Grundkurs Organisation(en) in der Sozialen Arbeit

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In dem Moment, in dem die Sozialarbeiterin über die Möglichkeiten in der Suchttherapie berät, nimmt der / die zu Beratende diese Informationen auf.

Konsequenz des Uno-actu-Prinzips ist es, dass die Dienstleistung an einen Standort gebunden ist. Dies gilt auch für die Soziale Arbeit: Die personenbezogene soziale Dienstleistung ist nicht transportfähig, sondern kann in den meisten Fällen nur dort erbracht werden, wo sich auch die AdressatInnen befinden. Nur in wenigen Ausnahmen, etwa im Bereich der Beratung, kann eine räumliche Distanz technisch überbrückt werden.


Beispiele für eine technische Überbrückung der räumlichen Distanz sind die Online-Beratungsangebote, die in verschiedenen Praxisfeldern (Suchtberatung, Suizidprävention, Erziehungsberatung) zunehmend neben den standortgebundenen Beratungsangeboten etabliert werden.

Fehlende Lagerfähigkeit: Durch ihre Immaterialität und die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum sind Dienstleistungen vergänglich. Daher können sie nicht auf Vorrat produziert und auch nicht gelagert werden. Auch personenbezogene soziale Dienstleistungen wie die Suchtberatung können nicht auf Vorrat erstellt werden, um z. B. krankheits- oder urlaubsbedingte personelle Engpässe zu überbrücken. Nachtdienste in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe können ebenfalls nicht auf Vorrat erbracht werden. Dies muss bei der Koordination, Planung und Finanzierung der Arbeit und ihrer Abläufe berücksichtigt werden.

Begrenzte Standardisierbarkeit: Dienstleistungen und insbesondere personenbezogene soziale Dienstleistungen zeichnen sich durch Individualität aus. Sie können zwar standardisierte Bestandteile enthalten, wie z. B. den generellen Ablauf einer Erstberatung im Suchtbereich. Letztlich jedoch sind personenbezogene soziale Dienstleistungen Unikate, da sie koproduktiv und damit in Abhängigkeit vom Einzelfall jeweils individuell und neu erstellt werden. Sie weisen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in Ausführung und Ergebnis unterschiedliche Qualitäten auf.

„Aus den jeweils einzigartigen, in genau derselben Form nicht vollständig reproduzierbaren Produktionsbedingungen ergeben sich wiederum unterschiedliche Ergebnisqualitäten“ (Dahme /Wohlfahrt 2015, 27).

Diese nur begrenzte Standardisierung und das Merkmal der Koproduktion stellen hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit personenbezogener sozialer Dienstleistungen und die Überprüfung ihrer Effektivität.


Diskutieren und reflektieren Sie die typischen Merkmale personenbezogener sozialer Dienstleistungen und ihre möglichen Auswirkungen auf konkrete Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit in unterschiedlichen Praxisfeldern.

2.4 Personenbezogene soziale Dienstleistungen: Diskurslinien und Spannungsfelder

Die Perspektive der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen ist eng mit dem Diskurs um die Dienstleistungsorientierung in der Sozialen Arbeit verknüpft. Diese Debatte, die bereits seit längerer Zeit geführt wird, ist eine der zentralen der Sozialen Arbeit (Oechler 2018). Sie schwankt zwischen den Extremen Reduzierung der Leistungen der Sozialen Arbeit durch Ökonomisierung und Neoliberalisierung einerseits und Professionalisierung der Sozialen Arbeit durch eine stärkere Subjektorientierung andererseits. Um zu verdeutlichen, welche Herausforderungen mit dieser Debatte verbunden sind, soll sie in ihren Grundzügen skizziert werden.

Grundsätzlich lassen sich innerhalb dieser Debatte sowohl sozialwissenschaftliche als auch ökonomische Bezugspunkte ausmachen (Olk et al. 2003; Oechler 2018): Zunächst war der Diskurs um personenbezogene soziale Dienstleistungen insbesondere sozialwissenschaftlich geprägt. Den Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang bildete die in den 1950er Jahren aufgestellte Theorie des Ökonomen Jean Fourastié zum gesellschaftlichen Strukturwandel (Fourastié 1954). Von seinen Überlegungen zum zukünftigen Verhältnis von primärem, sekundärem und tertiärem Sektor ausgehend, wurde unter makroökonomischer Perspektive die Bedeutung von Dienstleistungen und des Dienstleistungssektors für die Sicherung und Optimierung der Gesellschaft und ihres Fortschrittes diskutiert (Grunwald 2013b). Nachdem diese Debatte auch in Deutschland zunächst ohne expliziten Bezug zur Sozialen Arbeit stattfand, setzte Mitte der 1970er ein mikrosoziologischer Diskurs über staatliche Strategien zur Bewältigung von sozialen Problemen und die Rolle von sozialen Dienstleistungen in diesem Kontext ein (Badura / Gross 1976). Ein Fokus lag dabei auf den charakteristischen Merkmalen und der damit verbundenen spezifischen Eigenlogik von sozialen Dienstleistungen (Kap. 2.3). Diese Diskursphase, die in einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums und des Ausbaus staatlicher Leistungen stattfand, fokussierte insbesondere die Bedeutung, die Funktion und das Interaktionsgeschehen von personenbezogenen sozialen Dienstleistungen generell und in der Sozialen Arbeit.

Eine weitere Diskursphase setzte zu Beginn der 1990er Jahre ein. Seitdem wird vor dem Hintergrund schwindender finanzieller Handlungsspielräume einerseits und staatlicher Ausgabensteigerung andererseits nicht nur in Deutschland der Um- und Abbau sozialer Sicherungssysteme und sozialer Dienstleistungen diskutiert und auch realisiert. Ausgangspunkt der Reformen bildete dabei das Modell des „New Public Management“, das als Oberbegriff die international entstandenen Reformkonzepte zur Verwaltungsrationalisierung zusammenfasst. Kerngedanke all dieser Konzepte ist, die als unzureichend angesehene Effizienz und Effektivität in der Erbringung öffentlicher Leistungen durch eine stärkere Orientierung an den Gesetzen des Marktes und mit Hilfe von privatwirtschaftlichen Unternehmen zu optimieren und grundlegend neu zu strukturieren. Die Folge des New Public Management, das in Deutschland unter der Bezeichnung „Neues Steuerungsmodell“ eingeführt wurde, waren umfassende Umstrukturierungen im Bereich der öffentlichen Verwaltungen und ihrer sozialstaatlichen Leistungen. Neben einer Optimierung und Straffung der Mittelverwendung sollte eine grundlegende Neuorientierung des Handelns innerhalb des öffentlichen Sektors eingeleitet werden. Seitdem wird zunehmend versucht, marktförmige und unternehmerische Prinzipien auf die öffentliche Verwaltung und damit auch auf die Soziale Arbeit zu übertragen. In der Sozialen Arbeit herrschen jedoch keine marktförmigen Bedingungen. So gibt es in den wenigsten Fällen eine aktive Nachfrage der AdressatInnen nach den Angeboten und Leistungen der Sozialen Arbeit. Vielmehr bestehen viele Angebote gerade weil die Menschen oftmals nicht über ausreichende Ressourcen verfügen. Daher ist der KundInnenbegriff, der auch in der Sozialen Arbeit verwendet wird, problematisch (Galuske 2001).

„Wer bestimmt beispielsweise, was die Ergebnisqualität einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung mit einem mehrfachstraffälligen Jugendlichen ausmacht? Die Öffentlichkeit, die morgens ihre Autos und Autoradios unversehrt vorfinden will? Die Politik, der Öffentlichkeit durch Wahlen verpflichtet und durch die Finanzkrise in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt? Die Jugendamts- bzw. Sozialverwaltung als Geldgeber [...]? Der Anbieter der Hilfen, d. h. der kommunale, freie oder privatgewerbliche Träger, der sich einer bestimmten Tradition, einer bestimmten Philosophie, einem bestimmten Menschen- und Gesellschaftsbild verpflichtet fühlt [...]? Die SozialpädagogInnen, die mit ihrem Wissen und Können „vor Ort“ die Arbeit erledigen? Die Personensorgeberechtigten, im Regelfall die Eltern, die laut Gesetz Adressat „erzieherischer Hilfen“ sind? Oder gar der Jugendliche selbst? Wer ist also der Kunde, dessen „Bedarf“ die Soziale Arbeit zu befriedigen hat?“ (Galuske 2001, 357 f.)

Die nicht bestehenden Marktbedingungen und die mit dem KundInnenbegriff verbundenen Schwierigkeiten werden ganz besonders deutlich im Kontext von Leistungen, die in einem Zwangskontext wie dem Strafvollzug oder in Kinderschutzfällen stattfinden. Hier haben die betroffenen Menschen in den meisten Fällen weder die Möglichkeit, sich gegen die Inanspruchnahme einer Leistung zu entscheiden, noch zwischen verschiedenen Leistungen souverän zu wählen. Beides wäre im Rahmen eines klassischen Kundenverständnisses möglich.

Parallel zu diesem ökonomisch motivierten Diskursstrang findet seit den 1990er Jahren in der Sozialen Arbeit zudem auch eine fachpolitisch motivierte Dienstleistungsdebatte statt (Oechler 2018). Ausgangspunkt des Diskurses hier war der 9. Jugendbericht der Bundesregierung, durch den das Prinzip der Dienstleistungsorientierung auf die fachpolitische Agenda der Kinder- und Jugendhilfe gesetzt wurde. Dabei geht es der Theorie der Dienstleistungsorientierung darum,

„den professionellen Erbringungszusammenhang, den sie auf beschreibender Ebene als Kern der Sozialen Arbeit definiert, so zu verändern, dass die Souveränität derjenigen Personen gestärkt wird, welche die als „Soziale Arbeit“ erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen“ (Sandermann / Neumann 2018, 106).

 

Vor dem Hintergrund dieser nur in Ansätzen skizzierten Vielschichtigkeit, Ausdifferenzierung und Verwendung des Dienstleistungsbegriffs in der Sozialen Arbeit ist es nicht verwunderlich, dass die damit verbundenen Debatten kontrovers geführt werden, da sie in ihrem Kern auch das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit berühren. Dies unterstreicht das Erfordernis der weiteren Auseinandersetzung. Diese muss jedoch an anderer Stelle geleistet werden. An dieser Stelle standen mit der Orientierung auf personenbezogene soziale Dienstleistung nicht die Debatten um das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit im Vordergrund. Vielmehr sollten die Herausforderungen verdeutlicht werden, vor denen die Organisationen der Sozialen Arbeit bei der Organisation ihrer Leistungen und Angebote stehen.


Reflektieren Sie anhand unterschiedlicher Praxisfelder der Sozialen Arbeit die Begriffe personenbezogene soziale Dienstleistungen und KundInnen. Welche Unterschiede und Herausforderungen können Sie erkennen?


Cremer, G., Goldschmidt, N., Höfer, S. (2013): Soziale Dienstleistungen. Ökonomie, Recht, Politik. Mohr Siebeck, Tübingen

Scheu, B., Autrata, O. (2018): Das Soziale: Gegenstand der Sozialen Arbeit. Springer, Wiesbaden

3 Die Theorie: Organisation in der Sozialen Arbeit


Dieses Kapitel stellt die Organisation in den Mittelpunkt und führt in organisationstheoretische Grundlagen ein. Dabei erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Begriff der Organisation und die Klärung seiner Verwendung im Kontext dieses Buches. Zur weiteren Annäherung an das Konstrukt Organisation werden Alltagsbilder, die Menschen mit Organisation verbinden und die ihr Handeln in und mit Organisation prägen, mit Hilfe von Metaphern reflektiert. Daran anschließend werden ausgewählte Organisationstheorien vorgestellt sowie sogenannte Basiselemente von Organisationen erläutert und auf die spezifischen Bedingungen in der Sozialen Arbeit bezogen.

3.1 Über was reden wir überhaupt? Organisation: Begriff und Definition


An was denken Sie, wenn Sie den Begriff „Organisation“ hören?

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit zentralen organisationstheoretischen Grundlagen steht zunächst eine Reflexion über die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs „Organisation“ und damit die Klärung seiner Verwendung im Weiteren. Dabei ist zunächst einmal eine ganz grundsätzliche Beobachtung interessant: Unser Leben ist von Organisation(en) durchdrungen, wir leben in einer organizational society (Presthus 1979), in einer Organisationsgesellschaft (Schimank 2005). Nicht zuletzt deswegen wird der Begriff der Organisation sowohl in der Alltagssprache als auch in (sozial-)wissenschaftlichen Fachsprachen oftmals unterschiedlich verwendet. Der Begriff ist dadurch nicht nur allgegenwärtig, sondern gleichzeitig auch vielschichtig. Für die Entwicklung einer Definition von Organisation ist daher die Erkenntnis wichtig, dass die mit Organisation in Verbindung gebrachten Bedeutungsinhalte von dem jeweiligen organisationstheoretischen Standpunkt abhängig sind, mit dem sich diesem Begriff genähert wird.


Im Zusammenhang mit der Vielschichtigkeit des Organisationsbegriffs wird davon gesprochen, dass der Begriff der Organisation einer Wolke ähnlich sei, die je nach Standpunkt der BetrachterInnen eine mehr oder weniger konkrete und dabei ganz individuelle Gestalt annehmen, diese jedoch im Laufe der Beobachtung immer wieder verändern würde. Zudem verschwimme das gewonnene Bild, sobald ihm zu nahe gekommen würde, was die Bestimmung von Organisation und ihrer Merkmale zusätzlich erschwere (Gebert / Rosenstiel 2002). Damit drückt dieses Bild aus, dass es sich bei Organisationen um abstrakte und theoretisch aufgeladene Konstrukte handelt.


Wie würde Ihre „Wolke“ Organisation aussehen?

Um sich diesem theoretisch-abstrakten Konstrukt Organisation anzunähern, ist zunächst ganz allgemein eine Bezugnahme zu den etymologischen Wurzeln des Wortes hilfreich. Organisation geht auf das griechische Wort óraganon zurück, dies bedeutet Werkzeug, Instrument, Körperteil. Dementsprechend meint das Verb organisieren ursprünglich, mit Organen versehen und zu einem lebensfähigen Ganzen zusammenfügen. Auch gegenwärtig wird Organisation in unserem alltäglichen Sprachgebrauch insbesondere mit zwei Bedeutungsinhalten verwendet, die in der Organisationstheorie als instrumentales (oder synonym: funktionales) und institutionales Organisationsverständnis bezeichnet werden.

3.1.1 Organisation als Instrument – der instrumentale Organisationsbegriff

Ausgehend vom Prozess des Organisierens wird unter Organisation zunächst ein strukturierter und koordinierter Ablauf zur Erreichung von bestimmten – selbst gesetzten oder vorgegebenen – Zielen verstanden.

„Ausgangspunkt für das Organisieren ist die Idee, durch die Schaffung einer Ordnung Leistungsvollzüge effizient gestalten zu können“ (Schreyögg / Geiger 2016, 15).

In diesem Verständnis ist Organisation, ganz im Sinne der eigentlichen Wortbedeutung, ein Werkzeug, ein Instrument zur Herstellung eines systematischen und strukturierten Ablaufs. Organisation ist somit ein dynamischer Prozess mit dem Ziel, viele (Teil-) Aufgaben zu einem vernetzten und damit wirkenden Ganzen zusammenzubringen.


So beinhaltet eine gute Organisation des Studiums der Sozialen Arbeit unter anderem sowohl eine sinnvolle Planung der zeitlichen Abfolge der einzelnen Seminare und der damit verbundenen Prüfungen, als auch eine Balance von Studium, Privatleben und ggf. Erwerbstätigkeit.

In komplexen und ungeordneten Situationen legt Organisation Abläufe und Regelungen fest und stellt so eine Ordnung her. Diese systematische, vernetzte und zielführende Planung kann sich sowohl auf die Durchführung einzelner (Teil-)Aufgaben als auch auf die Realisation des großen Ganzen durch Koordination der Teilaufgaben beziehen. Organisation ist damit das zur Struktur geronnene Ergebnis von Organisieren.

„Unter Organisation ist sowohl das zielorientierte ganzheitliche Gestalten von Beziehungen in offenen sozialen Systemen als auch das Ergebnis dieser Tätigkeit zu verstehen“ (Vahs 2012, 15).


Die miteinander verbundene, sich gegenseitig beeinflussende und von der Umwelt abgrenzende Gesamtheit von einzelnen Elementen und Teilsystemen wird als System bezeichnet.

Dies ist ein sehr weites Verständnis von Organisation, das in vielen Lebensbereichen anzutreffen ist. Feste und Veranstaltungen werden ebenso wie das Familienleben, die Urlaubsreise oder eben das Studium organisiert.

In diesem Zusammenhang wird insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre, die sich als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften mit der Führung und Steuerung wirtschaftlicher Unternehmen auseinandersetzt, auch von dem instrumentalen Organisationsbegriff gesprochen (Vahs 2012): Das Unternehmen hat eine Organisation bzw. das Unternehmen wird organisiert.


Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist ein Unternehmen ein wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenschluss von Personen mit dem Ziel, Güter und / oder Dienstleistungen zu produzieren und diese gewinnbringend zu vertreiben.

Das Hauptanliegen von Organisation ist es diesem lange Zeit in der Betriebswirtschafslehre dominierenden instrumentalen Organisationsbegriff zufolge, durch generell gültige und dauerhafte organisatorische Regelungen die einzelnen Arbeitsprozesse und -aufgaben zu steuern, das jeweilige Handeln der einzelnen Personen sowohl für sich genommen, als auch miteinander zu koordinieren, um dadurch den Ablauf zu verbessern und im Ergebnis den Unternehmenserfolg zu steigern.

„Die instrumentale Betrachtung sieht in der Organisation ein Mittel zur effizienten Führung von Unternehmen und damit zur Zielerreichung“ (Vahs 2012, 17).

Aus Perspektive des instrumentalen Organisationsbegriffes der Betriebswirtschaftslehre ist mit Organisation eine dauerhaft geregelte formale Struktur verbunden, mit der

„die Leistungsfähigkeit einer Organisation möglichst weitgehend unabhängig gemacht werden [soll] von den individuellen Eigenarten, den Motivationen und den persönlichen Fähigkeiten ihrer Mitglieder“ (Merchel 2015, 128).

Damit hat Organisation im Kontext der Unternehmensführung eine klar umrissene Funktion: Sie soll eine sinnvolle Struktur für die Zielerreichung gewährleisten. Das Ergebnis des Organisierens, die formale Struktur des Unternehmens, materialisiert sich in erster Linie im Aufbau und im Ablauf einer Organisation.


Erinnern Sie sich an die Studentin Laura und ihr studienintegriertes Praxissemester im Allgemeinen Sozialen Dienst. Die von ihr beobachteten Handlungsvorgaben im Kontext einer Kindeswohlgefährdung sind Bestandteile des organisierten Ablaufs der Arbeit im Allgemeinen Sozialen Dienst. Die Abteilung des Allgemeinen Sozialen Dienstes selber und die Stelle von Lauras Anleiterin in dieser Abteilung wiederum, sind Teile des Aufbaus des Großstadtjugendamtes. Auf beide bezieht sich der instrumentale Organisationsbegriff. Sie zeigen, dass das Jugendamt eine Organisation hat.

Der Aufbau und Ablauf einer Organisation sowie weitere auch für die Soziale Arbeit wesentlichen Erkenntnisse der betrieblichen Organisationslehre werden in Kapitel 3.4 vertieft.

3.1.2 Organisation als soziales Gebilde – der institutionale Organisationsbegriff

Eine andere Perspektive auf Organisationen ist die, sie als zielgerichtete, strukturierte und gleichzeitig allgegenwärtige Zusammenschlüsse von Personen zu verstehen.


Vermutlich stehen Sie je nach Ihrer persönlichen Lebenssituation immer wieder mit folgenden, teilweise auch als Institutionen bezeichneten, Organisationen in einem mehr oder weniger engen Kontakt: Hochschule, Kindertageseinrichtung, Schule, Bürgeramt, Kirche, Sportverein, Arbeitsstätte. Gemeinsames Merkmal dieser Beispiele für ganz unterschiedliche Organisationen ist, dass sie gesellschaftliche Funktionen erfüllen und dadurch Ihr Leben wesentlich prägen.

In diesem Verständnis wird die Organisation als ein hinsichtlich seiner genauen Merkmale im Weiteren noch näher zu bestimmendes soziales Gebilde im Sinne eines Systems verstanden. Mit dieser Perspektive auf Organisation ist der institutionale Organisationsbegriff verbunden (Vahs 2012), der in verschiedenen Wissenschaften eine Rolle spielt.

 

Beispielsweise betrachtet die Politikwissenschaft die Prozesse in Organisationen unter einer politischen Perspektive. Dabei fragt sie insbesondere danach, wie Entscheidungen, Machtstrukturen und das Zusammenspiel der Akteure in Organisationen aus politischer Perspektive gedeutet und mit Hilfe (mikro-)politischer Strategien beeinflusst werden können.


So ist der Aufbau und die Pflege von beruflichen Netzwerken ein typisches Beispiel für eine mikropolitische Strategie, die in Organisationen der Sozialen Arbeit zum Einsatz und zum Tragen kommt.

Insbesondere jedoch die Soziologie setzt sich mit der institutionalen Perspektive auf und von Organisationen auseinander. Bereits die Klassiker der (Organisations-)Soziologie, wie Max Weber oder Talcott Parsons, haben sich eingehend mit Organisationen, ihren Erscheinungsformen und Merkmalen auseinandergesetzt (Preisendörfer 2011).

Eine der zentralen Fragestellungen dieser Überlegungen richtete sich darauf, anhand welcher Merkmale Organisationen als eigenständige soziale Typen definitorisch erfasst werden können. Hier lenkt eine der klassischen Definitionen aus der Organisationssoziologie den Blick auf die bestehenden Gemeinsamkeiten:

„Gemeinsam ist allen Organisationen erstens, daß es sich um soziale Gebilde handelt, um gegliederte Ganze mit einem angebbaren Mitgliederkreis und interner Rollendifferenzierung. Gemeinsam ist ihnen zweitens, daß sie bewusst auf spezifische Ziele und Zwecke orientiert sind. Gemeinsam ist ihnen drittens, dass sie in Hinblick auf die Verwirklichung dieser Zwecke und Ziele zumindest der Intention nach rational gestaltet sind“ (Mayntz 1963, 36).

Ausgehend von dieser Definition können in der Vielfalt der Organisationen gemeinsame Merkmale identifiziert werden (Mayntz 1963; Gukenbiehl 2010; Vahs 2012; Merchel 2015). Organisationen in der institutionalen Perspektive als soziale Gebilde

● sind von Menschen bewusst und in der Regel auch planvoll zur Erreichung eines bestimmten Zieles oder Zwecks gebildet worden und werden durch die Handlungen ihrer Mitglieder aufrechterhalten;

● zeichnen sich durch eine rational geschaffene und allgemeinverbindliche Struktur aus;

● streben eine dauerhafte Zielerreichung durch Arbeitsteilung und Koordination der Handlungen der Mitglieder und der Mittel an.


Das Jugendamt, in dessen Allgemeinem Sozialen Dienst Laura ihr Praxissemester absolviert hat, wurde gem. § 69 SGB VIII errichtet, um die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII wahrzunehmen. Vorgegebenes Ziel des Jugendamtes als Institution ist die Umsetzung und Realisierung des in § 1 SGB VIII beschriebenen Auftrages der Kinder- und Jugendhilfe. Der bereits angesprochene Aufbau und Ablauf versucht das Handeln der Organisationsmitglieder zu steuern und auf die Zielerreichung auszurichten.

Diese gemeinsamen Merkmale unterstreichen zudem die Überschneidungen von institutionalem und instrumentalem Organisationsbegriff, oder anders formuliert: Auch die Organisation als soziale Gebilde, das durch das Handeln seiner Mitglieder als solches gestaltet und aufrecht erhalten wird, benötigt für die Zielerreichung Organisationsstrukturen. Diese Verschränkung macht zwei wesentliche Aspekte von Organisationen als soziale Systeme deutlich, wie sie auch Merchel (2015) betont: der bestehende Zusammenhang von Handlung und Struktur und die sich daraus ableitende doppelte Perspektive auf Organisation. So ist es für die Auseinandersetzung mit dem sozialen Gebilde der Organisation erforderlich, sich sowohl mit den Strukturen der Organisation als auch mit den Handlungen der Organisationsmitglieder in dieser Struktur auseinanderzusetzen, denn dadurch wird die Organisation aufrechterhalten. Erst in dieser doppelten Perspektive werden Organisationen als soziale Systeme erfassbar und eine bewusste Gestaltung von Organisationen möglich. Die damit verbundene Aufgabe kann wie folgt umrissen werden:

„Man wird zum einen Strukturen zu erkennen versuchen, die den Menschen entgegentreten und in denen sie sich bewegen müssen: Regeln, Hierarchien, Teambildungen etc. Zum anderen wirken diese Strukturen aber nicht schon von sich aus, sondern sie müssen geschaffen werden und wieder am Leben gehalten werden: von handelnden Menschen“ (Merchel 2015, 37).

Um dieser Erfordernis einer doppelten Perspektive auf Organisationen gerecht zu werden, wird im Weiteren folgende Definition von Organisationen zu Grunde gelegt:


In institutionaler Perspektive sind Organisationen von Menschen gebildete und von ihnen durch ihre Handlungen aufrecht erhaltene soziale Systeme, die ein bestimmtes Ziel / einen bestimmten Zweck dauerhaft verfolgen, mit einer formalen und informalen Struktur das Handeln der Organisationsmitglieder koordinieren und dadurch dieses Handeln auf die Zielerreichung ausrichten.

Kapitel 4 wird auf die vielfältigen Begrifflichkeiten, mit denen die unterschiedlichen Organisationen der Sozialen Arbeit in der Praxis gefasst werden, wie beispielsweise Einrichtung, sozialer Dienst oder öffentlicher bzw. privater Träger, und die Möglichkeiten ihrer Systematisierung eingehen.


Welche unterschiedlichen Bedeutungen sind mit dem Begriff Organisation verbunden? Worin unterscheiden sich diese?

Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit Organisation(en) gemacht?

Sind Organisation und Organisationen aus Ihrer Sicht eher förderlich oder hinderlich gewesen? Inwiefern? Überlegen Sie Beispiele.

Was sind die Unterschiede zwischen Institution und Organisation?

Welche zielgerichteten Zusammenschlüsse von Menschen kennen Sie, die aufgrund fehlender Dauerhaftigkeit nicht als Organisation bezeichnet werden können?


Kühl, S. (2011): Organisation. Eine sehr kurze Einführung. Springer, Wiesbaden

Merchel, J. (2015): Die Organisation der sozialen Arbeit als Gegenstand des Managementhandels. In: Merchel, J.: Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Beltz Juventa Weinheim, 64–106

Preisendörfer, P. (2011): Organisationssoziologie. Grundlagen, Theorien und Problemstellungen. 3. Aufl. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

Vahs, D. (2015): Organisation. Ein Lehr- und Managementbuch. 9. Aufl. Schäffer-Poeschel, Stuttgart

3.2 Bilder der Organisation

Jeder Mensch hat individuell geprägte Bilder von Organisation(en). Diese individuellen Bilder entstehen durch subjektive Erfahrungen und Ereignisse. Dadurch wird ein alltagstheoretisches Verständnis von Organisation erzeugt, das großen Einfluss auf das eigene Handeln in Organisationen hat. Meist wird dieses Alltagsverständnis jedoch nicht bewusst reflektiert. Vielmehr beeinflussen die inneren Bilder von Organisation unbewusst unser Handeln.

Die Bewusstmachung dieser inneren Bilder und die Auseinandersetzung mit ihnen liefern erste Antworten auf die Frage, wie das eigene Verhältnis zu Organisation(en) ist, welche Erwartungen mit Organisation(en) verbunden sind und welche Handlungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang gesehen werden (Merchel 2015).

Gareth Morgan hat eine Systematik von acht Organisationsmetaphern entwickelt. Diese Metaphern basieren auf einer Analyse der verschiedenen Bilder von Organisation, die in Alltagsverständnissen und Organisationstheorien enthalten sind. Mit Hilfe dieser Metaphern und ihrer jeweiligen Stärken und Schwächen lassen sich unterschiedliche Denkweisen identifizieren, mit denen Menschen sich dem sozialen Gebilde Organisation nähern (Morgan 1997).

Organisation als Maschine: Ein geradezu klassisches Bild von Organisationen ist das der Maschine, bei der viele Einzelelemente planmäßig und reibungslos, wie „ein Rad in das andere“ ineinandergreifen.

„Wir sprechen von Organisationen wie von Maschinen, und folglich erwarten wir, dass sie wie Maschinen funktionieren, nämlich routinemäßig, effizient, verlässlich und vorhersehbar“ (Morgan 1997, 27).

Das Bild der Organisation als Maschine oder auch als Uhrwerk zielt auf die zielgerichtete Regelhaftigkeit und Berechenbarkeit der organisatorischen Prozesse und Abläufe. Seine theoretische Entsprechung findet dieses sehr formale Bild von Organisation insbesondere in den klassischen organisationstheoretischen Ansätzen von Max Weber, Frederick W. Taylor und Henri Fayol (Kap. 3.3.1). Die mit diesem Bild verbundenen Annahmen werden von Morgan wie folgt zusammengefasst:

„Der mechanistische Organisationsansatz scheint die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten eher zu begrenzen als zu mobilisieren und formt die Menschen nach den Erfordernissen der mechanistischen Organisation, anstatt die Organisation auf die Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeiter auszurichten“ (Morgan 1997, 50).

Organisation als Organismus: In diesem Bild wird die Organisation als ein lebendiges System verstanden, das in einer Umwelt lebt und mit dieser in einem wechselseitigen Verhältnis steht. Dieses Bild von Organisation beinhaltet damit auch sozial-emotionale Faktoren, deren Relevanz im Kontext neoklassischer Organisationstheorien deutlich geworden ist (Kap. 3.3.2). Daneben knüpft dieses Bild auch an die Erkenntnisse der Systemtheorie an und berücksichtigt den Einfluss der Umwelt auf die Organisation und die sowohl innerhalb der Organisation als auch außerhalb der Organisation bestehenden Zusammenhänge und Wechselwirkungen. Dieser bedürfnisorientierte Blick auf Organisation ermöglicht der Organisation eine größere Flexibilität, beispielsweise im Umgang mit Veränderungen. Jedoch ist dabei zu beachten, dass Organisationen keine realen, sondern sozial konstruierte Organismen sind.

Organisation als Gehirn: Über die Organismusmetapher hinausgehend ist das Bild der Organisation als Gehirn. In diesem Bild werden Organisationen als Informationen verarbeitende, intelligente und lernende Systeme verstanden, die

„ebenso flexibel, beweglich und einfallsreich funktionieren wie ein Gehirn“ (Morgan 1997, 108).

Die Erkenntnisse der Kybernetik aufgreifend, dass Systeme sich mit Hilfe von negativen Rückmeldungen selbst regulieren können (Kap. 3.3.3), geht diese Metapher davon aus, dass Organisationen lernen können, sie behindernde Faktoren zu erkennen und diese durch Veränderungen im System auszuschalten. Damit beinhaltet dieses Bild auch das Verständnis der lernenden Organisation.

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