Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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II.2.1 Griechisch

Der griechische Artikel nominalisiert Konstituenten. Laut Stock (1981) kann er sogar jedes beliebige Element substantivieren.1 Unter den untersuchten Belegstellen liegen substantivierte Infinitive, Partizipien und Adjektive vor; vgl.

(62) gr. 2.5.20: substantivierter Infinitiv


πρὸς τὸ [ὑμῖν] πολεμεῖν
gegen.Präp. das.Art. ihr.PersPron. kämpfen.Verb
+ Akk. Akk.Sg.n. Dat.Pl.m. Inf.Prs.Akt.
‚gegen den Kampf [gegen] euch‘

(63) gr. 2.2.8: substantiviertes Partizip


κατὰ τὰ παρηγγελμένα
gemäß.Präp. das.Art. anweisen.Verb
+ Akk. Akk.Pl.n. Prt.Perf.MP.Akk.Pl.n.
‚gemäß den Anweisungen‘

Unter den analysierten Daten wurden Adjektive im Positiv sowie im Superlativ nominalisiert; vgl.


(64) gr. 2.3.16: Positiv (65) gr. 2.4.6: Superlativ
οἱ πολλοὶ οἱ πλεῖστοι
der.Art. viel.PronAdj. der.Art. mehr.PronAdj.Superlat.
Nom.Pl.m. Nom.Pl.m. Nom.Pl.m. Nom.Pl.m.
‚die Mehrzahl‘ ‚die Mehrzahl‘

Während substantivierte Adjektive und Partizipien flektieren, tragen substantivierte Infinitive keine Agreement-Markierungen. Die Kennzeichnung der Kongruenz-Merkmale übernimmt nur der Artikel. Abgesehen von dieser Differenz verhalten sich nominalisierte Infinitive wie Substantive und können somit auch jede syntaktische Position einnehmen, die ein Nomen ausfüllen kann. Des Weiteren können substantivierte Elemente durch Modifikatoren spezifiziert werden; vgl.

(66) gr. 2.5.10: attributive Adjektive zu substantiviertem Adjektiv


πρὸς βασιλέα τὸν μέγιστον ἔφεδρον
gegen.Präp. Großkönig.Subst. der.Art. mächtig.Adj.Superlat. gefährlicher Gegner.Adj.
+ Akk. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m.
‚gegen den Großkönig, den mächtigsten Gegner‘

(67) gr. 2.4.3: Genitivattribut zu substantiviertem Infinitiv


διὰ τὸ διεσπάρθαι αὐτοῦ τὸ στράτευμα
wegen.Präp. das.Art. zerstreuen.Verb sein.PersPron. das.Art. Heer.Subst.
+ Akk. Akk.Sg.n. Inf.Perf.MP Gen.Sg.m. Akk.Sg.n. Akk.Sg.n.
‚wegen der Zerstreuung seines Heeres‘

Die Modifikatoren können diskontinuierliche Strukturen kreieren. Dabei tritt eine subordinierte Phrase zwischen den Artikel und das nominalisierte Element; vgl.

(68) gr. 2.3.11


τῶν πρὸς τοῦτο τεταγμένων
der.Art. in Bezug auf.Präp. dieses.DemPron. anordnen.Verb
Gen.Pl.m. + Akk. Akk.Sg.n. Prt.Perf.MP.Gen.Pl.m.
‚der Anordnungen diesbezüglich‘

(69) gr. 2.5.15


τὸ σὲ ἡμῖν ἀπιστεῖν
das.Art. du.PersPron. wir.PersPron. misstrauen.Verb
Akk.Sg.n. Akk.Sg. Dat.Sg.m. Inf.Prs.Akt.
‚dein Misstrauen [gegen] uns‘

Schließlich kann ein substantiviertes Element, wie jede andere DP auch, als Genitivattribut (vgl. (70)) oder als Bezugselement eines Genitivattributs (vgl. (71)) fungieren; vgl.

(70) gr. 2.4.19


νεανίσκος δέ τις τῶν παρόντων
junger Mann.Subst. aber.Part. irgendeiner.IndefPron. der.Art. anwesend sein.Verb
Nom.Sg.m. - Nom.Sg.m. Gen.Pl.m. Prt.Prs.Akt.Gen.Pl.m.
‚irgendein junger Mann der Anwesenden‘

(71) gr. 2.4.26

 

τὸ ἡγούμενον τοῦ στρατεύματος
das.Art. anführen.Verb das.Art. Heer.Subst.
Akk.Sg.n. Prt.Prs.Med.Akk.Sg.n. Gen.Sg.n. Gen.Sg.n.
‚die Spitze des Heeres‘

Wie die Belegstellen demonstrieren, nominalisiert und determiniert der definite Artikel. In der Übersetzung kann dies nicht immer wieder gegeben werden, so muss in Beleg (72) bspw. auf eine Präpositionalkonstruktion ausgewichen werden; vgl.

(72) gr. 2.1.1


τὰ πάντα
das.Art. alle.PronAdj.
Akk.Sg.n. Akk.Sg.n.
‚alle(s)‘

Durch die Kombination mit dem Artikel bezeichnet die Phrase eine Gesamtheit. Im vorliegenden Fall wurde daher die Präpositionalphrase gewählt, alternativ wäre für die Belegstelle auch die Übersetzung ‚das Universum, das Weltall‘ möglich.

Bei Partizipien kann der Artikel generell wirken, d.h. „… er [macht] eine Person oder Sache zum Vertreter einer ganzen Gattung […] …“2; vgl.

(73) gr. 2.3.7


τοῖς ἰοῦσι καὶ ἀπιοῦσιν
der.Art. gehen.Verb und.Konj. zurückkommen.Verb
Dat.Pl.m. Prt.Prs.Akt.Dat.Pl.m. - Prt.Prs.Akt.Dat.Pl.m.
‚alle, die gehen und die zurückkommen‘

Ferner kann ein Artikel für zwei substantivierte Elemente gelten, wenn diese gleichrangig durch eine Koordinationsphrase verknüpft sind, wie (73) illustriert. Beide Konstituenten müssen allerdings in Kasus, Genus und Numerus übereinstimmen. Hinsichtlich der DPn aus Artikel und Substantiv wurde bereits festgestellt, dass ein Artikel wohl eine Koordinationsphrase direkt dominieren bzw. als Komplement selegieren kann. Das ist auch bei substantivierten Köpfen der Fall. Demgegenüber ist in substantivierten Phrasen auch doppelte Determination möglich, vgl.

(74) gr. 2.3.19


σὺν τοῖσδε τοῖς παροῦσι νῦν μετ’ ἐμοῦ
mit.Präp. dieser.DemPron. der.Art. dabei sein.Verb nun.Adv. mit.Präp. ich.PersPron.
+ Dat. Dat.Pl.m. Dat.Pl.m. Prt.Prs.Akt.Dat.Pl.m. - + Gen. Gen.Sg.m.
‚mit diesen, die jetzt mit mir sind‘

In (74) wird das substantivierte Partizip gr. παροῦσι ‚Herbeigekommenen‘ durch einen Artikel und ein Demonstrativum determiniert. In der Regel liegt jedoch nur der definite Artikel vor, der den linken Rand der Phrase markiert.

Abschließend ist festzuhalten, dass sich die substantivierten Elemente hinsichtlich der Serialisierung sowie der Setzung des Artikels wie die zuvor besprochenen Phrasen mit Substantiven verhalten. Auch die Spezifizierung durch Attribute erfolgt auf die gleiche Weise, wie in den folgenden Kapiteln deutlich werden wird. Lediglich die substantivierten Infinitive unterscheiden sich geringfügig, da sie keine Agreement-Merkmale aufweisen. Die Abbildung der Agreement-Merkmale übernimmt lediglich der Artikel.

Als default mode kann allgemein das Muster Art+BW ermittelt werden. Der Artikel bekleidet also grundsätzlich den linken Rand der DP. Konkreter lauten die Muster Art+BWAdj, Art+BWInf und Art+BWPrt. Hier steht die Ursprungskategorie des substantivierten Elements als Index am Symbol für das Bezugswort.3 Die genannten Muster können durch Modifikatoren erweitert werden. Doch da sie sich diesbezüglich wie ganz normale Köpfe der DP verhalten, wird diese Analyse der Phrasen mit Attributen etc. durch die folgenden Kapitel geleistet.

II.2.2 Albanisch

Das Albanische weist substantivierte Partizipien und substantivierte Adjektive auf. In vielen Fällen sind die Nominalisierungen lexikalisiert. Zudem besitzt das Albanische „… eine große Anzahl von nominalen Elementen, die in ihrer Funktion variabel und hinsichtlich der Wortklassenzuordnung bivalent sind – sie können als Substantiv oder als Adjektiv verwendet werden. …“1 Daneben gibt es substantivierte Formen, die noch nicht ins Lexikon aufgenommen wurden. Ein Agreement-Marker vor dem jeweiligen Element zeigt an, dass eine Derivation vorliegt; vgl.

(75) alb. BUZ Kap2/fol9.65–66


[të ëngushulluom] ëm t’enë zot
AgrM trösten.Verb in.Präp. AgrM-unser.PossPron. Herr.Subst.
Akk.Sg.n. Prt.Perf. + Akk. Akk.Sg.m. -
‚der Trost in unserem Herrn‘

Das Partizip alb. të ëngushulluom ist durch das Suffix alb. -m von alb. ëngushëllonj ‚trösten, ermutigen‘ abgeleitet. Demiraj (1993) schreibt, dass „… [d]ie Partizipialformen auf -m […] nur noch in den Partizipialadjektiven erhalten [sind] …“2 und in der Regel mit einem Agreement-Marker stehen. Dieser markiert die Merkmale Kasus, Numerus und Genus, denn das Partizip selbst flektiert nicht. Auch bei substantivierten Artikel-Adjektiven flektiert nur der Marker. Ist ein enklitischer Artikel vorhanden, flektiert dieser ebenfalls; vgl.

(76) alb. BUZ Kap4/fol9v.71–72


[të madh-të] [e
AgrM groß.Adj.-die.Art. AgrM sein.PossPron.
Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. -
‚seine Größe‘

Der Agreement-Marker übernimmt keine substantivierende Funktion. Das Albanische kann Adjektive oder Partizipien ohne Anfügung eines Suffixes etc. substantivisch verwenden. Adjektive werden syntaktisch unabhängig, wenn sie substantiviert sind. Ein Adjektiv verfügt per definitionem über Kongruenz-Merkmale, so dass es, wenn es nominalisiert ist, wie ein Substantiv behandelt wird ohne Veränderung der Morphologie. Laut Buchholz/Fiedler (1987) werden bevorzugt „… Artikel-Adjektive und Komposita, deren letztes Element ein ursprüngliches Artikel-Adjektiv ist, substantiviert. …“4 Hier wird jedoch angenommen, dass nur der Eindruck entsteht, da der Agreement-Marker einen Wortartwechsel anzeigt. In anderen Worten: der Marker kennzeichnet, dass es sich bei den betreffenden Elementen um nominale Kategorien handelt.

Bei Buzuku variiert der Agreement-Marker in wenigen Fällen phonologisch. So kommt alb. t’- neben alb. d’- vor; vgl.

(77) alb. BUZ Kap1/fol9.59


për [të lutuni-t] [të saj]
für.Präp. AgrM Gebet.Subst.-das.Art. AgrM ihr.PossPron.
+ Dat. Dat.Sg.n. Dat.Sg.n. Dat.Sg.n. -
‚für ihr Gebet‘

(78) alb. BUZ Kap2/fol9.69

 

Defendo populli-në t’and, zot: qi ai ëndë
beschützen.Verb Volk.Subst.-das.Art. AgrM-dein.PossPron. Herr. Subst. das.RelPron. jener.DemPron. in.Präp.
Imp. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. - Nom.Sg.m. + Präpos.


Apostoje-t Pjetre-t e Pali-t:
AgrM-Gebet.Subst.-das.Art. AgrMGen Apostel.Subst.-der.Art. Petrus.EN-der.Art. und.Konj. Paulus.EN-der.Art.
Präpos.Sg.m. Präpos.Sg.m. Gen.Pl.m. Gen.Sg.m. - Gen.Sg.m.


e [të tjerëve-t] Apostoje:
und.Konj. AgrM andere.PronAdj-der.Art. Apostel.Subst.
- Gen.Pl.m. Gen.Pl.m. Gen.Pl.m.
‚beschütze dein Volk, Herr, das jenes [ist] in dem Gebet der Apostel Petrus und Paulus; und der anderen Apostel‘

In (77) erscheint alb. të lutuni-t ‚Gebet‘ mit Agreement-Marker, während in (78) d’lutuni-t ‚Gebet‘ statt alb. ein proklitisches alb. d’- auftritt. Sowohl alb. d’lutuni-t als auch alb. të lutuni-t ist eine Ableitung von der Verbalwurzel alb. lus ‚beten‘. Eine Reduzierung des Vokals alb. -ë- kommt normalerweise in Kombination mit Liquidae vor. Vermutlich wurde dieser Mechanismus hier übertragen. Ferner kennt das Albanische im Auslaut die Varianz zwischen -t und -d bspw. in alb. përind vs. përint ‚Vater‘. Beide Laute sind phonologisch nicht weit von einander entfernt. Daher ist der Wechsel von t- zu d- im Anlaut nicht verwunderlich. Da das Albanische kein eigenes Alphabet besitzt, d.h. über kein Alphabet verfügt, dass die Phoneme exakt erfasst, findet man immer wieder lautliche Varianzen. Besonders in den frühen albanischen Texten, i.e. bei Buzuku und Matrënga, kommen immer wieder phonologische Differenzen vor.6

Die substantivierten Elemente können sowohl in definitem als auch in indefinitem Kontext vorkommen. Der Agreement-Marker steht in beiden Fällen; vgl.

(79) alb. BUZ Kap 4/fol9v.38–39, BUZ Kap4/fol9v.75–76: indefinites substantiviertes Adjektiv


për [të vërtetë]
in.Präp. AgrM wahr.Adj.
+ Akk. Akk.Sg.m. -

(80) alb. BUZ Kap4/fol9v.36: definites substantiviertes Adjektiv


fortë-të
AgrM beständig/standhaft.Adj.-das.Art.
Nom.Pl.m. Nom.Pl.m.
‚die Beständigen/Standhaften‘

Definitheit wird auch bei den substantivierten Elementen durch den enklitischen Artikel markiert. Indefinitheit kann demgegenüber durch das Kardinale alb. një ‚ein‘ reflektiert werden. Hierfür lag allerdings kein Beleg vor.

Insgesamt kommen als Serialisierungsmuster BWAdj-Art und BWPrt-Art vor. Der freistehende Artikel konnte als Definitheitsmarker bei den substantivierten Elementen nicht nachgewiesen werden. In allen Belegen wurde dagegen der Agreement-Marker festgestellt. Es ist zu resümieren, dass weder der enklitische oder der freistehende Artikel noch der Agreement-Marker der Substantivierung dienen. Der Agreement-Marker kennzeichnet die substantivierte Konstituente als [+nominal]. Des Weiteren ist er ein Bestandteil der syntaktischen Einheit, i.e. des Lexems. Daher wird er in den Wortstellungsmustern nicht separat aufgeführt.