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EINE BEGEBENHEIT

Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame Frau kennen, die Martyrien durchmachte wegen der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen, sechzehnjährigen Mädchen, lebte in unglückseliger innerer Hast dahin, verzehrte sich selbst. In dieser schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose Martyrium Strafe, eventuell Erlösung zu haben. Sie begann daher, einem netten gutmütigen Manne Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht. Das machte sie noch kranker. Sie trieb sich kopfüber hinein. Der Gatte rührte sich nicht. Als ich diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein Gedicht »Das Bangen« vor.

Das Gedicht lautet:

Das Bangen
 
Mir bangt um dich, Anna –  – .
Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht,
Ich weiß nur, daß mir bang ist.
Mir ist bang!
Wie einer Mutter bang ist ohne Grund,
Noch sind sie alle munter und gesund –  – !
Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange,
Während die anderen noch lange
Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten,
Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten.
Mir bangt, wie einem bangt,
Der Kinder auf dem Meer-Sand-Hügel spielen sieht,
Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt – flieht!
Mir bangt, wie einem bangt,
Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh.
So, so bangt mir um dich –  —
Du bist mein Leben, es bangt mir um mich
Du aber, du gehst deinen Weg von mir,
Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir
Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen –  —
Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad hernieder,
Nimmst du’s als Tau auf neuen Morgenwegen!
 

Ich las es langsam und eindringlich vor.

Pause.

Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu, nahm meine Hand in seine beiden Hände, sah mich lange, lange, lange an – . Die Frau starrte hin, starrte hin, schrie auf: »Er liebt mich, er leidet, oh, er liebt mich! Ich Unglückliche – !« und fiel hin.

Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden zu spät vorgelesen.

In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin:

»It’s inside in the human nature, to hate all those, who are better speaking, better dancing, better thinking, better feeling as we self!«

Wintersport am Semmering:

»Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von dir, du läutest den Frühling ein – .

Für mich begräbst du den herrlichen Winter!«

BESCHÄFTIGUNG

Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schriftsteller und kein Dichter. Das Leben trägt mir alles zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als das Zugetragene nicht zu verfälschen oder den anderen absichtlich plausibler machen zu wollen, denn man hilft ihnen ja doch nicht dadurch.

Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines Literaturprofessors an der Universität W. Eines Tages sagte sie zu ihm: »Ich liebe diesen jungen Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange brauchen nämlich die Reizungen des Nervus sympaticus, um dringend zu werden in der Seele) gemeinsam im Theater genossen haben – «

»Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper ein, damit man sehen könne, ob er dieselbe Wirkung auf dich ausübt außerhalb seines Idealterrains – «

Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten:

»Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du, du einziger – .«

Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war, sprach sie einst einen fremden Herrn vormittags, Ecke Kärntnerstraße und Graben an: »Ich ersuche um Ihren Namen und Ihre Adresse – .«

Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der sogenannten Nadelmalerei, wobei man mit verschiedenfarbiger Seide die zarten Nuancen von Gegenständen nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge schickte sie dem fremden Manne und war glücklich dabei und vor allem friedvoll, seelisch beschäftigt. Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte ich nichts mehr über sie 35 Jahre lang. Aber stets gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an die modernen Tennisspielerinnen denke! Die suchen sich auch »die Zeit zu vertreiben«!?!

BESUCH IM EINSAMEN PARK

Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst gesprungenen Saiten ihre begeisterten Klagen singen dürfte, so ist es, wenn du zu mir kommst, Helene N.!

Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns gefangen hielt, in einem Leben, das nicht die Stunde wert ist, die es bringt! Man lebte dem Tode entgegen!

Das alte Zauberreich von melancholischen Zärtlichkeiten erblüht durch dich, und der fade Park wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter Schritt die alten öden Wege wandelt – .

Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch des Atems wird wieder zum Wehen von Frühlings-Gebirgsalmen mit Kohlröschen und Seidelbast und Knieholz.

Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein Wandeln – .

Alles, was dich unglücklich macht, wird zugleich mein Unglück, und deine Klage trifft ein exaltiertes Bruderherz; indem ich leide und dir die Last abnehme unverstandenen Kummers, jauchzt meine Seele, daß sie mit dir leiden darf!

Ich möchte dich ins Zauberreich entführen, wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, beschützt, in überzärtlichen Armen, an einem für dich bebenden Herzen – , weg von den Ungetümen »Menschen«, die dich mit ihrem feigen Unverständnis morden!

Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein Unkraut oder Brennesselgebüsch?! Bist du dem Tritt des schweren frechen Fußes ausgesetzt?!

Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet werden muß vor jedem rohen Hauche?!

Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben wieder zaubert?!?

und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren glitzernden, stieren Fischaugen ein gerührtes Künstlerauge wiederzaubert?!?

In welche Welt bin ich geraten, pfui!?! Wo alles sich in schnöder Ordnung abhaspelt!? Du bist die andere! Anders wie die andern! Wie Ambrosia anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche Kräfte bringst du, ohne es zu wissen! Und pflichtlos sinken wir zu deinen Füßen hin! Nur eine Pflicht erkennend, vor dir hinzuknien!

Das zugeschnittene Maß, das alle fördert, ist uns verächtlich und vergiftet uns! Der ekle Friede sorgenlosen Daseins macht unsere Kräfte stocken und vertrocknen. Wir müssen brennen, glühen und vergehen!

Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden uns ruhig die Hand reichst, macht uns erst wieder leben, leiden und verzweifeln, und auf eine Stunde hoffen, da du, Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stunde leben wir in Not!

Die da sind, morden uns;

doch die da kommen, um von uns zu scheiden, bringen uns das Glück des abgrundtiefen Seelenschmerzes wieder!

Wir wollen rauschen, brausen und zerschäumen!

Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser heimtückischer Feind, für dumpfes Erdenleben ganz geeignet, das uns, unter der feigen Maske der Rettung, nur lahmlegt und vernichtet und vorzeitigem Tod entgegentreibt.

Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden lang in Fieberzehrung dich erwarten könne – . In Fieber mich verzehren, ist mein Leben!

Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden dir nachtrauern könne – .

Mein Geist lebt nicht vom Sein, das lahm macht und gebrechlich – ;

mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln!

Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und blühte auf – .

Du gingst, und Trauerflore hingen über der dunklen ausgestorbenen Welt – .

Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und fordert manches Wertvolle in kleinerem Kreise – .

Wir aber wollen lieber an unseren inneren Symphonien elend scheitern; des Alltags Werkelton mordet uns ebenso, nur langsamer und qualvoller – . Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen!

Der Folter wollen wir entgeh’n des leeren Lebens, das unseren Organen ihre Kraft entzieht;

und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns der Tod, und herrlich plötzlicher, als vorbereitet zu jeder Stunde eines Lebens, das weniger als nichts für uns bedeutet!

Helene N., komm’ wieder in den Park, wo Irre ihre irren Träume träumen – .

Du wirst hier doch vielleicht mehr Menschlichkeiten finden, als in der Welt, die sich frech fälschlich für die normale hält!!!

TANZ

Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Naturkraft, wie Rittner, Mitterwurzer, Girardi, bringst du uns nun wieder den Geist, der geheimnisvoll, diskret verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen Tanzen?! Oder hast du dich vom »Geist« verführen lassen wie alle, die der geistvollen, geistleeren Herde sich verständlich machen wollen?!? Gib uns nicht mehr, als was du kannst und deine Kunst! Sei eine schweigende Fürstin des Lebens, die lieber unverstanden dahingleitet, als scheinbar verständlich Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen merkwürdigen Schwester Berta, wie einst ein edles Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles macht!

PETER ALTENBERG
Von Hans Franck (Hamburg)

Es gibt viele, die seiner lachen.

Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren Worten die Märchen des Lebens gedeutet, die »Bilderbogen des kleinen Lebens« koloriert, die er die Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir können ihnen nichts dawider sagen. Müssen ihnen Recht geben, müssen zugestehen: Was ihr in Händen habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist, wie ihr es seht! Ihr!

 

Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich anders. Die Kunst Altenbergs kann, wie das vielfarbige Leben, wie die widerspruchsvolle Natur – nach Fr. Th. Vischers Wort – an einem Ende gemein, am andern seelisch fein, nicht mit einem so oder so umgrenzt werden, sondern nur mit einem so und so.

Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten, voller Gequältheiten und Feinheiten, voller Leerheiten und Vollheiten, voller nichtssagender Gewolltheiten und vielsprechender Gekonntheiten.

Sie ist – um wieder Vischers Wort von der Natur aufzunehmen – ein seltsam Ding.

Für die Formung der tausendfältigen kleinen und kleinsten Gaben, die so ein Buch Peter Altenbergs birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend. Die Wortkünstler sind dem Dichter Lügner und Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die ihre Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel zuzudecken suchen, die ihre Empfindungsarmut durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen glauben. »Ich hasse und verachte sie – ruft Peter Altenberg in seinen Märchen des Lebens – Wortreichtum ist Seelen- und Geistesarmut! Man verkriecht sich, versteckt sich dahinter, wie wenn man verzweifelt wäre, daß man nichts Wichtiges mitzuteilen hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht wortreich gesagt werden! Und dennoch verläßt man sich darauf, daß es eine Herde von Idioten gibt, die an dem »Wortklang« sich berauschen. – Wehe, wehe denjenigen, die die Fähigkeiten dazu hätten, und nur ihrem Geisteswahne, ihrer Eitelkeit dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren, sondern verblüffende Passagen, die kalt lassen!«

Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist es, weil er dem Reichtum des Lebens dienen will. Einem kleinen Ausschnitt sich willenlos hinzugeben und in unendlichem geduldigem Mühen nach höchster vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen zu verschließen, daran hindert ihn die drängende Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er von einem zum andern, immer auf der Spur des schnellfliehenden Lebens. Zur Beschaulichkeit ist keine Zeit. Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu erjagen, zu erraffen, gilt, flüchtiger als das fliehende Geschehen zu sein.

Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert und Unwert in Einem hat, daß ihre Stärke die Mutter ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu beweisen, wird man mir erlassen.

Dem Leben gilt Altenbergs Kunst.

Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir täppisch, wie wir sind, auf Du und Du stehen. Das wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten Augen. Das wir zu kennen wähnen, und das doch von tausend Schleiern bedeckt ist. Das Wunder, das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder ein blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen Kinderaugen aus der Ferne zuschauen. Wunder des Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die »Märchen des Lebens«. Unermüdlich trachtet der Dichter, die kleinen Dinge des Alltags besonders zu sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden. Hundertmal mag er wertlose Kiesel auflesen und bei den kalten Besserwissern höhnisches Lächeln dafür ernten: plötzlich funkelt ein winziges Ding in seinen Händen und läßt uns die Augen übergehen.

Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt sich plötzlich eine breite, schwerwiegende Untersuchung mit einer Überzahl unterstrichener Worte. Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der Mann der zarten Worte in einen glaubensstarken Prediger, der lauthallende Straf- und Mahnreden auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der eben noch ein ganz Besonderer, ein starker Einzelner, ein Außenseiter war, wird plötzlich zum Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes, des Vaters des Reformkleides und der Reformstiefel.

Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt er von seinem Ideale: der naturgemäßen Körperkultur. Anbetend neigt er sein Haupt vor dem großen Gotte Gesundheit. Worte fallen, die der Unnatur die gleißnerischen Kleider vom Leibe reißen und doch nichts bessern werden. Wann hätte diese Dame und ihr lästerliches Töchterlein Mode, je die Scham gekannt? Sie kann noch stärkeres ertragen als Altenbergs fanatische Predigten und seine gutgemeinten Insultierungen.

Darum ist es, schauen wir zurück auf die leidenschaftlichen Bekenntnisse zur Göttin Gesundheit, letzten Endes nicht das Gegenständliche, der Inhalt der Rede, der uns in den Bann der Worte zwingt, sondern die Persönlichkeit, die ungehinderter als in den formgewordenen Dichtungen, innerstes Sein und Meinen offenbart. Auch hier steht Altenberg im Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängten Lebens. Auch hier will er jedem Pulsschlag freie Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem Drucke, den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwerfälligkeit dem Wunder aller Wunder zufügten und bis in die Undenkbarkeit zufügen werden.

So geht auch diese Besonderheit mit dem Allgemeinen zusammen. In das Werk des Schöpfers der »Märchen des Lebens«, des Suchers im Alltag, des eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch ein, das Glied einer Kette. Der Unmittelbarkeit des unverfälschten Lebens trachtet der Dichter so gut wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das Wortemachen hassende Form eint beides auch nach außen hin.

(Königsberger Hartungsche Zeitung)