Religiöse Bildung am Bayerischen Untermain

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2.1.3. Leitziele von Bildung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan

Bildung und Lernen wird als lebenslanger Prozess verstanden, der insbesondere in den ersten sechs Lebensjahren und den sich anschließenden Grundschuljahren nachhaltig geprägt wird. „In diesen Jahren sind die Lernprozesse des Kindes unlösbar verbunden mit der Plastizität des Gehirns, seiner Veränderbarkeit und Formbarkeit; es wird der Grundstein für lebenslanges Lernen gelegt. Je solider und breiter die Basis an Wissen und Können aus jener Zeit ist, desto leichter und erfolgreicher lernt das Kind danach.“25 Drei Leitziele sollen diesem hohen Stellenwert der frühen Bildung zur Umsetzung verhelfen.

Stärkung kindlicher Autonomie und sozialer Mitverantwortung. So sind jedem Kind „größtmögliche Freiräume für seine Entwicklung zu bieten“. Gleichzeitig gilt es, in diesen Freiräumen Gelegenheiten zu schaffen, in denen das Kind lernt, in sozialer Verantwortung zu handeln. Dazu sind konkrete Mitsprache- und Wahlmöglichkeiten notwendig. In der kindgemäßen Reflexion des eigenen Verhaltens lernt es die Konsequenzen seines Handelns für sich und für andere.26

Stärkung lernmethodischer Kompetenz. Lernen lernen ist nicht erst eine Aufgabe der Schule. Durch gezielte, d. h. an bestimmten Situationen und Inhalten orientierte Moderation der Lernprozesse, erwerben Kinder die Fähigkeit, über das eigene Denken nachzudenken (Meta-Kognition). Sie lernen erste Strategien, um ihr Lernen selbst zu steuern.

Stärkung des kompetenten Umgangs mit Veränderungen und Belastungen. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Resilienz nicht angeboren, sondern von zwei Faktoren geprägt ist (das Vorhandensein bzw. Fehlen spezifischer menschlicher Stärken, z. B. positives Denken, Kreativität, Vertrauen, Selbstreflexion, soziale Kompetenzen und förderliche Umweltbedingungen z. B. soziale Beziehungen), wird der Qualität der Beziehungen, die Kinder in der Familie und in den anderen Bildungsorten erfahren, zentrale Bedeutung für den Erwerb von Resilienz zugemessen. Daher fordert der Plan insbesondere jene Kompetenzen zu stärken, die das Kind befähigen, mit Veränderungen und Belastungen konstruktiv umzugehen. Auch hier wird das eigene Lernen des Kindes herausgestellt. Es soll lernen, in Belastungssituationen auch die Herausforderung zu sehen und seine Kräfte sowie seine sozialen Ressourcen zu nutzen. Von besonderer Bedeutung für die Begleitung der Kinder sind in diesem Zusammenhang die Übergänge zwischen verschiedenen Bildungsorten, weil die Kinder sich in diesen Situationen auf viele neue Situationen einstellen müssen.

Bildung und Erziehung lassen sich vor diesem Hintergrund kaum mehr abgrenzen. Wird Bildung als sozialer Prozess verstanden, so sind die klassischen Aufgaben der Erziehung wie z. B. die Entwicklung von Werthaltungen, Gestaltung von Beziehungen und Umgang mit Gefühlen auch Gegenstand von Bildung. „Mut zur Erziehung, d. h. Kindern in einer wertschätzenden Weise Orientierung geben, indem erwachsene Bezugspersonen ihnen gegenüber klare Standpunkte beziehen und Grenzen setzen – dies ist ein Anliegen, das Eltern und pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen in ihrer gemeinsamen Verantwortung für das Kind gleichermaßen betrifft.“27

2.1.4 Das Verhältnis von Spielen und Lernen im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan

Der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan baut auf dem in Schweden entwickelten „ko-konstruktiven Lernansatz“ auf. Er betont, wie im Bildungsverständnis bereits erwähnt, die meta-kognitive Ebene. Er zielt darauf ab, dass Kinder ein Verständnis für die Phänomene der Umwelt entwickeln und zugleich bewusst lernen. „Lernprozesse werden nicht mehr als bloße Wissensaneignung verstanden, sondern als aktive und kooperative Formen der Wissenskonstruktion und des Kompetenzerwerbs. Soziale und individuelle Formen des Lernens gehen Hand in Hand. Die Unterstützung der Kinder bei ihren Lernprozessen erfordert sozialen Austausch auch dann, wenn Lernbegleiter wie Medien und Bücher Einsatz finden.“28 Entscheidend für den Lernfortschritt ist die Qualität des geforderten Interaktionsgeschehens. Verantwortlich für deren Moderation ist die jeweilige Fachkraft. Der Plan betont wie wichtig es ist, das Interesse mit den Kindern zu teilen, herauszufinden, wie sie Dinge erleben und verstehen, mit ihnen gemeinsame Aktivitäten durchzuführen, sich mit ihnen im steten Dialog zu befinden und das Lerngeschehen immer wieder für Kinder zu visualisieren, z. B. durch Fotos und Aufzeichnungen. Kinder und Erwachsene werden zu einer „lernenden Gemeinschaft“, in die sich jeder mit seinen Stärken und seinem Wissen einbringen kann. Die Grenzen zwischen Lehren und Lernen verwischen. Auch hier werden Kinder zu Mitgestaltern Ihrer Lernprozesse und zu aktiven Ko-Konstrukteuren ihres Wissens und Verstehens.29

Der Plan strebt eine Überwindung des Gegensatzes von spiel- und instruktionsorientierten Lernansätzen an. Er hebt deutlich hervor: Bis zur Einschulung herrschen informelle und non-formale spielerische Lernformen vor. Grundlagen elementarer Bildungsprozesse bleiben sinnliche Wahrnehmung, Bewegung, Spiel und kommunikativer Austausch. Spielen und Lernen stellen keine Gegensätze dar. Auf beiden Seiten der gleichen Medaille wird eine Beziehung zur Umwelt hergestellt bzw. Umwelt verarbeitet. Spiel- und Lebenswelt sind eng miteinander verknüpft. Das Spiel ist „die elementare Form des Lernens. Und es ist Auslöser und integraler Bestandteil geplanter und moderierter Lernaktivitäten mit Kindern“.30

Aber zugleich will kein Kind nur spielen, es will auch mit realem Leben und ernsthaftem Tun befasst sein. Die Höhergewichtung des elementaren Bildungsauftrags hat zur Konsequenz, „dass sich das beiläufige Lernen der Kinder bei ihrem Spiel zum spielerischen Lernen entwickelt, dem mehr systematische Begleitung und didaktische Aufbereitung zuteil wird, und das durch weitere Bildungsansätze wie Projekte und Workshops ergänzt wird. Freispiel ist wichtig, sollte jedoch unterstützt werden und muss in einem angemessenen Verhältnis zu Lernaktivitäten stehen, die die Erwachsenen planen und initiieren.“31 Solche strukturierten Lernangebote müssen täglich erlebt werden und bilden somit ein Lernmodell. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist, mit allen Kindern über eine längere Zeit hinweg ungestört pädagogisch arbeiten zu können.32

Für dieses Verständnis von spielerischem Lernen werden einige Faktoren benannt, die zum Gelingen beitragen:

– Bedingung ist ein Umfeld, in dem sie sich sicher und geborgen fühlen, in dem sie täglich ausreichende Möglichkeiten zur Bewegung haben und mit allen Sinnen beteiligt sind. Lernprozesse müssen an den kindlichen Gegebenheiten wie Neugier und Experimentieren ansetzen. Gleichzeitig brauchen Kinder individuelle Lernwege, die den unterschiedlichen Lernbedürfnissen der Kinder gerecht werden.

– Unter den Stichworten Interesse, Atmosphäre und Lernumgebung wird der Zusammenhang zwischen dem Kontext des Kindes und seiner Lernfreude hervorgehoben. Kinder interessieren sich nicht in erster Linie für reine Fakten. Ihr Interesse bezieht sich auf den Zusammenhang, z. B. im Rahmen einer Geschichte, in dem ein Lernprozess organisiert wird. Entscheidend sind die Emotionen, die Lernaktivitäten begleiten bzw. aus Lernaktivitäten hervorgehen. Diese Gefühle werden mitgelernt und prägen das weitere Lernverhalten. „Wenn sie in vorschulischen Lernprozessen spielerisch mit z. B. mathematischen oder naturwissenschaftlichen Inhalten experimentieren können, dann ermöglicht ihnen dies später einen kreativen Umgang mit diesem Wissen.“33 Neben den Emotionen in den Lernprozessen spielt die Bedeutung des Raumes eine große Rolle in den vorschulischen Bildungsprozessen. „Lernumgebungen, die liebevoll und anregend gestaltet und an deren Gestaltung die Kinder beteiligt worden sind, steigern Wohlbefinden, Lernmotivation und Effizienz von Lernprozessen.“34

– Ein weiterer Faktor für das spielerische Lernen ist die Möglichkeit zum kooperativen Lernen und das Lernen am Modell, die Bedeutung von Vorbildern. Kinder konstruieren ihr Weltverständnis in erster Linie durch den Austausch über die Dinge der Welt und welche Bedeutung diese haben. Eine gemeinsame Aufgaben- und Problemlösung mit anderen Kindern und Erwachsenen und der entsprechende kommunikative Austausch darüber stellt ein „ideales Lernumfeld“ dar. Die Vorbildwirkung der Erwachsenen ist in diesem Zusammenhang, wenn mit den Kindern in ernsthaften Situationen kooperiert wird und sie hier die Erfahrung machen, ernst genommen zu werden.

– Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung des eigenaktiven und selbsttätigen Lernens deutlich. Als Grundsatz wird hier formuliert: „Zeige mir und ich erinnere. Lasse es mich selbst tun und ich verstehe.“ Intensität der Beschäftigung und Involvierung des Kindes in den Lernprozess entscheiden über Dauer und Ausmaß späterer Erinnerung.35

– Mit diesem Lernansatz wird dem Lernen aus Fehlern und dem entdeckenden Lernen ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, verschiedene Lösungswege zu erproben, steigert dies deren Motivation und Kreativität. Anreize der Erwachsenen, getätigte Fehler selbst zu entdecken und nach möglichen Korrekturen zu suchen, sind Teil dieses Lernverständnisses.

– Als letzter und zusammenfassender Faktor wird das ganzheitliche Lernen betont. Damit sind vielseitige und bereichsübergreifende Zugangsweisen, Verarbeitungsformen mit allen Sinnen, Emotionen und intellektuellen Fähigkeiten, sowie variationsreiche Wiederholungen gemeint. Voraussetzung ist, dass die Lerninhalte an den Lebenswelten, Fragen und Interessen der Kinder anknüpfen und an das Niveau ihres aktuellen Wissens und Verstehens angepasst werden.

 

Vor diesem Hintergrund ist auch das „Prinzip der Entwicklungsangemessenheit“ zu verorten. Bildungsangebote sind so zu gestalten, dass sie der sozialen, kognitiven, emotionalen und körperlichen Entwicklung des Kindes entsprechen. Dieses Prinzip gilt nicht nur für die Gestaltung der Bildungsaktivitäten. Es hat seine Gültigkeit insbesondere auch bei der Gestaltung der Räume, der Lernumgebung und des Tagesgeschehens.36

2.1.5. Der Umgang mit individuellen Unterschieden und soziokultureller Vielfalt im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan

Individuelle Unterschiede sind anzuerkennen und bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Sie bergen das Potenzial für bereichernde Lernerfahrungen und sind unter pädagogischer und organisatorischer Hinsicht zu berücksichtigen. Drei Aufgabenstellungen werden benannt:

– Unter sozialer Integration wird die Verantwortung der Bildungseinrichtungen verstanden, sozialer Ausgrenzung angemessen zu begegnen und allen Kindern faire, gleiche und gemeinsame Lern- und Entwicklungschancen zu bieten. „Das Konzept der integrativen Bildung“ 37 hat sich durchgesetzt, d. h.: alle Kinder sollen nach Möglichkeit dieselbe Bildungseinrichtung besuchen.

Individuelle Begleitung ist die Antwort auf die individuellen Unterschiede der Kinder. Nach dem „Prinzip der inneren Differenzierung“ wird ein differenziertes Bildungsangebot und eine individuelle Lernbegleitung auch bei gemeinsamen Lernaktivitäten ermöglicht. Die daraus nötigen individuellen Lernwege lassen sich nur durch systematische Beobachtung erkennen und entsprechend planen.38

Kulturelle Offenheit hilft Kindern, sich zu weltoffenen Persönlichkeiten zu entwickeln. Gemeinsame Lernaktivitäten von Kindern unterschiedlicher kultureller Herkunft und Tradition sind geeignet, interkulturelle Kompetenz einzuüben. Durch diese kulturelle Offenheit werden Kinder neugierig auf andere Kulturen und lernen Andersartigkeit zu achten, auch wenn sie sie nicht vollständig verstehen.

2.1.6. Das Demokratieprinzip im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan

Dieses Prinzip trägt in sich die Idee einer „gelebten Alltagsdemokratie“. Damit ist gemeint, dass alle Personen in den Bildungseinrichtungen Partner sind und daraus eine „Kultur der Begegnung“ entwickelt werden muss. Eine solche Partnerschaft erfordert für alle eine angemessene Form der Beteiligung. Diese Partnerschaft gründet auf Gegenseitigkeit, Gleichberechtigung und Wertschätzung. An Entscheidungsprozessen sind alle angemessen zu beteiligen. Beschwerde- und Streitkultur sind Teil einer Verwirklichung des Demokratieprinzips. Eine solche Kultur der Begegnung verbindet sich so mit einer Kultur des Lernens. Zwei Aspekte werden hervorgehoben. Das Erwachsenen-Kind-Verhältnis ist demgemäß von Respekt und einer „kompetenzorientierten Grundhaltung“ geprägt, die danach fragt, was Kinder schon alles können, wissen und verstehen.39 Erwachsene sind aufgefordert, ihre eigenen Haltungen und Wertvorstellungen zu klären und die Glaubwürdigkeit (Authentizität) ihres Verhaltens laufend zu überprüfen (Selbstreflexion). Darüber hinaus nehmen Erwachsene trotz ihres Vorsprungs und ihrer Erziehungsverantwortung nicht mehr die alleinige Expertenrolle ein. Kinder sind alleine und in Lerngemeinschaften in ihrer Kompetenz anzunehmen und es gilt, durch geteilte Verantwortung und demokratischen Diskussionsstil Unterschiede zu moderieren und Einigungen gemeinsam zu entwickeln. „Kinder sind zu ermutigen, nachzufragen und darüber nachzudenken, ob Dinge besser werden können, wenn man sie anders macht.“40

Diese Kultur der Partnerschaft gilt auch für das Verhältnis der Bildungsorte. So sind Übergänge durch die Beteiligung aller in gemeinsamer Verantwortung zu gestalten. „Optimal ist ein regelmäßiger Austausch über das Kind mit dem Ziel, häusliche und institutionelle Bildungsprozesse stärker aufeinander zu beziehen und aufeinander abzustimmen.“41

2.2. Basiskompetenzen des Kindes

Das oben dargelegte Menschenbild und die sich daraus ergebenden Prinzipien des BEP verdeutlichen den „vorgenommenen Perspektivenwandel von einer defizitorientierten hin zu einer kompetenzorientierten Sicht auf die Kinder, die diesem Plan als zentrale Perspektive zugrunde liegt.“42 Dementsprechend nimmt die Darstellung der Basiskompetenzen der Kinder eine zentrale Stelle im BEP ein. Der Erwerb und die Stärkung von Basiskompetenzen sind „die grundlegende Zielsetzung und die oberste Richtschnur jedweder Bildungs- und Erziehungsarbeit im Elementbereich.“43 Es werden 10 Kompetenzbereiche des Kindes – auch die Entwicklung von Werten und Orientierungskompetenz, die für diese Studie von besonderer Bedeutung sind – benannt. Sie sollen die im Elementarbereich bisher geläufigen Begrifflichkeiten „Ich-Kompetenzen“, „Sozialkompetenzen“ und „Sachkompetenzen“44 konkreter fassen. Die Philosophie des Plans geht davon aus, dass Kompetenzen nie isoliert, sondern stets im Kontext aktueller Situationen, sozialen Austauschs und behandelter Themen erworben werden. Deshalb bietet der Plan auch in der Beschreibung der Kompetenzen Zusammenhänge mit themenübergreifenden und themenbezogenen Bildungsbereichen an.45

„Als Basiskompetenzen werden grundlegende Fertigkeiten und Persönlichkeitscharakteristika bezeichnet, die das Kind befähigen, mit anderen Kindern und Erwachsenen zu interagieren und sich mit den Gegebenheiten in seiner dinglichen Umwelt auseinanderzusetzen.“46

Als wichtigster theoretischer Bezugsrahmen wird auf die „Selbstbestimmungstheorie“ von Edward L. Deci/ Richard M. Ryan zurückgegriffen.47 Dort wird davon ausgegangen, dass der Mensch drei grundlegende psychologische Bedürfnisse hat: das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit, nach Autonomie-Erleben und nach Kompetenzerleben. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist entscheidend für das Wohlbefinden des Menschen und für seine Bereitschaft, sich in vollem Umfang seinen Aufgaben zuzuwenden. Im Bayerischen Bildungsplan werden drei Kompetenzbereiche unterschieden: personale Kompetenzen, Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext und lernmethodische Kompetenz.

2.2.1. Personale Kompetenzen

Personale Kompetenzen werden in vier Bereiche differenziert: Selbstwahrnehmung, motivationale Kompetenzen, kognitive Kompetenzen, physische Kompetenzen.

Selbstwahrnehmung

Selbstwahrnehmung wird nochmals unterschieden in das Selbstwertgefühl und in positive Selbstkonzepte. Das Selbstwertgefühl wird als die Voraussetzung für die Entwicklung des Selbstvertrauens gesehen. Dieses Selbstwertgefühl wird in erster Linie durch die nicht an Bedingungen geknüpfte Wertschätzung und Bestätigung von Seiten der erwachsenen Bezugspersonen gestärkt. Aber auch das respektvolle und freundliche Verhalten der anderen Kinder trägt zur Entwicklung des Selbstwertgefühls bei. Positive Selbstkonzepte unterscheiden sich – als Wissen über sich selbst – in verschiedenen Bereichen: die Leistungsfähigkeit in unterschiedlichen Lernbereichen (akademisches Selbstkonzept), die Fähigkeit, mit anderen zurechtzukommen (soziales Selbstkonzept), die Fähigkeit, Gefühle in bestimmten Situationen wahrzunehmen (emotionales Selbstkonzept) und ein Wissen darüber, wie fit man ist und wie man aussieht (körperliches Selbstkonzept). Pädagogische Fachkräfte tragen zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes bei, indem sie zu allen Bereichen differenzierte und positive Rückmeldungen geben und den Kindern die Möglichkeit eröffnen, sich dabei auch selbst wahrzunehmen.48

Motivationale Kompetenzen

Diese motivationalen Kompetenzen differenzieren sich vor dem Hintergrund der Selbstbestimmungstheorie in fünf Aspekte. Das Autonomieerleben als grundsätzliches menschliches Bedürfnis muss in den Kindertageseinrichtungen dazu führen, dass Kinder möglichst oft die Gelegenheit erhalten, selbst zu entscheiden, was sie tun und wie sie es tun wollen. Solche zugestandenen Wahlmöglichkeiten stärken die kindliche Autonomie auch im Hinblick auf die Entwicklung von Werten und sich so zu verhalten, wie es ihrem Selbst entspricht.

Der zweite Aspekt – das Kompetenzerleben – ergibt sich aus dem ersten und einem entsprechenden menschlichen Grundbedürfnis zu erfahren, dass man etwas kann. Der Plan geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass Kinder sich deshalb auch Herausforderungen suchen, die optimal für ihre Fähigkeiten sind. Die sich daraus ergebende Aufgabe des Fachpersonals lautet, jedes Kind mit Aufgaben zu konfrontieren, die seinem Leistungsniveau entsprechen oder geringfügig darüber liegen.

Zu den beiden genannten Aspekten werden Selbstwirksamkeit und Selbstregulation als motivationale Kompetenzen benannt. Unter Selbstwirksamkeit wird die Überzeugung verstanden, schwierige Aufgaben oder Lebensprobleme aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können. Diese bildet sich einerseits durch Erfahrung und parallel dazu durch Beobachtung von anderen Kindern, die mit Selbstvertrauen an die Lösung anstehender Aufgaben herangehen. Von daher brauchen Kinder in Kindertageseinrichtungen Aufgaben, die in ihrer Schwierigkeit individuell angepasst sind. Heterogene Gruppen unterstützen den Prozess des Lernens von Selbstwirksamkeit durch Beobachtung. Darüber hinaus sind die Fachkräfte selbst Modell für Selbstwirksamkeit, indem sie in für sie selbst schwierigen oder und neuen Situationen Selbstvertrauen zeigen und diese Neue oder und Schwierige verbalisieren. Ein wesentliches Element zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit ist die Transparenz von möglichen Konsequenzen für bestimmte Verhaltensweisen. Von daher müssen in den Kindertageseinrichtungen die Regeln bekannt sein und eingehalten werden. Eine mögliche Reflexion über das Verhalten der Kinder führt zu dem zweiten, oben genannten Aspekt: Selbstregulation. Darunter wird verstanden, „dass das Kind sein Verhalten selbst beobachtet, es selbst bewertet und abschließend sich belohnt oder bestraft, je nachdem, ob es nach seinem eigenen Gütemaßstab erfolgreich oder nicht erfolgreich war. Erfolg führt in der Regel dazu, dass das Kind seinen Gütemaßstab heraufsetzt. Nach Misserfolg setzt das Kind seinen Gütemaßstab niedriger an.“49 Solch selbstregulatives Verhalten wird durch zwei Aspekte in besonderer Weise unterstützt. Die Kommentierung der Fachkräfte von Handlungsabläufen und Problemlösungen (der Kinder oder der Fachkräfte) zeigt dem Kind, wie es sein Verhalten planen, beobachten und steuern kann. So kann z. B. die Selbstbeobachtung durch „lautes Denken“ gefördert werden. Des Weiteren ist auf angemessene Gütemaßstäbe zu achten. Entsprechende Selbstbelohnungen können durch das Modell der Erzieher/innen und anderer Mitarbeiter/innen vorgelebt werden.

Als letzte motivationale Kompetenz werden Neugier und individuelle Interessen aufgeführt. Durch die kindliche Aufgeschlossenheit für das Neue lernt es eigene Vorlieben beim Spielen und anderen Beschäftigungen zu entwickeln. Selbstwahrnehmung und motivationale Kompetenzen kommen in allen Bildungs- und Erziehungsbereichen zum Tragen. In besonderer Weise bezieht sich der BEP jedoch auf die folgenden Bereiche:

– Emotionalität, soziale Beziehungen und Konflikte

– Sprache und Literacy

– Informations- und Kommunikationstechnik, Medien

– Mathematik

– Naturwissenschaften und Technik

– Mitwirkung der Kinder am Bildungs- und Einrichtungsgeschehen (Partizipation)50

Im Hinblick auf die Perspektive dieser Studie erscheint die Hervorhebung der o. g. sechs Schwerpunkte etwas beliebig. Gerade im Bereich des Selbstwertgefühls, positiver Selbstkonzepte und auch in der Entwicklung von Autonomie, Selbstwirksamkeit und Selbstregulation erscheinen Elemente der religiösen Bildung von besonderer Bedeutung. Die Vernachlässigung des Bildungs- und Erziehungsbereichs Werte und Religiosität in der oben genannten Aufzählung widerspricht somit dem eigenen Sprachgebrauch des BEP, der, wie oben dargelegt, gerade bei der Entwicklung menschlicher Autonomie der Werteentwicklung eine besondere Stellung zumisst.51

 

Kognitive Kompetenzen

Als kognitive Kompetenzen gelten: Differenzierte Wahrnehmung, Denkfähigkeit, Gedächtnis, Problemlösefähigkeit, Phantasie und Kreativität. Für die Entwicklung einer differenzierten Wahrnehmung sind alle sinnlichen Wahrnehmungsbereiche zu fördern. Darin liegt die besondere Aufgabe der Kindertageseinrichtungen. Dies wird in besonderer Weise dort unterstützt, wo Kinder aufgefordert werden, zu beschreiben, was sie beobachtet, befühlt oder ertastet haben.

Vor dem Hintergrund des präoperationalen Denkens, das in der Altersstufe vorherrschend ist, ist die Förderung der Denkfähigkeit dem individuellen Entwicklungsstand des Kindes anzupassen. Die Begriffsbildung wird unterstützt, „indem Konzepte anhand konkreter Ereignisse, im Rahmen von Experimenten oder in Diskussionen präsentiert und geklärt werden. Wichtig ist, die Kinder anzuregen, Vermutungen über das (voraussichtliche) Verhalten von Dingen oder Personen zu äußern, um so z. B. das Bilden von Hypothesen zu lernen. Weiterhin werden die Kinder unterstützt beim Bilden von Oberbegriffen, Unterscheidungen, Mengenvergleichen und Relationen.“52

Die Förderung des Gedächtnisses baut auf der im Kindergartenalter in der Regel gut ausgeprägten Wiedererkennungsfähigkeit und dem Ortsgedächtnis auf. Die noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindliche Reproduktionsfähigkeit wird z. B. durch die Gelegenheit, Geschichten nachzuerzählen, das Lernen von kleinen Gedichten oder durch geeignete Spiele (Memory) gefördert. Der Erwerb altersgemäßer Kenntnisse fördert die Gedächtnisleistung und kann durch vielerlei Gelegenheiten geschehen (z. B. Zahlen, für die Kinder bedeutsame Symbole …).

Problemlösefähigkeit entwickeln Kinder in Kindertageseinrichtungen durch die Analyse von Problemen unterschiedlichster Art (z. B. soziale Konflikte, Denkaufgaben, Fragestellungen im Rahmen von Experimenten), durch die Entwicklung von alternativen Problemlösungsmöglichkeiten, durch das Abwägen dieser verschiedenen Möglichkeiten, durch das Entscheiden und angemessenes Umsetzen und die Überprüfung des Erfolgs. Fachkräfte dürfen von daher Kindern Probleme nicht abnehmen, sondern müssen sie vielmehr ermuntern, nach Lösungen zu suchen. Eine entsprechende Fehlerkultur ist für jede Einrichtung zu etablieren. Diese Kultur ist durch die Einstellung „Fehler sind kein Zeichen von Inkompetenz“ zu qualifizieren.

Phantasie und Kreativität entwickeln sich durch den originellen und individuellen Ausdruck im motorischen, sprachlichen, musikalischen und gestalterischen Bereich. Die Förderung dieser Kompetenzen gelingt durch die Ermunterung des Kindes, Reime zu erfinden, phantasievolle Geschichten zu erzählen, nach eigenen Vorstellungen zu malen und anderen ähnlichen Anregungen, die den individuellen Selbstausdruck zu entwickeln helfen.

Die kognitiven Kompetenzen kommen ebenfalls in allen Bildungsund Erziehungsbereichen zum Tragen, in besonderem Maße in folgenden Bereichen:

– Emotionalität, soziale Beziehungen und Konflikte

– Sprache und Literacy

– Informations- und Kommunikationstechnik, Medien

– Mathematik

– Naturwissenschaft und Technik

– Umwelt

– Ästhetik, Kunst und Kultur

– Musik

– Bewegung, Rhythmik, Tanz und Sport

Auch hier ist auffällig, dass von 11 themenbezogenen Bildungsbereichen 9 aufgezählt werden. Gesundheit und Werteorientierung und Religiosität scheinen in der Sicht der Autoren nicht in besonderer Weise mit kognitiven Kompetenzen kompatibel.

Physische Kompetenzen

Hierzu zählen die Übernahme von Verantwortung für Gesundheit und körperliches Wohlbefinden, das Einüben von grob- und feinmotorischen Kompetenzen und die Fähigkeit zur Regulierung von körperlicher Anspannung. Zu ersterem wird der Aspekt der Hygiene und die Vermittlung einer positiven Einstellung gegenüber gesunder Ernährung hervorgehoben. Die motorische Kompetenz wird entwickelt, indem der Bewegungsdrang des Kindes ernst genommen wird und die Kinder angeleitet werden, ihren Körper zu beherrschen und Geschicklichkeit zu entwickeln. Der letzte Aspekt zielt darauf ab, dass Kinder lernen, sich für bestimmte Aufgaben körperlich und geistig anzustrengen und sich danach aber auch wieder zu entspannen. Bildungs- und Erziehungsbereiche, in denen diese Kompetenzen besonders zum Tragen kommen, sind:

– Bewegung, Rhythmik, Tanz und Sport

– Gesundheit53