdammt schwierig, Sam. Du redest manchmal, ohne zu denken.“ Es klang lustig, wie er durch zusammengepresste Zähne sprach. Allerdings hatte ich keinen Plan, was er meinte. Ich runzelte die Stirn.

Oh… und… ooooh…

Roman war erregt. Er war also heiß auf die Frau?

Toll.

Mich wollte er nicht; empfand mich als Schwester. Aber bei dieser Schnitte wurde er geil. War ich eifersüchtig? Keine Ahnung. Aber ich war definitiv beleidigt. Enttäuscht. Angepisst.

Suchen Sie sich was aus…

„Lass mich kurz aufstehen, Sam.“ Hastig schob er meine Beine von sich, ehe ich selbst dazu kam. Ebenso schnell stand er auf und verschwand. Nur wenig später hörte ich Wasser rauschen. Ganz langsam tief ein- und ausatmend stand ich ebenfalls auf. Stellte den Film auf Pause. Lockerte meine Fäuste.

Wie konnte ich bloß so sauer sein? Ich hatte keinen Grund dazu. Roman hatte sich mehr als deutlich ausgedrückt. Und dass er sich jetzt im Bad vermutlich einen runterholte, sollte mir egal sein. Er hatte mir keinen Korb gegeben. Er war lediglich ein wenig scharf geworden. Kein Problem.

Um mich zu beruhigen, brauchte ich einen Kaffee.

Mit viel Zucker und Milch. Der wirkte bei mir am besten. Wein schien mir dafür gänzlich ungeeignet. „Kaffee?“, rief ich seine Richtung, schon auf dem Weg in die Küche. Ich bekam keine Antwort. Ok, Sam, komm runter. Es ist nicht so, als hättest du Ansprüche auf ihn. Er ist nur ein Kumpel. Genau wie Chris… Nur… etwas bissiger. Und dass Chris mich… nun ja… kein bisschen erregte.

Ich füllte die Kaffeemaschine und wartete.

Das leise Blubbern war prima geeignet für eine Hypnose-Entspannungstherapie: Blubber – Zisch – Chrrrt. Blubber – Zisch – Chrrrt.

Betörend gleich.

Einlullend.

Bis Roman plötzlich hinter mir stand.

Ich war derart vertieft in das Geräusch gewesen, dass ich bei der leichten Berührung meines Nackens quiekend zusammenfuhr. „Man!“, atmete ich heftig, schlug mir die Hand auf die Brust, „Musst du so schleichen?“ Mein Herz wummerte. „Ich bin nicht geschlichen. Wo warst du mit deinen Gedanken?“ Es klang fast wie ein Schnurren. Während er fragte, strich er mit seinem Zeigefinger weiterhin zärtlich über meinen Nacken. Das brachte mich völlig aus dem Konzept. Ich stotterte eine Antwort – er lachte leise. Ich wusste nicht, ob wegen meines Stotterns oder wegen meiner Kaffeemaschinengeräuschtheorie. „Dich hat also das Geräusch der Kaffeemaschine abgelenkt?“ So in etwa. „Eher… äh… vereinnahmt.“

Roman berührte mich nicht mehr, stand aber immer noch sehr nah hinter mir. Ich konnte die Wärme seines Körpers spüren. Machte mich nervös. So nervös, dass ich mich nicht getraute, mich umzudrehen. „Willst du auch einen?“ Er lehnte ab. Mit einer derart lasziven Stimme, dass ich vor Verlangen fast in die Knie ging. Eben noch war er ins Bad gestürmt. Jetzt verführte er mich. Irgendwie. Wenigstens kam es mir so vor.

Aber Roman?

Mich?

Ausgeschlossen!

Ich hatte wirklich eine blühend blumige Fantasie.

„Gib mir bitte eine Tasse, Roman.“ Dann müsste er sich bewegen, und ich konnte mir gefahrlos Zucker und Milch holen. „Eine Tasse? Ist das alles, was du willst, Sam?“ Ich schüttelte vorsichtig den Kopf.

Konnte er wohl bitte, bitte dieses Raunen abstellen?

„Milch und Zucker.“, sagte ich. Ruhiger, als ich war. „Das ist dann alles?“ Roman stellte sich dicht hinter mich. So dicht, dass ich seinen Körper spürte. Strich mit den Lippen über meinen Nacken. „Äh…“ Seine Hände glitten besitzergreifend nach vorn auf meinen Bauch. Die Gedanken überschlugen sich geifernd in meinem Kopf. Ich war unfähig mich zu rühren. Es reichte, dass meine verrückten Hormone erwartungsvoll hechelten.

Was war mit Roman los?

„G-geht’s dir gut?“ Hoppla! Das klang seltsam gequetscht. Ein wenig quietschend. „Hmhm. Fantastisch.“ Versteckte Roman in seinem Bad Drogen?

Persönlichkeitsspaltende?

„Äh…“ Man! Normalerweise war ich der Sprache fähig. Ich wusste nicht, was ich von dieser Situation halten sollte.

Inzwischen knabberte Roman an meinem Nacken. Leckte über meine Haut. Schabte leicht mit seinen Zähnen. „Roman?“ Meine Güte, ich hatte wirklich nichts dagegen. Aber wenn er sich nur einen Scherz erlaubte, wäre ich sauer. „Samantha?“ Rrrrrh. Mein Name klang aus seinem Mund wie Sex. „Was tust du?“ Er presste sein Becken gegen mich. Und mich damit etwas fester gegen die Anrichte. „Ich habe gelogen, Sam.“ Gelogen?

Ich keuchte. Jegliches zusammenhängendes Denken stellte sich ein. Gleich nach dem letzten noch klaren Gedanken, dass Roman bloß nicht zur Vernunft kommen sollte. Eine seiner Hände schob sich unter mein Shirt. Die andere in meinen Slip. Ich wollte etwas sagen. „Halt die Klappe, Sam.“ Zielstrebig fand er meine Klitoris. Reibend, zupfend, streichelnd brachte er mich an den Rand eines Orgasmus. Die andere Hand kümmerte sich um meinen Busen. Ganz besonders um meine Nippel. Wohin mein BH verschwunden war – oder wie – kümmerte mich nicht die Bohne. Ich presste mich enger an ihn. Rieb meinen Po gegen seine Erektion. Kreiste mit den Hüften. „Halt still, Sam.“ Er machte wohl Witze! Wie konnte ich bei diesem Ansturm von Gefühlen still halten?

Roman kniff fest in meinen Busen. Scharf holte ich Luft. „Halt still!“ Die Finger seiner anderen Hand glitten durch meinen Spalt. Teilten meine Schamlippen. Zwei schob er in mich, während sein Daumen sich sofort wieder um meine Klitoris kümmerte. Sein Atem dicht an meinem Ohr, erteilte er mir eine Anweisung. „Komm für mich, Sam. Jetzt!“ Ich hatte schon davon gelesen. Es gab Frauen, die auf diesen Befehl hin kamen. Ich gehörte nicht dazu.

Bis jetzt.

Ich zuckte unter dem Ansturm des Orgasmus. Schauer rieselten über meine Rücken. Romans Daumen blieb mit sanftem Druck auf dem kleinen Nervenknoten, während ich eine schier unendliche Welle ritt. Meine Muskeln zogen sich um seine Finger zusammen. Ich schob mich enger an Roman. Meine Augen geschlossen. Die Finger in meinen Handflächen vergraben. Ich atmete stoßweise.

Nur langsam verebbten die kleinen Nachbeben.

„Braves Mädchen. Beug dich vor und stütz dich mit den Händen ab.“ Ich fühlte mich leer, als Romans Finger verschwanden. Unfähig seiner Anweisung nachzukommen. Er lachte leise. Eine Hand in meinem Genick, drückte er mich nach unten. Im letzten Moment fing ich mich mit den Händen ab. Kühle umfing mich. Dabei war mir so heiß, als wäre ich die Sonne.

Langsam strich Romans Hand meinen Rücken hinab. Die andere glitt kurz zwischen meine Beine. Tauchte in meine Nässe, während sein Knie meine Beine noch etwas weiter spreizte. Die Hand zog sich zurück. Nur wenig später umfasste er meine Hüften. „Willst du mich, Sam? Soll ich dich ficken?“ Noch während ich – erstaunt über seine Wortwahl – nickte, trieb er sein Glied mit einem Stoß in mich. Ich hatte kein Geräusch von Klamotten gehört. Ich hatte nicht mal gespürt, wie Roman mich auszog. Trotzdem war ich nackt. Und Roman ebenso. Kurz verharrte er.

Strich bedächtig über meine Schulterblätter.

Meine Wirbelsäule.

Meinen unteren Rücken.

Meinen Hintern. „Roman, bitte!“ Er lachte leise, der Mistkerl. „Bitte was, Sam?“ Ich sagte es. Nein; ich schrie, dass er sich endlich bewegen sollte. Das tat er. Oh… und wie er sich bewegte! Wie eine routinierte Maschine. Mal mit kurzen, mal mit langen Stößen. Schnell. Hart. Härter. Dabei traf er genau den einen Punkt in mir, der mich unzählige Male mit leisen Explosionen erschütterte. Roman hielt inne, schob einen Arm über meine Brüste und zog mich an sich. „Fass dich an, Sam. Ich will, dass du nochmal kommst.“ Ich bezweifelte, dass ich innerhalb so kurzer Zeit ein zweites Mal kommen könnte. Doch trotz aller Zweifel kam ich seinem Wunsch nach. Oder war es ein Befehl? Ich war schon zu weit von Gut und Böse entfernt, als das zu unterscheiden.

Unerwartet rollte ein zweiter Höhepunkt über mich hinweg. Und Roman nahm mich dabei mit einer Gewalt, die ihn ins schier Endlose streckte. Stöhnend ergoss sich Roman in mir.

Er verharrte eine Weile.

Zumindest bis ich wieder etwas zu Atem gekommen war.

Dann glitt er aus mir heraus und drehte mich zu sich um. Ich war froh, dass er mich weiterhin festhielt. Sonst wäre ich vor seine Füße gesunken. Besonders bei seinen nächsten Worten. „Schwächelst du schon, Sam? Ich bin noch lange nicht fertig mit dir.“ Er lächelte. Dann küsste er mich. Allein davon wäre ich fast ein drittes Mal gekommen. Mit einem Ruck nahm er mich auf die Arme und trug mich nach oben in sein Schlafzimmer.

Der Kaffee, der Fernseher, der Film – alles war vergessen.

Wichtig war nur sein Schwanz, der sich in mich rammte. Romans Finger, die mir unzählige Orgasmen abverlangten. Das Gefühl von nackter Haut auf nackter Haut. Das Kribbeln, wenn seine Finger meinen Körper erkundeten. Ihn streichelten, fester zupackten. Seine Zähne. Und seine Augen, die mich verschlangen.

 

Alles andere als brüderlich – die erwähnte Lüge.

Als ich mich endlich matt, wunderbar befriedigt und träge lächelnd mit meinem Rücken an seine Brust schmiegte, streckten die ersten Sonnenstrahlen ihre neugierigen Finger durchs Fenster. Roman malte kleine Kreise auf meine nackte Haut und flüsterte mir selbstgefällig ins Ohr, dass es mir ebenso gefallen hätte wie ihm. „Ist dir aufgefallen, hm?“ Leise lachend zog er mich enger an seine Brust, hüllte mich in seine Arme und seinen wunderbaren Duft. Dann hauchte er mir einen Kuss auf die Schläfe und meinte, wir sollten uns ein wenig ausruhen. „Guter Plan.“, murmelte ich. Ich glaubte nicht, dass ich etwas anderes zustande brächte. Allein der Gedanke, laufen oder mich bewegen zu müssen, schien von höhnischem Gelächter begleitet zu sein. Andererseits wäre es vielleicht besser zu gehen. Doch der schiere Gedanke daran ließ meine Muskeln protestieren. Ich glaubte nicht, dass ich morgen laufen könnte. Oder übermorgen.

Roman würde mich tragen müssen.

3

Oh man, was für eine super riesen Kacke.

Ich war eine Schlampe, oder? Ich hatte mit dem – ehemals oder noch immer – besten Freund meines Ex-Freundes geschlafen. Und das nicht nur einmal.

Ich lauschte in mein Innerstes, aber da regte sich nichts. Kein Bedauern, kein schlechtes Gewissen. Ich war niemandem Rechenschaft schuldig. Das oder… ich bin eine Schlampe. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Wenn man die Ironie der ganzen Sache betrachtete, fühlte ich mich dennoch erstaunlich gut. Schließlich war es Roman zu verdanken, dass Alan sich von mir getrennt hatte.

Tja.

Roman hatte mich vor zwei Stunden heim gebracht, mir einen erstaunlich sanften Kuss gegeben, seinen Kopf leicht zum Abschied verneigt und war wieder verschwunden.

Eine einmalige Angelegenheit – von einer Nacht – die mir nicht halb so sehr zusetzte, wie befürchtet. Ach was, ich hatte gar nichts befürchtet. Würde es einmalig bleiben? Ich sollte nicht darüber nachdenken. Es einfach auf mich zukommen lassen.

Jetzt jedoch hatte ich einiges zu erledigen.

Zuerst warf ich meine alten Klamotten in den Wäschekorb, als zweites stieg ich unter die Dusche und als drittes warf ich auch die Sachen, die Roman mir gesponsert hatte, zu meinen. Wir waren erst spät aufgestanden. Hatten demzufolge spät zu Mittag gegessen. Noch immer fühlte ich mich satt. Und noch immer zitterten meine Beine ein wenig, wenn ich an die letzte Nacht dachte. Ich verspürte sogar einen leichten Muskelkater. Ich! War denn das zu fassen?

Nach der Dusche fühlte ich mich sonderbar. Romans Duft fehlte. Dabei hatte ich geglaubt, der wäre mir unter die Haut gegangen. Jetzt roch ich fruchtig.

Es gab Schlimmeres. Ich könnte zum Beispiel glitzern oder sowas.

Ich schwebte in meine Küche. Zumindest fühlte ich mich ganz leicht. Hatte ich mich in Roman verliebt? Hm. Eine gute Frage. Ich empfand definitiv etwas für ihn. Aber Liebe? So eine wie für Alan?

Früher, verdammt. Früher!

Dass ich diesen Deppen einfach nicht vergessen konnte, ärgerte mich. In Gedanken zerpflückte ich die Emotionen, die Roman in mir auslöste. Sie brachten mir keine klare Erkenntnis. Außer, dass ich ihn nicht missen mochte. Und – dass ich den besten Sex meines Lebens gehabt hatte. Roman war tatsächlich kein zärtlicher Liebhaber. Er wusste, was er wollte und forderte es geschickt ein. Dabei könnte ich schwören, dass er sich sehr, sehr zurückgehalten hatte.

Gee-nau! Darum habe ich jetzt auch Muskelkater.

Haha.

Gegen eine Wiederholung hätte ich nichts einzuwenden. Aber gäbe es eine?

Grinsend flatterte ich durch meine Küche. Obwohl es in der gar nichts zu tun gab. Sowie ich das erkannte, glitt ich in die Wohnstube.

Oh du meine Güte!

Schweben. Gleiten. Flattern.

Ich musste echt einen an der Klatsche haben. Ich benahm mich wie ein Teenager, der seinen ersten großen Schwarm ins Bett bekommen hatte. Zugegeben: Nach meiner langen Enthaltsamkeit fühlte es sich ein wenig so an. Zufällig fiel mein Blick auf den Kalender. Der 21. Hm, ich sollte Trudi anrufen. Bestimmt wollte sie wissen, wo ich so lange steckte. Das Blinken des Anrufbeantworters bestätigte meine Vermutung. Naja, eigentlich erst das Abhören desselben. Ich rief sie an. Lud sie kurz entschlossen ein. Ein gemütlicher Mädelsnachmittag – oder Abend. Während ich auf ihr Eintreffen wartete, überlegte ich, wieviel ich Trudi erzählen konnte. Theoretisch alles. Fast alles. Mein Blick wanderte zurück zum Kalender.

Sofort zuckte ich zusammen. Der 21… Sommersonnenwende. Vor anderthalb Jahren hatte ich den Unfall gehabt; seitdem noch nicht wieder auf meinem Motorrad gesessen. Mir fiel ein, dass ich den Auftrag für meine Lady zwar erteilt, aber diese noch nicht aus der Werkstatt abgeholt hatte. Ich erinnerte mich an einen Anruf der Werkstatt. Meine Lady war fertig. Daraufhin hatte ich den guten Mann jedoch vertröstet und gesagt, dass ich – sobald es mir die Zeit erlaubte – vorbei käme.

Morgen oder übermorgen.

Nächste Woche.

Ich wusste nicht, warum ich es aufschob. Angst? Blödsinn! Wovor sollte ich Angst haben…

Trudi traf nur eine halbe Stunde später bei mir ein. In der Hand eine Flasche Wein. Sogar recht teuren Wein, wenn ich dem Etikett glauben konnte. Verdiente sie so gut? Ich wusste, was die Flasche kostete. Holte mir selbst hin und wieder ein paar davon. Hoffentlich versuchte sie nicht, mich damit zu beeindrucken. Sie hielt die Flasche hoch. „Die und noch ein paar andere hab ich von meinem Mann stibitzt. Ex. Er hat es nie bemerkt. Ich dachte, ich hebe ihn für einen besonderen Anlass auf. Und ein Abend unter Freunden ist dafür gut geeignet, oder?“ Verblüfft sah ich sie an. „Du warst verheiratet?“

„Wir sind über die Verlobungsphase nie drüber hinausgekommen. Zwei Jahre lang. Gott sei Dank. Eine Scheidung wäre teuer gewesen.“, sie zuckte mit den Schultern, „Ich habe trotzdem immer ‚mein Mann‘ gesagt. Macht der Gewohnheit.“ Puh! Ich dachte schon, ich hätte was verpasst.

Oder vergessen.

Konnte Trudi eigentlich Gedanken lesen? Stirnrunzelnd sah ich sie an. „Nein, kann ich nicht. Aber dein Gesichtsausdruck spricht Bände.“ Sie kicherte. „Für einen Moment hast du mich wirklich erschreckt.“ Das meinte ich ernst. Trotzdem fiel ich in ihr Lachen ein. „Los, komm. Wir köpfen die Flasche.“ Ich ließ meine Augenbrauen hüpfen und wies Trudi ins Wohnzimmer. Sie folgte mir jedoch in die Küche. Pfiff anerkennend. „Ist die neu oder habe ich beim letzten Mal nicht richtig geguckt?“ Sie war neu. Sagte ich ihr auch. Nur den Grund verschwieg ich. Vorerst. „Hübsch. Wirklich hübsch. Da könnte ich glatt neidisch werden. Meine ist… uralt.“ Und meine schon die zweite neue Küche innerhalb von nicht mal drei Jahren. Das machte mir ein schlechtes Gewissen. „Wir können ja mal einkaufen gehen.“, zwinkerte ich ihr zu. „Na klar. Aber sonst geht’s dir gut, oder? Du kannst mir doch keine neue Küche kaufen!“

„Warum denn nicht? Für mich sind das Peanuts. Aber wenn du nicht willst, kann ich das verstehen. Dann bekommst du die, sobald ich umgezogen bin.“ Trudis Mund klappte auf. Welcher Teil meiner Aussage dafür verantwortlich war, blieb mir verborgen. Vermutlich alle. „Du… echt? Du ziehst um? Wann denn? Wohin? Warum? Die Wohnung ist doch schön.“ Klar, war sie. „Ich brauche etwas Eigenes. Ein kleines Haus. Mit Garten. Wo ich Veränderungen machen kann, ohne vorher jemanden um Erlaubnis zu bitten.“ Trudi nickte zweifelnd. „Also… ist es für dich kein Problem, mal eben ein neues Haus zu kaufen?“ Ihre Stimme schnippte mehrere Oktaven höher. „Du bist reich?“ War ich. Mein Job hatte auch seine guten Seiten. Zusätzlich brauchte ich den Nervenkitzel. Die Herausforderung. „Stört dich das?“ Abrupt schüttelte sie den Kopf. Trudi war tatsächlich etwas blass geworden. „Hat… hat Alan was damit zu tun? Eine Abfindung oder so?“ Na da wurde doch der Storch auf der Wiese verrückt. „Nein. Das Geld hatte ich schon vorher. Ich arbeite. Zwar eher unkonventionell, aber ich arbeite. Nehme Aufträge an, führe sie aus, werde dafür bezahlt. Meine Fähigkeiten als movere sind dafür entscheidend. Es ist immer ein Risiko dabei. Sonst wäre der Job sicher nur halb so gewinnträchtig. Und Alan… nun, der hat anfangs überhaupt nicht geglaubt, dass ich eigenes Geld besäße. Oder einen Job. Oder ein Haus. Mein altes Haus. Kannst du dir das vorstellen?“ Ihr Kopfschütteln war vorhersehbar. Sie mochte von Alan zur Einsicht gebracht worden sein – was eine Beziehung betraf. Sein gottähnlicher Status hatte dadurch jedoch nicht gelitten. „Bist du sowas wie ein Agent?“ Ein Agent?

Ich?

Äh… Eigentlich nicht. „So ähnlich. Ich beschaffe Dinge, die anderen abhandengekommen sind oder die jemand unbedingt haben will.“ Eine nette Umschreibung für einen Dieb.

Ich war froh, dass Trudi dies ohne weitere Fragen hinnahm.

Wortlos reichte ich ihr zwei Weingläser, holte eine Tüte Chips aus dem Schrank und lief Trudi hinterher in die Wohnstube.

Seufzend plumpste sie auf meine Couch, stellte Gläser und Flasche ab und schlug ihre Beine übereinander. Gleich darauf ließ sie zwei Bomben platzen. In einem Satz. „Überrascht mich ein wenig, aber damit kann ich leben. Wenn deine Moral noch genauso hoch ist wie früher, nimmst du nur von denen, die es entbehren können. Ich wette, du spendest sogar große Summen.“, sagte sie und öffnete dabei die Weinflasche. „Meine Sam ist eine Diebin und meine Claudia lässt sich scheiden. Also wenn das kein guter Grund für den Wein ist, weiß ich auch nicht.“ Verdattert starrte ich sie an. Meine Kinnlade hing auf Teppichhöhe. „Mach den Mund zu, Sam. Hast du vergessen, dass ich die mit dem hohen IQ bin? Ich kann eins und eins zusammenzählen. Auch wenn du es noch so schön formulierst. Setz dich. Ich werde keinem ein Sterbenswörtchen sagen. Versprochen.“ Sie goss in aller Seelenruhe den Wein ein. Reichte mir ein Glas. „Prost. Auf uns. Und deinen neuen Lover.“ Meinen…

Woher wusste sie das denn?

„Du brauchst gar nichts abstreiten. Na gut, vielleicht kein Lover. Aber zumindest Sex, hm? Du hast da einen Knutschfleck am Hals.“ Sie tippte auf die rechte Seite ihres Halses. Ich griff an meine linke. Trudi grinste spitzbübisch. Sehr schön.

Ich fühlte mich kein bisschen überrollt.

Eher so, als wäre ich frontal gegen eine Planierraupe gelaufen. Zweimal.

Fassungslos setzte ich mich neben Trudi. „Ok. Mal meine Wenigkeit beiseitelassend… Claudia lässt sich scheiden?“ Vor lauter Ungläubigkeit drohten meine Augen aus dem Kopf zu springen. Mein Haaransatz bekam Besuch von meinen Augenbrauen. „Hat sie mir vor zwei Tagen gesagt. Sie wollte dich auch dabei haben, aber du warst nicht da.“ Ich nickte langsam. „Lange Geschichte. Erzähl ich dir später. Wenn du willst.“ Sie sollte mir lieber sagen, wie es zu Claudias Entschluss kam. „Ihr Mann ist auf Montage. Weißt du ja. Nun, vorige Woche klingelt es nachmittags bei ihr an der Tür. Eine fremde Frau steht davor. Fragt, wer sie ist. Anfangs war Claudia vorsichtig. Man hört ja so einiges. Doch die Frau hatte Fotos. Von einem sich glücklich anstrahlenden Pärchen. Die Frau selbst und Claudias Mann. Sie erklärte Claudia, sie sei schwanger. Jean würde ihr seit Ewigkeiten versichern sie zu heiraten. Tja, dann muss es bei der Tussi wohl klick gemacht haben. Sie ist in Tränen ausgebrochen. Anscheinend war ihr nicht klar gewesen, dass der Gute bereits verheiratet ist. An den Wochenenden fuhr er angeblich zu seiner kranken Mutter. Und – nun ja – Claudias Adresse war wohl die seiner kranken Mutter. Du kannst dir vorstellen, dass beide Frauen vor Wut auf Jean kochen.“ Ich fragte sie – ohne nachzudenken – ob ich ihn für Claudia rösten solle. „Rösten? Da mache ich mit. Fackeln wir sein Auto ab? Während er drin sitzt?“ Vorfreudig rieb sie ihre Hände.

Ich hingegen suchte krampfhaft eine Ausrede. Rösten. War ich noch ganz bei Trost?

Ich konnte ihr doch nicht alles sagen.

Oder?

„Äh… naja… puh, irgendwie ist mir das raus gerutscht.“ Trudi neigte leicht den Kopf. „Verstehe. Etwas, was du eigentlich nicht sagen wolltest. Du hast es so gemeint, aber anders, als ich es auslege. Richtig?“ Trudi war schon immer eine kluge Person gewesen. Die letzten Wochen hatte ich das nur vergessen. Oder verdrängt. Vielleicht, weil wir nie wirklich ernsthaft über mich gesprochen haben.

 

Ich nickte vorsichtig. Mehr als schreiend zur Tür raus rennen, konnte sie vermutlich nicht. Also Augen zu und durch, hm? Ich sah ihr nämlich deutlich an, dass sie gern eine Erklärung hätte. Sogar, wenn sie darauf warten müsste. „Na gut. Ja. Stimmt. Ich bin mehr als nur eine movere. Ich bin sozusagen getunt. Das Wie ist unwichtig. Oder besser gesagt, ich möchte jetzt nicht darüber sprechen. Tatsache ist jedoch, dass ich mehr kann als nur ein wenig Technik oder Magie manipulieren.“ Trudi wartete immer noch. Als wüsste sie genau, dass es noch mehr gab. Ich seufzte. Erzählte es ihr. Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Aha. Du bist also eine Art Batterie?“ Ein guter Vergleich. Wenn auch nicht exakt dasselbe. „Könnte man so sagen.“

„Klingt cool.“

„Ich könnte es dir zeigen.“

„Ne, lass mal lieber.“ Trudi winkte ab. Ich lachte leise. „Du hast nur Angst um deine Frisur.“

„Das würde ich niemals zugeben.“ Grinsend prostete sie mir zu.

Die Flasche Wein war alsbald geleert. Die Chips ebenfalls. Rasch sorgte ich für Nachschub. „Wollen wir dann was essen? Ich könnte was bestellen.“ Zum Kochen hatte ich keine Lust. „Klar.“ Keine fünf Minuten später war die Pizza bestellt. Und nur fünfzig Minuten später restlos vertilgt. Währenddessen und danach quatschten wir. Über vergangene Zeiten. Überlegten uns verschiedene, qualvolle Tode für Jean – nur zu Claudias Bestem natürlich. Alberten dabei herum.

Ehe ich mich versah, war es schon nach neun. „Ich muss kurz den Wein wegschaffen. Bin gleich wieder da.“

„Kannst meinen gleich mitnehmen. Dann brauch nur eine von uns aufs Klo.“ Ich grinste und eilte ins Bad. Den Weg vom Bad zurück, schaffte ich nicht. Ohne Vorwarnung verdunkelte sich mein Gesichtsfeld. Ich spürte kaum, dass ich fiel.

Mein letzter Gedanke galt meinem Genick.

Welches hoffentlich nicht in einem ungünstigen Winkel gegen die Wand krachte.

„Hey, da bist du ja wieder.“ Verdammt! Wieso klang Trudi wie Roman? Und wieder einmal bin ich umgefallen. Langsam ging mir das echt auf die Nerven. „Also vom Wein fällst du nicht um, Sam. Bist du schwanger? Kreislaufprobleme?“

Ok, Trudi war doch noch da.

Jetzt klang sie wieder wie sie selbst.

Vorsichtig öffnete ich ein Auge. Wollte mich aufsetzen. Bemerkte, dass ich schon saß. Halbwegs. Zwischen Romans Beinen; auf dem Boden. Es roch nach Roman, nach Pizza und ein wenig nach Trudis Parfum. Hieß: Diesmal war ich nicht so lange weggetreten. Hoffte ich zumindest. „Vierzig Minuten, Sam.“ Roman hatte wohl auf die Uhr geschaut, hm? „Weder noch.“, beruhigte ich Trudi. Obwohl die ziemlich gelassen schien.

Es dauerte kaum ein paar Atemzüge. Schon fühlte ich mich wieder vollkommen normal. Aufstehen zwecklos. Roman hielt mich fest. „Roman, es geht mir gut.“ Ich spürte seine aufkeimende Wut. Dennoch ließ er mich los. „Dir geht es erst wieder gut, wenn du nicht mehr wegtrittst, Sam.“ Jaja. Was sollte ich tun? Mich in Watte packen? Im Bett liegen bleiben? Ausgeschlossen. „Du fällst also öfter um?“ Nachdenklich legte Trudi einen Ellenbogen in die Hand und rieb sich mit der anderen das Kinn. „Wie oft?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder. Hab nicht gezählt.“

„Heute ist der 21. Dein Unfall war auch ein 21. Und wenn ich mich recht entsinne, weißt du nicht genau, wie es passiert ist.“ Roman nickte zustimmend, wobei er mich genau beobachtete. „Bestimmt nur ein Zufall.“, sagte ich. Im Stillen frage ich mich jedoch, ob es wirklich einer war. „Beides sind Sonnenwendfeste. Falls dir diese Worte ein Begriff sind. Findest du das nicht eigenartig?“ Ok.

Langsam kam ich ins Grübeln. Ich wusste von den Bedeutungen dieser Tage durch Alans Rudel.

Aber sie?

Gut. Trudi war ein wandelndes Lexikon. Es gab so gut wie nichts, was sie nicht wusste. Auch wenn sie in ihrer Naivität vieles davon in den Wind schlug. Oder hin und wieder vergaß. „Ich… äh… bin das letzte Mal – vor heute – vor vier Tagen umgekippt. Kein Sonnenwendfest.“ Trudi schniefte hörbar. „Tja, da geht sie dahin meine Theorie. Dabei war sie so schön. Und mysteriös. Und ein bisschen romantisch.“ Romantisch?

Meine Fresse!

Unter Romantik verstand ich was anderes.

Eben wollte ich Trudi genau das an den Kopf werfen, da hielt sie mitten in ihren Bewegungen inne. Ihre Augen glasig. Sie hockte auf ihren Knien, die Arme schlaff an den Seiten, als wartete sie auf einen Befehl. „Wir können das Risiko nicht eingehen, dass jemand deine Schwachstelle kennt, Sam.“ Entrüstung machte sich in mir breit. Ich wollte Trudi verteidigen. Sie würde mich niemals verraten. „Absichtlich nicht, Sam. Das glaube ich dir. Aber sie kann ihre Gedanken nicht verschließen. Du magst momentan bei niemandem auf der Abschussliste stehen, doch das kann sich jederzeit ändern. Dann sind diese Informationen Gold wert; das weißt du.“ Seufzend gab ich ihm Recht. „Ich bringe sie heim. Mit der Erinnerung an einen netten Abend. Dann reden wir.“

War mir nicht recht.

Nicht wirklich.

Roman klang endgültig. Ihm zu widersprechen wäre sinnlos. Er vergewisserte sich, dass ich wohlbehalten auf die Couch kam. Schnappte sich Trudis Schuhe sowie Handtasche und teleportierte meine Freundin nach Hause. Nur wenig später saß er neben mir und beobachtete mich schweigend. „Was?“ Es nervte mich, wenn er nicht sprach. „Sie hat Recht.“

„Womit?“

„Mit den Sonnenwendfesten. Du bist damals auch im Krankenhaus zusammengebrochen. Kurz bevor du entlassen werden solltest. Erinnerst du dich? War im Dezember.“ Und woher wusste das Roman? „Hab eben meinen Vater gefragt.“ Steward. Natürlich. „Das erklärt zwar nicht die anderen Tage, Sam, doch es lässt darauf schließen, dass es tatsächlich etwas mit Alan zu tun hat.“ Ich erinnerte mich, dass Roman dies bereits einmal in Erwähnung gezogen hatte. „Glaubst du, dass er davon weiß?“ Roman schwieg. Entweder wusste er es nicht oder wollte es mir nicht sagen. „Na gut. Angenommen, er hat wirklich etwas damit zu tun – und es sind keine Zufälle – was bringt ihm das?“ Roman knurrte. Fast wie Alan.

Hatte ich noch nie bei ihm gehört.

„Er verunsichert dich. Setzt dich einer Gefahr aus. Reicht das nicht?“ Bloße Vermutungen. Könnten wir es Alan nachweisen? Und falls ja, was unternahm ich dagegen? Roman schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich bin mir sicher, es hat etwas mit Alan zu tun. Aber entweder geschieht es unbewusst oder es läuft über eine dritte Partei.“ Aha. Und was hieß das im Klartext? „Willst du das wirklich wissen?“ Nein! Ich fragte aus lauter Langeweile. „Natürlich. Du liest doch sowieso meine Gedanken. Also weißt du auch, dass ich es wissen will. Das ist übrigens verwirrend. Trudis Erinnerungen löschst du. Dabei bin ich doch selbst ein Risiko.“

„Bist du nicht. Ich kann deine Gedanken lesen, weil wir eine Bindung haben. Stépan – nun, das spricht für sich selbst. Jeder andere Pir und Vampir bräuchte dein Einverständnis. Und selbst dann gelänge ihm das nur, wenn du dich sehr, sehr beharrlich auf ihn konzentrierst.“ Ah. Verstanden.

Die Vampirin bei den Elfen hatte sowas erwähnt. Bevor ich mein ganzes Denken mit intensiver Hartnäckigkeit auf sie gelenkt hatte. Meiner Sprache beraubt, war mir keine andere Möglichkeit geblieben, um mich zu verständigen.

Es war mir damals überhaupt nicht bewusst gewesen, dass ich allein durch die Bindung an Roman bereits eine gewisse Mauer in meinem Kopf besaß. „Ich dachte, ich muss selbst daran arbeiten.“ Was diese Mauer betraf. „Nur gegen mich und Stépan. Bei allen anderen dürfte sich das erledigt haben. Du ziehst diese Mauer ganz unbewusst. Jetzt, nachdem du weißt, wie es geht.“ Na das war doch mal etwas, was ich gern hörte.

Beruhigend.

„Zurück zu Alan. Wie hast du das gemeint?“ Roman holte tief Luft. Presste die Lippen zusammen. Das wirkte sehr menschlich. „Wenn du diese Ausfälle hast, höre ich Stimmen. Ich kann sie nicht richtig verstehen. Es könnten Gesänge sein. Oder Beschwörungen. Als ob dich jemand verhext. Keine Ahnung. Aber – und das ist das wichtige – wären es Rudeldinge, in die du bewusst integriert wirst, gäbe es diese Stimmen für mich nicht. Du erinnerst dich an das, was Stépan wegen unserer Bindung erklärt hat?“ Dunkel. „Dass ihr euch nicht einmischen könnt, wenn es um Rudelangelegenheiten geht. Weil ich nach wie vor Alans Gefährtin bin, obwohl ich nicht mehr zum Rudel gehöre.“