Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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I.3.2.1 Über das Missale von Buzuku

Das Missale von Gjon Buzuku in altgegischem Dialekt stammt aus dem Jahre 1555. Es ist das erste gedruckte Buch in albanischer Sprache. Ursprünglich bestand das Werk aus 110 Folioblättern. Davon sind 16 verloren gegangen, u.a. das Frontispiz, so dass der genaue Titel heute unbekannt ist. Das erhaltene Werk besteht aus 94 Folioblättern, i.e. 188 Seiten.1 Ferner fehlt die Angabe des Druckorts. In der Forschung wird allgemein angenommen, dass das Missale in Venedig2 hergestellt wurde. Zu diesem Schluss ist man u.a. aufgrund der verwendeten Schrift beim Druck, der norditalienisch-gotischen Rotunda, gekommen. Für das vorliegende Projekt wurde nicht das gesamte Missale konsultiert, sondern nur Folio 9, i.e. 9r und 9v nach der Ausgabe von Ressuli (1958).

Lediglich ein Exemplar des Missales ist erhalten. Das Buch war lange Zeit in Vergessenheit geraten und wurde zufällig 1740 in der Bibliothek „… of the College of the Propaganda Fide …“3 durch den Jesuiten Johannes Nicolevich Casasi4 wieder entdeckt. Heute wird das einzige Exemplar in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt.

Das Werk Buzukus wird nach seinem Inhalt Missale genannt, bzw. auf Albanisch Meshari.5 Daran wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um ein Werk handelt, das der Feder Buzukus entsprungen ist, sondern dass eine Übersetzungsarbeit katholischer Literatur aus dem Lateinischen ins Albanische vorliegt. Einen konkreten Vorlagetext besitzt das Missale jedoch nicht.6 Es ist vielmehr eine Kompilation von Gebeten sowie liturgischen und religiösen Texten aus dem Alten und Neuen Testament, die im Kirchenjahr zentrale Bedeutung haben. Peters (2007) fasst den Inhalt des Missales treffend zusammen:

„… Das liturgische Werk Buzukus ist eine Mischung aus Brevier, Messbuch, Lektionar, Rituale und Katechismus und beginnt zunächst mit Teilen des Stundengebets (Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet), dann folgen die Sieben Bußpsalmen Davids, Heiligenlitaneien des franziskanischen Ritus einige Teile des Rituale (über das hl. Ehesakrament), die Zehn Gebote sowie einige andere Teile des Katechismus und schließlich fast alle Messen, welche während des Kirchenjahres zu feiern sind, sowohl zu den beweglichen als auch zu den unbeweglichen Festtagen. …“7

Das Werk klingt mit einem „persönlichen“ Kommentar von Buzuku aus. Darin erklärt er seine Beweggründe, das Missale anzufertigen, ermahnt den Leser häufiger in die Kirche zu gehen, beschreibt kurz den Arbeitszeitraum an dem Buch und entschuldigt sich für eventuelle Fehler. Durch dieses Postskriptum sind ein paar Informationen über Buzuku auf uns gekommen. Doch insgesamt ist über den Autor nur sehr wenig überliefert. Man weiß, dass Gjon Buzuku ein katholischer Geistlicher war. Wahrscheinlich hat er nicht in Albanien gelebt, sondern in der Region um Venedig. In dieser Gegend sind albanische Flüchtlinge nach der osmanischen Eroberung sesshaft geworden, darunter auch die Sippe Buzukus. Aufgrund seines Dialektes kann es als sicher gelten, dass Buzukus Wurzeln in Nordalbanien, der Heimat des Gegischen, lagen.8

I.3.2.2 Über die Dottrina cristiana von Matrënga

Die Dottrina cristiana, oder auf Albanisch Mbsuame e Krështerë, von Lekë Matrënga aus dem Jahre 1592 ist das erste bekannte Werk im toskischen Dialekt. Gedruckt wurde es in Rom. Es handelt sich hierbei um eine Übersetzung des Katechismus des Jesuiten Jacob Ledesma. Als Vorlage diente eine italienische Version, mit der die Dottrina cristiana verflochten ist. So wechseln sich italienische und albanische Passagen ab. In der vorliegenden Untersuchung wird der italienische Part nicht berücksichtigt, da er gleichen Inhalts wie der albanische Text ist und die vorliegende Untersuchung das Italienische nicht einbezieht. Gemäß der Vorlage ist die Dottrina cristiana als Frage-Antwort-Text gestaltet. Dabei werden Inhalte des christlichen Glaubens dargelegt, verschiedene Gebete vorgetragen und besprochen sowie Dogmen erklärt. Zusätzlich enthält das Buch eine Einleitung in zeitgenössischer italienischer Sprache. Eine Besonderheit der Dottrina cristiana ist, dass sie mit einem kurzen Gedicht, dem Canzone Spirituale, beginnt, der ersten niedergeschriebenen albanischen Lyrik.

Das Werk Matrëngas umfasst 48 Folioblätter. Es sind drei verschiedene Handschriften der Dottrina cristiana erhalten. Man geht sogar davon aus, dass eins dieser Manuskripte die Handschrift Matrëngas selbst ist. Als gedrucktes Buch ist die Dottrina cristiana nur in einem Exemplar erhalten.

Matzinger (2006) informiert über das Buch:

„… Da die gedruckte Ausgabe allerdings sehr fehlerhaft und insgesamt recht mangelhaft war, ist es dieser schlechten Qualität zuzuschreiben, daß der Druck keine große Resonanz gefunden hat. So ist die Dottrina cristiana des Lekë Matrënga in der Folge in Vergessenheit geraten. …“1

Über Matrënga selbst ist ein wenig mehr als über Buzuku bekannt. Matrënga lebte von 1567–1619. Über seinen Geburtsort besteht Ungewissheit. In Frage kommen Piana dei Greci2 oder Monreale, beide Orte liegen in der Provinz Palermo auf Sizilien. Matrënga stammt aus einer toskischen Familie, die vermutlich 1532/33 aus Albanien ausgewandert ist. 1582–1587 studierte Matrënga in Rom am griechischen Kollegium des Heiligen Athanasius und kehrte anschließend nach Sizilien zurück. Die Weihe zum Priester erhielt er vermutlich 1591. Über seine späten Lebensjahre weiß man, dass er in der italoalbanischen Gemeinde in Piana dei Greci als Geistlicher wirkte. Dort starb er auch am 6. Mai 1619 als Erzpriester. Im Unterschied zu Buzuku war Matrënga ein Geistlicher orthodoxen Glaubens.

I.3.3 Zur Hrafnkels saga freysgoða

Der altnordische Text Hrafnkels saga freysgoða1 ist eine fiktive Erzählung, die in das Genre Saga einzuordnen ist. Sie lebt besonders von Rachemotiven, die einen Gerichtsprozess führen. Die Geschichte berichtet, wie es zu diesem kam, aber auch auf welche Weise die Figuren streiten und welches Ende der Konflikt nimmt. Der Rechtsstreit wird beinah demokratisch gelöst, was für die Zeit, in der die Geschichte spielt, durchaus bemerkenswert ist.

Die Hauptprotagonisten der Saga Hrafnkels saga freysgoða sind Hrafnkell und Sámr, wobei Sámr erst etwa in der Mitte der Geschichte auftritt. Zu Beginn der Saga werden Hrafnkell und sein Wohnsitz, der Adelhof, beschrieben. Hrafnkell ist ein wohlhabender und mächtiger Mann, der das Godenamt ausübt, d.h. er erfüllt eine gewisse Schutzfunktion und Gerichtsbarkeit. Ein armer Mann, Þorbjǫrn, schickt seinen ältesten Sohn Einar in den Dienst Hrafnkells, wo er eine Anstellung als Schafhirte erhält. Eines Tages jedoch verschwinden die Schafe. Um sie schneller finden und zurücktreiben zu können, fängt Einar von einer Pferdeherde eins der Tiere ein. Er erwischt den Hengst Freyfaxi, der Hrafnkell gehört und dem Gott Freyr geweiht ist. Hrafnkell hat es jedermann untersagt, ihn zu reiten. Natürlich hofft Einar, dass Hrafnkell nichts bemerkt. Doch Hrafnkell erfährt davon und erschlägt Einar. Der Vater Einars verlangt Vergeltung und fordert ein Rechtsurteil. Þorbjǫrn sucht hinsichtlich des Streits Unterstützung bei seinem Bruder Bjarni und dessen Sohn Sámr, der im Laufe der Geschichte als Gegenspieler Hrafnkells hervortritt. Sámr übernimmt die Klage für Einars Vater. Daraufhin wird ein Thing einberufen und der Prozess zu Gunsten Þorbjǫrns und Sámrs entschieden. Hrafnkell wird als friedlos erklärt und von seinem Hof vertrieben. Stattdessen bezieht Sámr diesen mit seinen Leuten, auch den Hengst Freyfaxi nimmt er in Besitz. Allerdings wird das Pferd getötet, da überhaupt erst der Ritt auf ihm den Streit heraufbeschworen hat. Hrafnkell verlegt seine Wirtschaft und erarbeitet sich erneut Reichtum und Ansehen. Zum Ende der Saga kehrt der Bruder Sámrs, der Seemann Eyvindr, nach Island zurück. Als dieser mit seinen Leuten von der Küste in das Landesinnere reitet, treffen sie mit Hrafnkell und einigen von dessen kampftüchtigen Untergebenen zusammen. Es kommt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, in der Hrafnkell Eyvindr tötet. Anschließend fällt Hrafnkell mit seinen Leuten auch bei Sámr ein, vertreibt ihn vom Adelhof und raubt all seinen Besitz, aber lässt ihn am Leben. Die Geschichte endet damit, wie Hrafnkell seinen Grundbesitz unter sich und seinen Söhnen aufteilt und viel später an einer Krankheit stirbt.

Der Rechtsstreit sowie die anschließende Enteignung und Vertreibung Hrafnkells bilden den längsten Part der Geschichte. Der Totschlag Einars ist die Vorgeschichte, die den Streit heraufbeschwört. Mit dem Tod Eyvindrs kommt es im Verlauf der Erzählung erneut zu einem Konflikt. Das Ende der Saga ist die Rache Hrafnkells. Die Saga kann in die Abschnitte Einleitung, erster Konflikt, erste Rache, beruhigte Phase, erneuter Konflikt, zweite Rache und Ende gegliedert werden. Dies spiegelt das Grundschema wieder, nach dem die Isländersagas aufgebaut sind.

Der Terminus Saga (anord. saga ‚etwas Erzähltes‘) ist von anord. segja ‚sagen, erzählen‘ abgeleitet und bedeutet ‚Mitteilung, Bericht‘. Sagas gehören zur altnordischen Prosaliteratur und sind in schriftlicher Form überliefert. Sie werden in der Forschung in verschiedene Untergruppen eingeteilt, so spricht man beispielsweise von den Königssagas, den Bischofssagas, den Isländersagas, den Vorzeitsagas und anderen.2 Gegenstand der folgenden Darstellung sind ausschließlich die Isländersagas, da die Hrafnkels saga freysgoða zu diesen gehört. Insgesamt sind etwa 40 Geschichten dieser Art überliefert. Die Bezeichnung Isländersaga, bzw. auf Isländisch Íslendinga sögur, leitet sich von der Herkunft der Protagonisten ab, „… die zu den ersten Generationen des isländischen Volkes gehörten, von der Landnahme bis etwa 1030. …“3 Die überlieferten Sagas entstammen der Zeit zwischen der Mitte des 12. Jh. bis ins 14. Jh. Die Autoren sind häufig nicht bekannt. Ebenso ist oft unklar, wann genau und wo die einzelnen Sagas verfasst wurden. Auch hinsichtlich möglicher Quellen können nur Vermutungen angestellt werden. Es ist anzunehmen, dass die Sagas ein Potpourri mündlicher Überlieferungen, älterer Schriften, Genealogien und der Phantasie des jeweiligen Autors darstellen. Eines sind sie jedenfalls nicht: zuverlässige historische Quellen für die Zeit von etwa 930–1030. Die Sagas zeigen vielmehr, welche Vorstellung ihre Verfasser von der Zeit um das 10. Jh. gehabt haben mögen. Thematisch drehen sich die Isländersagas stets um Auseinandersetzungen, Kämpfe, Fehden und Rache. Dabei werden die Charaktere sehr plastisch und lebendig dargestellt. Sie haben sowohl gute wie schlechte Seiten und erleben im Laufe der Erzählung einen Wandel. Baetke (1952) rühmt die Sagaliteratur mit folgenden Worten:

 

„… Diese Literatur erweckt das Interesse des Literaturhistorikers schon deswegen, weil es die einzige künstlerische Prosaliteratur des abendländischen Mittelalters ist mit einem ebenfalls einzigartigen Sprachstil und einer realistischen Darstellungsform, die erst in der Neuzeit ihresgleichen gefunden hat. …“4

Die Hrafnkels saga freysgoða gilt als „… die bedeutendste Isländersaga. …“5 Sie ist um 1300 entstanden. Man geht in der Forschung davon aus, dass es sich um ein fiktives Werk handelt, auch wenn einige Figuren, wie zum Beispiel Hrafnkell, historisch belegt sind.

Die Saga Hrafnkels saga freysgoða ist in verschiedenen Abschriften erhalten. Baetke (1952) bezeichnet sie als A (AM 156, fol.), B (AM 158, fol.), C (AM 433, 4to), D (AM 551 c, 4to) und y. Die Versionen A, B, C und y gehen auf dieselbe Membran zurück, kurz als M bezeichnet. Diese Membran ist ins 15. Jh. zu datieren und „… war bis 1650 vollständig bewahrt. …“6 Heute ist lediglich noch ein Pergamentblatt in AM 162 I, fol. erhalten. Auch die Abschrift y ist verloren gegangen. Doch nach ihrem Vorbild sind die Abschriften B und C angefertigt worden. Die Handschrift A dagegen wurde wohl direkt von M abgeschrieben. Die Version D weicht von den anderen stark ab und es wird in der Forschung angenommen, dass sie anhand der ursprünglichen Version der Saga angefertigt wurde. In dieser Untersuchung wurde mit der Ausgabe von Baetke (1952) gearbeitet. Diese stützt sich großteils auf die Abschrift A der Saga.7

I.3.4 Zur Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos

Das Werk ist, wie das von Xenophon, ein Denkmal antiker Geschichtsschreibung. Die Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos ist bekannt unter dem Titel Patmowtʿiwn Hayocʿ, doch das Vorwort ist mit Agantʿangeɫeay Patmowtʿean, i.e. ‚Geschichte von Agantʿangeɫos‘, überschrieben. Der Autor zeigt hier ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein, indem er sich selbst im Titel nennt. Im Weiteren wird von der Geschichte Armeniens oder von Patmowtʿiwn Hayocʿ gesprochen.

Liest man die Patmowtʿiwn Hayocʿ, erschließen sich die historischen Zusammenhänge nicht augenblicklich. Der Autor setzt viel Weltwissen des Lesers voraus, das ein heutiger Leser nicht mitbringt. Ferner besteht auch in der Forschung nicht immer Einigkeit über die Bestimmung der Jahreszahlen etc. Bspw. ist eine Hauptfigur der Geschichte Armeniens der armenische König Trdat. Über sein Leben ist wenig bekannt.1 Sicher ist, dass König Trdat der erste getaufte armenische König war und im Jahre 330 starb. Im Folgenden wird versucht, zunächst das Werk selbst und anschließend die historischen Hintergründe der Geschichte Armeniens zu erklären, damit der Text von Agantʿangeɫos dem Leser durchsichtiger wird.

I.3.4.1 Über das Werk

Die Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos ist ein umfangreiches Werk. Für die Untersuchung wurden lediglich der Prolog und das erste Kapitel verwendet. Daher wird auch nur deren Inhalt umrissen. Einen knappen Überblick über den Inhalt des gesamten Werks gibt Inglisian (1963):

Der Text besteht „… aus 3 Teilen: Nach einer schwulstigen Einführung a) die Darstellung der polit. Umwälzung in Persien (gewaltsame Machtergreifung des Sassaniden Artaschir und Beginn dieser Dynastie) und in Armenien Flucht des Trdats und Gregors und Rückkehr nach Armenien, Bekenntnis Gregors als Christ und seine daranschliessenden Folterqualen, wie die Verfolgung und das Martyrium der christl. Jungfrauen Hrip’simeank’ (15–133); b) die Lehre Gregors (124–372); c) Bekehrung des Hofes und des ganzen Volkes, feierliche Bischofsweihe Gregors in Cäsarea (Kappadozien) und seine pastorale Tätigkeit (373–474). …“1

Die Geschichte Armeniens beginnt mit einer langen Einleitung. Die Sprache des Prologs ist poetisch und die Konstruktionen sind kompliziert. Thomson (1976) nennt sie „äußerst gewunden“ und weist darauf hin, dass es oft schwierig ist, textnah zu übersetzen.2 Agantʿangeɫos beginnt mit einer Meeres-Metaphorik, die sich durch das gesamte Vorwort zieht. Dabei betont er besonders die gefährliche Schönheit des Ozeans. Der Autor vergleicht sich mit einem Kaufmann, der sich den Bedrohungen des Meeres aussetzt, um kostbare Waren zu erlangen. Agantʿangeɫos aber segelt auf dem „Meer der Weisheit“ sowie dem „Meer der Geschichte“ und trotzt den Klippen, die sich einem Schriftsteller in den Weg stellen. Ohne zunächst den Namen zu nennen, schreibt Agantʿangeɫos, dass er dieses Werk auf die Aufforderung eines Königs hin verfasst hat. Anschließend stellt sich Agantʿangeɫos selbst vor.3 So erfährt man, dass er aus Rom kommt und in Latein, Griechisch und literarischer Dichtung geschult ist. Ebenso nennt und rühmt er in diesem Absatz den König Trdat sowie dessen Geschlecht, die Arsakiden. Daraus kann geschlossen werden, dass er auch zuvor von diesem König Trdat sprach. In der armenischen Geschichte gab es jedoch mehrere Könige dieses Namens. In der Forschung geht man davon aus, dass es sich entweder um Trdat III4 oder Trdat IV handelt.5 Ferner skizziert er in groben Zügen das Leben sowie die Verdienste von Gregor dem Erleuchter6, allerdings auch ohne dessen Namen mitzuteilen. Anschließend betont Agantʿangeɫos, dass er keine Quellen benutzte, da er alles mit eigenen Augen gesehen habe. Die letzten Absätze des Vorworts enthalten einen Ausblick über das, was Agantʿangeɫos in seinem Werk berichten wird. Das Vorwort schließt, wie es begonnen hat, mit einer Meeres-Metaphorik.

Das erste Kapitel ist mit „Leben und Geschichte des Heiligen Gregor“7 überschrieben. Zunächst werden die zeitgenössischen Herrschaftsverhältnisse dargelegt, allerdings die des Iran, was für den heutigen Leser im Text nicht gleich deutlich wird. Man muss wissen, dass zwischen dem iranischen und dem armenischen Königshaus enge Bande bestanden, da beide der Dynastie der parthischen Arsakiden8 entstammen.9 Agantʿangeɫos schreibt, dass die Parther durch die Perser abgesetzt wurden. An ihrer Spitze stand Artashir, der Sohn des Sasan. Dies war zur Zeit des armenischen Königs Khosrov, dem Vater Trdats.

Es wird berichtet, wie König Khosrov eine Armee aufstellt, um gegen die Perser zu ziehen. Die Streitmacht besteht aus Völkern verschiedener Nationen, u.a. Albaner und Georgier. Andere Verwandte des armenischen Königshauses unterwerfen sich der Herrschaft des persischen Königs Artashir. Dem armenischen König gelingt es, die persische Streitmacht zu zerschlagen, so dass der persische König vor ihm flieht. Im folgenden Jahr wird erneut eine Armee versammelt, zu der sich auch weitere Völker gesellen. Die Plünderungen und Kriegstreibereien setzen sich die nächsten 11 Jahre10 fort. Der persische König sucht nach einem Ausweg aus dieser Misere und versammelt die Obersten seines Reiches. Unter diesen befindet sich ein Parther, genannt Anak, der dem Perser Rache verspricht. Der Perserkönig stellt Anak eine Krone und den zweiten Rang in seinem Reich als Belohnung in Aussicht. Anak begibt sich zum armenischen Hof und meuchelt König Khosrov. Nur ein Kind überlebt das Attentat auf das armenische Königshaus, der Sohn Khosrovs, Trdat. Diese Tat Anaks bleibt nicht ungesühnt und er wird samt seiner Familie getötet. Das erste Kapitel endet damit, dass der persische König Artashir Armenien einnimmt und die Grenzen befestigt.

Im Allgemeinen ist es unklar, wann genau die Geschichte Armeniens verfasst wurde. In der Forschung wird das Werk auf die zweite Hälfte des 5. Jh. datiert. Die Ereignisse, die geschildert werden, sind aber im 3. und 4. Jh. anzusiedeln. Daher wird bezweifelt, dass Agantʿangeɫos ein Augenzeuge war, wie er selbst schreibt. Ein Grund für die späte Datierung liegt in der Biographie des heiligen Gregor, denn diese ist der Biographie des Mesrop von Koriwn nachempfunden. Da die Lebensbeschreibung des Mesrop in der Mitte des 5. Jh. niedergeschrieben wurde, kann das Werk von Agantʿangeɫos nicht älter sein. Ferner ist bei Thomson (1976) zu lesen, dass der Name Agantʿangeɫos den armenischen Autoren ungefähr bis zum Ende des 5. Jh. nicht bekannt war.11 Vermutlich wurde das Werk zeitlich so angesiedelt, um den armenischen Volk eine Geschichte zu geben, die die Fakten so darlegt, dass das Volk stolz auf seine Herkunft sein kann.

Ein weiterer, entscheidender Grund, warum das Werk des Agantʿangeɫos nicht zu Lebzeiten des Königs entstanden sein kann, ist folgender: In der Forschung bestehen zwar Unsicherheiten hinsichtlich der Lebensdaten Trdats12, aber seine Konversion wird relativ sicher auf 314 datiert, nach armenischer historischer Tradition auf 301. Das armenische Alphabet wurde jedoch erst zu Beginn des 5. Jh.s entwickelt. Des Weiteren gilt die armenische Fassung als Original und man weiß, dass die Armenier vor der Entwicklung ihres eigenen Alphabets ihre Sprache nicht anhand eines anderen verschriftlicht haben. Thomson (1976) schreibt über das Werk des Agantʿangeɫos in der Einleitung, dass es eine Mischung aus erinnerter Tradition und erfundener Legende ist.

Von der Geschichte Armeniens gab es eine ältere und eine jüngere Version.13 Bewahrt ist lediglich die ältere. Die jüngere Fassung ist zwar verloren gegangen, aber durch Übersetzungen ins Griechische, Syrische, Arabische und Georgischebekannt. Der verlorengegangene Text wird Zyklus V genannt, der erhaltene Zyklus A. Kettenhofen (1995) weist zusätzlich daraufhin, dass van Esbroeck eine weitere Version gefunden hat, „… die sowohl die A- als auch die V-Rezension aneinander anglich; auch ihre armenische Vorlage ist verloren. …“14 Schon in der Antike wurde die Geschichte Armeniens von Agantʿangeɫos vielfach übersetzt.

Laut Thomson (1976) gibt es nur eine komplette Übersetzung in eine moderne Sprache. Es ist eine Übersetzung ins Italienische im Jahre 1843 durch die venezianischen Mechitaristen.15 Mit Thomsons Edition (1976) liegt die erste englische Übersetzung vor. Diese wurde grundlegend für die vorliegende Arbeit genutzt.