Golf

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Martin Kaymer

Der Majorsieger mit

dem Promi-Problem

Das Dasein als deutscher Weltstar im Golf hat zwei Seiten: Die erste ist eigentlich wundervoll. Weil Bernhard Langer, der einzige Star, den Golf-Deutschland lange vorzuweisen hatte, seit Längerem auf der Senioren-Tour spielt, bleibt für den zweiten Majorsieger im Lande, Martin Kaymer, eigentlich das gesamte Rampenlicht. Das ist schön, wenn man an den Abschluss von Sponsorenverträgen denkt oder Antrittsgelder bei Turnieren. Die Kehrseite der Medaille aber wird deutlich, wenn der Weltstar Kaymer zeitweise womöglich kein Weltklassegolf spielt. Dann nämlich steht er noch immer im Rampenlicht – und das ist manchmal nicht so angenehm.

Wer einen Blick auf die Karriere des Martin Kaymer aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen wirft, der als Jugendlicher ein wenig mit einer Fußballerkarriere liebäugelte und dann doch beim Golfsport blieb, wird immer wieder auf diesen einen Widerspruch stoßen: auf der einen Seite der Ehrgeiz und der Wille zu den Besten der Welt zu gehören – auf der anderen Seite das Unbehagen, mit den Nebeneffekten des Lebens als Prominenter zurechtkommen zu müssen. Martin Kaymer ist im Jahr 2020 für die deutsche Golf-Öffentlichkeit die Nummer 1: zweifacher Majorsieger, Ex-Weltranglistenerster, der Langer-Nachfolger. Er ist das Gesicht des deutschen Golfsports. Wenn er bei einem Turnier in Deutschland antritt, bedeutet das für ihn Pressekonferenzen in Serie, Autogrammjäger an jedem Loch, Anfragen nach Selfies, Zuschauertrauben an den Abschlägen.

Solcherlei Aktivitäten aber sind eigentlich nicht sein Ding. Er war nie der Typ, der sich ins Rampenlicht drängte. Früher, zu Amateurzeiten, als er noch für die deutsche Nationalmannschaft spielte, stand er oft allein auf der Driving Range und trainierte vor sich hin. Er war ein erstklassiger Spieler, aber unauffällig – zumindest für Außenstehende, die sich nicht intensiv mit ihm befassten. Fanny Sunesson aber, lange Jahre Caddie des sechsfachen Majorsiegers Nick Faldo, die der Deutsche Golf Verband ab und an zu Lehrgängen der Nationalmannschaften verpflichtete, fiel Kaymer auf, weil er ihr Löcher in den Bauch fragte und auch dann noch beim Bälle schlagen auf der Driving Range stand, wenn es in Strömen regnete. Er arbeitete mit System und konstant – eine Herangehensweise, die ihn über die nächsten Jahrzehnte prägen sollte.

2005, als er den Sprung ins Profilager machte, in der ersten Saison auf Anhieb auf der drittklassigen EPD-Tour eine 59er-Runde spielte, dann zwei Turniersiege auf der Challenge Tour holte und im Schnelldurchgang die Qualifikation für die PGA European Tour schaffte, wirkte er ein wenig erstaunt über sich selbst. „Damals hatte ich den Vorteil, dass ich noch nicht so viel gedacht habe wie heute“, resümierte er Jahre später in einem Interview, das wir führten. „Ich habe mir viel weniger Gedanken über mein Spiel und meinen Score gemacht.“ Und: „Das war einfach der Tag, an dem alles zusammenlief.“

Der Hype um den hochgewachsenen, dünnen Nachwuchsgolfer aber nahm mit dieser Rekordrunde von 59 Schlägen seinen Anfang, auch wenn die Familie Kaymer den Ball erst einmal flach zu halten versuchte. Der Jungprofi hatte keinen Manager, keinen PR-Berater – Vater Horst übernahm die Geschäfte. Und der erste Winter vor dem Start auf der European Tour war vor allem eines für Martin Kaymer: Arbeit. „Ich habe (…) die Winterzeit dazu genützt, mehr zu trainieren als alle anderen. Die anderen denken ja immer, da könnte man mal in den Skiurlaub fliegen und sich entspannen, weil man so eine anstrengende Saison hatte. Das ist ein Riesenfehler. Das ist genau die Zeit, in der man hart arbeiten muss, weil alle anderen zu Hause auf der Couch sitzen und sich den Gänsebraten reinhauen. Da muss man arbeiten, um einen guten Saisonstart zu erwischen, sofort Motivation zu sammeln und den einen oder anderen Euro zu erspielen, damit man die Tourkarte behält“, analysierte er selbst seinen Start in die erste Liga, der außergewöhnlich war.

Er gewann 2007 sofort den Sir Henry Cotton Rookie of the Year Award für den besten Newcomer auf der European Tour und beendete die Saison auf Platz 41 der Geldrangliste mit mehr als 750.000 Euro Preisgeld. Die nächsten acht Jahre rutschte er nicht aus den Top 50 der Welt. 2008 holte er den Titel bei der BMW International Open in München kurz nach dem Tod seiner Mutter, sein „emotionalster Sieg“, sagt er noch immer. Kaymer gehört inzwischen zur Spitzengruppe Europas – und sein Majorsieg 2010 im amerikanischen Whistling Straits veränderte endgültig alles: „Ich habe nicht von mir erwartet, dass ich mit 25 Jahren ein Major gewinne“, rekapitulierte er den Erfolg 2014, als er auch noch die US Open gewonnen hatte. „Ich war erstaunt über mich selbst.“

Deutschlands Golfszene war es auch. Vor allem aber war sie begeistert: Martin Kaymer war der Erfolgsmann mit System, ein junger Typ, der so gar keine Flausen zu haben schien, auf den man sich verlassen konnte. „German machine“ nannte ihn der eine oder andere amerikanische Journalist. Dieser ruhige Profi aus Mettmann war kein verrücktes Balltalent wie Bubba Watson, den er im Playoff der US PGA Championship von Whistling Straits besiegt hatte, sondern ein systematischer Spieler mit erstklassigem langem Spiel, großer Beharrlichkeit sowie einer ziemlich schnellen Auffassungsgabe.

Letztere führte dazu, dass Kaymer im Verlauf seiner jungen Profikarriere sehr schnell seine Defizite erkannte und anfing sie auszumerzen. „Ich will mehr Golf in Amerika spielen“, ließ er im November 2010 wissen. „Um ein besserer Spieler zu werden, muss ich auf unterschiedlichen Kontinenten, in unterschiedlichen Staaten und verschiedenen Ländern spielen.“ Er nahm die volle Mitgliedschaft auf der US PGA Tour an und drehte Europa erst einmal den Rücken. Das unbekannte Putten und Chippen auf dem in den USA üblichen Bermudagras war eine Herausforderung – Kaymer zog nach Arizona und begann wie verrückt zu trainieren.

Den Anschluss an die Weltspitze schaffte er wie im Flug. 2011 war er die Nummer 1 der Welt. Der Rummel um seine Person war riesig. Zu viel für einen, der keinen Wert auf viel Präsenz in der Öffentlichkeit legt. „Ich konnte mit vielen der Dinge, die in Deutschland passierten, nicht umgehen“, gab er zu. „Das war alles viel zu viel. Um ehrlich zu sein, das alles zu verkraften und gleichzeitig gutes Golf zu spielen, war extrem schwierig.“ Kaymer verlor den Fokus und die Form. Sein Start beim Masters in Augusta im April 2011 geriet zu einer Katastrophe, was auch damit zu tun hatte, dass ihm der Platz sowieso bis heute nicht sonderlich liegt. Es ist, wie er selbst sagt, die „größte sportliche Herausforderung, die ich je hatte“, mit einem Layout fertigzuwerden, das seinem Spiel von Grund auf eigentlich nicht entgegenkommt. Kaymer verpasste also den Cut – und das Versagen des deutschen Weltranglistenersten wurde in sämtlichen Golfgazetten der Welt aus jedem nur möglichen Blickwinkel beleuchtet.

Nach einem Aufstieg, der wie ein Golfmärchen erschien, erlebte der junge Deutsche zum ersten Mal Ernüchterung. Er fing an seinen Erfolg zu relativieren, die Position des Weltranglistenersten, so erkannte er, hat seine Tücken. „Fest steht, dass, wenn man wirklich auf die Weltrangliste achtet und wenn einem die Weltrangliste wichtig ist, man dann da sehr schnell sehr viel Druck aufbauen kann. Und den Druck von außen, den spürt man auch. Der kommt von den Medien, von den anderen Spielern, weil einfach immer darüber gesprochen wird. Das Gefühl ganz oben an der Spitze ist also eigentlich kein anderes, aber es ist einfach sehr schwer, konstant immer sehr gutes Golf zu liefern. Da baut sich Druck von anderen auf, der sich aber durchaus auf das eigene Spiel auswirken kann.“ Als Kaymer dies 2011 bei der PGA Championship in Wentworth in einem Gespräch erzählt, hat er die Spitzenposition bereits wieder abgegeben.

Die nächsten Jahre werden schwierig, weil ein Konflikt offenkundig wird: Martin Kaymer will internationales Spitzengolf spielen – aber nur bedingt das damit verbundene Leben führen. Die Begehrlichkeiten von Fans, Turnierveranstaltern, Sponsoren und Presse sind ihm oft zu viel. Er weiß, dass das Leistungsniveau auf der amerikanischen PGA Tour höher ist als in Europa, andererseits aber will er nicht immer in Amerika leben. „Golf kann nicht alles sein“, erklärte er 2013 vor der BMW International Open in München bei einer denkwürdigen Pressekonferenz, zu der er ins Seehaus im Englischen Garten eingeladen hatte. Er brauche ein Stück deutsche Normalität, „ab und zu Wäsche, die nach Persil riecht“ oder Weihnachten „eine Gans essen mit Rotkohl und Knödel“. Und überhaupt wolle auch er „einmal Erdbeeren pflücken gehen wie alle anderen“.

Es verging noch fast ein Jahr, bis sich das Blatt wieder wendete und aus Kaymer dem Haderer, wieder Kaymer der Sieger wurde.

Als der Wechsel kommt, ist er wieder einmal fulminant. Der Deutsche gewinnt 2014 zuerst die Players Championship in Ponte Vedra Beach in Florida und legt dann noch den Sieg bei der U.S. Open in Pinehurst nach. Er ist zurück in der Weltspitze, mit zwei Majorsiegen einer der Besten, die Europas Golfszene aufzubieten hat. Und in Deutschland hofft man, der Glanz der Siege Kaymers könne ein wenig auf die ganze Sportart abfärben und dieser mehr Präsenz sowohl im Fernsehen als auch in der breiten Öffentlichkeit verschaffen.

Kaymer ist längst Profi, was diese Erwartungshaltungen anbelangt. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 lieferte er eine erstklassige Vorstellung als Golfbotschafter ab. Bei der Eröffnungsfeier im Maracana-Stadium schob man den 31-Jährigen im deutschen Sportlerteam in die vorderen Reihen, damit ihn auch alle Fernsehzuschauer sahen. Golf mag in Rio de Janeiro ein relativ neuer Sport bei den Olympischen Spielen gewesen sein – der Golfer Martin Kaymer aber hatte im deutschen Fernsehen einen weit höheren Wiedererkennungswert als jeder Ruderer oder Leichtathlet.

 

Für ihn selbst waren die Olympischen Spiele einer der Höhepunkte seiner Sportkarriere. All die anderen Sportler und Sportarten so nah zu verfolgen, das war ganz sein Ding. „Wenn da die Nationalhymne von allen Sportlern gesungen wird, das ist schon noch was anderes“, gab er zu. Eine Gänsehaut habe er bekommen. Der Golfer Kaymer – eigentlich verankert in seiner Individualsportart – spürte bei Olympia den Reiz einer Teamveranstaltung.

Emotionen wie diese hat er sonst nur beim Ryder Cup kennengelernt, den er von 2010 bis 2016 vier Mal in Folge spielte. Ein überaus emotionaler Spieler war er auch da nie, keiner, der wie die Kollegen Rory McIlroy oder Ian Poulter aufgepumpt vom Adrenalin über die Fairways stürmte. Trotzdem war gerade er es, der 2012 in den USA den entscheidenden Putt zum Sieg Europas lochte, als er in seinem Einzel Steve Stricker besiegte. Der Rausch der Gefühle, den man im Anschluss bei dem Deutschen beobachten konnte, war ungewöhnlich. In die Deutschlandfahne gehüllt, ließ er sich feiern, jubelte Fans und Freunden zu. Es war ein ungewöhnlicher Emotionsausbruch für einen, der stets versucht, während seines Jobs als Golfprofi möglichst wenig nach außen dringen zu lassen.

Nach mehr als 15 Profijahren gibt es längst den Golfer Kaymer und den Privatmann Kaymer, beide fein säuberlich getrennt. Der Sportler ist zwischendrin sogar aus den Top 150 der Weltrangliste gefallen, hat seinen letzten Turniersieg 2014 geholt und gelernt, ein Spieler in der zweiten Reihe zu werden. Die automatische Qualifikation für jedes Major-Turnier, jede World Golf Championship ist dann dahin. Verletzungen, Formtiefs, Rückschläge: Viele der Tiefs, die das Leben eines Berufssportlers ausmachen, erlebt der Deutsche nicht wie viele andere zum Beginn der Karriere, sondern erst jetzt nach einem langen Höhenflug.

Blickt man aber hinter die Zahlen und Positionen, um die es in Ranglisten und Qualifikationen geht, so bleibt vor allem eine Erkenntnis: So tief der Absturz gewesen sein mag, so ungewöhnlich ist dieser Martin Kaymer trotzdem als Spieler, weil er mehrfach im Verlauf seiner Karriere Weltklasse war und aus dem großen Feld der Durchschnittsspieler deutlich herausragte. Der eine oder andere Athlet erreicht solch einen Zustand vielleicht irgendwann im Verlauf seiner Karriere, weil alle Umstände glücklich zusammenpassen. Wenn jemand wie Kaymer mehrfach und über einen längeren Zeitraum derartig überzeugt, ist es Können und nicht Zufall.

Bei der U.S. Open 2014 zum Beispiel war der Deutsche schlicht unbesiegbar. Ein Ausnahmeathlet mit Drives, die auf den Punkt geschlagen wurden, viel Aggressivität und einem Riecher für das richtige Spiel. Allesamt Eigenschaften, die man sehr selten findet. Sie machen Majorsieger aus, solche wie Martin Kaymer.

Rory McIlroy

Ball-Artist

und Businessman

Es gibt diese Geschichte vom kleinen, wildgelockten Rory McIlroy, der eines Tages in der St. Patrick’s Primary School im nordirischen Holywood nicht wirklich bei der Sache wirkte und auf diese Unaufmerksamkeit von seiner Lehrerin Miss McCullough angesprochen wurde. Die Antwort des Schülers, der bekanntlich schon als Dreijähriger ziemlich gekonnt Golfbälle passgenau in die Waschmaschine seiner Mutter schlug, klang so: „Keine Angst Miss McCullough, ich werde schon zurechtkommen.“ Jahre später, McIlroy kam inzwischen tatsächlich finanziell gut zurecht und war außerdem ein Superstar des Golfsports, traf er seine alte Lehrerin bei einem Golfturnier wieder. Miss McCullough half bei dem Golfturnier in Nordirland am Platz als Marshall aus, bei dem ihr einstiger Schüler der Zuschauermagnet war. Als McIlroy seinen Ball dorthin schlug, wo die Lehrerin stand, schaute er kurz zu ihr auf, lachte und sagte. „Hallo, Miss McCullough, wie geht’s denn so?“

Der Multimillionär und Superstar ist sich in vielerlei Hinsicht treu geblieben. Seine Frau Erica ist Amerikanerin, längst lebt er in Florida auf Jupiter Island – aber an der Heimat Nordirland, seinen alten Freunden, den bekannten Orten hängt er noch immer.

Für die Menschen in Holywood ist McIlroys Karriere eine fantastische Geschichte: Ein begnadeter kleiner Golfer, für dessen Karriere Eltern Nachtschichten einlegen und doppelte Jobs absolvierten, wird zu einem der größten Verdiener im Golfsport und einem der 50 Topverdiener im Sport des Jahres 2019. Als er in diesem Jahr mit gerade einmal 30 Jahren zum zweiten Mal die Tour Championship in Atlanta gewann und den Jackpot von 15 Millionen Dollar abräumte, war seine Reaktion nüchtern. „Das war bisher eine ganz gute Saison“, sagte er.

Rory McIlroy, so heißt es aus dem Kreis der Kollegen und deren Coaches, habe das Selbstbewusstsein eines Riesen – aber eben auch ein einfach begnadetes Spiel. Er ist eines jener Naturtalente, die mit dem Ball schier nach Belieben zaubern – einer wie Severiano Ballesteros: ein Künstler mit eigenem Kopf. Mentales Training, Ausruhen, Strategieplanung – all das war nie sein Ding. Schon als Kind daheim im Holywood GC war er einfach ein Spieler, der schon als Achtjähriger mit den älteren Jungs auf dem Platz zockte. Als Zehnjähriger fuhr er zur Callaway Junior World Championships und wurde Neunter. Ein Jahr später gewann er das Turnier.

Wer eine glasklare, perfekte Amateurkarriere verfolgen will, muss sich seine ansehen. Er spielte Junior Ryder Cup, gewann 2006 die Europameisterschaften der Amateure, stellte als 16-Jähriger einen Platzrekord mit 61 Schlägen in Royal Portrush auf. Bei der British Open in Carnoustie 2007 war er ein leicht übergewichtiger, wildgelockter Teenager, der beherzt diesen doch so schweren Championship-Platz angriff. Er gewann die Silver Medal für den besten Amateur. Wer, wenn nicht er?

Als er 2007 ins Profilager gewechselt war, begann eine Karriere im Schnelldurchgang, die Experten längst vorausgesehen hatten. McIlroy bekam einen hochdotierten Vertrag beim Sportmanager Chubby Chandler und seiner Firma International Sports Management, Geld war schnell kein Thema mehr. 2009 gewann er sein erstes Turnier, die Dubai Desert Classic. Am 22. November 2009 war er unter den Top Ten der Welt angelangt – mit gerade einmal 20. Ein Jahr später gab er sein Debüt beim Ryder Cup. Wer glaubte, hier trete ein schüchterner Debütant an, täuschte. Für diesen Teamwettbewerb voll der Emotionen war dieser junge Mann wie gemacht. Er avancierte von Beginn seiner Ryder-Cup-Karriere an zu einer Führungsfigur und ist dies bis heute geblieben. Europas Ryder-Cup-Team ohne einen Rory McIlroy scheint im Moment undenkbar, zumal der junge Mann zwischendrin immer wieder mit aufsehenerregenden Extraeinlagen punktet. 2012 beim Ryder Cup im amerikanischen Medinah Country Club verpasste er beinahe seine Startzeit um 11.25 Uhr in den alles entscheidenden Einzeln. Er hatte eine Stunde Zeitverschiebung übersehen, morgens am Sonntag in Ruhe ein wenig Fernsehen geschaut, bevor die Organisatorin des Shuttle-Dienstes im Spielerhotel bemerkte, dass McIlroy nicht wie beabsichtigt schon Richtung Platz unterwegs war. Um elf Uhr klingelte man ihn aus seinem Zimmer, er bekam einen Platz in einem Polizeiauto, das ihn mit Sirene und Blaulicht zum Golfplatz fuhr. „Ich glaube nicht, dass ich mir jemals hätte verzeihen können, wenn ich mein Team und meinen Kapitän hier hätte hängen lassen“, meinte er später in der Pressekonferenz. „Ich war so froh, dass ich noch zehn Minuten vorher da war; ich holte den Punkt für mein Team und am Ende haben wir gewonnen. Ich bin ja sowieso keiner, der zu früh zum Platz kommt. Eine halbe Stunde reicht mir, dann bin ich fertig. Ich mache mein Ding und spiele los.“

Seine spätere Frau Erica lernte er übrigens bei dieser Gelegenheit kennen – wobei der Medienstar McIlroy zu diesem Zeitpunkt noch in einer Beziehung mit der Ex-Tennisweltranglistenersten Caroline Wozniacki lebte, der er allerdings 2014 bei einer Pressekonferenz im Rahmen der BMW PGA Championship im britischen Wentworth den Laufpass gab. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 300 Hochzeitseinladungen für die dreitägige Feier im Rockefeller Center in New York verschickt, der Verlobungsring hatte McIlroy 150.000 Euro gekostet. „Das Problem liegt bei mir. Die Hochzeitseinladungen haben mir klargemacht, dass ich nicht bereit bin, für all das, was eine Ehe erfordert“, erklärte McIlroy vor laufenden Kameras. Er löste die Verlobung auf, ging raus auf den Platz und gewann das Turnier. Die Schlagzeilen in den Tageszeitungen waren ihm sicher.

Anders als Tiger Woods hat Rory McIlroy nie versucht, sich gänzlich der Öffentlichkeit zu entziehen. Im Gegenteil: Mit Kontroversen hat er kein Problem, schon deshalb genießt er einen festen Platz in den Medien. Politische Fragen zum Status Nordirlands diskutierte er in der Vergangenheit immer wieder, kritische Kommentare zu den Regularien und Abläufen der Profi-Touren gibt er häufig ab. Nein, Rory McIlroy ist keiner, der sich mit seiner Meinung versteckt. Unsympathisch wirkt er dabei nicht, weil die Öffentlichkeit den Eindruck hat, dass sich hier ein Mann treu bleibt.

Rein wirtschaftlich betrachtet, ist der Nordire längst eine eigene feste Größe im Golfgeschäft. Mit GolfPass, einem digitalen Abonnementdienst, brachte McIlroy Anfang des Jahre 2019 zusammen mit dem US-Sender NBC ein Produkt auf den Markt, über das er seine eigene Vermarktung steuert. Wer für 9,99 Dollar Mitglied wurde, bekam Unterrichtsmaterial von McIlroy und seinen Coaches, Interviews, Schwungsequenzen, empfohlene Produkte. Anderen Plattformen, egal ob im Fernseh-, Online- oder Print-Bereich, entzieht sich McIlroy zunehmend.

Und auch sein Management übernimmt er selbst. Die Firma Rory McIlroy Management Services Ltd mit Sitz in Dublin kümmerte sich schon um die Geschäfte des Golfstars, als dieser gerade erst Anfang 20 war. Sein Vater Gerry fungiert als Direktor. Fremdbestimmung durch eine externe Managementfirma schätzt McIlroy nicht.

Daher gilt auch auf den internationalen Golftouren: Rory McIlroy tritt auf, wann und wo er will, den nächsten Majortitel fest im Blick. Am Ende nämlich ist es immer noch der kleine weiße Ball, das Golfspiel, das ihn bewegt. Einer der prägendsten Momente bei allen seinen Erfolgen wohl der Finaltag des US Masters 2011. Die Bühne schien bereit für seinen ersten Majortriumph, als er in die Schlussrunde mit vier Schlägen Vorsprung startete. Auf eine dreitägige Präsentation voll von Brillanz folgte das Desaster am zehnten Loch, nachdem die Führung ohnehin auf einen Schlag dahingeschmolzen war. Nach einem ausgeprägten Hook links in die Bäume blieb nur noch ein Rettungsschlag zurück aufs Fairway. Er verpasste das Grün, spielte ein Triple-Bogey mit sieben Schlägen und verließ das Loch wie erstarrt. Die verbleibenden acht Löcher schien der Ire unter seiner tiefgezogenen Kappe zu verschwinden. Ein Bogey an Bahn elf, danach ein Vierputt zum Double-Bogey an Loch elf: Mit dem Gewinn des Grünen Jacketts für den Masters-Sieger hatte er da längst nichts mehr zu tun. „Wenn ich das nächste Mal in so einer Position bin, werde ich sie hoffentlich besser bewältigen“, meinte er im Anschluss.

Lange warten musste er nicht: Zwei Monate später gewann er die U.S. Open im Congressional Country Club mit acht Schlägen Vorsprung, im August 2012 legte er mit dem Titel des PGA Champions nach. 2014 holte er noch einmal den Titel bei der PGA Championship und dazu den bei der British Open. Er wurde Weltranglistenerster, Player of the Year, gewann das Race to Dubai. Gleichzeitig kämpfte er aber auch immer wieder mit Putt-Problemen, dem einen oder anderen Versagen bei Turnieren. Nein, ein Perfektionist, der konsequent an einer Spielstrategie festhält, ist er eben nie gewesen. Dafür ein Ball-Artist, emotional und begnadet, intuitiv und wahrscheinlich deshalb auch sympathisch.

Entstanden ist auf diese Weise über die Jahre hinweg nicht nur das Bild von einem extrem erfolgreichen Sportler, sondern vor allem von einer Person des öffentlichen Lebens. Wer am Flughafen Belfast das Terminal betritt, geht durch eine Fotogalerie der bekanntesten irischen Personen. Das Bild von Rory McIlroy kommt gleich zu Beginn. Er ist immer noch sommersprossig, aber die wilden Locken sind zurechtgestutzt. Fest steht: Er kommt ganz gut zurecht, als Sportler und als Geschäftsmann.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?