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UNGEZIEFER

Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders wie die meisten. Daher nützte man sie aus.

Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine Besiegte in der Schlacht des Lebens, die sich verwundet wegschleicht, hinter einem Busche zu krepieren – .

Da sagte der Dichter: »Nun, können Sie es mir nicht klagen?!«

»Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen sind. Man erträgt alles tagsüber von den Menschen, und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso schamlos-feig und stören uns – . Da bricht man halt zusammen.«

Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber selbst vorsichtig ein Paket Insektenpulver bei.

Er sagte: »Für diese Tiere gibt es Mittel; aber für die Menschenwanzen gibt es keine. Ihre Nachtruhe ist nunmehr gesichert, Fräulein; aber Tagesruhe gibt es nicht. Da sind die Menschenwanzen unausrottbar an der Arbeit!«

MUTTER UND TOCHTER

Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr geliebtes Töchterchen keine »gute Partie« machen wollte – .

Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte sie dennoch Rührung und Anerkennung.

Sie sagte zu ihr: »Das Leben ist nun einmal so, ich habe es auch einst auf mich nehmen müssen, meine Liebe, – .«

Die Tochter blickte die Mutter schief und bitterböse an.

Dann heiratete sie aber doch endlich einen reichen Mann, der sie betreute und beschützte.

Da sagte sie zu der Mutter: »Ich hatte einst falsche Vorstellungen, Ideale. Ich bin nun ganz glücklich und zufrieden – .«

Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und bitterböse an – .

DER DICHTER

Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der Begeisterung. Überall, auf allen Wegen blühe es doch auf, für mich Gesalbten – !?!

Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle diese Wege verstellt, verrammelt hat?!?

Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle setzte aller Weltenprächte?! Durch deine eigene Pracht?!?

Du schlossest mir, Geliebteste, die Pforten; und nun verlangst du, ich solle wieder hingehn in das weite Land, woraus dein Zauber mich gerade verstoßen und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für mich gestorben ist durch dich?! Auf deiner edlen Stirne prangt nun die Weltenpracht, von deiner Stimme tönen die Weltenmelodien, du selbst vertriebst mich aus dem Paradies der Weltenschönheit durch deine eigene!

Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren, woher ich stammte, fingst du mich also schnöde ein, jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft verloren hab’ zum Wandern – !? Teufeline!

So nehm’ ich Abschied denn von dem und jenem Wege, da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und jenem Pfad – .

Leb’ wohl, geliebte Frau, du botest mir statt Weltenpracht die eigene —

ich zürn’ dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine Welt, die erst durch dich, und nur durch dich, mir leer geworden ist – !

HYSTERIE

Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die »wie in düsteren Nebeln dahintorkeln, schicksalstrunken und irre!« Sie aber, die Neunzehnjährige, ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftigkeiten und hatte es gelernt, an ihren bittersten Tränen mehr zu lernen, als an den flachen Freudigkeiten! Ihr Arzt hatte ihr die »Eitelkeit« exstirpiert, diesen »Krebs der Frauenseele«, der alles, alles Bessere ihr wegfrißt. Bescheidenheit ist Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt, ein getreuer edler Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten englischen »Schau«, um den berühmten »cup«, unbedingt den ersten Preis erhalten für »getreueste Hundeseele«! Sie konnte blicken wie ein »Leonberger«, abstammend vom ersten »Bary«, so ganz tieftraurig. Ihre Intelligenz war licht, tief und einfach. Sie war weder häßlich noch hübsch, aber manchesmal sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen Haaren einen Heiligenschein erblickt haben! Jedenfalls fehlte wenig dazu.

Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie: »Schade um das junge Geschöpf, sie hat gute Anlagen, aber sie gehört in eine ›feste Hand‹, sie stellt sich das Leben noch anders vor, als es ist; wir leben nicht in ›Wolkenkuckucksheim‹, sondern, bitte, auf der Erde!«

Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japanischen Matte hingen in schweren Mahagonirahmen die Photographien von Beethoven, Wagner, Maeterlinck, Bismarck, diesem Deutschland gründenden Realidealisten. Da blickte sie denn oft vor dem Einschlafen hinauf zu ihren Helden und dankte ihnen herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in die strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft und gelitten hatten eigentlich für sie!

Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame. »Sind das Ihre Götter?!?« sagte die Dame.

»Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier in ›fester Hand‹, man läßt mir nichts durchpassieren, was nicht menschlich ist!«

Die Dame dachte beim Weggehen: »Es ist schade um das junge Geschöpf, ich wollte für meinen geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe unter solchen Umständen nur ein Unglück – .«

So blieb sie denn allein! Allein?!? Mit allen Getreuen, den Denkern und Idealisten, lebte sie in »Gemeinschaft«, und niemals, niemals während ihres ganzen wahrheitsvollen Lebens beneidete sie die, die doch nur angeblich »glücklich und zufrieden« waren – .

WEIHNACHTEN

Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in diese Träumereien von unerfüllten kleinen Realitäten. Nie äußert man es, außer durch ein unaufhaltsames Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäftsläden, durch einen fast hysterisch-melancholischen Blick auf den geliebten Gegenstand, oder durch die schüchterne beklommene Frage, was er koste?! So erstand er denn für sie eine japanische Bettwandmatte, strohgelbes Geflecht mit braunen und rostroten eingewebten Flecken. Ferner einen bosnischen handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit malachitgrünen Fäden. Ferner einen großen französischen Parfümzerstäuber aus Nickel, für Menthol-Franzbranntwein; ein kaltes Bad, ohne zu baden, wenn man den ganzen Leib damit anstäubt! Ferner eine Zigarettenschachtel aus sibirischer Birke, viereckiges Format, für fünfundzwanzig Zigaretten Inhalt. Ferner eine Schachtel Schreibfedern und zehn riesig dicke chinesische Rohrfederstiele dazu, federleichte. Und viele andere erfüllbare Träume ihres Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen Welt und der ihren. Er schenkte ihr nur das, was in gleicher Weise sie erfreute, es zu bekommen, ihn erfreute, es zu geben! Es war also ein Akkord verdoppelten Genießens! Und dann schrieb er: »In Deinem Namen zwanzig Kronen gespendet der Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft für die mißhandelte zwölfjährige Maria B.« Da fühlte sie: »Siehe, wir haben einen vollständigen Familienweihnachtsabend – .«

DER TAG DES REICHTUMS

Ich wollte einmal einen halben Tag lang das Leben eines Reichen erleben. Ich ließ mich von einer reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem Mercédès vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur, Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders mit der Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte Bad! Dann fuhren wir nach Baden. Dort badeten wir in den Kurhauswannenbädern, vierundzwanzig Grad Celsius. Dann ließen wir uns kühle Hotelzimmer aufsperren und schliefen eine halbe Stunde lang. Dann aßen wir Solospargel, Hirn en fricassé. Dann fuhren wir weiter, nach Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken wir duftenden Tee mit Zitrone. Abends zurück, in eiliger Fahrt.

Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen schwarz und unbeweglich-melancholisch unter dem Abendhimmel, der leise leuchtete.

In Wien verabschiedete ich mich.

Im Café Ritz fand ich jene junge Dame, die schon lange meine Augen beglückte. Braunes Haar, blauer Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag feierlich beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz dunkle Rosen und einen Eierpunsch, dieses Lieblingsgetränk der meisten solchen Damen. Sie nahm es huldvollst an, ausnahmsweise.

Sie kam an meinen Tisch und sagte:

»Macht es Ihnen wirklich eine so große Freude, mir Aufmerksamkeiten zu erweisen?!?«

»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!«

»Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür zu sein – !?«

»Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!«

Das war der Tag des Reichtums – .

SO SOLLTE ES IMMER SEIN

Ein Herr trat auf mich zu im Café und sagte: »Ich bin ein fanatischer Verehrer von Ihnen.«

»Bitte sehr«, sagte ich. »Da werden Sie vielleicht gern einen edlen Champagner zahlen?!?«

»Mit allergrößter Freude.«

Wir tranken drei Flaschen G. und H. Mumm, extra dry, süß.

Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zentralbad, 27 Grad, Porzellanwanne. In der Kassa saß eine junge Dame mit edelzarten Händen. Ich sagte ihr mit meinen Augen: »Süßeste Kassierin – « Und: »Man sollte dich miterstehen dürfen – .«

Dann frühstückte ich in einer Charcüterie: kalten geräucherten Stör aus der Wolga, das Deka 12 Heller. Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven aus Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken, das Deka 6 Heller, 90 Heller. Zwei Bananen, goldgelb-schwarz gefleckt, aus Afrika, das Stück 30 Heller, 60 Heller.

Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte Ansichtskarte: »Weg, am See entlang.« In einer Winterlandschaft.

Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf Zentimeter breiten Eschenholzrahmen.

Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn Uhr morgens nach Hause. Da sagte das junge Hausmeistermädchen, die mich zum Aufzuge führte, zu mir: »Herr Altenberg haben gewiß wieder heute nacht umgeschmissen – .«

»Jawohl,« sagte ich, »die Weltordnung der Philister!«

 

Sie dachte: »Nun, er hat 40 Heller bezahlt für den Aufzug, obzwar es im Zins bereits schon miteingerechnet ist – .«

INSCHRIFT
auf der Photographie eines Mädchens aus gutem Bürgerhause:

Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße und Zehen, müde edle Anmut ist in deinem Gehen und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes eidechsenschlanke Linien sind wunderbar, Yolanthe Maria!

Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen, armseligen, bist du bestimmt! Zum Verfaulen bei lebendigem Leibe!

Denn sicher willst du gehen, Unsichere!

Auf geebnetem Pfade willst du Gipfel erklimmen?!?

Schamlose, Feige! Willst du Lord Byrons edlen Feueratem spüren, mußt du bereit sein, eventuell dich zu versengen!

Willst du finden können, so mußt du suchen können, gleiten und stürzen können!

Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn daher, reicht dir die Hand, daß du nicht »fallest«!

TOPE

Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur für eine einzige Dame. Sie ist natürlich lang und ganz schlank, wie ein Marathonsieger, hat eine Stumpfnase, Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen, hechtgraue Augen, rotbraune Haare und anliegende papierdünne, edelgemuschelte Ohren. Hände und Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr mitgearbeitet hat.

Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf): Ein seidendünner maulwurfgrauer Samt (Pan), die Bluse ohne Naht, nur wie ein zusammengelegtes Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus dunkelgrauen und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus oxydiertem grauen Silber. Riesige kugelige graue Perlmutterknöpfe. Der Rock vollkommen bis hinab zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer, an der rechten Seite herabwallender Straußfeder. Grauer Seidenschirm mit grauem dicken Perlmuttergriff. Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhandschuhe, graue Schuhe aus mattem dünnem Leder.

Ich sagte zu der Dame: »Machen wir zusammen ein Gedicht – .«

»?!?«

»Ich komponiere eine Toilette, und Sie tragen sie. Das ist das schönste Gedicht!«

BEKANNTSCHAFT

Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine riesig hohe, schlanke, aschblonde russische Studentin, nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen. Ein Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet ohne Bleigeschoß. Das Sein an und für sich besiegte sie. Das bloße Sein des Tages und der Stunde. Was sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie. Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasserbottichen?! In ihrem starren Gesichtsausdruck, wie eh und je, sucht man ihr Leiden zu erspähen, und findet nichts und findet dennoch alles! Er sagte: »Gehen Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen Sie in offene Felder, wo niemand etwas Besonderes findet; fern dem Getriebe. Gehen Sie spazieren, wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner Erd’ und blauem Himmel!«

Und sie sagte: »Man verwehrt es mir!«

»Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel, dem Sie manches Opfer bringen können an Zeit und Güte – .«

»Man verwehrt es mir – .«

Er schwieg.

Und sie: »Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle mich an einen Menschen klammern, anklammern?!«

»An einen Menschen! Ja. Aber ich kenne keinen! Die Tiefe der Natur, die Treue des Pudels, die kenne ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn’ ich nicht – .«

Und später sagte sie: »Sie haben sich geirrt! Denn ich fand einen, der mich einsam meine Wege wandern ließ, zwischen brauner Erd’ und blauem Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte und getreulich stets beiseite stand – .«

Er blickte sie tief freundschaftlich an – .

Da sagte sie: »Vielleicht verdanke ich es Ihnen, daß ich mir einen suchte, der so war – !?«

Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und küßte sie – .

Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt hatte, und küßte sie auf ihre melancholische Stirn – .

Und er sagte zu dem Dichter:

»Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung, danke – . Es hat mir eine Seele gewonnen!«

Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief verzweifelt ab.

Denn von Gott müssen solche Erkenntnisse direkt in unsere Herzen kommen, da die Wirkung sonst nicht von Dauer ist und unheilig – !

EIFERSUCHT

Sie war sehr, sehr krank. – Der Arzt verordnete einen halben Liter heiße Zitronenlimonade, ein wollenes Tuch um den Kopf und stundenlang schwitzen.

Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der sie wohnte, konnte ihr nur eine dünne Bettdecke geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund, der Baron, sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschossenen Wildkatzenfellen, die er gar nicht gebrauchte.

Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die Pelzdecke direkt auf ihrem heißen, glühenden Leibe liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er sagte es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen »Treubruch« halte, wenn auch in den ersten Anfangsstadien.

Sie erwiderte: »Ich wollte deine Decke streicheln können, immer und immer mit meinen zärtlichen Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst.« »Du Falsche! – « sagte der Dichter und ging zürnend weg.

Später kam der Arzt und sagte: »Ich würde Ihnen vorschlagen, Fräulein, die schwere Pelzdecke zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke oben darauf; es ist zweckmäßiger!«

»Nein,« sagte sie, »das tue ich nicht.« Als sie endlich gesund war, sagte der Arzt von ihr: »Die Hysterie solcher Patientinnen erschwert den Heilungsprozeß ganz besonders. Selbst in nichtigen Kleinigkeiten müssen sie ihren lächerlichen eigensinnigen Willen durchsetzen. – «

GOETHE

Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbekannter Ausspruch Goethes:

 
»Man könnte erzogene Kinder gebären,
Wenn die Eltern erzogen wären!«
 

Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre ganze Bände und Studien. Deshalb erwünschen sich auch die meisten ungezogenen, eigenwilligen, herzlosen, dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen unglückseligen Nachkommen nicht ihre eigenen Ungezogenheiten und Lebenshärten mitvererben zu wollen auf dem schon ohnedies genug schweren Lebenswege – .

DIE PFLEGESCHWESTER ROSA SCHWEDA

Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in meinem Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des 5. März als Pflegerin des Peter Altenberg war die schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher hatte ich sein Buch »Bilderbogen des kleinen Lebens« gekauft und gelesen.

Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost, von Leiden zerfressen. Ich fühlte es, daß er über seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. Sein Idealismus war untergegangen, und es blieb die Ruine übrig. – Ich bemitleidete ihn nicht, sondern die vielen, vielen, denen so die Früchte seines Geistes, seines großen Herzens entgehen sollten. —

Ich hatte die Empfindung: »Hund, du darfst noch nicht verrecken, du hast uns Ärmsten noch manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären, hast uns sogar besser zu machen! Was schleichst du dich fort, Sünder, ehe du alles für uns ausgesprochen hast?!«

So schändlich egoistisch dachte ich über diesen sich windenden Wurm in diesen schrecklichen bangen Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster, wischte ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer verbissenen Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer!

Wer, wer hätte sich denn gesund und ewig lebendig erhalten müssen als er? Und indem ich an die Werke dachte, die er uns vorenthielt, pflegte ich mit Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum vorzeitigen Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht das Recht hatte uns gegenüber – .

GESCHWISTER

Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich, und sagte an meinem Krankenlager: »Du, diese so überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X. wurde vollkommen um den Effekt gebracht durch einen merkwürdigen und schrecklichen Umstand, der meine Nerven einfach ermordete. Denke dir, dort stopft man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Geschöpfe einer ohnedies schon genug furchtbaren und unerbittlichen Welt! In dunklen Kellern, in den glühheißen Augustnächten, hocken diese Unglückseligen in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen, werden Tag und Nacht gewaltsam gefüttert, und es wird ihnen durch all diese grausigen Wochen hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den unterirdischen Folterzellen hat mich den Ort zu fliehen gezwungen. Mein Töchterchen Hilde, die die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folterkammer, und goß den gemarterten Gefangenen Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte dazu aus vollem Halse, als sie das Samariterwerk sah, und sagte: »Fräulein Hilde, wird sie auch eingesperrt werden so, wenn Frau sie erwischt – ?« Aber unsere französische Gouvernante Hélène sagte: »Madame, en Suisse cela ne se fait pas, on ne connait pas ces martyrs infames – .«

Ich erwiderte meiner Schwester: »Ich bin ganz, ganz erstaunt über deinen Bericht. Gerade von dir, meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe und spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der Nerven! Gerade vor einem Jahre schrieb ich nämlich folgende Skizze:

Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin, um ihr alles zu zeigen, was es dort Herrliches gebe. Automobilfahrten zu allen Seen, Variété, Theater; man ließ ihr das Paradies »Berlin« erstehen, soweit es für eine Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte. Als sie wieder nach Wien zurückkehrte, fragte sie eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu leben, in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H. erwiderte: Nur in Deutschland kann man existieren! Da habe ich bemerkt, daß die armen Pferde an den Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller angebrachtes Riemenzeug tragen als bei uns, das ihnen die Arbeit erleichtert und Torturen erspart. Und dann habe ich auch noch erfahren, daß es in ganz Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in der Verkleidung von reichen Viehkäufern, sämtliche Bauerndörfer Jahr für Jahr daraufhin kontrollieren und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen erhalten!«

Meine Schwester nahm meine Hand und sagte ruhig: »Nun, was ist dabei, wir sind eben Geschwister – !«

DER BESUCH

Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast Heilige an Demut und Sanftmütigkeiten verehre, kam an mein Krankenbett, bleich und verstört.

Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der sich für sie aufopfere, Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer Einwilligung, der Operation auf Tod und Leben unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten solle. »Soll ich, soll ich nicht, soll ich?! Ich werde es also an meinen Knöpfen abzählen – .«

Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und sie stützte den Kopf in die Hand.

Da sagte sie: »Nicht, Peter, das Leben ist eigentlich komisch – .«

Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste, verzweifeltste, die je geweint wurde.

Drei Tage später saß sie an meinem Krankenbette: »Peter, ich habe es ihm gestattet, und er ist daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist komisch – .«

Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen – .

Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich nicht. Aber immerhin, an den Knöpfen – . Soll man, soll man nicht, soll man?!