Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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I.6.5 Zum armenischen Artikel

Der altarmenische Artikel besitzt die Formen arm. -s, -d und -n. Es handelt sich hierbei um enklitische Morpheme, die stets an ihr Bezugswort suffigiert werden. Der Artikel ist in seiner Form unveränderlich. Er wird also nicht dekliniert und kann demnach weder Kasus noch Numerus anzeigen.1

Innerhalb des Armenischen leitet sich der Artikel von den drei Demonstrativstämmen (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-) ab. Mittels dieser Stämme werden nicht nur der enklitische Marker, sondern auch die adnominalen Demonstrativpronomina (arm. ays, ayd, ayn ‚der dort, jener‘), die anaphorischen Demonstrativa (arm. sa, da, na ‚er, der, jener‘), die Identitätspronomina (arm. soyn, doyn, noyn ‚derselbe‘) und schließlich das Korrelativ (arm. ayspisi, aydpisi, aynpisi ‚solcher‘) gebildet. Syntaktisch erfüllen die Pronomina und der Artikel allerdings verschiedene Aufgaben.

Die Hauptfunktion des armenischen Artikels liegt nicht in der Markierung von Definitheit, sondern in der Kennzeichnung der Deixis. Das Armenische besitzt ein ausgebautes deiktisches System, das zwischen personaler und objektaler Deixis sowie verschiedenen Entfernungsstufen differenziert, repräsentiert durch die Stämme (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-). Arm. -s referiert auf die erste Person und transportiert die Bedeutung ‚hier, bei mir‘, arm. -d auf die zweite Person (‚dort, bei dir‘) und arm. -n auf die dritte Person; vgl.

(15) arm. 15.2


lezowaw-s
Sprache.Subst.-die.Art.
Instr.Sg.
‚[mit] der [meiner] Sprache‘

(16) arm. 11.3


gin-d
Preis.Subst.-der.Art.
Akk.Sg.
‚den [deinen] Preis‘

(17) arm. 3.2


z-harks-n
AkkM-Steuer.Subst.-die.Art.
Akk.Pl.
‚die Steuern‘

Arm. -n ist die neutrale Form (‚das‘), die stets ferndeiktisch zu verstehen ist. Es verweist auf etwas, das weder in der Nähe des Sprechers, noch in der Nähe des Hörers ist, sondern entfernt von beiden liegt. Dabei kann es sich sowohl um zeitliche als auch um lokale Ferne handeln. Arm. -n beschreibt eine Position im Raum, wobei nicht exakt festgelegt ist, wo sich das jeweilige Denotat befindet. Am häufigsten taucht dieser Artikel in erzählenden Texten auf. Klein (1996a) hält die neutrale deiktische und anaphorische Funktion für die wichtigste Eigenschaft von arm. -n.2

Des Weiteren nutzt das Armenische die Stämme (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-) um zu markieren, was direkte und was indirekte Rede im Text ist. Dabei ist besonders der Kontrast zwischen arm. -s und arm. -n ausschlaggebend. Arm. -s gilt als markiert, im Gegensatz zu unmarkiertem -n. Arm. -s bezeichnet stets direkte Rede, -n dagegen indirekte Rede. Dabei entsteht eine Opposition zwischen nah (-s) und fern (-n). Mit nah kann schon der textlich näher stehende Referent gemeint sein. Wenn der Erzähler bspw. über sich selbst spricht, wird er arm. -s wählen, redet er aber über etwas oder jemanden, das/der aus irgendeinem Grund (lokaler oder auch geistiger Natur) entfernt ist, wird er arm. -n gebrauchen. Oder der Sprecher redet über verschiedene Personen, dann kann arm. -n die Funktion annehmen, sich auf den zuvor Genannten (im Sinne von weiter vorn im Text erwähnt) zu beziehen, während arm. -s auf den zuletzt Genannten (im Sinne von erst kürzlich im Text genannt) referiert. Nach Klein (1996a) kann die s-Deixis mit Aktualität, Fokus und Belebung assoziiert werden. Als Anapher findet arm. -s nur selten Anwendung.3

Der Artikel arm. -d referiert auf die zweite Person. In einer Kommunikationssituation wird der Gesprächspartner durch diesen Artikel markiert, gleichgültig ob es sich um eine einzelne Person oder eine Gruppe handelt. Für arm. -d gibt es drei Verwendungsfelder: Zum einen kommen d-Formen natürlich häufig in einem Kontext vor, in dem die zweite Person bereits angegeben ist, z.B. durch ein Pronomen, ein Verb oder einen Vokativ. Arm. -d wird vorzugsweise mit dem Vokativ kombiniert, was logisch erscheint, da es die Anrede verstärkt. Aber auch eine Verbform in der zweiten Person kann ausreichen, um eine d-Form hervorzurufen. Darüber hinaus kommt arm. -d in Phrasen vor, in denen die zweite Person noch nicht ausreichend gekennzeichnet ist. Die entsprechende Markierung übernimmt dann der Artikel. Klein (1996a) schreibt, dass die d-Form aufgrund ihrer interaktiven Funktion einen affektbetonten Wert (affective value) besitzt. Eine weitere Anwendung des Artikels arm. -d ist, dass er gebraucht werden kann, um pejorative Gefühle, wie Hohn oder Spott, bzgl. des Referenten auszudrücken. Die d-Deixis impliziert dabei einen negativen Wert und soll emotionale Distanzierung vermitteln. Die Abgrenzung muss allerdings nicht immer feindlicher Natur sein. In der Mehrzahl der Beispiele jedoch soll die d-Deixis in einer Sprechaktsituation eine negative Stellungnahme darstellen, während die s-Deixis eine positive Einstellung transportieren soll.4

Auch die Entfernungsstufen origoinklusiv und origoexklusiv lassen sich auf den altarmenischen Artikel anwenden (vgl. Kap. I.5.2). Arm. -s ist origoinklusiv, während arm. -n Origoexklusivität impliziert. Arm. -d ist ebenfalls als origoexklusiv zu betrachten, da sich der Artikel auf die zweite Person bezieht, die zwar in der Umgebung des Sprechers sein muss, aber trotzdem nicht in direkten Bezug zum Sprecher steht. Zur Untermauerung dieser Klassifikation lässt sich Diewalds (1991) Einordnung der personalen Deiktika dt. ich und du heranziehen. Das Pronomen der ersten Person ist natürlich origoinklusiv, da es auf den Sprecher selbst verweist. Das Deiktikon dt. du klassifiziert Diewald (1991) als origoexklusiv, weil es auf den Hörer referiert, der sich außerhalb der Origo befindet. Eine weitere Unterteilung der personalen Deiktika, die man bei Diewald (1991) findet, ist die Unterscheidung von Person und Nicht-Person. Dabei bezieht sich die Eigenschaft Person auf die Kommunikationsrollen, i.e. Sprecher und Hörer. In diese Kategorie sind arm. -s und -d einzuordnen. Die Kategorie Nicht-Person beschreibt im Gegensatz dazu „… alle durch Nominalphrasen denotierbaren Entitäten …“5, die nicht die Gesprächspartner sind. Diese Rolle erfüllt arm. -n. Die Morpheme arm. -s und -d sind also mit der personalen Dimension verknüpft, da sie stets eine Relation zu einer Person etablieren. Arm. -n hingegen operiert in der objektalen Dimension. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass hier diejenigen Deiktika versammelt sind, die keine Gesprächsrollen denotieren. Vielmehr gehören die Referenten, über die gesprochen wird, in diese Kategorie. Daher ist anzunehmen, dass arm. -n, das sich bekanntermaßen auf die dritte Person bezieht, der objektalen Dimension zugewiesen werden muss, da es auf Elemente referiert, die keine Kommunikationsteilnehmer sind. Als neutraler Artikel referiert es auf Gesprächsgegenstände, Personen, Orte etc.

Dem altarmenischen Artikel ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Funktion Deixis auszudrücken inhärent, so dass er immer weisend wirkt. Er wird gesetzt, um einen Referenten zu markieren und eine Relation zu Sprecher oder Hörer herzustellen. Dadurch, dass er diese doppelte Relation kreiert, ähnelt er stark der oben beschriebenen Funktion der Possessivpronomina, die ebenfalls eine zweifache Relation, zwischen Objekt und Besitzer, darstellen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass sich die deiktische Funktion des altarmenischen Artikels im modernen Ostarmenisch zu einer possessiven Funktion entwickelt hat; vgl. z.B. altarm. town-s ‚das Haus‘ vs. ostarm. town-s ‚mein Haus‘.6 Vermutlich konnte der Artikel im Armenischen diese possessive Funktion ausbilden, weil er nicht als Definitheitsmarker notwendig war.

Die armenischen Morpheme arm. -s, -d und -n sind aufgrund ihrer enklitischen Natur abhängige Elemente, aber im Gegensatz zu den Artikeln der anderen Untersuchungssprachen sind sie nicht auf Substantive beschränkt. Stattdessen können sie an Adjektive, Adverbien, Zahlwörter, Verben und sogar Negationen postponiert werden; vgl.

(18) arm. 14.1


əst ōrinaki grelocʿ-s
gemäß.Präp. Beispiel.Subst. aufschreiben.Verb-das.Art.
+ Dat. Dat.Sg. Prt.nec.
‚gemäß dem Beispiel soll ich das aufschreiben‘

Vermutlich übernimmt der Artikel in Beleg (18) die Funktion den Autor zu markieren, da dies keine Personalendung leistet. Die armenischen Morpheme können also eine Erweiterung des Subjekts darstellen.

 

Der armenische Artikel sorgt also nicht in erster Linie dafür, dass eine Konstituente als definit markiert wird, wie es eigentlich die Hauptaufgabe eines definiten Artikels ist. Aber er spezifiziert Phrasen und setzt sie entweder zu den Gesprächspartnern oder zu einem kürzlich genannten bzw. bereits bekannten Referenten in Beziehung. Das armenische Morphem wirkt demnach identifizierend. So tritt der Artikel an kein Wort, das nicht in irgendeiner Weise als bekannt betrachtet wird, sei es, weil es kurz zuvor erwähnt wurde oder sei es, weil es als bekannt vorausgesetzt werden kann. Oder aber die Aufmerksamkeit des Lesers soll durch die Anfügung des Artikels auf das jeweilige Wort gelenkt werden. Identifizierbarkeit auszudrücken ist erwiesenermaßen nicht die Hauptaufgabe des armenischen Artikels, jedoch beinhaltet seine Verwendung stets einen Hinweis darauf. Lamberterie (1997) schreibt, dass die enklitischen Partikeln (-s, -d, -n) eine Relation zwischen Wörtern aufzeigen. Auf der einen Seite stehen die Wörter, die durch den Artikel determiniert sind, und auf der anderen Seite die Personen (entweder die, die spricht (-s), die, die angesprochen wird (-d), oder die Person bzw. der Gegenstand, der sich außerhalb des Dialogs befindet (-n)).7

Festzuhalten ist, dass der armenische Artikel fakultativ verwendet wird und dass er bzgl. der semantischen Determination entbehrlich ist. Insgesamt besitzt er vier Funktionen: lokale, deiktische, anaphorische und spezialisierende. In seiner spezialisierenden Funktion steht er dem Typus Artikel, der der Definitheitsmarkierung von Nomina dient, nahe. In seiner anaphorischen Eigenschaft erinnert er an Pronomina. Der lokale und deiktische Charakterzug scheinen einzigartig zu sein.

II. Untersuchung der Belegstellen

In diesem Kapitel werden die Belegstellen geordnet nach den Konstituenten untersucht, i.e. einfache DPn, DPn mit Pronomen, DPn mit Adjektiven etc. Der Fokus liegt dabei stets auf dem Artikel. Die DPn sind so organisiert, dass die Phrasen mit jedem Kapitel komplexer werden. Die einfachen DPn umfassen nur Beispiele mit Artikel und Bezugswort. Anschließend werden substantivierte Elemente besprochen. Diese verhalten sich im Allgemeinen zwar wie Substantive, doch in der syntaktischen Analyse in Kapitel III werden die Differenzen deutlich, da nominalisierte Elemente auf andere Weise generiert werden müssen als Substantive. Im nächsten Punkt werden Konstellationen mit Pronomen erläutert, danach Phrasen mit attributiven Adjektiven usw. Dieses Vorgehen erleichtert den Überblick über alle Belegstellen. Ferner kann durch diese Gliederung untersucht werden, ob spezifizierende Konstituenten die Verwendung des Artikels beeinflussen können.

Die einzelnen Untersuchungssprachen werden zunächst separat analysiert. Die so erzielten Ergebnisse werden in einem Zwischenfazit am Ende jedes Kapitels verglichen. Es wird allerdings nicht jedes Beispiel gesondert erwähnt, vielmehr werden die verschiedenen Phrasentypen vorgestellt und ihre grammatischen Eigenschaften erklärt. Auf Typisches wird hingewiesen und auf Besonderheiten detailliert eingegangen. Von speziellem Interesse sind die Wortstellungsmuster der einzelnen Phrasentypen. Durch den Vergleich der einzelsprachlichen Belegstellen werden allgemeine Serialisierungen herausgearbeitet, die mit abstrakten Bezeichnungen wie „Art“ für Artikel oder „BW“ für Bezugselement operieren.1 Die Wortstellungsmuster entsprechen etwa einem mathematischen Term. Dies dient dazu, dass jedes Serialisierungsphänomen mit Artikel gesondert erklärt werden kann. Durch die Wortstellungsmuster kann man die Positionen der einzelnen Konstituenten innerhalb der Phrase analysieren und feststellen, in welchen Positionen der Artikel auftreten kann. Dies wiederum wird in Kapitel III wichtig sein, um herauszufinden, wo der Artikel innerhalb der DP abgeleitet werden kann. Da der Artikel mit dem Feature Definitheit verknüpft ist, kann dadurch auch eine Position für Definitheit in der DP wahrscheinlich gemacht werden. Wenn eine komplexe Phrase vorliegt und analysiert werden soll, kann man aus den entsprechenden Kapiteln die Einzelkomponenten auswählen und zu einer komplexen Analysestruktur zusammensetzen. Ferner wird anhand der Wortstellungsmuster erklärt, in welcher Relation der Artikel zum Bezugswort steht und ob sich seine Stellung verändert, wenn eine weitere Konstituente wie ein Possessivpronomen, ein Adjektiv etc. hinzukommt. Die abstrahierten Muster sollen die Stellungsmöglichkeiten des Artikels herausstellen und veranschaulichen, welche Positionen eine DP je nach Untersuchungssprache besitzen muss. Zudem hilft es, die Serialisierung im Bezug auf die Artikelsetzung hin zu analysieren, um daraus Regeln zur Verwendung des Artikels ableiten zu können. Der Artikel steht in einer speziellen Relation zur Serialisierung. So sind Calboli (1978 [1979]) und Leiss (2000) der Ansicht, dass der Artikel aus einer Notwendigkeit der Wortstellung heraus entstanden ist. Die Beziehung zwischen Artikel und Satzbau ist mit der referentiellen Kennzeichnung der Nomina verknüpft und die Entwicklung des Artikels evoziert einen Wandel des Satzbaus. So besitzen die alten Sprachstufen des Lateinischen und Griechischen noch keinen Artikel, aber dafür Konstruktionen wie den A.c.I. Nach Calboli (1978 [1979]) begünstigt das Fehlen des Artikels die Akkusativ-mit-Infinitiv-Bildung. Durch den Ausbau der Quantifizierung durch den Artikel werden Konstruktionen wie der A.c.I zurückgedrängt. Des Weiteren gibt es Sprachen, wie das Italienische, in denen auf den definiten Artikel verzichtet werden kann, wenn ein Attribut2 eine Phrase ausreichend als [+definit] markiert.3

Leiss (2000) sieht im Altnordischen eine Verknüpfung zwischen Artikel und Satzbau. Zum einen stellt sie fest, dass der definite Artikel im Altnordischen gehäuft in Zusammenhang mit dem historischen Präsens auftritt. Leiss (2000) schreibt:

„… Das deutet darauf hin, daß die ursprüngliche Funktion des bestimmten Artikels im Altisländischen darin bestand, den Vergangenheitsbezug und damit gleichzeitig die perfektive Aspektbedeutung des „historischen Präsens“ zu sichern. …“4

Der definite Artikel des Altnordischen unterstützt also die Perfektivierung des Verbs. Zudem fehlt der altnordische Artikel in syntaktisch definiter Umgebung. Aber er wird verwendet, wenn die syntaktische Umgebung nicht definit ist, aber als solche markiert werden soll.

Calboli (1978 [1979]) und Leiss (2000) vermuten, dass es Relationen zwischen Syntax und Artikel gibt. Beide haben den Fokus allerdings auf komplexe Sätze gerichtet. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich demgegenüber auf die innere Struktur der DP und fragt, ob es dort Wechselbeziehungen zwischen Serialisierung und Artikel gibt. Damit sind zum einen wiederkehrende oder feste Serialisierungsmuster gemeint und zum anderen, ob der Artikel vielleicht die Elemente innerhalb der DP in irgendeiner Form beeinflusst oder ob die anderen Elemente eine Auswirkung auf den Artikel haben. Hierzu ist es essentiell den Terminus Grundwortstellung oder auch default mode zu definieren. Die Grundwortstellung ist die am häufigsten genutzte Serialisierung bzw. das in der jeweiligen Sprache bevorzugt genutzte Schema. Diese unmarkierte Wortstellung hilft die Grundstruktur der DP für die Untersuchungssprachen herauszuarbeiten. So schreibt auch Delsing (1993): „… This basic word order constitutes the basis of the noun phrase structure …“.5 Es wird angenommen, dass es in den Untersuchungssprachen bevorzugte Serialisierungen gibt, die als default mode definiert werden können. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern Basiswortstellungen in den Untersuchungssprachen nachgewiesen werden können. In den Wortstellungsmustern werden die Belege abstrakt dargestellt und man kann gewisse Regelmäßigkeiten in der Verwendung des Artikels erkennen. Mitunter kann man auch Vermutungen aufstellen, an welche Bedingungen die Setzung des definiten Artikels geknüpft sein mag. Weiterhin ist es leichter die Sprachen miteinander zu vergleichen, wenn man mit Schemata arbeitet. Natürlich muss klar sein, dass man keine unumstößlichen Regeln oder gar feststehende Gesetze formulieren kann. Dennoch kann man sich dem annähern. In Kapitel III dient die Grundwortstellung schließlich dazu, die DP-Analyse abstrakter durchzuführen. Das Wissen, welche Phrasen typische Strukturen aufweisen und welche als Sonderfälle bzw. markierte Stellungen gelten müssen, ist unabdingbar für eine erfolgreiche syntaktische Analyse.6

Neben der Serialisierung werden auch die divergierenden Funktionen, die ein Artikel übernehmen kann, gesammelt, ausgewertet und verglichen. Dies betrifft u.a. Phänomene wie Referenz, Deixis, doppelte Definitheit oder Determiner Spreading. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und Auswertung der Serialisierungsmöglichkeiten, der Merkmale und Funktionen und einer Analyse des Konzepts Artikel, das sich aus obligatorischen und optionalen Merkmalen konstituiert. Die Untersuchung der Belegstellen bildet die Vorarbeit und Grundlage für die syntaktische Analyse in Kapitel III.

II.1 Einfache DPn

Unter einer einfachen DP wird eine Phrase verstanden, die sich aus einem definiten Artikel und einem Substantiv zusammensetzt.1 In einer einfachen DP besteht keine obligatorische Abhängigkeit zu einer übergeordneten Konstituente.2 Im Gegensatz dazu sind Genitivattribute bspw. abhängig von einer regierenden DP. Zudem enthält die einfache DP keine ihr untergeordneten, abhängigen Nominalgruppen. Komplexe DPn besitzen demgegenüber subordinierte Nominalgruppen. Das bedeutet, dass auch diejenigen Phrasen, die zusätzlich zu Artikel und Bezugswort noch ein Pronomen oder attributives Adjektiv enthalten, als einfach gelten.3 In diesem Kapitel werden jedoch nur alle Phrasen aus Artikel und Bezugselement als einfache Phrasen adressiert.

Während in den folgenden Kapiteln hinsichtlich der Belegstellen die verschiedenen Attribute, so auch Relativsätze, miteinbezogen werden, unterbleibt dies bei den einfachen DPn. Einerseits liegen auch ohne die Phrasen mit Relativsätzen ausreichend Daten vor und andererseits verhalten sich die einfachen DPn, die in Relativsätzen verbaut sind, nicht anders als die hier versammelten. Bei den Belegstellen insgesamt ist es gleichgültig, ob die Phrase in Subjekts- oder Objektsposition steht. Des Weiteren können die Substantive sowohl Konkreta, Abstrakta oder Kollelktiva sein. Bei beiden Faktoren konnte kein Einfluss auf die Artikelsetzung nachgewiesen werden.

Die Referenz dagegen ist eine Funktion, die die Setzung eines Artikels hervorruft. Zur Definition des Terminus Referenz wurde bereits im Kapitel I.5 gesagt, dass sie ein sprachlicher Bezug auf außersprachliche Objekte, in der Welt des Sprechers sind, ist. Das Merkmal Definitheit ermöglicht zu referieren. Es „… [dient] der Identifizierung eines Referenten im Kontext …“.4 Der Referent ist in definitem Kontext eindeutig bestimmbar. Speziell der definite Artikel ist mit konkreter Referenz verknüpft, da ihm das Merkmal [+definit] inhärent ist. Es ist davon auszugehen, dass die Referenz einer DP die Artikelsetzung bzw. die Wahl eines Artikels beeinflusst. Im Allgemeinen können Nominalphrasen generell drei Arten von Referenz ausdrücken, i.e. Einzigartigkeit, Spezifität sowie Zählbarkeit. Statt von Spezifität spricht Vangsnes (1999) auch von Diskursanaphorik. Diese referentielle Eigenschaft wird durch den definiten Artikel ausgedrückt, Einzigartigkeit durch Quantifizierer und Zählbarkeit durch Numeralia. Vangsnes (1999) beschreibt die Eigenschaften der Referenz folgendermaßen:

„… When a noun phrase is uniquely referring the speaker assumes that the referent for the noun phrase is identifiable for the listener, and when a noun phrase is specifically referring the speaker has a certain individual in mind. …“5

Der Unterschied zwischen Einzigartigkeit und Spezifität liegt also darin, dass bei Einzigartigkeit zwar ein passender Referent gefunden werden kann, dieser aber nicht definit und somit konkret bestimmbar sein muss; vgl. dt. Alle Zwerge trauern um Schneewittchen. In dem Satz dt. Alle Zwerge trauern um Schneewittchen ist das Subjekt nicht [+definit], weil es nicht durch einen Artikel determiniert wird. Aber durch den Quantifikator dt. alle heben sich die bezeichneten Referenten ab. Spezifität dagegen ist durch Definitheit gekennzeichnet. Über die Spezifität heißt es weiter bei Vangsnes (1999): „… a noun phrase is specific when the speaker assumes that there is a relation between the noun phrase expression and actual entities. …“6 Diese Relation wird durch den definiten Artikel hergestellt. Gleichzeitig kommt dabei die deiktische Funktion eines Determinans zum Tragen, d.h. ein Artikel verweist bzw. zeigt sprachlich in die Richtung seines Denotats. Zur Zählbarkeit schreibt Vangsnes (1999): „… A noun phrase is countable when it denotes a referent which consists of one or more individualized referents, i.e. a set. …“7 Hinsichtlich der DPn aus Artikel und Substantiv in den alten Sprachen kommt nur die Kategorie Numerus in Frage, i.e. Singular, Dual, Plural. Den Dual haben die Untersuchungssprachen nur noch in Resten bewahrt. An den entsprechenden Stellen wird auf diese drei Eigenschaften der Referenz zurückzukommen sein. Doch im Fokus steht die spezifische Referenz, die der Artikel kreiert. Hierbei sind noch zwei andere Klassifizierungen wichtig: die Untergliederung in generische vs. individuelle Referenz und in deiktische vs. anaphorische Referenz. Referiert eine DP generisch, dann bezieht sie sich auf eine Gruppe bzw. steht ein Einzelbegriff für eine Gruppe oder Gattung; vgl. dt. der Löwe ist ein Säugetier.8 Das Substantiv ist also allgemein aufzufassen. In diesem Fall liegt kein durch den Kontext gegebener Diskursreferent vor. Lyons (1999) schreibt, dass die Gliederung generisch vs. nicht-generisch unabhängig von der Definitheit ist, aber mit dieser interagiert. Weiter heißt es: „… Generics are typically definite in form in some languages, but not in others. …“9 Generische Phrasen drücken Allgemeines bzw. Verallgemeinerungen aus. Ferner können zählbare und Massennomina gleichermaßen generische Phrasen erzeugen. Bei individueller Referenz nimmt die Phrase demgegenüber Bezug auf ein Einzelobjekt oder eine Person; vgl. dt. der Löwe hat sich den Magen verdorben. Bei Delsing (1993) findet man schließlich die Unterscheidung zwischen deiktischer und anaphorischer Referenz. Deiktische Referenz liegt vor, wenn der Referent bekannt ist. Anaphorische Referenz bezieht sich auf einen kürzlich genannten Referenten.10 Im Folgenden wird untersucht, ob bzw. inwiefern diese Modi der Referenz in den Untersuchungssprachen zum Ausdruck kommen. Die verschiedenen Klassifizierungen der Referenz haben alle gemeinsam, dass die Referenz stets kontextabhängig ist. Die DPn werden hier (weitgehend) ohne Kontext angegeben, aber für die Ermittlung der Referenz einer Phrase war es natürlich unabdingbar den Kontext zu berücksichtigen.