Vom Stromkartell zur Energiewende

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

5. Woran sind die Reformpläne gescheitert?

Die Antwort ist einfach: Am Staat in seiner Eigenschaft als Stromversorger. Etwa 50 % des gesamten Stromabsatzes stellen die Kommunen sicher, und zwar damals vor allem in der Rechtsform des Eigenbetriebs, in dem die Energie- und Wasserversorgung rechtlich in der Hand der Gemeinde liegen und lediglich wirtschaftlich wie ein Unternehmen geführt wird. Bis heute gibt es noch zahlreiche Eigenbetriebe insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg. Die Münchener Stadtwerke, der größte kommunale Energieversorger überhaupt (wenn man einmal von den Hamburger Elektrizitätswerken und der Berliner BEWAG absieht, die sich gerne zu den acht Verbundunternehmen zählten), waren bis 1998 noch Eigenbetrieb. Gegen die Städte und Gemeinden und ihre mächtigen Verbände, den Deutschen Städtetag und die Städte- und Gemeindebünde, lief in der Gesetzgebung nichts. Und die Mehrzahl der Verbundunternehmen gehörte ebenfalls der öffentlichen Hand: Die Macht beim RWE lag selbst dann, als in steigendem Umfang der Aktienbesitz privatisiert wurde, in der Hand der Kommunen mit ihren Mehrfachstimmrechten, die PreussenElektra gehörte über die VEBA dem Bund, das Bayernwerk dem Bund und dem Freistaat Bayern, die Energieversorgung Schwaben (EVS) und das Badenwerk mehrheitlich dem Land Baden-Württemberg bzw. Kommunen und Kreisen, die Hamburger Elektrizitätswerke und die BEWAG der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Berlin usw. Darauf wies die Monopolkommission in ihrem Hauptgutachten erstmals in aller Offenheit hin.42 Emmerich kommentiert diesen Befund in seinem Gutachten von 1978, das er im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschaftsministers verfasst hat, wie folgt: „In erster Linie hieraus (aus den Eigentumsverhältnissen, d. Verf.) resultiert der ganze ungewöhnliche Einfluss der Versorgungswirtschaft auf den Gesetzgeber, der schließlich auch die Bundesregierung veranlasst hat, alle Überlegungen zu einer Auflockerung der Gebietsmonopole aufzugeben. ... Nur das letzte Beispiel dieser Kette immer neuer, von der Versorgungswirtschaft erkämpfter Privilegien, die von den Bereichsausnahmen im Wettbewerbsrecht bis zu den Tarifordnungen reichen, ist die namentlich von den Verbänden der Elektrizitätswirtschaft durchgesetzte Freistellung dieses Wirtschaftszweiges von dem AGB-Gesetz.“

Emmerichs Gutachten, ein spannendes Plädoyer für die Liberalisierung der Energiemärkte, rational kaum zu widerlegen, blieb ergebnislos. Der Grund liegt auf der Hand: Die Liberalisierung, insbesondere deren Folge, dass sich Energiepreise im Wettbewerb bilden müssten und nicht von Monopolisten gesetzt würden, die sich immer darin einig waren, weit über den Produktionskosten liegende Preise zu nehmen, die Unwirksamkeit der Preisaufsicht, das Ausbleiben wirksamer Fusionskontroll- oder gar Entflechtungsmaßnahmen, all das ist darauf zurückzuführen, dass die Maßregeln sich gegen den Staat selbst gerichtet hätten. Warum sollte er ein über hundert Jahre altes System von Monopolen, die ja immerhin die Energieversorgung sichergestellt hatten, aufgeben und sich selbst Zwänge auferlegen?

Diese Form insbesondere der Stromversorgung in der Hand faktisch eines gigantischen staatlichen Monopols hatte noch ein weiteres Gutes. Die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern, seien es die Kartellbehörden oder die eigentlichen Energieaufsichten, kamen mit einem Minimum an Personal aus. Selbst beim Bundeskartellamt gab es, wie erwähnt, bis vor wenigen Jahren nur eine einzige Beschlussabteilung mit fünf bis sechs Beamten, die die gesamte Energiewirtschaft mit einem Umsatz von – geschätzt – der Hälfte des Bundeshaushalts zu überwachen hatten. Und die Preisaufsichtsbehörden der Länder, die pro Land – auf dem Papier – die Strompreise von teilweise über hundert regionalen und kommunalen Stromversorgern zu genehmigen hatten, kamen mit ein bis zwei Beamten aus. Man ging so vor, dass die Preise eines einzigen Unternehmens, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen des RWE oder in Hessen der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM), die zu 54 % Landkreisen gehörte, geprüft wurden. Alle anderen Unternehmen erhielten sogenannte „Erstreckungsgenehmigungen“. Damit wurde unterstellt, dass die Kostensituation bei dem einzigen geprüften Unternehmen in etwa auch bei den anderen Unternehmen vorlag – was klar gesetzeswidrig war. Aber dass Verbraucher gegen ein solches System geklagt hätten, ist nicht bekannt geworden. Die Rechtsprechung half ihnen jedenfalls nicht. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts43 können Verbraucher die Preisgenehmigung der Aufsichtsbehörde nicht vor den Verwaltungsgerichten anfechten. Dem Verbraucher bleibe ja noch der Zivilprozess gegen den Strompreis. Ein solcher Prozess hätte freilich große Probleme verursacht, hätte doch der Verbraucher die Kosten- und Gewinnsituation des versorgenden Monopolisten darlegen müssen, um die Gerichte zu einer Monopolpreiskontrolle zu bewegen. Das scheiterte schon an den Beweisproblemen.

Es gibt nur einen einzigen Prozess, in dem die Stromkonzerne kräftig Federn lassen mussten. Das war der Stromstreit vor dem Bundesverfassungsgericht (s. dazu das nächste Kapitel), in dem ostdeutsche Städte und Gemeinden sich die Stellung erstritten, die sie noch in der Nazi-Zeit hatten, die aber von der DDR beseitigt worden war: die kommunale Strom- und (in der Folge des Stromstreits vor dem Bundesverfassungsgericht) Gasversorgung. Die westdeutschen Stromkonzerne hatten sich anlässlich der Deutschen Einigung die gesamte Stromversorgung in den Neuen Ländern einverleiben wollen. Aber sie erlitten eine Niederlage. Denn sie hatten nicht damit gerechnet, dass der Rechtsstaat, den sie eigentlich von Anbeginn in der Hand hatten, plötzlich gegen sie eingesetzt werden sollte.

6. Nötige Änderungen

Wenn der Staat eine wirksame Kartellaufsicht will, müssen die Kartellbehörden von Bund und Ländern anders aufgestellt und es muss auch für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem jeweiligen Mitgliedstaat gesorgt werden. Die Forderungen zur Veränderung liegen auf der Hand:

 – Ausgliederung des Bundeskartellamts aus dem Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums,

 – Aufgabe der Praxis, Präsidenten grundsätzlich aus den Bediensteten des Wirtschaftsministeriums zu stellen,

 – massive Aufstockung der personellen Ausstattung des Amtes, insbesondere auch für die Energiewirtschaft,

 – bessere Ausstattung der Prozessabteilung,

 – Verbesserung der Besoldung: Der Präsident wird nach der Besoldungsstufe B8 bezahlt und ist damit – etwa – dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, aber auch dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gleichgestellt. Aber er ist damit eine Besoldungsgruppe schlechter eingeordnet als etwa ein Botschafter oder ein Ministerialdirektor. Die Vorsitzenden der Beschlussabteilung erhalten B3 und liegen damit weit unter den Bundesrichtern, die – auf der Basis einer eigenen Besoldung – etwa B6 verdienen. Diese Besoldung ist angesichts der geforderten Qualifikation, zu der auch eine durch Qualifikation erworbene Unabhängigkeit gehört, und vor allem angesichts der sehr weitreichenden Konsequenzen kartellbehördlicher Entscheidungen, nicht angemessen. Wer sich eine Kartellamtspraxis wünscht, die den gesetzlichen Aufgaben gerecht wird, muss auch für ein angemessenes Besoldungsgefüge sorgen.

In der Frage des Amtsstatus könnte sich bald Bewegung ergeben. Nach dem dritten Richtlinienpaket der EU müssen Regulierungsbehörden völlig unabhängig werden. Damit verträgt sich die Einordnung in den Geschäftsbereich eines Ministeriums nicht. Wenn aber die Bundesnetzagentur (und die Landesregulierungsbehörden?) aus dem Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums ausgegliedert werden, was ist dann mit dem Bundeskartellamt? Der Aufgabenbereich verlangt Gleichstellung.

Eine weitere Möglichkeit, die Strukturen der marktbeherrschenden Unternehmen in der Energiewirtschaft zu verändern, liegt in der Einführung einer Entflechtungsbefugnis des Bundeskartellamts, die mit der 8. GWB-Novelle vom 5.6.2013 gekommen ist. Eine solche Entflechtungsbefugnis ist notwendig, weil Amt und Monopolkommission darüber einig sind, dass strukturellen Eingriffen der Vorrang gegenüber Maßnahmen etwa der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle gebührt. Aber auch hier ist die Einführung des Instrumentes durch den Gesetzgeber das eine, dessen Anwendung durch das Bundeskartellamt das andere, zumal der Bundeswirtschaftsminister diesen Fällen immer höchste Aufmerksamkeit widmen wird. Offen blieb, ob einer verbreiteten Kritik an der Ministererlaubnis folgend,44 die Ministererlaubnis für Fusionen abgeschafft wird.

12 Ziff. 12 Abschnitt III b. 13 Dazu Wernhard Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983, 22. 14 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983, hier: 32ff. 15 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983, 18. 16 Ausschuss zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Kartellpolitik, 1930, Teil I, Generalbericht. 17 RGBl. I, 488. 18 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983, 20. 19 US-MRG Nr. 17 v. 18.1.1947, im Wortlaut fast übereinstimmend Brit.MR-VO Nr. 78 v. 12.2.1947; sehr viel allgemeiner dagegen die französische MR-VO Nr. 96 v. 9.6.1947. 20 BGBl. II, 1954, 157. 21 BGBl. I, 1081. 22 K.W. Nörr, in: Achham/Nörr/Schefold (Hrsg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, 356, 357. 23 Günther, WuW 1951, 17, 33. 24 BT-Drs. I/3462 (1952). 25 Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1968, 529. 26 Das Bundeskartellamt. Eine politische Ökonomie deutscher Wettbewerbspolitik, 1998. 27 Emmerich, Kartellrecht, 6. Aufl., München 1991, 489. 28 Ortwein, Bundeskartellamt, 87. 29 Ortwein, Bundeskartellamt, 77, Fußnote 4. 30 Ortwein, Bundeskartellamt, 5. 31 Vgl. Volks-Wirtschaft, Sozialdemokratischer Pressedienst v. 7.1.1958, 2f. 32 Ortwein, Bundeskartellamt, 109 und Kap. 8, 249ff. 33 WuW/E KRT 49, 50 = BReg., Bericht, a.a.O., Tz. 120f. (33f.). 34 BGHZ 59, S. 42, 47ff.; bestätigt durch BGHZ 68, 23, 33, 36 „Valium“. 35 BReg., Bericht über die Ausnahmebereiche (oben Fußnote 33), Tz. 122ff., 34ff. 36 1. Hauptgutachten 1973/75, 1976, Tz. 734ff., 753ff., 769ff. 37 Vgl. die Stellungnahme der BReg. zum 1. Hauptgutachten der Monopolkommission nach § 24b GWB, BT-Drs. 8 (1977)/702, Tz. 13ff. 38 Stellungnahmen gemäß Bericht des Bundesrats über die Ausnahmebereiche des GWB, BT-Drs. 7/3206, 38ff. 39 Emmerich, Ist der kartellrechtliche Ausnahmebereich für die leitungsgebundene Versorgungswirtschaft wettbewerbspolitisch gerechtfertigt?, Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschaftsministers, 1978, 61. 40 Insbesondere Gröner, ORDO Band XV/XVI (1965), 333ff.; ders., Die Ordnung der deutschen Elektrizitätswirtschaft, 409ff.; ders., ZFE 1978, 91ff.; W. Hamm, Schriften der Vereinigungf. Soz. u. Pol. n.F. Band 65, 1972, 13ff. u.a. 41 Insb. J. Baur, Widerspruchstatbestand für Demarkationsverträge, 1965, 16ff. (Baur war langjähriger Direktor des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln); ders., in: Ordnungspolitische Überlegungen, RTW Band 15, 1967, 75, 83ff.; B. Börner, Reform des Energierechts und Konzentration, 1971, 25ff.; ders., Grenzen der Wettbewerbswirtschaft, FIW H. 60, 1972, 1ff., u.a. 42 Tz. 729ff., 736; vgl. auch Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 349ff., 356ff. 43 Urt. v. 22.4.1994, RdE 1994, 230. 44 Heimann, Die Ministererlaubnis in der deutschen Fusionskontrolle, 2010; Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, 2006, Friederike Mattes: Die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle: Entstehungsgeschichte und kritische Auseinandersetzung, 2004.

 

12. Kapitel
Der Stromstreit
1. Die Stromverträge

Der 22.6.1990 war ein ganz normaler Verhandlungstag in der Ostberliner Volkskammer – zunächst. Allerdings, ganz normal waren die Verhandlungen nie. Vielmehr standen die Abgeordneten unter dem Druck, eine Vielzahl von Gesetzen zu verabschieden, mit denen, nachdem schon der Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion mit der Bundesrepublik abgeschlossen worden war, eine Annäherung an die Gesetzgebung Westdeutschlands erreicht werden sollte. Dazu gehörten auch die Rechte der Kommunen, denen, wie es in § 2 Abs. 2 der Kommunalverfassung vom 17.5.1990 hieß, auch die Aufgabe der Versorgung mit Energie und Wasser obliegen sollte. Das war nicht nur bundesrepublikanischer Standard, den die Berater der Abgeordneten aus den westlichen Bundesländern als wichtig ansahen. Es ging auch darum, die Verstromung der ostdeutschen Braunkohle zurückzudrängen, die schon von Ulbricht als Rückgrat der Stromwirtschaft der DDR angesehen worden war. Die Gewinnung der Braunkohle in riesigen Tagebauen führte zu einem gewaltigen Flächenverbrauch. Die Verbrennung der Braunkohle, die auch in privaten Öfen stattfand, soweit es keine Fernwärmeversorgung gab, bewirkte die Verpestung der Atemluft. Daher verband sich mit der Neuorganisation der Strom- und Wärmeversorgung nicht nur ein technologischer Schub. Es sollte vielmehr auch einen Siegeszug der Ökologiebewegung geben, in dem die dezentrale Versorgung und Erneuerbare Energien eine wichtige Rolle spielten; in der Bundesrepublik stand ja das Stromeinspeisungsgesetz vor der Verabschiedung. Wichtig war auch der dezentrale Ansatz, in dem die Kommunen mit eigenen Stadtwerken eine führende Rolle übernehmen sollten. Es ging damit nicht nur um eine Abwendung von der Braunkohle hin zu sauberem Erdgas, sondern auch um Dezentralität im Gegensatz zu den riesigen Kombinaten der ostdeutschen Energiewirtschaft.

All das schien plötzlich in Frage gestellt. Denn wenige Tage später wollte die DDR-Regierung die gesamten Stromproduktions- und -versorgungsanlagen der DDR an die bundesdeutschen Stromriesen RWE, PreussenElektra und Bayernwerk verkaufen. Aber es gab eine undichte Stelle: Indiskretionen über die Verhandlungen, die der DDR-Wirtschaftsminister Karl-Hermann Steinberg mit den deutschen Strommanagern führte, hatten die Abgeordneten der Ostberliner Volkskammer aufgeschreckt.45 Daraufhin setzten sich die Emissäre der westdeutschen Konzerne für eine Good-will-Tour in Bewegung. Empfangen wurden sie auch von den Abgeordneten der SPD-Fraktion in der Volkskammer. Es schien schon so, als seien die Abgeordneten gewonnen, weil ja in der Tat die riesigen Braunkohlekraftwerke modernisiert und an westdeutsche Emissionsstandards herangeführt werden mussten, was hohe Investitionen erforderte. Die standen der DDR nicht zur Verfügung. Aber „die sich anbahnende Versöhnungsstimmung endete abrupt, als ein Fraktionsgehilfe einen Stapel Kopien in den Tagungsraum schleppte“, schrieb der SPIEGEL.46 Dabei handelte es sich um den Entwurf der Stromverträge zwischen der Regierung der DDR einerseits und dem Bayernwerk, der PreussenElektra und der RWE AG andererseits. Mit diesem Vertragswerk sollten nicht nur die Kraftwerke und das Höchstspannungsnetz an die westdeutschen Konzerne verkauft werden. Vielmehr sollten auch die 15 Bezirks-Energiekombinate (Schwerin, Rostock, Neubrandenburg, Halle, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Chemnitz, Potsdam, Erfurt, Jena, Meiningen, Frankfurt/Oder und Berlin) mit den kommunalen Netzen an die Konzerne verkauft werden. Die Konzerne sollten

 – nicht nur die Kraftwerke, sondern auch das Transportnetz übernehmen,

 – in den Vorständen der Geschäftsführungsgesellschaften die Mehrheit der Vorstandsmitglieder stellen,

 – das Versorgungsmonopol durch Verträge absichern können,

 – nicht zur Übernahme der Beschäftigten aus den bestehenden DDR-Unternehmen verpflichtet sein und

 – von allen bestehenden Umweltaltlasten der DDR-EVU freigestellt werden.

Eine wichtige Rolle spielte die sogenannte „Braunkohleklausel“, mit der der Stromabsatz aus den riesigen Braunkohlekraftwerken und damit deren Bestand abgesichert werden sollte. Es hieß dort, dass die DDR dafür sorgen werde, dass das regionale DDR-EVU mit der Verbundnetz AG einen Stromlieferungsvertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren über 70 % seines jeweiligen Strombedarfs abschließt. Für den Fall, dass es zur Gründung von Stadtwerken komme, sollte die DDR „soweit rechtlich möglich, dafür sorgen, dass die kommunalen EVU mit den jeweiligen regionalen DDR-EVU Bedarfsdeckungsverträge mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren abschließen, soweit sie ihren Strombedarf nicht durch Eigenerzeugungsanlagen decken ... und soweit nicht Energieerzeugungsmöglichkeiten aufgrund regenerativer Energiequellen oder durch wärmegeführte Heizkraftwerke geschaffen werden“. Im unmittelbaren Anschluss an diese Bestimmung findet sich eine Regelung, die die Risiken der Verabredung deutlich machte: „Die DDR wird darauf hinwirken, dass das regionale DDR-EVU die in seinem gegenwärtigen Verantwortungsbereich befindlichen Energieversorgungsanlagen dauerhaft zu Eigentum erhält, die Kommunen nach dem Kommunalvermögensgesetz nur Geschäftsanteile an dem regionalen DDR-EVU erhalten“ und die westdeutschen Erwerber von der Treuhandanstalt die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an den regionalen EVU bekommen. Auch sollte das Vermögen des regionalen EVU durch sonstige Herausgabe- oder Entschädigungsansprüche um nicht mehr als 10 % vermindert werden. Dann kam eine Ausstiegsklausel: „Falls dieses nicht erreicht wird, ist das westdeutsche EVU berechtigt, von diesem Vertrag zurückzutreten.

Hier lag nämlich der Hase im Pfeffer. Die Abgeordneten der Volkskammer hatten nicht nur weitreichende Vorstellungen über die Neuausrichtung der Energiewirtschaft; sie hatten vielmehr auch versucht, durch verschiedene gesetzliche Vorschriften sicherzustellen, dass die Kommunen das erforderliche Versorgungsvermögen erhielten, um die Vorstellungen von einer dezentralen, ökologisch ausgerichteten Energieversorgung auch zu verwirklichen. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass die Regierung sich an die gesetzlichen Aufträge einfach nicht halten, sondern ganz andere Ziele verfolgen wollte.

2. Das Schicksal der Stadtwerke in der DDR

In der Weimarer Zeit gab es in Ostdeutschland 138 Stadtwerke allein in den Gemeinden über 10.000 Einwohner.47 Aber in der sowjetischen Besatzungszone wurde das kommunale Vermögen an wirtschaftlichen Einrichtungen sowie die Beteiligungen und Anteilsrechte an wirtschaftlichen Unternehmen im Zuge einer grundlegenden Neuordnung der kommunalen Wirtschaft in Volkseigentum überführt. Ausgangspunkt war die von der deutschen Wirtschaftskommission erlassene Kommunalwirtschaftsverordnung vom 24.11.1948. Die Kommunen sollten danach Kommunalwirtschaftsunternehmen haben, in die alle Einrichtungen und Betriebe der Versorgungswirtschaft, gleichgültig ob sie Eigenbetriebe oder Gesellschaften waren, eingebracht werden mussten. Die Kommunalwirtschaftsunternehmen waren rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und standen im Volkseigentum. Mit der Energiewirtschaftsverordnung vom 22.6.1949 wurde angeordnet, dass das Volkseigentum an Energieanlagen von der Hauptverwaltung Energie in zonale Verwaltung zu überführen war. Damit wurde der Zugriff auf die Unternehmen eröffnet, der zu einer Umstrukturierung der gesamten Energiewirtschaft auf der Grundlage der heimischen Braunkohle führte. Ziel war eine völlige Autarkie. Neben dem Verbundnetz mit riesigen Braunkohlekombinaten, denen sich später die Atomkraftwerke russischer Bauart Rheinsberg, Greifswald und Stendal hinzugesellten, entstanden 15 Bezirks-Energiekombinate, denen die Regionalversorgung mit Strom, Fernwärme und Gas oblag.

Dabei wurden im Zug der staatlichen Wohnungsbaupolitik Neubaugebiete ausschließlich mit Fernwärme beheizt. Die private Wohnungsheizung mit Braunkohle blieb auf die alten Stadtviertel beschränkt. Unter ökologischen Aspekten nahmen sich beide Heizsysteme nichts. Die privaten Heizungen konnten naturgemäß nicht entstaubt und entgiftet werden. Aber auch die gewaltigen Heizwerke der Energie-Kombinate wiesen keinerlei Immissionsschutzvorkehrungen auf. Während der Heizperiode durchzogen daher die gesamte DDR die widerwärtigen Braunkohledünste, die sich im Bewusstsein der Bevölkerung mit der zentralistischen Energiekonzeption Ulbricht’scher Prägung verband.

Die ungeheure Energieverschwendung des Systems ist bekannt. Sie äußerte sich aber nicht nur darin, dass die Heizungen sowohl in den Alt- wie auch den Neubaugebieten keinerlei Ventile aufwiesen, so dass die Raumtemperatur durch Öffnen und Schließen des Fensters geregelt werden musste. Für die Energieverschwendung war in erster Linie verantwortlich die in der Regel getrennte Strom- und Fernwärmeerzeugung anstatt einer energetisch sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplung, so dass der Wirkungsgrad der eingesetzten Primärenergie lediglich etwa 35 % betrug.

 

Damit wollten die Volks-Abgeordneten gründlich aufräumen. Die Kommunen sollten wieder eine tragende Rolle in der Energieversorgung übernehmen. Daher wurde zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunalverfassung vom 25.5.1990 die harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung „einschließlich der Standortentscheidungen unter Beachtung der Umweltverträglichkeit und des Denkmalschutzes ..., die Versorgung mit Energie und Wasser, ... der Schutz der natürlichen Umwelt und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit“ gezählt.