Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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II.1.1 Griechisch

Im Griechischen ist zweifelsohne die Serialisierung Art+BW der default mode; vgl.

(19) gr. 2.5.29


τὴν γνώμην
der.Art. Plan.Subst.
Akk.Sg.f. Akk.Sg.f.
‚den Plan‘

(20) gr. 2.4.14


οἱ μὲν οὖν Ἕλληνες
der.Art. zwar.Part. also.Adv. Grieche.EN
Nom.Pl.m. - - Nom.Pl.m.
‚die Griechen also‘

In einer einfachen, griechischen Phrase können im untersuchten Korpus bis zu zwei Partikeln stehen, ganz gleich welche Konstituenten noch in der DP vorkommen; vgl. (20).1 Die Partikeln stehen in der Regel nach dem Determinans. Ausnahmen liegen vor, wenn die DP einer anderen Phrase wie z.B. einer anderen DP oder einer PP untergeordnet ist. Ferner kann eine Partikel auch vor der DP erscheinen; vgl.

(21) gr. 2.1.12


καὶ τῶν σωμάτων στερηθῆναι
auch.Konj. das.Art. Leben.Subst. verlustig gehen.Verb
- Gen.Pl.n. Gen.Pl.n. Inf.Aor.Pass.
‚auch des Lebens verlustig gehen‘

Aus den Daten können die Wortstellungen Art+BW, Art+Part+BW, Art+Part+Part+BW sowie Art+BW+VerbINF abstrahiert werden. Partikeln sind im Folgenden nicht von Interesse und bleiben unberücksichtigt, auch in den Serialisierungsmustern wird auf sie verzichtet. Zum einen beeinflussen sie den Artikel nicht und zum anderen ist ihre syntaktische Analyse noch ein relativ ungeklärtes Phänomen.

Die Verwendung des griechischen Artikels hängt von der Referenz ab. So muss zwischen generischer vs. individueller und andererseits zwischen deiktischer vs. anaphorischer Referenz differenziert werden. Generische Lesart liegt vor, wenn sich die Phrase auf eine Gattung oder eine Gruppe bezieht; vgl.

(22) gr. 2.1.10


τοῖς στρατιώταις
der.Art. Soldat.Subst.
Dat.Pl.m. Dat.Pl.m.
‚den Soldaten‘

Im Griechischen werden generische Phrasen ebenso wie nicht-generische determiniert. Bei individueller Referenz bezieht sich die DP auf ein Einzelobjekt oder eine Einzelperson; vgl.

(23) gr. 2.1.13, 2.1.22


Φαλῖνος
der.Art. Phalinos.EN
Nom.Sg.m. Nom.Sg.m.
‚Phalinos‘ bzw. wörtl. ‚der Phalinos‘

(24) gr. 2.1.1


τὸν ἀδελφὸν Ἀρταξέρξην
der.Art. Bruder.Subst. Artaxerxes.EN
Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m.
‚den Bruder Artaxerxes‘

Die Phrase (24) befindet sich im ersten Paragraphen des zweiten Buches der Anabasis. Da Artaxerxes schon im ersten Buch erwähnt wurde, könnte man die Phrase auch als anaphorisch referierend interpretieren. Artaxerxes wird jedoch am Ende des ersten Buches nicht mehr erwähnt, so dass der anaphorische Bezug mehrere Passagen überbrücken müsste. Daher wird für das Beispiel (24) deiktische Referenz angenommen. Anaphorische Referenz ist anzusetzen, wenn die Ausgangsphrase, auf die verwiesen wird, im Text in der Nähe der betreffenden DP steht; vgl.

(25) gr. 2.1.8, 2.1.9, 2.1.10 (2x), 2.1.17, 2.1.18, 2.1.19, 2.1.20 (2x), 2.2.8, 2.2.21, 2.3.1


τὰ ὅπλα
die.Art. Waffe.Subst.
Akk.Pl.n. Akk.Pl.n.
‚die Waffen‘

In gr. 2.1.8 referiert die Phrase (25) noch deiktisch, da dort das Gespräch darüber, dass die Griechen ihre Waffen an die Perser abgeben sollen, beginnt. In den folgenden Versen kann der Artikel dann anaphorisch interpretiert werden, da immer noch von den gleichen Waffen die Rede ist. Welche Art der Referenz vorliegt, muss also jeweils durch den entsprechenden Kontext festgestellt werden. Der Artikel ist hierbei keine Hilfe, da das Griechische nur einen Artikel besitzt und dieser bei jeder Art der Referenz gesetzt wird.

II.1.2 Albanisch

Im Albanischen übernimmt vorrangig der enklitische Artikel die Funktion der Determination; vgl.

(26) alb. MAT 11.2, MAT 12v.1, MAT 12v.3


pistevo-në
Glaubensbekenntnis.Subst.-das.Art.
Akk.Sg.m.
‚das Glaubensbekenntnis‘

(27) alb. BUZ Kap1/fol9.42, BUZ Kap3/fol9v.10, BUZ Kap4/fol9v.48, BUZ Kap4/fol9v.79, BUZ Kap4/fol9v.85


Lavd-i
Lob.Subst.-das.Art.
Nom.Sg.m.
‚das Lob‘

Bei Pekmezi (1908) heißt es:

„… Dem deutschen bestimmten Artikel entsprechend bildet das Albanesische eine bestimmte Form des Substantivs durch Anfügung eines postpositiven Artikels. …“1

Der suffixale Artikel des Albanischen markiert also in gleicher Weise Definitheit wie bspw. der deutsche Artikel. Hingegen ist die Verwendung des sog. freistehenden Artikels des Albanischen als Definitheitsmarker restringiert. Laut Buchholz/Fiedler (1987) determiniert er ausschließlich alte Verwandtschaftsbezeichnungen wie alb. atë ‚Vater‘ oder alb. ëmë ‚Mutter‘, Heiligennamen und das Nomen alb. zot ‚Gott, Herr‘2; vgl.

 

(28) alb. BUZ Kap4/fol9v.39: alb. zot ‚Gott‘


der.Art. Gott.Subst.
Abl.Sg.m.
‚[durch] den Gott‘

(29) alb. BUZ Kap4/fol9v.775: Verwandtschaftsbezeichnung


t’apë
der.Art.-Vater.Subst.
Akk.Sg.m.
‚den Vater‘

(30) alb. MAT 22v.1, MAT 22v.10: Heiligenname


e Shën Mëri-a
die.Art. heilig.Adj. Maria.EN-die.Art.
Nom.Sg.f. - Nom.Sg.f.
‚die heilige Maria‘

Im modernen Albanischen wird der freistehende Artikel obligatorisch vor Verwandtschaftsbezeichnungen.6 Es ist anzunehmen, dass die Entwicklung dahingehend im Altalbanischen einsetzt, denn der Artikel ist im Altalbanischen noch nicht zwingend erforderlich bei Verwandtschaftsbezeichnungen; vgl.

(31) alb. BUZ Kap1/fol9.29, BUZ Kap4/fol9v.78


Vater.Subst.-der.Art.
Nom.Sg.m.
‚der Vater‘

In Phrasen wie (32) kann spekuliert werden, ob der sog. freistehende Artikel die Determination, die durch den enklitischen Artikel ausgedrückt wird, verstärkt; vgl.

(32) alb. MAT 14.5, MAT 14.12


i bir-i
der.Art. Sohn.Subst.-der.Art.
Nom.Sg.m. Nom.Sg.m.
‚der Sohn‘

Demiraj (1993) sieht davon ab, dass der sog. freistehende Artikel hier eine determinierende Funktion ausübt, da Verwandtschaftsbezeichnungen im Falle von Definitheit mit einem enklitischen Artikel versehen werden. Stattdessen impliziert der sog. freistehende Artikel in derartigen Belegen eine gewisse possessive Nuance, d.h. er übernimmt die Funktion eines Possessivums der 3. Person. Diese Funktion ist auf Verwandtschaftsbezeichnung beschränkt. Insgesamt gelten der Ursprung sowie die Funktion des sog. freistehenden Artikels vor Verwandtschaftsbezeichnungen als unklar. Mann (1977) spricht von einer hypokoristischen oder persönlichen Partikel.8 Der Terminus Partikel wird den Eigenschaften des Elements allerdings nicht gerecht, da eine Partikel nicht flektiert. Das vorliegende Element zeigt jedoch Kongruenz-Merkmale. Im Altalbanischen liegt also eine Opposition Verwandtschaftsbezeichnung mit freistehendem Artikel vs. Verwandtschaftsbezeichnung ohne freistehenden Artikel vor. Es wird mit Buchholz/Fiedler (1987) angenommen, dass der freistehende Artikel hier zur Determination eingesetzt wird.9 Somit wird der sog. freistehende Artikel vor Verwandtschaftsnamen als Artikel, i.e. Art., glossiert. Dennoch bleibt es fraglich, ob der freistehende Artikel in Beispiel (29) eine determinierende Funktion ausübt oder ob hier die Entwicklung einsetzt, dass der freistehende Artikel obligatorisch vor Verwandtschaftsbezeichnungen wird.

Die Hauptfunktion des sog. freistehenden Artikels besteht in der Kennzeichnung von Agreement. Als Agreement-Marker setzt der sog. freistehende Artikel Konstituenten in Bezug zu anderen. Definitheit spielt dabei keine Rolle; vgl.

(33) alb. MAT 9.2, MAT 10v.3


dashurë
AgrM
Nom.Sg.n. Nom.Sg.n.
‚Liebe‘

Alb. dashurë in (33) ist eine Partizipialableitung auf alb. -rë zu alb. do ‚lieben; wollen‘. Der sog. freihstehende Artikel fungiert als Wortbildungselement, d.h. der sog. freistehende Artikel und das substantivierte Partizip bilden eine Einheit und sind in dieser Form lexikalisiert. Der sog. freistehende Artikel zeigt an, dass es sich um eine Ableitung handelt. Als Wortbildungselement kommt er auch bei den substantivierten Artikel-Adjektiven11 vor; vgl.

(34) alb. BUZ Kap4/fol9v.74, BUZ Kap4/fol9v.78


e dërejt-a
AgrM Gerechtigkeit.Subst.-die.Art.
Nom.Sg.f. Nom.Sg.f.
‚die Gerechtigkeit‘

In (34) liegt eine Nominalisierung vom Artikel-Adjektiv alb. i dërejtë ‚richtig, gerecht, korrekt‘ vor. Ferner wird die Phrase durch einen enklitischen Artikel determiniert. In den meisten einfachen Konfigurationen mit sog. freistehendem Artikel liegt ein abgeleitetes Substantiv vor. Der sog. freistehende Artikel gibt somit einen Hinweis darauf, dass ein Kategoriewechsel stattgefunden hat. Ferner findet sich der sog. freistehende Artikel häufig bei Lehnwörtern; vgl.

(35) alb. MAT 8.7, MAT 8v.1


i krështē
AgrM Christ.Subst.
Nom.Sg.m. Nom.Sg.m.
‚Christ‘

Alb. i krështē ‚Christ‘ ist eine Ableitung von lat. christianus ‚Christ‘. Der sog. freistehende Artikel determiniert nicht. Die Konfiguration könnte auch in indefinitem Kontext vorkommen. Es wird vielmehr vermutet, dass der sog. freistehende Artikel das Lehnwort in die Kategorie der albanischen Nomina eingliedert, d.h. er markiert, dass das entsprechende Element [+nominal] ist. Viele Derivationen sind im Altalbanischen bereits ins Lexikon aufgenommen worden. Der sog. freistehende Artikel und das nominale Element bilden eine syntaktische und semantische Einheit. Da der sog. freistehende Artikel in dieser Funktion nichts mit einem Artikel zu tun hat, ist die Bezeichnung Artikel irreführend. Mann (1977) spricht von einer verbindenden Partikel (connecting particle).12 Doch da das verbindende Element flektiert, ist diese Bezeichnung unzutreffend. Hendriks (1982) spricht von einem Konnektor (connective).13 Konnektoren bezeichnen Wörter oder Morpheme, die syntaktische Einheiten in eine Relation zueinander setzen. Die syntaktischen Einheiten, die koordiniert werden, sind üblicherweise Teilsätze. Typische Konnektoren sind z.B. Konjunktionen. Somit impliziert der Terminus Konnektor die Vorstellung, dass das betreffende Element auf Satzebene operiert. Somit erfasst der Begriff auch nicht den Charakter des sog. freistehenden Artikels. Campos (2009) bezeichnet den sog. freistehenden Artikel als adjektivischen Artikel und nimmt an, dass es sich hinsichtlich der Funktion um ein Agreement-Morphem handelt.14 Die entscheidende Funktion des Elements ist die Markierung der Kongruenzmerkmale. Daher wird der sog. freistehende Artikel in der dargelegten Funktion als Agreement-Marker definiert, i.e. AgrM.15 Nur wenn der sog. freistehende Artikel determiniert, wird er im Folgenden als Artikel bezeichnet. Es gibt also eine Differenz zwischen: freistehender Artikel vs. Agreement-Marker. Daher wird hier nicht mit Buchholz/Fiedler (1987) argumentiert, dass es sich um einen Artikel in Beispiel (28) handelt. Die determinierende Funktion ist zwar denkbar, aber nicht als sicher festzustellen. Hier wird angenommen, dass es sich in derartigen Belegen um einen Agreement-Marker handelt. Daher ist die Glossierung von oben zu revidieren; vgl.

(37) alb. BUZ Kap4/fol9v.39


AgrM Gott.Subst.
Abl.Sg.m.
‚[durch] den Gott‘

Das Substantiv alb. zotynë/inëzot ‚Gott‘ wurde weder bei Buzuku noch bei Matrënga mit enklitischem Artikel gefunden, wobei alb. zot durchaus mit enklitischem Artikel vorkommt; vgl.

(38) alb. BUZ Kap1/fol9.12–13


zot zot-i i Izraeli-t
Herr.Subst. Herr.Subst.-der.Art. unser.PossPron. AgrMGen Israel.EN-das.Art.
Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Gen.Sg.m.
‚Herr, unser Herr Israels‘

Da im Text ohne Zweifel vom Gott des Christentums die Rede ist, muss im Beleg (38) individuelle Referenz angenommen werden. Einerseits können Heiligennamen zwar determiniert werden, aber andererseits ist die Bezeichnung für Gott im christlichen Kontext immer definit. Des Weiteren flektiert alb. zotynë ‚Gott‘ nicht, wie Beispiel (37) gezeigt hat. Daher ist der sog. freistehende Artikel erforderlich, um die AGR-Merkmale auszudrücken. Aber es kann keine Wortbildungsfunktion nachgewiesen werden, denn alb. zotynë ‚Gott‘ kann auch ohne den sog. freistehenden Artikel stehen; vgl.

 

(39) alb. BUZ Kap2/fol9.87–88


për zot-në t’anë Krisht-në
für.Präp. Gott.Subst. Herr.Subst.-der.Art. AgrM-unser.PossPron. Jesus.EN Christus.EN-der.Art.
+ Akk. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. - Akk.Sg.m.
‚für Gott, unseren Herrn Jesus Christus‘

(40) alb. MAT 5.4


mbë fjalë-t tinëzot
bei.Präp. Wort.Subst.-das.Art. AgrMGen Gott.Subst.
+ Akk. Akk.Pl.f. Akk.Pl.f. Gen.Sg.m.
‚bei den Worten Gottes‘

Fehlt der sog. freistehende Artikel, flektiert das Substantiv alb. zotynë ‚Gott‘. Dieses setzt sich aus dem Possessivpronomen und dem Wort alb. zot ‚Herr‘ zusammen. Wie die Belege demonstrieren, befindet sich das Pronomen im Anlaut, wenn es flektiert, denn das Albanische bevorzugt die Agreement-Markierungen möglichst linksperipher. Erscheint jedoch der Agreement-Marker, befindet sich das Pronomen im Auslaut und flektiert nicht. Beleg (40) widerspricht dieser Annahme nicht, denn hier handelt es sich nicht um den Agreement-Marker, sondern um einen Genitiv-Marker. Dessen Aufgabe ist es, ein Genitivattribut an das Regens anzuschließen, indem es dessen Kasus annimmt (vgl. Kap. II.5.2). Im Albanischen muss der sog. freistehende Artikel also differenziert analysiert werden, d.h. es werden zwei Morpheme angesetzt: ein Definitheits- und ein Agreement-Marker.

Ferner sind Regelmäßigkeiten der Artikelsetzung in Relation zum Merkmal Referenz festzustellen. Um individuell zu referieren, wird in erster Linie der enklitische Artikel gesetzt; vgl.

(36) alb. BUZ Kap1/fol9.14–15


populli-së
Volk.Subst.-das.Art.
Dat.Sg.f.
‚dem Volk‘

In wenigen Fällen wird die Determination bei individueller referentieller Lesart durch das Auftreten des freistehenden Artikels verstärkt; vgl. Beispiel (32) oben. Für die albanischen Phrasen aus Artikel und Substantiv ist zusammenfassend festzuhalten, dass der enklitische Artikel bei individueller Referenz Anwendung findet. Ein Beispiel für generische Referenz liegt nicht vor.

Die Basiswortstellung für einfache DPn ist das Muster BW-Art. Diese Serialisierung zeigt die Mehrzahl der untersuchten Belegstellen aus Artikel und Substantiv. Aufgrund von Belegstellen wie (32) muss auch die Serialisierung Art+BW-Art angesetzt werden, obgleich sie nicht als default mode interpretiert werden kann, da dem freistehenden Artikel nur in wenigen Fällen eine determinierende Funktion zugesprochen wird. Wenn der sog. freistehende Artikel eine wortbildende Funktion einnimmt, wird er als Agreement-Marker definiert und nicht als separate Konstituente gewertet, da er ein Teil des entsprechenden Wortes ist. In den Glossierungen der Belegstellen wird die Abkürzung AgrM verwendet. Nur wenn der sog. freistehende Artikel determiniert, wird er als Artikel bezeichnet und in der Glossierung als Art gekennzeichnet. In sehr seltenen Fällen trifft man auf das Wortstellungsmuster Art+BW, wie oben in Beispiel (29).