Wie kann man grandiose Arbeit leisten, ohne ein Arschloch zu sein?

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KREATIVE PROJEKTE SIND LANGFRISTIGER ANGELEGT DENN JE

Da die Marketingbudgets der Kundenunternehmen zunehmend in längerfristige digitale Projekte fließen, muss sich auch die Kreativbranche auf tragfähige, personell nachhaltige Modelle einrichten, weg vom traditionellen »Verheizen« der Mitarbeiter. Anders als die Erstellung von TV-Spots oder Marketingkampagnen kann der Aufbau digitaler Produkte statt Wochen Monate oder sogar Jahre dauern. Das erfordert eine völlig andere konzeptionelle Art des Denkens als die schnelle, aggressive Herangehensweise traditioneller Agenturen.

NETT SEIN ZAHLT SICH AUS

Aber lassen Sie uns an dieser Stelle doch auch mal eine Sache klarstellen. Tolle Ergebnisse bedeuten immer harte Arbeit – da gibt es keine Abkürzung. Kein Arbeiten »from nine to five«, kein ständiges Facebooksurfen, keine gemütlichen zweistündigen Mittagspausen. Das kann auch gelegentlich nächtliche Überstunden bedeuten, die den Unterschied zwischen »gut« und »großartig« ausmachen, oder spontan Wochenenden kosten, an denen kurz vor Abgabe eines langen Projekts durchgearbeitet werden muss. Aber so ungesunde Arbeitspraktiken sollten immer die Ausnahme sein, nicht die Regel. Eine Deadline ist niemals eine Entschuldigung für den Mangel an Respekt vor dem persönlichen Leben der Menschen. Und auch keine Entschuldigung dafür, dass man ein Ego von der Größe des Planeten Mars hat.

Es ist doch so: In erster Linie arbeiten Sie in der Kreativbranche. Sie sind nicht als Künstler, sondern in einem kommerziellen Beruf unterwegs.

Klar, die Arbeit macht Spaß und ist sinnvoll, aber trotzdem nichts, für das man sein Leben opfern sollte.

Ich hatte in meiner Karriere das große Glück, in einigen tollen Unternehmen mit fantastischen Arbeitsbedingungen arbeiten zu dürfen – die bis heute tolle Arbeit leisten! Glauben Sie mir, die richtige Balance zu finden, ist schwierig und erfordert auf allen Seiten viel Anstrengung. Allerdings ist der Aufbau einer positiven Firmenkultur schon längst kein optionales »Nice to Have« mehr. Es ist – ich fasse das hier gern noch einmal zusammen – ganz einfach so: Wenn Sie ein Arschloch sind, werden Ihre besten Leute Sie verlassen. Verschwinden Ihre besten Leute, leidet die Arbeit. Und wenn das passiert, bleiben auch die Kunden nicht mehr lange.

GROSSARTIGE ERGEBNISSE BEDEUTEN IMMER HARTE ARBEIT – DA GIBT ES KEINE ABKÜRZUNG.

BIN ICH EIN ARSCHLOCH?



EGOS

Mit wenigen Ausnahmen entsprechen Kreative meistens einer dieser beiden Kategorien: »zutiefst unsicher« oder »egoman«. Die Vertreter der ersten Kategorie leben in ständigem Selbstzweifel und brauchen immer eine Bestätigung. Tatsächlich sind diese Kreativen in der Regel die besten Mitarbeiter einer Agentur, da sie sich ständig um Verbesserung bemühen. Leider kann man sie wegen ihres verzweifelten Bedarfs an Bestätigung so leicht manipulieren, dass sie von der anderen Gruppe Kreativer, den »Egomanen«, schnell auszunutzen sind. Und um diese zweite Kategorie soll es in diesem Kapitel gehen.

Es mag eine tiefere unbewusste Verbindung zwischen diesen beiden Typen von Kreativen geben, aber da ich keine psychologische Ausbildung habe, formuliere ich es einfach mal so: Egos haben in der Kreativbranche keinen Platz. Das Eliminieren ihrer Verhaltensweisen (bzw. notfalls auch die Auflösung ihrer Arbeitsverträge) führt schnell für alle zu einer besseren Arbeitsumgebung mit autonomeren und profitableren Teams sowie – was am wichtigsten ist – einer besseren Arbeit.

DEN EGOMANEN VERSTEHEN LERNEN

Um zu verstehen, warum Egomanen keinen Platz in der Kreativbranche haben sollten, lassen Sie uns einen detaillierteren Blick auf diesen Typus werfen. Sie sind meistens (wenn auch nicht immer) Teil der Kreativabteilung und tragen häufig einen höheren Titel. Egomanen sind zutiefst davon überzeugt, dass sie, und zwar sie ganz allein, verantwortlich für den Erfolg der Agentur sind, die das große Glück hat, von ihnen mit ihrer Anwesenheit beehrt zu werden. Ein Egomane versteht sich als eine Art moderner Messias, und er hat immer recht. Alle Ideen für ein Projekt müssen von ihm kommen; die Ideen anderer werden selten berücksichtigt – es sei denn, man kann das Lob dafür einheimsen.

Egomanen zeigen einen eklatanten Mangel an Respekt vor der Zeit und der Persönlichkeit anderer Menschen. Kurz gesagt, die Daseinsberechtigung anderer besteht aus ihrer Sicht einzig und allein darin, Stück für Stück ihren persönlichen Erfolg aufzubauen. Kreativdirektoren stehen bei dieser Kategorie an erster Stelle. Aber um fair zu bleiben: Vielleicht ist das nicht ganz allein ihre Schuld. In großen Agenturen werden die Kreativdirektoren von den untergeordneten Account-Teams auf einen sehr hohen Sockel gestellt und den Kunden nicht selten als eine Art mystischer Kreativ-Gott präsentiert. In einem gewissen Maß würde diese Art der Idealisierung auf jeden abfärben. Doch während es durchaus erfolgversprechend sein kann, vor den Kunden den Kreativ-Gott zu geben, ist es eine ganz andere Sache, auch intern zu glauben (oder so zu tun), man sei einer.

ES IST DAS EINE, VOR DEM KUNDEN DEN KREATIV-GOTT ZU GEBEN, UND ETWAS GANZ ANDERES, AUCH INTERN ZU GLAUBEN, MAN SEI EINER.

Einer der denkwürdigsten Kreativ-Götter, denen ich je begegnet bin, war ein Vertreter der alten Schule – nennen wir ihn an dieser Stelle Willy Wunderwinkel – dessen Lieblingsbeschäftigung darin bestand, Projekte mit Terminen zu akquirieren, die für sein Team einfach nicht zu leisten waren. Wenn ihm das mal wieder gelang, sprang Willy begeistert in den Projektraum, um das Team über seinen aufregenden neuen Pitch zu informieren, was zu einem kollektiven internen Stöhnen führte, da wir schon ahnten, dass die nächsten Tage wenig bis gar keinen Schlaf bringen würden.

Willy selbst verschwand dann für die nächsten fünf Tage. Er war weder an seinem Schreibtisch noch im Konferenzraum oder sonst irgendwo in der Agentur zu finden. Er beantwortete keine Mails oder SMS’ von unserem Team, mit denen wir ihn, je näher der Termin rückte, umso häufiger und verzweifelter um Feedback baten. Dann, ganz plötzlich, nämlich am Tag der Deadline, tauchte Willy wieder in der Agentur auf und informierte uns in seinem üblichen blasierten Ton darüber, dass er, ohne uns das zu sagen, parallel ein zweites Team an das Projekt gesetzt und sich nun entschieden habe, deren Entwürfe statt unsere zu präsentieren.

Wie viele andere Charaktere in diesem Buch ist auch Willy noch höchst aktiv. Er wurde nie gefeuert – oder von dem Team junger Designer, das unter ihm arbeiten muss, verprügelt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er seit unserem letzten Zusammentreffen ein paar Mal befördert wurde.

EGO & MANIE: WER BIN ICH?


IM KOPF DES EGOMANEN


EGOMANEN SIND SCHLECHT FÜRS GESCHÄFT

Liebe Kreativdirektoren – und natürlich auch alle anderen: Lassen Sie Ihre Egos zu Hause oder auf der Bühne des Konferenzsaals. Egomanen haben an einem kreativen Arbeitsplatz nichts verloren. Sie ersticken die Wachstumsprozesse eines Teams, beeinträchtigen die Qualität der Arbeit und kosten die Agentur nicht zuletzt auch noch eine Menge Geld.

EGOMANEN ERSTICKEN DIE KREATIVITÄT DES TEAMS

Einer der schlimmsten Aspekte egomaner Charaktere ist ihr zwanghaftes Misstrauen. Ständig müssen sie alles selbst managen; erfolgreiches Delegieren kennen sie nicht. Sie sind absolut davon überzeugt, dass sie die einzigen sind, die alle Aufgaben richtig erfüllen können.

Ich habe leitende Kreativdirektoren mit gigantischen Gehältern darauf bestehen sehen, kleinste Details einer Kampagne noch einmal selbst zu kontrollieren. Ja, diese Liebe zum Detail ist wichtig in unserem Beruf – aber das ist Wahnsinn. Ein solches Mikromanagement verhindert, dass Teams eigene Entscheidungen treffen oder Mitarbeiter als Individuen wachsen können.

EGOMANEN KOSTEN DIE AGENTUR BARES GELD

Indem sie konsequent als Nadelöhr im kreativen Prozess agieren, boykottieren Egomanen Budgets und Zeitpläne. Sie geben nicht rechtzeitig Feedback, ignorieren die Nöte der Producer und sind fest der Überzeugung, dass die Verwirklichung ihrer »künstlerischen Vision« viel wichtiger sei als die Einhaltung so profaner Vorgaben wie die des Budgets oder der Machbarkeit.

EGOMANEN SCHEREN SICH NICHT UM BUDGETVORGABEN UND TERMINPLÄNE.

EGOMANEN VERTREIBEN IHRE BESTEN LEUTE

Ein Egozentriker wird das Rampenlicht nicht gern mit anderen teilen. Er reißt die besten Aufgaben an sich und überlässt die weniger interessanten Dinge den anderen. Egomanen fördern auch nur ungern junge Talente – lieber lassen sie die in ihrem Schatten stehen, um sich ungestört mit den eigenen kreativen Visionen exponieren zu können. Es ist daher eine Frage der Zeit, wann Ihr ambitionierter Nachwuchs sich eine neue Stelle sucht, um auch selbst mal glänzen zu können.

 

KEINE (EGO-)MACHT FÜR NIEMAND!

Sie möchten ein egofreies Arbeitsumfeld schaffen? Das wird nicht leicht. Die Kreativbranche ist gespickt mit psychisch auffälligen Cholerikern, zwanghaften Selbstzweiflern, Schlaflosen und einer ganzen Reihe anderer exzentrischer Persönlichkeitstypen, die nur selten logisch oder vernünftig denken. Aber auch kreative Arbeitsplätze sind Teil eines kommerziellen Betriebs. Hier ist kein Platz für Künstler; hier sollten nur Profis arbeiten, die sich auch wie Erwachsene benehmen können. Das sind die beiden wichtigsten Maßnahmen, mit denen jeder, der sich in einer kreativen Führungsposition befindet, das Egomanie-Niveau in seinem individuellen Arbeitsumfeld effektiv senken kann:

LASSEN SIE DIE LEUTE IHREN VERDAMMTEN JOB MACHEN

Lassen Sie das mit dem Mikromanagement. Vertrauen Sie Ihrem Team und lassen Sie es seine Arbeit tun. Sollte es einen triftigen Grund geben, an Ihrem Team zu zweifeln, feuern Sie es. Wie hat Steve Jobs mal gesagt? »Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie tun sollen; wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen können, was wir tun sollen.« Im Gegensatz dazu behauptete Donald J. Trump 2007 mal in einem Interview, er halte es für einen »Fehler«, Leute einzustellen, die klüger seien als man selbst2. (Wenn das kein abschreckendes Beispiel für Sie ist, weiß ich auch nicht, was ich dazu noch sagen soll …)

EHRE, WEM EHRE GEBÜHRT

Sonnen Sie sich nie im Erfolg der Arbeit anderer! Auch das können Kreativdirektoren ziemlich gut, vor allem in großen Kundenpräsentationen. Geben Sie eine Anerkennung immer gleich an die richtige Adresse weiter. Seien Sie demütig und korrekt, wenn Ihnen die Bemühungen anderer zu Unrecht zugeschrieben werden. Bestehen Sie freundlich und loyal darauf, dass das an Ihr Team gerichtet sein muss. Sie als Führungskraft brauchen keinen falschen Lorbeer – Ihr Job ist es, Ihr qualifiziertes Team zu vergrößern, nicht Ihr Ego.

IHR JOB IST ES, IHR TEAM GROSS ZU MACHEN, NICHT IHR EGO.

So hatte ich als Jungdesigner das große Glück, mit einem Kreativdirektor zusammenzuarbeiten, der immer und überall die Teamarbeit hervorhob. Wenn er Kunden etwas präsentierte, schloss er grundsätzlich eine Team-Folie ein, in der – vom Praktikanten bis zum Senior – alle aufgelistet waren, die an dem Projekt mitgearbeitet hatten. In meiner damaligen Rolle als Junior, in der man meist kaum Anerkennung von Kundenseite erfährt, bedeutete mir das unglaublich viel.

WANN MAN (S)EIN EGO BRAUCHT

Verstehen Sie mich nicht falsch: Menschen mit überlebensgroßen Persönlichkeiten haben als Identifikationsfiguren eine ganz entscheidende Funktion – als interne Vorbilder, für die externe Markenbildung und um einer Kreativagentur ein Gesicht zu geben. Die größten Namen in Design und Werbung – Stefan Sagmeister, Erik Spiekermann und Bob Greenberg, um nur einige zu nennen – haben ihre Geschäfte um ihre grandiose öffentliche Erscheinung herum aufgebaut, gestützt durch ihre großartige Arbeit. Eine charismatische Persönlichkeit gibt der Agentur ein Gesicht und eine Stimme – sie definiert die Agentur als eine eigene Marke. Natürlich muss eine solche »Persona« in ihrer Rolle auffällig, kontrovers und manchmal auch anstößig sein dürfen. Aber: In der Öffentlichkeit eine »große Persönlichkeit« entfalten zu können, ist etwas ganz anderes, als in der täglichen Arbeit mit dem Team ständig sein Ego heraushängen zu lassen.

In Berlin arbeitete ich mehrere Jahre mit Erik Spiekermann zusammen. Er hat diese überlebensgroße Persönlichkeit, immer die lauteste Stimme im Raum, spricht unverblümt in Interviews oder auf Konferenzen. Er hat nie Angst, kontroverse Standpunkte zu beziehen. Aber wenn er mit seinem Team wieder zurück in der Agentur ist, gehört er zu den respektvollsten Kreativdirektoren, die ich kenne. Er ermutigt andere, wo er nur kann, und er achtet dabei besonders auf die Nachwuchskräfte, kennt ihre Namen und fördert sie konsequent. Er zollt immer an der richtigen Stelle Anerkennung und korrigiert öffentlich, wenn ihm Leistungen zugeschrieben werden, die in Wirklichkeit andere erbracht haben. Wenn einer der größten Namen der Designlandschaft dies seit über 40 Jahren erfolgreich schafft, glauben Sie nicht, dass auch Ihr Ego da mal in den Hintergrund treten kann?

IN DER ÖFFENTLICHEN ERSCHEINUNG EIN GROSSES EGO ZU PERSONALISIEREN IST ETWAS GANZ ANDERES, ALS STÄNDIG INTERN SEIN EGO HERAUSHÄNGEN ZU LASSEN.


MEETINGS

Zum Thema Meetings verrate ich Ihnen jetzt mal ein kleines Geheimnis: Nur richtige Arschlöcher lieben sie. Jeder normale Mensch hasst sie. Meiner Erfahrung nach sind sogar die meisten projektbezogenen Meetings völlig überflüssig.

Solche überflüssigen Meetings vergeuden nur Zeit. Die meisten Themen könnten viel effektiver über einen schnellen IM-Austausch oder einen persönlichen Chat verhandelt werden. Interne Meetings stellen für den Kunden Kosten dar, die besser in die Arbeit selbst fließen sollten. Am allerschlimmsten sind schlecht vorbereitete Meetings! Ein Treffen ohne klaren Zweck und konkrete nächste Schritte stiftet Chaos und schickt Kreative konzeptionell tagelang in die Wüste. Kurz gesagt: Jedes Projekt, jede Agentur und jedes Team wird mit so wenigen und so kurzen zielgerichteten Meetings wie möglich effizienter und besser arbeiten. Wenn es um Meetings geht, sollten Sie effizient denken wie ein Nordeuropäer, dann können Sie eigentlich nichts falsch machen.

ARSCHLÖCHER UND MEETINGS

Egomanen lieben Zusammenkünfte aller Art. Je redundanter das Treffen, desto besser! Meetings liefern ihnen ein williges Publikum für ihre Monologe. Sie können wichtigtuerisch am Kopf des Konferenzraums stehen, nichtssagende verschnörkelte Linien auf ein Whiteboard zeichnen, selbstverliebt daran herumgestikulieren, so tun, als würden sie auf die Ideen anderer hören und sich dann »ganz spontan« für die eigenen quasi göttlichen Eingebungen begeistern. Herrlich! Für einen Egomanen ist ein solches überflüssiges Meeting wie Weihnachten für einen Sechsjährigen.

FÜR DEN EGOMANEN IST EIN MEETING WIE WEIHNACHTEN FÜR EINEN SECHSJÄHRIGEN.

Jahrelang habe ich in meiner Arbeit für Kreativagenturen immer wieder Menschen getroffen, für die es nichts Schöneres gab. Ein besonders schwerer Fall – nennen wir ihn Cyril Crumplehorn – war ein noch keine 30 Jahre alter Projektmanager mit einer unglaublich nervigen Stimme. Als ich ihn zum ersten Mal traf, leitete er ein relativ unwichtiges B-Listen-Projekt, in das ich leider auch involviert war.

Cyril war ein ungeheuer egozentrischer Charakter. Wie ein Hurrikan fegte er durch die Räume und war nicht zufrieden, bis er im Umkreis von zehn Meilen alles aufgewirbelt hatte. Er war genau die Sorte Mensch, über die Comedyserien wie »Das Büro« gemacht werden. Und Cyril liebte offenbar eines ganz besonders: den Klang seiner eigenen Stimme.

Eine von Cyrils kleinen Alltagsfreuden bestand darin, unter einer vagen Überschrift wie »Update« oder »Projektstatus« ellenlange Meetings mit dem gesamten Team einzuberufen. In besonders zeitintensiven Projekten erhöhte Cyril die Häufigkeit dieser Meetings auf zweimal täglich: Auf das »Morning Update« folgte unweigerlich ein »Afternoon Update«. Für das gesamte Team war die Teilnahme an diesen Meetings obligatorisch – Cyril wollte genau wissen, was seit dem letzten Update zwei Stunden zuvor so alles geschehen war. Und zudem wollte er auch das zweite Meeting wieder für sein Ego nutzen: um seine Ansichten darüber mitzuteilen, warum ihm eine Schriftfarbe nicht gefiel oder was er über die neueste Folge der TV-Serie» Keeping Up with the Kardashians« dachte.

Cyril bezog immer die größtmögliche Anzahl von Personen in das Meeting ein. Warum sollte er sich sonst die Mühe machen, es anzusetzen? Eingeladen wurde nicht nur das direkte Projektteam, sondern auch diverse andere Agenturmitarbeiter, Kollegen aus anderen Projekten und aus dem Management. Ja, dachte ich da für mich – warum nicht, zum Teufel: Bring ruhig auch noch deine Kinder mit!

Wieviel Arbeitszeit da in einem Raum blockiert wurde!

Jedes Mal verließen alle Anwesenden kopfschüttelnd das Meeting und fragten sich: »Was war das jetzt wieder?«

Das ging so weit, dass Cyril eines Tages mal wieder eines seiner besonders intensiven, mehr als zweistündigen Meetings abhielt und so ambitioniert bei der Sache war, dass er gar nicht bemerkte, wie nach und nach das gesamte Projektteam den Raum verließ. Die einzige Person, die noch da war und wie gebannt an seinen Lippen hing, war sein Assistent.

Ich habe seit dieser Zeit mit vielen Cyrils zusammengearbeitet, doch er wird für mich immer »der Erste« bleiben; auch rückblickend kann ich mich über seine Egomanie nur amüsieren.

Beim Thema Meetings gibt es allerdings auch kulturelle Unterschiede. So mögen Amerikaner Meetings viel mehr als Nordeuropäer. Die Amis lieben es, in Gruppen zu diskutieren, Ideen zu sammeln und gemeinsam neue Ansätze zu entwickeln. Die Deutschen halten dagegen viel weniger davon, weil ihnen die Effizienz sehr viel wichtiger ist.

Das Problem so exzessiver wie ineffizienter Meetings in unserer Branche ist, dass kreative Menschen leicht ablenkbar sind. Wir lieben es, zu diskutieren, zu improvisieren, zu brainstormen – und dann erneut zu diskutieren. Wir gieren nach Bestätigung von anderen.

Stellen Sie ein Grüppchen Kreativer ohne Ziel oder Programm zu einem Meeting zusammen – und seien Sie versichert: Sie werden keinen Schritt weiterkommen. Aber wenn die Zeit in nutzlosen Meetings verbrannt wird, müssen die Leute viel länger als eigentlich nötig arbeiten, um ihre Sachen zu erledigen.

Ein positives Gegenbeispiel ist mein deutscher Geschäftspartner, mit dem ich mehrere Jahre lang eine Kreativagentur leitete. Er war ein wahrer Meister der Effizienz, und es war vor allem seiner Hingabe an eine intelligente Arbeitspraxis zu verdanken, dass unsere Mitarbeiter jeden Tag pünktlich gehen konnten. Sein persönliches Lieblingsärgernis waren unsinnige Meetings. Ich sah ihn immer wieder Leute »grillen«, wenn sie spontane, unvorbereitete Meetings einrichteten, die unsere Zeit verschwendeten. Seit damals weiß ich, dass es sich nicht empfiehlt, sich in solchen Angelegenheiten mit einem Deutschen anzulegen …


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