FREMDE HEIMAT

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

In diesem Moment zischte das Schott.

»Ihr Essen, Ma’m«, verkündete ein Bass.

»Jetzt nicht, Mister Benton.«

Die Musik wurde abgestellt, während das Schott sich wieder schloss.

»Soll ich’s hier hinstellen, Ma’m?«

»Ja, von mir aus.«

»Stimmt was nicht, Ma’m?«

»Nichts stimmt«, fauchte Hayes Benton an. »Absolut gar nichts.«

»Soll ich gehen, Ma’m?«

»Was? Nein. Bleiben Sie hier. Es … tut mir leid, aber … Gott, ich bin so müde. Ich weiß einfach nicht weiter.«

»Vielleicht sollten Sie mal ’ne Pause machen, Ma’m.«

Ein Stuhl quietschte, als die Person darauf sich erhob.

»Sie haben recht«, sagte Hayes. Es klang, als würde sie die Worte zwischen ihren Zähnen hervorquetschen.

Der Zweifel wurde zu einem unüberwindbaren Berg. Hitze wallte in Alan auf.

Gott, er war dieses Versteckspiel leid. Zumal Mabuto ganz offensichtlich mehr wusste als er. Es war ihm egal, was sie ihm verschwieg, ob er künftig ein Krüppel sein würde oder morgen sterben musste. Er wollte nur wissen, um was es ging, damit er sich der Sache stellen konnte.

Als Hayes den Vorhang beiseitezog, zuckte Alan zusammen.

»Ich werde jetzt den Tubus entfernen. Sind Sie bereit?«, fragte sie.

Er nickte, zu überrascht, um Freude empfinden zu können.

Hayes legte ihm eine Hand auf die Stirn und die andere um den Schlauch. »Auf mein Kommando ausatmen. Jetzt!« Bevor sie ›jetzt‹ sagte, zog sie, sodass Alan nicht dazu kam, zurückzuschrecken.

Der Schlauch kratzte in seinem Hals. Er musste husten und beugte sich nach vorne.

Hayes legte den Arm um seine Schultern und fixierte einen Schlauch unter Alans Nase. »Ruhig atmen«, mahnte sie mit Blick auf die Kontrollen.

Alan gehorchte und ließ sich gegen sie sinken, bis das Gefühl der Schwäche schwand. Als sie sich räusperte, rückte er von ihr ab.

»Spucken Sie’s aus.«

Hayes blinzelte.

»Wie lange noch?«

Sie schwieg und stand langsam auf. »Maximal drei bis vier Wochen. Wenn es schlecht läuft, nur ein paar Tage.«

Die Worte boxten Alan die Luft aus den Lungen. »Sie haben mich angelogen.«

»Nein … ja … Herrgott!« Hayes strich sich die Haare aus der Stirn. »Ich wollte eine Simulation abwarten, um sicherzugehen …«

»Sind Sie nun sicher?«

»Ja, nein. Gott, machen Sie es mir doch nicht so schwer …«

»Okay, ich höre. Erklären Sie es mir!«

Mit gerunzelter Stirn stopfte sie die Hände in die Taschen ihres Kittels. »Das Gegengift, das Mister Benton Ihnen gegeben hat, hat zwar das Krail-on-Gift inaktiviert, indem es sich mit ihm verbunden hat. Doch meine Simulationen haben mir gezeigt, dass die Verbindung nicht dauerhaft ist. Die beiden Moleküle werden sich wieder voneinander lösen. In Folge davon wird es zu fortschreitenden Lähmungen und Muskelkrämpfen kommen, die zum Exitus führen.«

Um Haltung bemüht biss Alan die Zähne zusammen. »Sie könnten mir mehr von dem Gegengift geben …«

Hayes schüttelte den Kopf. »Nein. Das Gegengift ist ein inaktivierter Abkömmling des Tetanustoxins, das bei der Ablösung von dem Krail-on-Gift wieder aktiviert wird. Gebe ich Ihnen mehr davon, kann ich zwar das Krail-on-Gift wieder inaktivieren, aber dafür wird sich immer mehr von dem Tetanustoxin in ihrem Körper anreichern. Und wenn ich versuche, dessen Abbau über Proteasen zu provozieren, dann wird das Krail-on-Gift wieder frei. Das Problem ist nicht lösbar.«

»Schön. Das war also die gute Variante. Und was geschieht mit mir, wenn es schlecht läuft.«

Hayes rieb sich die Stirn. »Es tut mir leid. Ich …«

»Erklären Sie mir die andere Variante!« Bevor ihm der Kragen platzte.

Hayes ließ den Kopf hängen. »Meine Simulationen haben mir gezeigt, dass der Gift-Gegengift-Komplex nicht abgebaut werden kann und sich stattdessen in der Niere anreichert. In siebzig Prozent der Fälle kam es zu einer immunologischen Reaktion des Körpers, die zu einem Nierenversagen führte. In einem Drittel der Fälle kam es zusätzlich zu einem Leberversagen. Ich habe verschiedene Behandlungsmethoden getestet, aber keine hatte Erfolg. In den Simulationen zumindest. Es tut mir wirklich leid, aber …«

»Warum haben Sie Mister Benton dann das Gegengift gegeben?«

»Meine Simulation war erst abgeschlossen, als Sie mit Mister Benton zurückkehrten. Ich verspreche Ihnen, dass ich alles tun werde, was ich kann, um Sie zu retten.«

Alan erstarrte. Hierbleiben? Das Piepen des Herzmonitors beschleunigte sich. »Und wenn ich nicht gerettet werden will? Was, wenn es mir lieber ist, schnell zu sterben, anstatt zu Tode zu siechen? Ich habe Besseres zu tun, als hier auf mein Ende zu warten.«

Mit einem Kopfschütteln stemmte Hayes die Fäuste in die Hüften. »Sie schütten das Kind mit dem Bade aus, Mister McBride. Nur weil Sie Krankenhausaufenthalte nicht mögen, heißt das noch lange nicht, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«

»Sie verstehen nicht«, fauchte er. »Ich muss endlich mit der Krail-on-Frau reden, die sich an Bord befindet. Sie hat etwas vor, sonst wäre sie nicht hier. Rufen Sie Mister Mabuto! Ich muss mit ihm sprechen. Und erzählen Sie mir nicht, dass er nicht weiß, wie es um mich steht! « Mit einem Ächzen stemmte er sich in die Höhe.

Hayes packte ihn an den Schultern. »Legen Sie sich sofort wieder hin! Sie brauchen Ruhe.«

Das Piepen steigerte sich zu einem Crescendo.

»Verdammt! Hören Sie auf, mich zu bemuttern. Ich muss mit Mister Mabuto sprechen. Wenn Sie ihn nicht holen, dann werde ich es eben selber tun.« Er schwang die Beine über den Rand des Bettes und wurde dabei an die Schläuche erinnert, die ihn festhielten.

Hayes versuchte, nach seinen Händen zu greifen. »Könnten Sie mal Ihr verdammtes Machogehabe vergessen und sich wie ein vernünftiger Mensch benehmen?«

»Verdammt! Machen Sie sie weg!«

Zornig fegte er Hayes Hände beiseite, griff nach der Kanüle und riss sie aus seinem Arm. Blut rötete das Laken. Die Nasensonde und der Sender des Herzmonitors folgten. Das Piepen verwandelte sich in einen Pfeifton.

Als er nach dem Blasenkatheter greifen wollte, hielt Hayes ihn zurück. »Mister McBride, kommen Sie zur Vernunft. Ich will Ihnen doch nur helfen.«

»Indem Sie mich anlügen?«

»Sie hirnamputierter Macho! Hören Sie mir doch zu!« Hayes schüttelte ihn.

Er riss sich los, warf sich gegen sie, rutschte dabei von der Bettkante und fand sich plötzlich auf dem Boden wieder. Mit der Kraft der Verzweiflung versuchte er, auf die Füße zu kommen, während Hayes ihn unter den Achseln packte, um ihm dabei zu helfen.

»Benton«, schrie sie. »Mister Benton!«

Schritte näherten sich.

Alan stieß Hayes von sich, verlor den Halt und stürzte auf die Knie. Plötzlich wurde er von hinten gepackt und festgehalten.

»Lassen Sie mich los!«, schrie Alan.

Mit roten Flecken im Gesicht sprang Hayes auf und eilte zu einem der Wandschränke. Es klirrte, als sie zwei der Flaschen umwarf. Sie ergriff eine, zog eine Spritze auf und kam damit auf Alan zu.

Außer sich vor Zorn versuchte Alan, sich aus Bentons Griff zu winden, aber Benton verdrehte Alans Arm auf den Rücken, dass dieser vor Schmerz aufkeuchte. Alan versuchte, einen Kopfstoß anzubringen. Da legte Benton den Arm um Alans Hals und bog seinen Kopf nach hinten. Den Moment nutzte Hayes, um ihm die Injektion in den Hals zu jagen.

»Nein«, keuchte Alan.

Aus der Wut wurde Ohnmacht. Erstarrt lag er in Bentons Griff und wartete auf die schwarze Woge, die auf ihn zurollte.

Hayes ging neben ihm in die Hocke und sah ihn an. »Es tut mir leid«, sagte sie.

Alan starrte sie an, kämpfte gegen die Schwere seiner Lider. Die Angst, auf der Krankenstation bleiben zu müssen, raubte ihm den Atem. Aber bevor er sie verdrängen konnte, erfasste ihn die Woge und begrub ihn unter sich.

Das Erste, was er hörte, als er erwachte, war das Piepen des Herzmonitors. Mit einem Stöhnen wandte er den Kopf zur Seite, wollte zurückfallen in die Schwärze, doch das Piepen ließ es nicht zu. So dümpelte er in einem Meer aus Gleichgültigkeit und stierte an die Decke.

»Wie geht es Ihnen?«, hörte er Hayes’ Stimme. Eine Hand fasste nach seiner Schulter.

Alan starrte weiter an die Decke. Aus dem Tümpel in seinem Hirn stieg ein Gedanke an die Oberfläche. Die Krail-on-Frau.

»Mister McBride, seien Sie vernünftig. Es ist doch nur zu Ihrem Besten.« Hayes’ Stimme klang weich, als bitte sie ihn um Verzeihung.

»Holen Sie Lieutenant Mabuto.«

Hayes wich zurück. »Sie brauchen nicht Mister Mabuto. Sie brauchen eine Psycho- oder eine Verhaltenstherapie«, schnappte sie.

Alan ignorierte sie. »Sie hören mir nicht zu. Ich muss mit Lieutenant Mabuto sprechen. Es ist wichtig.«

»Beruhigen Sie sich!«

Ich bin ruhig, hätte er ihr gern ins Gesicht geschrien. Aber er war einfach zu müde, um sich aufzuregen. Langsam drehte er ihr den Kopf zu. »Ich will mit Lieutenant Mabuto sprechen.«

»Ja, er wusste es«, blaffte sie. »Er ist unser kommandierender Offizier. Ich musste ihn informieren. Das bedeutet nicht, dass ich Sie …«

»Darum geht es nicht«, unterbrach er sie. »Ich habe wichtige Informationen für ihn, die er erfahren muss. Also rufen Sie ihn endlich!«

Mit schmalen Lippen stopfte sie ihre Fäuste in die Taschen. »Wie Sie wollen.«

Hoch erhobenen Hauptes kehrte sie ihm den Rücken zu und stolzierte aus seinem Sichtfeld. Als er hörte, wie sie die Schiffskomm betätigte und nach Mabuto rief, schloss er die Augen. Die Schwärze drohte, ihn wieder zu überwältigen. Keuchend rang er nach Atem. Nur mühsam schaffte er es, seine Augenlider offenzuhalten.

 

Währenddessen kehrte Hayes zu ihm zurück und checkte die Kontrollen. Ehe er reagieren konnte, injizierte sie den Inhalt einer Spritze in den Infusionsschlauch, der in seinem linken Arm endete. Sein erster Gedanke war, dass sie ihn wieder zu sedieren versuchte.

»Nein«, stöhnte er, »bitte. Ich …«

»Das war ein Mittel zur Stabilisierung Ihres Kreislaufs, Mister McBride. Ich habe es wirklich nicht nötig, zu Tricks zu greifen, um mich Ihnen gegenüber durchzusetzen.«

Ihm dämmerte, dass die Angst, auf der Krankenstation bleiben zu müssen, ihn in diese Situation gebracht hatte. Wenn er Mabuto davon überzeugen wollte, sie verlassen zu dürfen, musste er wohl oder übel seine Taktik ändern.

»Es freut mich, Sie bei Bewusstsein zu sehen.«

Mabuto blieb in der Öffnung des Vorhangs stehen, als habe er es eilig.

Die Worte trieben Alan das Blut ins Gesicht. »Sir, ich muss mich für mein Verhalten entschuldigen. Es soll nicht wieder vorkommen.«

»Sagen Sie das Doktor Hayes.« Nun trat Mabuto doch an Alans Bett. »Weshalb wollten Sie mich sprechen?«

»Mister Fiorentino hat mir von der Krail-on-Frau berichtet, die sich an Bord befindet. Ich wollte Ihnen anbieten, mit ihr zu reden.«

Mabuto runzelte die Stirn. »Doktor Hayes hat mir bereits vor einigen Tagen Ihren … Zustand geschildert. Ich denke, dass Sie auf der Krankenstation besser aufgehoben sind. Zu Ihrem Besten natürlich.«

»Sir, bei allem Respekt.« Alan stemmte sich in die Höhe. »Aber ich vermute, sie hat einen guten Grund hier zu sein. Wir sollten sie aushorchen, bevor wir in eine neue Falle tappen.«

»Der Gedanke ist mir nicht neu. Aber ich sehe keinen Grund, weshalb Sie deswegen die Krankenstation verlassen sollten.«

»Sir, ich glaube, sie will mit mir reden …« Alan verstummte. Ganz falsch. Wenn er mit ihr reden wollte, musste er es anders anfangen.

»War das alles, Mister McBride?«

Das Piepen des Monitors beschleunigte sich. Ruhig, mahnte sich Alan und atmete tief durch.

»Sir, ich wollte Ihnen nur sagen … Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Es war meine Entscheidung.«

Mabuto senkte den Kopf.

Bevor er etwas erwidern konnte, setzte Alan hinzu: »Sir, mit Verlaub. Ich hätte nur eine Bitte: Lassen Sie mich etwas tun! Meinen Dienst wieder aufnehmen – irgendetwas, damit ich das Gefühl habe, von Nutzen zu sein. Damit … damit mein Kampf nicht sinnlos war.«

Das Piepen pulsierte in Alans Ohren. Es machte ihn schier wahnsinnig.

»Sind Sie sich im Klaren darüber, dass das Ihre … Überlebenschance verringern könnte?«

Das Piepen stolperte, verlangsamte sich.

»Ja, Sir. Ich bin mir dessen bewusst.«

Mabuto schwieg.

»Sir, bitte helfen Sie mir!«

Mabutos Miene wurde hart. »Glauben Sie, dass Sie eine Schicht durchhalten können?«

»Ja, Sir.«

»Gut. Ich werde mit Doktor Hayes reden. Aber nur unter einer Bedingung: Sie werden sich Ihren Anweisungen fügen, egal, was sie von Ihnen verlangt. Wenn Hayes Grund zu Klagen hat, ziehe ich mein Einverständnis zurück. Haben Sie das verstanden?«

»Aye, Sir.«

»Ich hoffe, ich muss meine Entscheidung nicht bereuen, Mister McBride.«

»Nein, Sir. Danke, Sir.« Mit einem Seufzen sank Alan auf sein Kissen zurück.

Mabuto nickte ihm zu. »Ich zähle auf Sie, Mister McBride.« Mit diesen Worten verließ er den Raum.

Als das Schott hinter ihm zischte, kam sich Alan mit einem Mal wie ein Betrüger vor. Vielleicht hatte White mit ihren Anschuldigungen nicht so unrecht gehabt.

»Sind Sie nun zufrieden?«, fragte Hayes.

Mit verschränkten Armen baute sie sich neben Alans Bett auf.

Alan schwieg und starrte an ihr vorbei auf die Wand.

»Ich übernehme keine Verantwortung für das, was daraus erwachsen wird.«

»Es ist mein Leben«, knurrte Alan.

»Oh, fein!«, höhnte Hayes. »Sie machen es sich verdammt einfach, Mister McBride. Vielleicht sollten Sie ab und zu auch an die Leute denken, mit denen Sie auf diesem Schiff zusammenleben!«

»Das habe ich getan!«

»Sie wissen, was ich meine«, erwiderte Hayes. »Ich bin Ihre Ärztin. Und meine verdammte Pflicht ist es, Ihr Leben zu erhalten. Glauben Sie nicht, dass ich Sie aus der Krankenstation entlasse, bevor Sie wieder halbwegs genesen sind. Zwei Tage werden Sie hier wohl oder übel noch verbringen müssen. Und wenn Sie nicht kooperieren, kann sich die Zeit leicht verlängern.«

Der Hieb saß. Darauf wusste er nichts zu antworten.

»Über die Therapie sprechen wir noch. Wenn ansonsten alles geklärt ist, werde ich jetzt Mister Benton zu Ihnen schicken, damit er Ihnen den Blasenkatheter entfernt. Er wird Sie zur Toilette begleiten und danach mit Ihnen trainieren. Noch Fragen?«

»Nein.«

»Gut.« Mit diesem Wort kehrte sie Alan den Rücken zu und stolzierte aus dem Raum.

Ab diesem Zeitpunkt herrschte Krieg zwischen ihnen. Alan bekam Hayes erst wieder zu Gesicht, als sie abends kam, um seine Werte zu kontrollieren. Benton trainierte an ihrer Stelle mit Alan. Da das Muskeltraining alles war, womit er seine Position Hayes gegenüber verbessern konnte, quälte er sich durch die Übungen, bis Benton ihn bremsen musste. Deans Besuch am Abend war der einzige Lichtblick.

Am nächsten Morgen wurde er von Kuosmanen geweckt, die er solange durch die Übungen scheuchte, bis diese erschöpft abwinkte. Die einzige Abwechslung war Hayes, die um die Mittagszeit seine Werte überprüfte und Kuosmanen daraufhin die Nasensonde entfernen ließ und Alan die erste feste Nahrungsaufnahme erlaubte. Er wünschte sich Marmeladentoast, den Kuosmanen ihm brachte, obwohl er nicht unbedingt Hayes’ Vorstellungen von Alans Speiseplan entsprach. Aber Kuosmanen schien es zu mögen, Alan einen Gefallen zu tun. Sie rang ihm sogar ein Lächeln ab, als sie am Nachmittag wieder zusammen trainierten. Als Dean ihn abends besuchte, war Alan wesentlich besser gelaunt als am Tag zuvor.

Am nächsten Morgen hetzte ihn Hayes durch eine Reihe von Untersuchungen, deren Ergebnisse sie anscheinend nicht beanstanden konnte.

»Kann ich gehen?«, fragte er, nachdem sie die CT- und Blutgaswerte ein zweites Mal kontrolliert hatte.

»Sie wollen es ja nicht anders.«

»Sie kennen meine Antwort.«

»Dadurch wird sie nicht vernünftiger.«

Alan schluckte eine Erwiderung hinunter und ließ die Beine über den Rand der Liege baumeln. »Also, was ist? Kann ich gehen?«

Mit frostiger Miene stopfte Hayes die Hände in die Taschen ihres Kittels. »Ihre Werte sind einwandfrei. Aber eine Psycho- oder Verhaltenstherapie brauchen Sie trotzdem.«

»Ich glaube, das erübrigt sich.«

»Wie Sie meinen.« Hayes zuckte mit den Schultern.

Aber als Alan von der Liege rutschen wollte, hielt sie ihn fest.

»Nicht so eilig. Ich möchte Ihre Blutwerte überwachen können, wenn Sie die Krankenstation verlassen haben.«

Nur mit Mühe schaffte Alan es, nicht zu explodieren. »Ich nehme nicht an, dass ich das verhindern kann«, knirschte er.

»Nein, das können Sie nicht.«

»Worauf warten Sie dann noch?«

»Legen Sie sich wieder hin«, sagte Hayes und zog einen der Rolltische zu sich heran.

Wortlos gehorchte Alan und studierte die Stahldecke der Krankenstation. Kälte breitete sich an der Stelle auf seinem Bauch aus, an der Hayes ein Desinfektionsmittel aufsprühte. Dann spürte er einen Stich. Als er an sich hinabblickte, entdeckte er, dass ein dünner Schlauch aus seiner Bauchdecke ragte. Bevor er sich wundern konnte, was die Ärztin vorhaben könnte, führte sie das Ende des Schlauchs in eine kleine Schachtel mit einer Leuchtdiode ein, die sie mit einem Streifen Klebefolie auf seiner Haut befestigte.

»Der Sender wird mir stündlich ihre Kalium-, Harnstoff und Cystatin-C-Werte übermitteln.«

Automatisch wanderte Alans Hand zu dem Fremdkörper, doch Hayes schob sie beiseite. Argwöhnisch setzte er sich auf und begutachtete den Sender.

»Wozu?«

»Um mich rechtzeitig zu warnen, falls Ihre Nieren geschädigt wurden.«

»Und wenn es so wäre?«

»Dann werden wir uns wieder auf der Krankenstation sehen, bis ich die Gefahr eines Nierenversagens ausschließen kann.«

Dann werden Sie hierbleiben, hörte er aus ihren Worten. Mehr wollte er nicht wissen. Ohne ihr noch einen Blick zu gönnen, sprang er vom Bett.

»Wo sind meine Sachen?«

»Mister Benton wird sie Ihnen bringen.«

»Ich warte.«

Einen Herzschlag herrschte Schweigen.

»Alles Gute«, sagte Hayes.

Aber Alan kehrte ihr den Rücken zu und wartete, bis er hörte, dass sie den Raum verlassen hatte.

Als Alan endlich die Tür zu seiner Kabine hinter sich schloss, war er am Ende seiner Kräfte. Seine Beine fühlten sich an, als seien sie aus Pudding. Mit einem Stöhnen ließ er sich aufs Bett fallen und starrte ins Dunkel. Seine Hand fand den Silikonball, den Hayes ihm geschenkt hatte und den er zwischen seinen Kleidern entdeckt hatte, die Benton ihm gebracht hatte.

Mit einem Fluch warf er den Ball an die Wand und legte die Unterarme auf sein Gesicht. Zwar hatte er es geschafft, die Krankenstation zu verlassen, aber Hayes ließ ihn immer noch nicht von der Angel. Und der Krail-on-Frau war er damit keinen Millimeter nähergekommen.

Nachdem auf Syrakuse die fünfte Missernte in Folge verzeichnet wurde, steht die irdische Wirtschaft vor dem Bankrott. Eine Kolonisierung weiterer Planeten scheint unumgänglich, nachdem die unabhängigen Kolonien auf dem Mars und auf Paradise ihre Tore für die Auswanderungswilligen geschlossen haben. Die irdische Agrarwirtschaft ist dem massiven Bevölkerungsdruck nicht mehr gewachsen.

Dennoch können wir die Entscheidung des Marssenats und des Rats auf Paradise nicht als feindlichen Akt einstufen. Bei klarer Beurteilung der Situation muss jedem klar werden, dass die mäßig ausgebildete Infrastruktur auf Paradise durch eine Vergrößerung der Bevölkerung mit neuen Kolonisten zusammenbrechen muss. Ein Kollaps wie auf Syrakuse stünde zu befürchten, der weder der Erde noch den Kolonisten auf Paradise von Nutzen wäre. Und auch die Marskolonie steht am Rande des Ruins, in den sie durch die jahrzehntelange Ausbeutung durch irdische Erzkonzerne getrieben wurde.

Kolumne im Wirtschaftsteil der Washington Post